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Märchenbasar

Die Meisterjungfer

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Es war einmal ein König, der hatte mehrere Söhne, wie viel es aber eigentlich waren, kann ich nicht mit Gewissheit sagen. Als der jüngste herangewachsen war, hatte er keine Ruhe mehr zu Hause – er wollte mit aller Gewalt fort in die Welt und sein Glück versuchen, und er bat seinen Vater so lange, bis dieser ihm endlich die Erlaubnis zum Reisen erteilte.
Als er nun einig Tage gereist war, kam er zu einem Riesenschloß, und da gab er sich bei dem Riesen in Dienst. Am nächsten Morgen machte sich der Riese in aller Frühe auf, um seine Ziegen zu hüten, dem Königssohn aber befahl er, währenddessen den Stall auszumisten. „Und wenn du damit fertig bist“, sagte er, „dann hast du für heute Feierabend; denn du musst wissen, dass du zu einem guten Herrn gekommen bist. Du musst aber auch getreu und ordentlich verrichten, was ich dir auftrage, und dann darfst du in keins von den Zimmern gehen, in denen du noch nicht gewesen bist – tust du es dennoch, so kostet es dich das Leben.“ – „Ja, wahrhaftig“, sagte der Königssohn, als der Riese fort war, „das ist doch ein guter Herr!“ Und er ging auf und ab im Zimmer und sang und tralleite; denn er meinte, mit dem Ausmisten hätte es noch gute Weile. „Aber wissen möchte ich doch, was in den anderen Zimmern sein mag“, sagte er, „es muss wohl etwas Besonderes sein, weil er mir so streng verboten hat, hineinzugehen.“
Und dann ging er rasch in das erste Zimmer. Hier hing ein Kessel von der Decke herab und kochte; aber der Königssohn sah kein Feuer darunter. Was wohl drin sein mag? dachte er und tauchte einen Handschuh hinein Als er ihn wieder herauszog, sah er aus als wär‘ er von lauter Kupfer. „Eine schöne Suppe!“, sagte er. „Wenn einer davon kostete, würde er gewiss hübsch um den Schnabel aussehen.“
Hierauf ging er in das zweite Zimmer, und da hing auch ein Kessel von der Decke herab und brutzelte und kochte, aber auch hier war kein Feuer darunter. „Den muss ich auch mal probieren“, sagte der Königssohn und steckte wieder seinen Handschuh hinein, und nun wurde er ganz versilbert. „So teure Suppe gibt’s nicht auf meines Vaters Schloss“, sagte der Königssohn, „es fragt sich nur, wie sie schmeckt.“ Hierauf ging er in das dritte Zimmer, und da hing auch ein Kessel von der Decke herab und kochte, ganz so wie in den beiden anderen Zimmern. Der Königssohn bekam Lust, auch den zu probieren und tauchte wieder den Handschuh hinein, und da wurde er so blank vergoldet, dass es nur so blitzte. „Donnerwetter!“ sagte der Königssohn. „Wird hier Gold gekocht, was mag denn dann dort drinnen kochen?“
Und damit ging er in das vierte Zimmer. Hier war kein Kessel zu sehen; aber auf der Bank saß eine Jungfrau, das war gewiss eine Königstochter. Aber wessen Tochter sie auch sein mochte, so hatte doch der Königssohn noch nie ein so schönes Mädchen gesehen. „Um Himmels willen, was willst du hier?“ rief sie, als sie ihn erblickte. „Ich bin seit gestern hier im Dienst“, sagte der Königssohn. „Gott helfe dir bei dem Dienst, den du hier angenommen hast“, sagte sie. „Oh, es deucht mir, ich habe einen guten Herrn bekommen“, sagte der Königssohn, „er hat mir heute keine besonders schwere Arbeit aufgegeben; wenn ich den Stall ausgemistet habe, kann ich Feierabend machen.“ – „Ja, aber wie willst du das anfangen?“ sagte sie, „denn wenn du so ausmistest wie andere Leute, so kommen für jede Schaufel Mist, die du hinauswirfst, wieder zehn andre Schaufeln voll herein. Ich will dir aber sagen, wie du es machen sollst; du musst bloß die Schaufel umkehren und mit dem Stiel ausmisten, dann fliegt alles von selbst hinaus.“ – „Ja, darauf will ich schon Acht geben“, sagte der Königssohn. Und nun blieb er den ganzen Tag über bei der Prinzessin, denn sie waren sich bald darüber einig geworden, dass sie heiraten wollten, und da wurde dem Königssohn der erste Tag, den er bei dem Riesen diente, nicht eben lang, kannst du glauben. Als es aber auf den Abend zuging, sagte sie zu ihm: „Nun ist es am besten, du mistest den Stall aus, ehe der Riese wieder nach Hause kommt.“
Als der Bursche in den Stall kam, wollte er erst sehen, ob es sich wirklich so verhielt, wie die Königstochter ihm gesagt hatte, und fing an so auszumisten, wie er es früher von den Stallknechten seines Vaters gesehen hatte. Aber er musste bald damit aufhören; denn als er eine Weile so gemistet hatte, war im Stall beinahe kein Platz mehr, wo er stehen konnte. Darauf mistete er so aus, wie die Königstochter es ihn gelehrt hatte: er kehrte die Schaufel um und mistete mit dem Stiel, und nun dauerte es kaum einen Augenblick, da war der Stall so rein, als ob er gefegt und gescheuert wäre. Als er damit fertig war, ging er wieder zurück in das Zimmer, das der Riese ihm angewiesen hatte, und da spazierte er auf und ab und sang und tralleite.
