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Die kluge Sofie

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Wo war’s, wo war’s nicht, ein grosses Haus neben einem kleinen Haus, ein kleines Haus neben einem grossen Haus, keins hatte eine Seite, keins einen Schlot, es war auf der Welt ein König, der hatte drei Töchter. Die jüngste hiessen sie Sofie.
Einstmals musste der König ins Feld ziehen. Er nahm drei Kränze und drei Vögel und sprach zu seinen Töchtern:
»Merkt auf! ich lasse hier jeder einen Kranz und einen Vogel; doch wenn ich zurückkomme, soll der Kranz und der Vogel so sein wie jetzt. Wahret euch wohl!«
Damit ging der König fort.
Den Mädchen fiel’s nicht im Traum ein, wozu der Vater ihnen Kranz und Vogel zurückgelassen hatte. Nur Sofie ahnte es; doch sie sagte ihren Schwestern nichts.
In der Nachbarstadt lebte ein Herzog, der vernahm, dass der alte König in den Krieg gezogen war; er besuchte die Prinzessinnen öfter. Sie begannen Karten zu spielen. Doch so, dass wenn eins der Mädchen verlöre, sie des Herzogs sein sollte!
Der Herzog gewann die Mädchen sehr bald. Die beiden ältesten bekam er auch, doch die kluge Sofie war gescheit; als der Herzog ihr sagte, sie solle das Lager bereiten, trug sie das Kopfkissen und das Deckbett hinaus in den Abtritt; dort machte sie ihm das Lager. Kaum hatte sich der Herzog niedergelegt, da plumps! hinunter in die Kloake. Vom Rücken schürfte ihm die ganze Haut ab, so schlug er sich; wenn er sich nicht grosse Mühe gegeben hätte, wäre er dort drinnen erstickt. Aber irgendwie schwamm er hinaus in die Donau, und mit Müh und Not kam er nach Hause.
Doch zu Hause brannte ihm der Kopf, was könnte er dieser klugen Sofie antun, weil sie ihn so angeführt hatte? Er schrieb den beiden älteren Prinzessinnen einen Brief, sie sollten Sofie zu ihm nach Wein schicken! Dann sollte sie schon ihren Schaden besehen.
Die Schwestern schickten die kluge Sofie wirklich hin zum Herzog.
Sofie wusste, was den Herzog drückte. Sie legte des Kellermeisters Kleider an, ging hin zur Nachbarstadt, geradewegs hinein in des Herzogs Keller. Wer sie sah, wagte nicht sie anzurufen, denn sie trug ja Kellermeisterkleidung. Sie zapfte alle Fässer, alle Tonnen an, liess den Wein auf die Erde fliessen. Und auf die Tür schrieb sie:

Das hat die kluge Sofie vollbracht,
Mehr noch wird sie vollbringen
Mit Gottes Willen.

Dann drückte sie den Hut ins Gesicht und ging mit der Flasche Wein in der Tasche heim.
Sofie war schon über alle Berge, als sie merkten, dass all der köstliche, gute Wein hin war! Ei, was wurde der Herzog da zornig, er verzehrte sich schier.
Kurz entschlossen schrieb er den Mädchen wiederum einen Brief, sie sollten Sofie nach Essen schicken.
Sofie kleidete sich als Koch an, ging hinein in die Küche, nahm eine Schüssel mit Essen und trug sie hinaus. Draussen fragte man sie, wohin sie das trage. Und da sagte sie, der Herzog habe sie jetzt gedungen; sie bringe ihm das Essen, weil der Herr jetzt danach verlange. Also gut, sie liessen sie gewähren.
Als Sofie bei der Tür angelangt war, zog sie die Kreide aus der Tasche und schrieb wiederum an die Tür:

»Das hat die kluge Sofie vollbracht,
Noch andres wird sie vollbringen
Mit Gottes Willen.«

