3.7
(3)
Es war einmal ein König und eine Königin. Der König hatte aus erster Ehe eine Tochter, Anne, und die Königin eine namens Kate, aber Anne war viel schöner, als die Tochter der Königin, doch liebten die Beiden einander wie wirkliche Schwestern. Die Königin war eifersüchtig darauf, dass die Tochter des Königs schöner war, als ihre eigene, und sann darüber nach, wie sie ihre Schönheit verderben könnte. Sie berieth sich mit der Hühnerfrau, und die sagte, sie möge ihr das Mädchen am folgenden Morgen schicken, aber bevor sie etwas gegessen hätte.
Früh am folgenden Morgen sagte die Königin zu Anne: »Geh‘, liebes Kind, zur Hühnerfrau und bringe mir einige Eier.«
Anne gieng, aber als sie durch die Küche kam, sah sie eine Brotkruste liegen, die nahm sie mit und knusperte unterwegs daran.
Als sie zur Hühnerfrau kam, bat sie sie um Eier, wie ihr geheißen ward; die Hühnerfrau sagte ihr: »Hebe den Deckel von jenem Topfe auf und schau‘ hinein.« Das Mädchen that es, aber es ereignete sich nichts.
»Geh‘ nach Hause zu Deiner Mutter und sag‘ ihr, sie möge die Thür zur Speisekammer besser schließen,« sagte die Hühnerfrau.
Anne gieng nach Hause und bestellte der Königin, was ihr die Hühnerfrau aufgetragen hatte. Daraus ersah die Königin, dass das Mädchen, bevor es zur Hühnerfrau kam, etwas gegessen haben müsse; sie gab also am folgenden Morgen acht und schickte sie fort, ohne daß sie einen Bissen genossen hatte. Aber die Prinzessin sah unterwegs einige Landleute Erbsen abpflücken, und da sie sehr freundlich war, sprach sie zu den Leuten und nahm eine Hand voll Erbsen, die sie unterwegs aß.
Als sie zur Hühnerfrau kam, sagte diese: »Hebe den Deckel von jenem Topf auf und schau‘ hinein.« Wieder hob Anne den Deckel auf, aber es ereignete sich nichts.
Da wurde die Hühnerfrau sehr böse und sagte: »Sag‘ Deiner Mutter, ohne Feuer siedet kein Topf.«
Anne ging heim und sagte es der Königin.
Am folgenden Tage begleitete die Königin das Mädchen zur Hühnerfrau. Als Anne diesmal den Deckel vom Topf abhob, fiel ihr hübscher Kopf ab, und statt dessen saß der Kopf eines Schafes auf ihren Schultern. Die Königin war nun zufrieden und gieng nach Hause.
Ihre Tochter Kate aber nahm ein feines Linnentuch und hüllte den Kopf ihrer Schwester darein, dann ergriff sie ihre Hand, und sie giengen zusammen fort, um ihr Glück zu suchen. Sie wanderten weiter und immer weiter, bis sie zu einem Schlosse kamen. Kate klopfte an und bat um ein Nachtlager für sich und eine kranke Schwester. Sie traten ein und sahen, dass sie sich in einem königlichen Schlosse befanden. Der König hatte zwei Söhne, von denen der eine todtkrank war, aber Keiner wusste, was ihm fehlte.
Seltsam war, dass, wer immer eine Nacht bei ihm wachte, für immer verschwand. So bot denn der König jedem, der bei ihm aufbleiben wollte, eine Metze Silber an. Kate war ein sehr tapferes Mädchen, sie erbot sich also, bei ihm zu wachen.