Endlich kam der Riese mit den Ziegen nach Hause, und als erstes fragte er den Königssohn: „Hast du nun den Stall ausgemistet?“ – „Ja, Herr, der ist rein und sauber“, erwiderte der Königssohn. „Das will ich mal sehen“, sagte der Riese und ging in den Stall; aber es verhielt sich so, wie der Königssohn gesagt hatte. „Du hast gewiss mit meiner Meisterjungfer gesprochen“, sagte der Riese, „denn das hast du nicht von dir selber.“ – „Meisterjungfer? Was ist denn das für eine?“ fragte der Königssohn und stellte sich ganz dumm, „die möchte ich wohl mal sehen.“ – „Du wirst sie noch früh genug zu sehen kriegen“, antwortete der Riese.
Als der Riese am anderen Morgen die Ziegen wieder auf die Weide trieb, trug er dem Königssohn auf, er solle sein Pferd von der Koppel holen, und wenn er das getan habe, könne er Feierabend machen. „Du bist nämlich zu einem guten Herrn gekommen, musst du wissen“, sagte er wieder. „Gehst du aber in irgendeins der Zimmer, die ich dir verboten habe, so drehe ich dir den Hals um.“ Und dann trieb er seine Herde in den Wald. „Ja, wahrhaftig, du bist ein guter Herr!“ sagte der Königssohn, „ich möchte aber doch wieder ein Wort mit der Meisterjungfer sprechen, vielleicht gehört sie mir noch früher als dir.“
Und so ging er wieder zu ihr. Sie fragte ihn, was der Riese ihm für diesen Tag zu tun befohlen habe. „Oh, es ist keine besonders schwere Arbeit“, sagte er, „ich soll bloß das Pferd von der Koppel holen.“ – „Ja, aber wie willst du das anfangen?“ fragte ihn die Meisterjungfer. „Oh, es ist wohl keine besondere Kunst, ein Pferd von der Koppel zu holen“, erwiderte der Königssohn, „denn ich will doch meinen, dass ich schon manches schnelle Pferd geritten habe.“ – „Die Sache ist aber doch nicht so leicht“, sagte sie, „ich will dich jedoch lehren, wie du es machen musst: sobald du das Pferd erblickst, wird es auf dich zustürmen und Feuer und Flammen aus beiden Nüstern schnauben. Pass aber dann gut auf und nimm das Gebiss, das dort bei der Tür hängt, und wirf es ihm ins Maul, dann wird es augenblicklich so zahm, dass du damit tun kannst, was du willst.“ – „Ja, darauf will ich schon achten“, sagte der Königssohn und blieb nun den ganzen Tag bei der Meisterjungfer, und sie schwatzten von diesem und jenem, und wie herrlich und vergnügt sie leben wollten, wenn sie erst aus der Gewalt des Riesen und miteinander verheiratet wären. Der Königssohn hätte gewiss Pferd und Koppel darüber vergessen, wenn ihn nicht die Meisterjungfer gegen Abend daran erinnert und zu ihm gesagt hätte, es wäre am besten, wenn er jetzt das Pferd hole, ehe der Riese nach Hause komme.
Das tat er denn auch, er nahm das Gebiss, das bei der Tür hing, und lief damit zur Koppel. Nun dauerte es nicht lange, da kam das Pferd angestürmt und schnob Feuer und Flammen aus beiden Nüstern. Der Königssohn aber nahm die Gelegenheit wahr und warf ihm das Gebiss in den offenen Rachen, und nun stand das Pferd still, so geduldig wie ein Lamm, und da war’s keine besonders große Kunst, es zum Stall zu bringen. Als der Bursche damit fertig war, ging er wieder zurück auf sein Zimmer, und dort spazierte er auf und ab und sang und tralleite.