Der Herzog kam gerade in die Küche hinunter, als Sofie entwischt war. Sie sagten zu ihm: »Das Essen ist dem Herrn schon gebracht worden; er sollte jetzt gehen, denn sonst wird es kalt.«
»Wem?« fragte der Herzog.
»Nun Euch!«
»Wer?«
»Ein Koch, der sah wie ein Mädchen aus!«
»Wahrlich, das war die kluge Sofie!« – doch er sagte dazu solche Sachen, dass das Haus fast einstürzte.
»Beim drittenmal wird sich’s schon finden!« sagte der Herzog.
Damit setzte er sich hin, schrieb den Prinzessinnen einen Brief, dass diese hundsföttische Sofie ihm wieder entwischt sei; sie sollten sie um Birnen schicken!
Auch jetzt brauchten sie das Sofie nicht zweimal zu sagen; sie zog sich an und ging. Als sie im Garten anlangte, sah sie niemanden. Dort waren viele der allerschönsten Obstbäume, Äpfel, Pflaumen, Birnen. Den schönsten Birnbaum suchte sie aus und kletterte hinauf. Ja, aber als sie davon pflücken wollte, erklangen alle Birnen; denn auf dem Baum waren klingende Birnen! Der Herzog hatte aufgepasst; flugs erschien er dort unter dem Baum.
»Na, kluge Sofie, bist du schon da? Steig nur vom Baum herunter!«
»Warum sollte ich denn nicht? Natürlich steige ich hinunter!« Sie stieg auch hinunter.
Nun sagte der Herzog zu Sofie:
»Na, Sofie, du hast mich schon oft angeführt, komm, dort ist ein Kanapee, setz dich nur darauf!«
Im Garten war schon vorher ein Kanapee mit Rasiermessern gerüstet worden; wenn sich jemand darauf setzte, wurde er so zerhackt, als ob er geschröpft worden wäre.
Sofie setzte sich nicht. Sie sagte:
»Macht Ihr es mir erst vor, dann werde ich mich auch hinsetzen!«
Der Herzog vergass sich und setzte sich. Sofie sprang herbei und drückte des Herzogs Rücken tüchtig aufs Kanapee.
Da gab’s Ach- und Wehgeschrei; sein Rücken war eitel Wunden und Blut. Sofie schrieb ihren Vers hinten aufs Kanapee und lief hinaus, als ob sie gejagt würde. Den Herzog trugen sie im Leintuch hinein.
Draussen auf der Strasse traf die kluge Sofie den Arzt des Herzogs, bat ihn um sein Kleid, denn man wolle sie totschlagen. Der Arzt gab es ihr. Mehr brauchte Sofie nicht; sie ging geradewegs hinein zum Herzog.
»Ich habe gehört, dass der Herzog krank ist, ich bin hereingekommen; ich meine, ich könnte ihm vielleicht helfen!«
Ach, von Herzen gern griffen sie zu.
»Bringt nur eine Tonne Honig, drei Fensterscheiben und Daunenfedern, aber geschwind!«
Als sie es ihr gebracht hatten, wies sie alle aus dem Zimmer; sie zerstiess das Glas ganz fein, rührte es unter den Honig, drückte die Daunen da hinein und schmierte damit des Herzogs Rücken ein, aber dick!
Der Herzog hörte die Engel singen, so zwickte ihn die Arznei. Er wurde noch kränker davon als von dem Rasierkanapee!
Sofie schrieb wiederum an die Stubentür:

»Das hat die kluge Sofie vollbracht,
Mehr noch wird sie vollbringen
Mit Gottes Willen.«

Doch sie säumte nicht lange, eilte heimwärts, wie sie nur konnte, als sie den Herzog gut eingeschmiert hatte.
Dort stürzte das ganze Haus um von dem lauten Gebrüll.
Der Herzog schrie Ach und Weh, als sein eigener Arzt das Glas und die Federn ihm vom Rücken klaubte; doch dieser verflixte Honig hatte beides gut angeklebt. Der Herzog konnte sich kaum erholen, so krank war er, gerade, dass er noch knapp mit dem Leben davon kam.
Ei, war er jetzt aber erpicht auf die kluge Sofie! Wenn er sie nur einmal erwischen könnte!
Zu der Zeit war der Vater der Mädchen, der alte König, aus dem Kriege heimgekehrt. Sein erstes war, dass er die Mädchen nach Kranz und Vogel fragte. Der Kranz der beiden ältesten war verdorrt, der Vogel war wie eine Sitzglucke, er lebte kaum noch. Doch Sofies Kranz war gerade so frisch, der Vogel noch so fröhlich wie damals, als der Vater ihn ihr gegeben. Ja freilich, weil sie ihr Magdtum bewahrt hatte!
Die beiden ältesten Mädchen liess der Vater einsperren; um Sofie warb der Herzog und heiratete sie auch.
Sie hatten wohl schon ein halbes Jahr zusammen gelebt, da bekam die kluge Sofie Wind davon, dass ihr Mann sie verderben wolle. Sie liess vom Zuckerbäcker eine Puppe machen, gerade so, wie sie selbst war, doch innen hohl, und füllte sie mit rotem Syrup. Als sie fertig war, liess sie sie nach Hause tragen und legte sie in ihr Bett. Über dem Bett war ein grosses Marienbild; sie versteckte sich dahinter.
Bald darauf kam ihr Mann mit einem grossen Beil, sah, dass die Frau dort im Bett lag; flugs er drauf los, die Puppe ging gleich in tausend Stücke, und ein Tropfen von dem Syrup spritzte auf seine Lippen. Als er schmeckte, wie süss das war, stürzte er vor dem Marienbilde nieder:
»Wehe, was habe ich gemacht! Meine liebe Gemahlin! Ich habe dich totgeschlagen, und dein Blut ist so süss wie Honig! Wehe, Wehe! Jungfrau Maria, steh mir bei! Was habe ich getan, was habe ich getan!«
Da sprach die kluge Sofie hinter dem Bilde, als ob Maria spräche:
»Mache dich auf und rutsche auf den Knieen um das Schloss herum! Dann vergebe ich dir!«
Was blieb dem Herzog zu tun übrig? Er ging und rutschte auf den Knieen um das Schloss.
Sofie kam hinter dem Bild herunter, legte sich ins Bett, erwartete dort ihren Mann.
Der kam auch nicht allzulang danach, doch auf seinen Knieen war kein Stückchen Haut mehr. Aber er fiel fast auf den Rücken, als er seine Gemahlin im Bett sah und dass ihr nichts geschehen war. Er konnte es nicht fassen. Und Sofie seufzte überdies nur immerfort:
»Ach, wie fest habe ich geschlafen!«
Der Herzog sah, dass er sich mit Sofie doch nicht messen konnte, denn er war immer der, dem’s übel bekam; er ging hin, bat sie um Verzeihung, dass er so etwas nicht wieder tun würde. Sofie verzieh ihm.
Dann wurden sie von neuem getraut und wurden glücklich, und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute.

[Ungarn: Elisabet Róna-Sklarek: Ungarische Volksmärchen]

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