Bis Mitternacht gieng alles gut. Als die Uhr zwölf schlug, da stand der kranke Prinz auf, kleidete sich an und schlüpfte die Treppe hinunter. Kate folgte ihm, aber er schien sie nicht zu bemerken. Er gieng in den Stall, sattelte sein Pferd, rief seinen Jagdhund und sprang in den Sattel; Kate saß hinter ihm auf. So ritten die Beiden durch den grünen Wald, und Kate pflückte im Vorbeireiten Nüsse von den Bäumen und that sie in ihre Schürze. Sie ritten immer weiter, bis sie zu einem grünen Hügel kamen. Da zog der Prinz die Zügel an und sagte: »Thu‘ dich auf, thu‘ dich auf, grüner Hügel, und laß den jungen Prinzen ein und sein Pferd und seinen Hund.« Da fügte Kate hinzu: »Und das Mädchen hinter ihm.«
Sofort that sich der grüne Hügel auf, und sie gingen hinein. Der Prinz trat in eine hellbeleuchtete, prächtige Halle ein, da umringten ihn viele Elfen und führten ihn zum Tanze. Kate hatte sich unbemerkt hinter der Thür versteckt. Da sah sie wie der Prinz tanzte und immerfort tanzte und tanzte, bis er nicht mehr weiter konnte und auf ein Ruhebett niedersank. Dann fächelten ihn die Elfen, bis er sich wieder erheben und weitertanzen konnte. Endlich krähte der Hahn, da beeilte sich der Prinz, wieder aufzusitzen, Kate sprang hinter ihm auf das Pferd, und sie ritten heim.
Als die Morgensonne aufstieg, fand man Kate beim Kaminfeuer sitzen, wo sie ihre Nüsse knackte. Sie sagte, der Prinz hätte eine gute Nacht gehabt, sie würde aber nur dann auch die folgende Nacht bei ihm aufbleiben, wenn sie dafür eine Metze Gold erhielte. Die zweite Nacht verging wie die erste. Um Mitternacht erhob sich der Prinz und ritt zu dem grünen Hügel zum Feenball, und Kate begleitete ihn und pflückte Nüsse, als sie durch den Wald ritten. Diesmal bewachte sie den Prinzen nicht, denn sie wußte, er würde tanzen und immerfort tanzen. Sie sah ein Elfenkind mit einem Stabe spielen und hörte, wie eine der Elfen sagte: »Drei Schläge mit diesem Stabe würden Kate’s kranker Schwester ihre Schönheit wieder geben.«
Da rollte Kate Nüsse zu dem Elfenkinde hinüber, und das that sie so lange, bis das Kind zu den Nüssen hintorkelte und den Stab fallen ließ. Kate hob ihn auf und steckte ihn in ihre Schürze. Beim ersten Hahnenschrei ritten sie wie früher nach Hause, und kaum waren sie ins Schloß gekommen, so eilte sie zu Anne und berührte sie drei Mal mit dem Stabe, da fiel der häßliche Schafskopf ab, und ihre Schwester war wieder die alte schöne Anne. Die dritte Nacht wollte Kate nur unter der Bedingung beim kranken Prinzen wachen, daß sie ihn zum Manne bekomme.
Alles verlief wie in den beiden ersten Nächten. Diesmal spielte das Elfenkind mit einem Vogel, und Kate hörte, wie eine der Elfen sagte: »Drei Bissen dieses Vogels würden den kranken Prinzen wieder so gesund machen, wie er einst war.« Da rollte Kate alle Nüsse, die sie besaß, dem Elfenkinde hinüber, bis es den Vogel fallen ließ. Auch diesen that Kate in ihre Schürze.
Beim ersten Hahnenschrei ritten sie wieder heim, aber dieses Mal knackte Kate keine Nüsse, sondern rupfte den Vogel ab und kochte ihn. Ein köstlicher Duft drang durch das Zimmer. »Ach!«, sagte der Prinz, »ich möchte so gern‘ ein Stückchen von diesem Vogel essen!«
Da gab ihm Kate einen Bissen, und er stützte sich auf den Ellbogen. Dann rief er wieder: »Ach, wenn ich doch noch einen Bissen von dem Vogel bekäme!«
Da gab ihm Kate wieder ein Stückchen, und er setzte sich im Bette auf. Dann sagte er wieder: »Ach, ich möchte so gern noch ein einziges Stückchen von dem Vogel!«
Da gab ihm Kate den dritten Bissen, und er war gesund und stark und stand auf und kleidete sich an und setzte sich an das Kaminfeuer. Und als die Leute am nächsten Morgen eintraten, fanden sie Kate und den jungen Prinzen damit beschäftigt, Nüsse zu knacken.