Wie nun der Riese mit den Ziegen nach Hause kam, war seine erste Frage: „Hast du auch das Pferd von der Koppel geholt?“ – „Ja, Herr!“ erwiderte der Königssohn. „Das war ja ein feuriges Reitpferd, aber ich hab’s glücklich in den Stall gebracht.“ – „Das will ich mal sehen!“ sagte der Riese und ging in den Stall; das Pferd aber stand ganz richtig da, wie der Königssohn gesagt hatte. „Du hast gewiss mit meiner Meisterjungfer gesprochen“, sagte der Riese, „denn das hast du nicht von dir selber!“ – „Gestern spracht Ihr schon von dieser Meisterjungfer und heute wieder“, sagte der Königssohn und stellte sich ganz dumm und einfältig. „Was ist denn das für eine, Herr? Ich möchte sie doch gern einmal sehen.“ – „Du wirst sie noch früh genug zu sehen kriegen“, sagte jener.
Als der Riese am drillen Morgen seine Ziegen in den Wald trieb, sagte er zu dem Königssohn: „Heute sollst du nach der Hölle gehen und den Brandschatz holen, und wenn du das getan hast, kannst du Feierabend machen, denn du bist zu einem guten Herrn gekommen, musst du wissen.“ – „Ja, ich will’s glauben“, sagte der Königssohn, als der Riese gegangen war, „wie gut du auch sein magst – die Arbeiten, die du mir aufträgst, sind doch garstig. Ich will aber mal wieder ein Wort mit deiner Meisterjungfer sprechen; du sagst zwar, sie gehöre dir, aber vielleicht verrät sie mir doch, wie ich es machen muss.“
Und so ging er wieder zu der Meisterjungfer. Als sie ihn nun fragte, welche Arbeit ihm der Riese für diesen Tag aufgegeben habe, sagte er, dass er ihm befohlen habe, nach der Hölle zu gehen und den Brandschatz zu holen. „Und wie willst du das anfangen?“ fragte ihn die Meisterjungfer. „Ja, du musst es mir sagen“, versetzte der Königssohn, „denn in der Hölle bin ich noch nicht gewesen, und wenn ich auch den Weg dahin wüsste, so weiß ich doch nicht, wie viel ich fordern soll.“ – „Ja, ich will dir wohl helfen“, versetzte die Meisterjungfer. „Du musst zu dem Felsen dort hinter der Koppel gehen und den Kloben nehmen, der da liegt, und damit an die Felswand klopfen. Dann wird wohl einer herauskommen, dass es nur so knistert, dem musst du deinen Auftrag sagen, und wenn er dich dann fragt, wie viel du haben willst, dann sage nur: „Soviel ich tragen kann.“ – „Ja, darauf will ich schon Acht geben „, sagte der Königssohn und blieb nun wieder bei der Meisterjungfer, bis es Abend wurde. Er wäre auch gern noch länger dageblieben, doch sie erinnerte ihn daran, dass er fort müsse nach der Hölle und den Brandschatz holen, ehe der Riese wieder nach Hause komme.
Der Bursche machte sich nun auf und tat, wie die Meisterjungfer ihm gesagt hatte, ging zu dem Felsen hinter der Koppel, nahm den Kloben und klopfte damit an die Wand. Sogleich kam einer heraus, dem die Funken aus Augen und Nase flogen. „Was willst du?“ rief er. „Ich soll von dem Riesen grüßen und den Brandschatz für ihn fordern“, sagte der Königssohn. „wie viel willst du haben?“ fragte der andere. „Oh, ich verlange nicht mehr, als ich tragen kann“, versetzte der Königssohn. „Es war dein Glück, dass du nicht ein ganzes Fuder verlangt hast“, sagte der, der aus der Felswand gekommen war. „Aber komm jetzt herein, dann will ich dir den Brandschatz auszahlen.“
Der Königssohn ging mit ihm hinein, und da sah er in dem Berg Gold- und Silberbrocken in Haufen in der Erde liegen. Er bekam nun eine Tracht, so groß, wie er sie nur tragen konnte, und damit ging er seines Weges.
Als am Abend der Riese mit den Ziegen nach Hause kam, spazierte der Königssohn ebenso wie die beiden Abende zuvor im Zimmer auf und ab und sang tralleite. „Bist du in der Hölle gewesen und hast den Brandschatz geholt?“ fragte ihn der Riese. „Der Goldsack steht dort auf der Bank“, erwiderte der Königssohn. „Das will ich mal sehen“, sagte der Riese, und als er hinsah, stand da ein Sack, der war so prall gefüllt, dass die Gold- und Silberstücke heraus fielen, sowie der Riese nur das Band ein wenig auflockerte. „Du hast gewiss mit meiner Meisterjungfer gesprochen“, sagte er, „aber wenn du das getan hast, dann drehe ich dir das Genick um.“ – „Mit Eurer Meisterjungfer?“ fragte der Königssohn, „gestern und vorgestern schwatztet Ihr schon von Eurer Meisterjungfer und heute wieder? Was ist denn das für eine, Herr? Ich möchte sie doch gern einmal sehen.“ – „Ja, warte nur bis morgen, dann sollst du sie sehen“, sagte der Riese. – „Danke schön“, sagte der Königssohn, „aber Ihr macht wohl bloß Spaß, Herr.“
Den Tag darauf ging der Riese mit ihm in das Zimmer, in dem die Meisterjungfer war. „Jetzt sollst du ihn schlachten und ihn in dem großen Kessel für mich zum Mittagessen kochen, und wenn die Suppe fertig ist, kannst du mich rufen“, sagte er zu ihr und streckte sich auf der Bank aus. Und während er nun dalag und schnarchte, dass der Berg bebte, nahm die Meisterjungfer ein Messer, schnitt damit den Burschen in den Finger und ließ drei Blutstropfen auf die Bank fließen. Darauf nahm sie alle alten Lappen und Schuhsohlen und anderen Kram, den sie finden konnte, und warf es in den Kessel. Dann nahm sie einen ganzen Kasten voll gemahlenen Goldes und einen Salzstein und eine Wasserflasche, die bei der Tür hing, und einen goldenen Apfel und zwei goldene Hühner nahm sie auch mit, und nun machten sich die beiden aus dem Staube, so schnell sie nur konnten.
Als sie ein Ende gegangen waren, kamen sie ans Meer, und da segelten sie davon – wie sie aber zu dem Schiff gekommen waren, habe ich nie so recht erfahren können.
Als der Riese eine gute Weile geschlafen hatte, fing er an sich zu strecken. „Ist das Essen noch nicht fertig?“ fragte er. „Eben erst angefangen!“ sagte der erste Blutstropfen auf der Bank. Darauf legte er sich wieder schlafen und schlief noch eine gute Zeit, endlich fing er wieder an sich zu strecken. „Ist jetzt das Essen fertig?“ fragte er, aber ohne aufzusehen, denn er war noch immer halb im Schlaf. „Halb fertig!“ sagte der zweite Blutstropfen. Der Riese aber glaubte, die Meisterjungfer sage das, drehte sich wieder um und schlief weiter. Als er nun viele Stunden hintereinander geschlafen hatte, fing er endlich wieder an sich zu rühren und zu strecken. „Ist es denn jetzt fertig?“ fragte er. „Vollkommen fertig!“ antwortete der dritte Blutstropfen.
Der Riese richtete sich auf und rieb sich die Augen; aber er konnte die Meisterjungfer nirgends erblicken, und darum rief er sie beim Namen. Er bekam aber keine Antwort. Oh! dachte er, sie ist wohl nur ein wenig hinausgegangen, und nahm einen Löffel und schöpfte damit aus dem Kessel, um das Essen zu probieren. Da fand er aber nichts als lauter Schuhsohlen und Lumpen und dergleichen Kram, und das war so zusammengekocht, dass er nicht wusste, ob’s Fisch oder Fleisch war. Als er das merkte, konnte er sich wohl denken, wie sich die Sache verhielt, und wurde so wütend, dass er sich nicht mehr zu halten wusste. Er eilte sogleich dem Königssohn und der Meisterjungfer nach, und es dauerte nicht lange, so stand er am Wasser, aber da konnte er nicht hinüber. „Ich weiß schon Rat“, sagte er, „ich will bloß meinen Meersauger rufen.“ Wie nun der Meersauger kam, legte er sich auf die Erde nieder und tat dreimal einen kräftigen Zug, und da schrumpfte das Meer so zusammen, dass der Riese die Meisterjungfer und den Königssohn auf dem Schiff sehen konnte. „Jetzt musst du den Salzstein hinauswerfen“, sagte die Meisterjungfer; und als der Königssohn das getan hatte, entstand plötzlich mitten im Meer ein so hoher Berg, dass der Riese nicht hinüber konnte, und der Meersauger konnte ihm nun auch nichts helfen. „Ich weiß schon Rat“, sagte der Riese und holte sich seinen Bergbohrer, und damit bohrte er ein großes Loch durch den Berg, so dass der Meersauger wieder trinken konnte. Wie die Meisterjungfer das gewahr wurde, sagte sie zu dem Königssohn, er solle jetzt einen oder zwei Tropfen aus der Flasche ins Meer gießen, und als der Königssohn das getan hatte, war das Meer wieder ganz voll. Ehe nun der Meersauger wieder einen kräftigen Zug tun konnte, waren sie schon an Land und gerettet.