Inzwischen hatte sein Bruder Anne gesehen und sich in sie verliebt, wie Jeder, der ihr schönes, süßes Gesicht sah. So heirathete der kranke Königssohn die gesunde Schwester, und der gesunde Sohn heiratete die kranke Schwester, und sie lebten alle glücklich bis an ihr seliges Ende.
Früh am folgenden Morgen sagte die Königin zu Anne: »Geh‘, liebes Kind, zur Hühnerfrau und bringe mir einige Eier.«
Anne gieng, aber als sie durch die Küche kam, sah sie eine Brotkruste liegen, die nahm sie mit und knusperte unterwegs daran.
Als sie zur Hühnerfrau kam, bat sie sie um Eier, wie ihr geheißen ward; die Hühnerfrau sagte ihr: »Hebe den Deckel von jenem Topfe auf und schau‘ hinein.« Das Mädchen that es, aber es ereignete sich nichts.
»Geh‘ nach Hause zu Deiner Mutter und sag‘ ihr, sie möge die Thür zur Speisekammer besser schließen,« sagte die Hühnerfrau.
Anne gieng nach Hause und bestellte der Königin, was ihr die Hühnerfrau aufgetragen hatte. Daraus ersah die Königin, dass das Mädchen, bevor es zur Hühnerfrau kam, etwas gegessen haben müsse; sie gab also am folgenden Morgen acht und schickte sie fort, ohne daß sie einen Bissen genossen hatte. Aber die Prinzessin sah unterwegs einige Landleute Erbsen abpflücken, und da sie sehr freundlich war, sprach sie zu den Leuten und nahm eine Hand voll Erbsen, die sie unterwegs aß.
Als sie zur Hühnerfrau kam, sagte diese: »Hebe den Deckel von jenem Topf auf und schau‘ hinein.« Wieder hob Anne den Deckel auf, aber es ereignete sich nichts.
Da wurde die Hühnerfrau sehr böse und sagte: »Sag‘ Deiner Mutter, ohne Feuer siedet kein Topf.«
Anne ging heim und sagte es der Königin.
Am folgenden Tage begleitete die Königin das Mädchen zur Hühnerfrau. Als Anne diesmal den Deckel vom Topf abhob, fiel ihr hübscher Kopf ab, und statt dessen saß der Kopf eines Schafes auf ihren Schultern. Die Königin war nun zufrieden und gieng nach Hause.
Ihre Tochter Kate aber nahm ein feines Linnentuch und hüllte den Kopf ihrer Schwester darein, dann ergriff sie ihre Hand, und sie giengen zusammen fort, um ihr Glück zu suchen. Sie wanderten weiter und immer weiter, bis sie zu einem Schlosse kamen. Kate klopfte an und bat um ein Nachtlager für sich und eine kranke Schwester. Sie traten ein und sahen, dass sie sich in einem königlichen Schlosse befanden. Der König hatte zwei Söhne, von denen der eine todtkrank war, aber Keiner wusste, was ihm fehlte.
Seltsam war, dass, wer immer eine Nacht bei ihm wachte, für immer verschwand. So bot denn der König jedem, der bei ihm aufbleiben wollte, eine Metze Silber an. Kate war ein sehr tapferes Mädchen, sie erbot sich also, bei ihm zu wachen.
Bis Mitternacht gieng alles gut. Als die Uhr zwölf schlug, da stand der kranke Prinz auf, kleidete sich an und schlüpfte die Treppe hinunter. Kate folgte ihm, aber er schien sie nicht zu bemerken. Er gieng in den Stall, sattelte sein Pferd, rief seinen Jagdhund und sprang in den Sattel; Kate saß hinter ihm auf. So ritten die Beiden durch den grünen Wald, und Kate pflückte im Vorbeireiten Nüsse von den Bäumen und that sie in ihre Schürze. Sie ritten immer weiter, bis sie zu einem grünen Hügel kamen. Da zog der Prinz die Zügel an und sagte: »Thu‘ dich auf, thu‘ dich auf, grüner Hügel, und laß den jungen Prinzen ein und sein Pferd und seinen Hund.« Da fügte Kate hinzu: »Und das Mädchen hinter ihm.«
Sofort that sich der grüne Hügel auf, und sie gingen hinein. Der Prinz trat in eine hellbeleuchtete, prächtige Halle ein, da umringten ihn viele Elfen und führten ihn zum Tanze. Kate hatte sich unbemerkt hinter der Thür versteckt. Da sah sie wie der Prinz tanzte und immerfort tanzte und tanzte, bis er nicht mehr weiter konnte und auf ein Ruhebett niedersank. Dann fächelten ihn die Elfen, bis er sich wieder erheben und weitertanzen konnte. Endlich krähte der Hahn, da beeilte sich der Prinz, wieder aufzusitzen, Kate sprang hinter ihm auf das Pferd, und sie ritten heim.