Nun wollte der Königssohn die Meisterjungfer zu seines Vaters Schloss bringen; aber er meinte, es schicke sich nicht, dass sie zu Fuß gehe, und darum sagte er zu ihr: „Warte hier eine Weile, ich will nur nach Hause gehen und die sieben Pferde holen, die in meines Vaters Stall stehen; denn ich möchte nicht gern, dass meine Braut zu Fuß auf dem Schloss ankäme. Der Weg dahin ist nicht lang, und ich werde bald wieder hier sein.“ – „Ach nein, tu das nicht!“ bat sie, „denn kommst du erst zu deines Vaters Schloss, dann wirst du mich bald vergessen.“ – „Wie sollte ich dich wohl vergessen“, sagte der Königssohn, „da wir so viel Ungemach zusammen erduldet und uns so lieb haben?“ Und er wollte und musste nach Hause und einen Wagen und die sieben Pferde holen, und sie sollte solange dort am Ufer auf ihn warten. Weil er es nun durchaus nicht anders wollte, so musste die Meisterjungfer endlich nachgeben. „Aber“, sagte sie, „wenn du auf das Schloss kommst, musst du dir nicht einmal so viel Zeit lassen, dass du jemanden begrüßt, sondern geradewegs in den Stall gehen und die Pferde vor den Wagen spannen und dann davonjagen, so schnell du nur kannst; denn sie werden wohl alle sehr neugierig sein und sich um dich scharen. Aber du musst tun, als ob du sie gar nicht bemerktest. Und dann darfst du auf keinen Fall einen Bissen von dem, was man dir anbietet, essen; tust du das, dann machst du dich und mich unglücklich.“ Der Königssohn versprach ihr, sich genau nach allem zu richten, was sie ihm gesagt hatte, und versicherte ihr, sie brauche bestimmt nicht zu befürchten, dass er sie je vergessen könne.
Als aber der Königssohn auf dem Schlosshof ankam, hielt gerade einer von seinen Brüdern Hochzeit, und die Braut und alle Gäste waren schon da, und alle scharten sich um ihn und fragten ihn nach diesem und jenem und baten ihn, mit ins Schloss zu kommen. Er tat jedoch, als ob er sie gar nicht bemerkte, ging geradewegs in den Stall, holte die Pferde heraus und wollte sie vor den Wagen spannen. Wie sie ihn nun durch nichts bewegen konnten, mit ins Schloss zu kommen, brachten sie ihm zu essen und zu trinken von dem Besten, das man zur Hochzeit angerichtet hatte. Aber der Königssohn wollte keinen Bissen anrühren, sondern beeilte sich nur, die Pferde vor den Wagen zu spannen. Da rollte zuletzt die Schwester der Braut einen Apfel über den Schlosshof zu ihm hin. „Wenn du denn durchaus nichts genießen willst“, sagte sie, „so kannst du doch wenigstens in diesen Apfel beißen, denn du wirst wohl hungrig und durstig sein von der langen Reise!“ Da hob der Königssohn den Apfel von der Erde auf und biss hinein. Aber kaum hatte er das getan, so vergaß er die Meisterjungfer und dass er sie holen wollte. „Bin ich denn verrückt?“ sagte er. „Was will ich mit den Pferden und mit dem Wagen?“ Und darauf brachte er die Pferde wieder in den Stall und ging mit den anderen ins Schloss; und nun dauerte es nicht lange, da war es soweit gekommen, dass er die Schwester der Braut, die ihm den Apfel zugerollt hatte, heiraten sollte.
Die Meisterjungfer saß indes am Ufer und wartete und wartete, aber kein Königssohn ließ sich sehen. Endlich ging sie fort, und als sie ein Ende gegangen war, kam sie zu einer kleinen Hütte, die ganz einsam in einem Walde, nicht weit von des Königs Schloss lag. Da ging sie hinein und bat um Herberge. Drinnen saß ein altes Weib, dem die Hütte gehörte, und das war eine arge und abscheuliche Trollhexe. Anfangs wollte sie von der Meisterjungfer gar nichts wissen; doch endlich und zuletzt gab sie ihr doch für Geld und gute Worte eine Herberge. Doch die Hütte war unsauber und schmutzig wie ein Schweinestall. Die Meisterjungfer sagte, sie wolle die Hütte ein wenig aufputzen, damit es aussehen würde wie bei anderen Leuten; aber das litt die Alte nicht, sondern fing an zu zetern und zu toben und war ganz entsetzlich böse. Die Meisterjungfer zog dessen ungeachtet ihren Schrein hervor und warf eine Handvoll Goldmehl in das Kaminfeuer. Da flackerte es hell auf, und ein roter Strahl zog durch die ganze Hütte, so dass sie innen und außen davon vergoldet wurde. Als die Alte das sah, wurde sie so wütend, dass sie aus der Haut fahren wollte, und rannte zur Hütte hinaus, als ob der Teufel hinter ihr her wäre. Dabei dachte sie jedoch nicht an den Türpfosten, sie rannte dagegen und zerbrach sich die Hirnschale.
Am Morgen darauf kam der Schulze vorbei, der war ganz verwundert über die goldene Hütte, die er im Walde glänzen sah; als er aber hineinging und drinnen die schöne Jungfrau erblickte, da wunderte er sich noch mehr, und er verliebte sich augenblicklich so heftig in sie, dass er um sie freite. „Ja, hast du aber auch genug Geld?“ fragte die Meisterjungfer. „Ja, Geld habe ich genug“, sagte er, und er wolle es auch sogleich holen.
Am Abend kam er wieder und brachte einen ganzen Scheffelsack voll und setzte ihn auf die Bank. Ja, wenn er so viel Geld hatte, wollte die Meisterjungfer ihn haben, und darauf legten sie sich zusammen ins Bett. Kaum aber hatten sie sich niedergelegt, da wollte die Meisterjungfer wieder aufstehen; denn sie habe noch vergessen, das Feuer im Kamin anzuschüren, sagte sie. „Ach behüte!“ sagte der Schulze, „solltest du darum aufstehen? Das werde ich tun!“ Und damit sprang er aus dem Bett und lief zum Kamin. „Sag mir Bescheid, wenn du den Feuerhaken angefasst hast“, sagte die Meisterjungfer. „Nun habe ich ihn angefasst“, sagte der Schulze. „So gebe Gott, dass du ihn festhältst und er dich und dass du da stehen magst die ganze Nacht und Kohlen und Asche kratzt bis zum hellen Morgen!“ sagte die Meisterjungfer. Und als sie das gesagt hatte, blieb der Schulze vor dem Kamin stehen und kratzte sich Kohlen und Asche über den Kopf, die ganze Nacht hindurch, und wie sehr er auch weinen und bitten und kratzen mochte, so verloschen darum die Kohlen doch nicht, und die Asche wurde nicht kälter.
Erst gegen Morgen ließ ihn der Feuerhaken los; aber nun blieb er keinen Augenblick länger in der Hütte, sondern machte sich fort, als ob der Teufel hinter ihm her wäre. Alle Leute, die ihm begegneten, lachten; denn er legte los, als ob er toll wäre, und er sah so schändlich aus, als wenn man ihn gegerbt oder geschunden hätte.
Am Tag darauf kam der Amtsschreiber vorbei; der sah auch die Hütte im Walde glänzen, und als er hineinging, um zu sehen, wer da wohnte, und die schöne Jungfrau erblickte, da verliebte er sich in sie noch heftiger als der Schulze und freite stehenden Fußes um sie. Ja, sagte die Meisterjungfer wieder, sie wollte ihn wohl haben, wenn er nur Geld hätte. Geld habe er genug, erwiderte der Schreiber, und er wolle es sogleich holen. Am Abend kam er mit einem großen, schweren Sack an – ich glaube gewiss, es waren zwei Scheffel drin – und den setzte er auf die Bank. Nun war denn weiter nichts im Wege, und sie legten sich ins Bett. Aber kaum hatten sie sich niedergelegt, da hatte die Meisterjungfer vergessen, die Haustür zuzumachen, und darum wollte sie wieder aufstehen. „Ach behüte! Solltest du das tun?“ sagte der Schreiber. „Nein, bleib nur liegen! Ich will hingehen.“ Und damit sprang er aus dem Bett, so leicht wie eine Erbse auf Birkenrinde, und lief hinaus auf die Diele. „Sag mir, wenn du die Tür angefasst hast“, rief die Meisterjungfer. „Nun hab ich sie angefasst!“ rief der Schreiber auf der Diele. „So gebe Gott, dass du sie festhältst und sie dich auch und dass ihr hin- und herfahren möget die ganze Nacht, bis es Tag wird!“ sagte die Meisterjungfer. Und nun musste der Schreiber die ganze Nacht über mit der Tür vorwärts und rückwärts tanzen; aber einen solchen Walzer hatte er noch nie getanzt, und es verlangte ihn auch nachher nicht nach einer Wiederholung. Bald war er vom und bald die Tür, und es ging vom Pfosten an die Mauer und von der Mauer an den Pfosten, so dass der Schreiber sich beinahe zu Tode stieß. Er fluchte und weinte und bat, aber die Tür kümmerte sich überhaupt nicht darum, sondern hielt ihn fest bis zum Morgen, dann erst ließ sie ihn los – und der Schreiber lief auf und davon, als ob’s für Geld ginge. Er vergaß Freierei und Goldsack und war nur froh, dass die Tür nicht hinter ihm her getanzt kam. Alle Leute, die ihm begegneten, lachten; denn er flog davon, als ob er toll wäre, und dazu sah er schlimmer aus, als wenn er die ganze Nacht unter den Böcken gewesen wäre.