Als die Morgensonne aufstieg, fand man Kate beim Kaminfeuer sitzen, wo sie ihre Nüsse knackte. Sie sagte, der Prinz hätte eine gute Nacht gehabt, sie würde aber nur dann auch die folgende Nacht bei ihm aufbleiben, wenn sie dafür eine Metze Gold erhielte. Die zweite Nacht verging wie die erste. Um Mitternacht erhob sich der Prinz und ritt zu dem grünen Hügel zum Feenball, und Kate begleitete ihn und pflückte Nüsse, als sie durch den Wald ritten. Diesmal bewachte sie den Prinzen nicht, denn sie wußte, er würde tanzen und immerfort tanzen. Sie sah ein Elfenkind mit einem Stabe spielen und hörte, wie eine der Elfen sagte: »Drei Schläge mit diesem Stabe würden Kate’s kranker Schwester ihre Schönheit wieder geben.«
Da rollte Kate Nüsse zu dem Elfenkinde hinüber, und das that sie so lange, bis das Kind zu den Nüssen hintorkelte und den Stab fallen ließ. Kate hob ihn auf und steckte ihn in ihre Schürze. Beim ersten Hahnenschrei ritten sie wie früher nach Hause, und kaum waren sie ins Schloß gekommen, so eilte sie zu Anne und berührte sie drei Mal mit dem Stabe, da fiel der häßliche Schafskopf ab, und ihre Schwester war wieder die alte schöne Anne. Die dritte Nacht wollte Kate nur unter der Bedingung beim kranken Prinzen wachen, daß sie ihn zum Manne bekomme.
Alles verlief wie in den beiden ersten Nächten. Diesmal spielte das Elfenkind mit einem Vogel, und Kate hörte, wie eine der Elfen sagte: »Drei Bissen dieses Vogels würden den kranken Prinzen wieder so gesund machen, wie er einst war.« Da rollte Kate alle Nüsse, die sie besaß, dem Elfenkinde hinüber, bis es den Vogel fallen ließ. Auch diesen that Kate in ihre Schürze.
Beim ersten Hahnenschrei ritten sie wieder heim, aber dieses Mal knackte Kate keine Nüsse, sondern rupfte den Vogel ab und kochte ihn. Ein köstlicher Duft drang durch das Zimmer. »Ach!«, sagte der Prinz, »ich möchte so gern‘ ein Stückchen von diesem Vogel essen!«
Da gab ihm Kate einen Bissen, und er stützte sich auf den Ellbogen. Dann rief er wieder: »Ach, wenn ich doch noch einen Bissen von dem Vogel bekäme!«
Da gab ihm Kate wieder ein Stückchen, und er setzte sich im Bette auf. Dann sagte er wieder: »Ach, ich möchte so gern noch ein einziges Stückchen von dem Vogel!«
Da gab ihm Kate den dritten Bissen, und er war gesund und stark und stand auf und kleidete sich an und setzte sich an das Kaminfeuer. Und als die Leute am nächsten Morgen eintraten, fanden sie Kate und den jungen Prinzen damit beschäftigt, Nüsse zu knacken.
Inzwischen hatte sein Bruder Anne gesehen und sich in sie verliebt, wie Jeder, der ihr schönes, süßes Gesicht sah. So heirathete der kranke Königssohn die gesunde Schwester, und der gesunde Sohn heiratete die kranke Schwester, und sie lebten alle glücklich bis an ihr seliges Ende.
[Anna Kellner: Englische Märchen]