Am dritten Tag kam der Amtmann vorbei; der hatte kaum die goldene Hütte erblickt, da wollte er auch sehen, wer darin wohnte; und als er nun drinnen die Meisterjungfer erblickte und sie kaum begrüßt hatte, war er schon so heftig verliebt in sie, dass er augenblicklich um sie freite. Die Meisterjungfer aber antwortete ihm ebenso wie den beiden anderen, wenn er genug Geld hätte, dann wollte sie ihn wohl haben. Ja, davon hätt‘ er nicht so wenig. sagte der Amtmann und ging sogleich nach Hause, um es zu holen. Als er am Abend wiederkam, brachte er einen noch größeren Sack mit als der Schreiber – es waren gewiss drei Scheffel drin – und setzte ihn auf die Bank.
Ja, so war denn nun nichts weiter im Wege, nun sollte er die Meisterjungfer bekommen. Kaum aber hatten sie sich zu Bett gelegt, da sagte die Meisterjungfer, sie hätte vergessen, das Kalb einzulassen, und wollte darum wieder aufstehen. Nein, zum Kuckuck! Das solle sie ja nicht, das wolle er schon tun, sagte der Amtmann und sprang, dick und fett wie er war, leichtfüßig wie ein junger Bursche aus dem Bett. „Sag mir, wenn du das Kalb beim Schwanz hältst!“ sagte die Meisterjungfer. , Jetzt halte ich’s!“ rief der Amtmann. „So gebe Gott, dass du den Schwanz festhältst und er dich und dass ihr in der Welt herum fahren möget bis zum Morgen!“ sagte die Meisterjungfer. Und kaum hatte sie dies gesagt, da legte das Kalb mit dem Amtmann los, über Stock und Stein, über Berg und Tal, dass die Heide wackelte, und je mehr der Amtmann fluchte und schrie, desto schneller rannte das Kalb mit ihm davon.
Als es Tag wurde, war der Amtmann beinahe zu Matsch, und da erst ließ das Kalb ihn los. Mittlerweile hatte er aber seine Freierei ganz vergessen und seinen Geldsack ebenfalls. Er bewegte sich nun zwar etwas geruhsamer als der Schreiber und der Schulze, aber je langsamer er fort kroch, desto mehr Zeit hatten die Leute, ihm nachzugucken und zu lachen.
Am Tag darauf sollte auf dem Schloss die Hochzeit des ältesten und des jüngsten Prinzen gefeiert werden; der jüngste, der bei dem Riesen gewesen war, sollte nämlich die Schwester von der Braut seines Bruders heiraten, und beide Brautpaare sollten in der Kirche zugleich getraut werden. Als sie aber in den Wagen stiegen und vom Schlosshof fahren wollten, da zerbrach die Deichsel; sie nahmen nun eine andere, aber die zerbrach auch. Darauf nahmen sie eine dritte, aber es half ihnen alles nichts, denn was für Holz sie auch nehmen mochten, es hielt doch nicht. Wie sie nun ganz missmutig dastanden und nicht fort konnten, sagte der Schulze – denn der war auch mit zur Hochzeit geladen, musst du wissen -: „Dort im Walde wohnt eine Jungfrau, die hat einen Feuerhaken, mit dem sie das Feuer anschürt, lasst sie nur bitten, dass sie Euch diesen Feuerhaken leiht – der geht nicht entzwei, das weiß ich gewiss.“ Es wurde nun sogleich zu der Jungfrau geschickt, und sie ließen sie bitten, ihnen doch den Feuerhaken zu leihen, von dem der Schulze gesprochen hatte. Die Jungfrau sagte auch nicht nein, sondern gab dem Boten ihren Feuerhaken, und nun hatten sie eine Deichsel, die nicht entzweiging, kannst du glauben.
Als sie aber vom Schlosshof fahren wollten, zerbrach plötzlich der Wagenboden; und wie oft sie auch einen neuen Boden machten, und welches Holz sie dafür auch nehmen mochten, so half doch alles nichts. denn wenn sie vom Hof fahren wollten, ging er jedes Mal wieder entzwei, und sie waren nun noch übler dran als vorher mit der Deichsel. Endlich sagte der Amtsschreiber – denn wo der Schulze war, da durfte der Schreiber nicht fehlen, das kann man sich wohl denken -: „Dort im Walde wohnt eine Jungfrau, wenn die Euch bloß ihre eine Tür leihen würde, die aus lauter Gold ist, die geht nicht entzwei, das weiß ich gewiss.“ Sogleich wurde nun wieder zu der Jungfrau geschickt, und sie ließen sie bitten, ihnen doch die eine Halbtür zu leihen, von der der Schreiber gesprochen hatte, und sie bekamen sie denn auch.
Nun war alles gut, und sie wollten zur Kirche fahren; aber da waren die Pferde nicht imstande, den Wagen fortzuziehen. Sechs Pferde hatten sie schon davor, dann spannten sie acht vor, dann zehn, dann zwölf, aber wie viele sie auch vorspannten und wie sehr der Kutscher auch peitschen mochte, es half alles nichts, der Wagen rührte sich nicht vom Fleck. Es war nun schon ziemlich spät geworden, und zur Kirche wollten und mussten sie, und wie sie nun gar nicht fortkommen konnten, waren sie alle nahe daran zu verzweifeln. Zuletzt sagte aber der Amtmann, dort im Walde wohne eine Jungfrau, die habe ein Kalb, das – ja, wenn sie bloß das Kalb geliehen bekämen, sagte er, das würde den Wagen schon ziehen, und wenn er so schwer wäre wie ein Berg. Sie meinten nun zwar, es sähe nicht sehr hübsch aus, mit einem Kalb zur Kirche zu fahren; aber sie wussten sich nun einmal keinen anderen Rat, sie mussten wieder zu der Jungfrau schicken und sie bitten lassen, ihnen doch das Kalb zu leihen, von dem der Amtmann gesprochen hatte. Die Meisterjungfer sagte auch diesmal nicht nein, sondern gab dem Boten sogleich das Kalb. Als sie. es dann vorgespannt hatten, sauste der Wagen davon über Stock und Stein, über Berg und Tal, so dass sie kaum Atem holen konnten; bald waren sie auf der Erde, und bald waren sie in der Luft, und als sie zur Kirche kamen, flog der Wagen rund um die Kirche, so schnell wie ein Haspel, und es gelang ihnen, nur mit knapper Not herunterzukommen. Auf dem Rückweg aber ging’s noch schneller, und als sie wieder auf dem Schlosshof ankamen, hatten sie alle fast die Besinnung verloren.
Als sie sich zu Tisch gesetzt hatten, sagte der Königssohn – der auf dem Riesenschloß gewesen war -, es schicke sich wohl so, dass sie auch die Jungfrau einluden, die ihnen den Feuerhaken, die Halbtür und das Kalb geliehen hatte. „Denn ohne diese drei Dinge wären wir noch nicht von der Stelle gekommen“, sagte er. Ja, dem König deuchte auch, das wäre nicht mehr als billig, und er schickte sogleich fünf von seinen Leuten zu der vergoldeten Hütte mit einem Gruß von ihm, und die Jungfrau möchte doch so gut sein und aufs Schloss kommen und da zu Mittag essen. Die Jungfrau aber antwortete: „Grüßt nur den König wieder von mir und sagt ihm, wenn er sich zu gut dünke, selbst zur mir zu kommen, so dünke ich mich auch viel zu gut, zu ihm zu kommen.“ Nun musste der König sich denn selbst aufmachen, und da ging die Jungfrau auch sogleich mit. Der König aber konnte sich wohl denken, dass sie etwas mehr war, als sie zu sein schien, und setzte sie darum bei der Tafel obenan zu dem jüngsten Bräutigam. Als sie nun eine Weile gesessen hatten, nahm die Meisterjungfer den Hahn und das Huhn und den goldenen Apfel hervor, den sie aus dem Riesenschloß mitgenommen hatte, und legte sie vor sich auf den Tisch hin; und sogleich fingen der Hahn und das Huhn an, sich um den goldenen Apfel zu schlagen. „Ei, seht doch, wie die beiden da um den goldenen Apfel kämpfen!“ sagte der Königssohn. „Ja, so hatten wir beide damals auch zu kämpfen, um aus dem Berg zu kommen“, sagte die Meisterjungfer.
Da erkannte der Königssohn sie wieder, und seine Freude war unbeschreiblich. Die Trollhexe aber, die ihm den goldenen Apfel zugerollt hatte, ließ er von vierundzwanzig Pferden in Stücke zerreißen, so dass kein Fetzen an ihr ganz blieb; und nun begann erst die rechte Hochzeit, und der Schulze und der Schreiber und der Amtmann, so sehr sie sich auch die Flügel versengt hatten, waren auch mit dabei und hielten aus bis zuletzt.

Quelle:
(Unbekannt-Norwegen)

 

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