Dann war aber auch ein Padischah und dieser hatte drei Töchter, von denen die eine vierzig, die andere dreissig und die jüngste zwanzig Jahre alt war. Einmal hetzte die vierzigjährige Tochter die jüngste auf und liess sie folgenden Brief an ihren Vater schreiben: »Herr Vater! Die eine meiner Schwestern ist vierzig, die andere dreissig Jahre alt und du hast sie noch nicht verheiratet. Fürwahr, ich will nicht auch so alt werden, bis ich endlich einen Mann bekomme!«
Der Padischah las den Brief, liess seine Töchter herbeiholen und sprach also zu ihnen: »Hier habt ihr jede einen Pfeil, schiesst ihn ab und wohin er fällt, dort mag jede ihren Zukünftigen suchen.« Die drei Mädchen nahmen also die drei Pfeile; zuerst schoss die älteste, deren Pfeil in den Palast des Sohnes des Wezirs fiel; man gab sie dem Sohne des Wezirs zur Gattin. Der Pfeil der mittleren fiel in den Palast des Sohnes des Schejkislam und man gab sie ihm zur Gattin. Das jüngste Mädchen schoss auch ihren Pfeil ab und dieser flog in die Hütte eines Badeheizers. »Es gilt nicht,« rief man und als sie nun zum zweiten Male schoss, da flog der Pfeil wieder dorthin. Sie schoss zum dritten Mal und wieder flog der Pfeil in die Hütte des Badeheizers. Der Schah ward nun zornig und schrie seine Tochter an: »Nun, Garstige, das ist dir recht. Sieh, deine älteren Schwestern warteten geduldig und haben ihr Ziel erreicht; du warst die jüngste und doch hast du den Brief geschrieben; nun, hier hast du die Strafe. Führt sie hinweg zu jenem Badeheizer, ihrem Gatten, und gebt ihr weiter nichts!« Man führte also das arme Mädchen zum Badeheizer hin und gab sie ihm zur Frau.
Eine Zeitlang lebten sie miteinander, da ward die Frau schwanger und als die Zeit der Geburt eintrat, eilte ihr Gatte um eine Hebamme. Während der Badeheizer also eine Hebamme suchte, überfiel der Schmerz die Frau, aber sie hatte kein Bett, wohin sie sich hätte niederlegen, sie hatte kein Feuer, an dem sie sich hätte erwärmen können; und dabei herrschte ein strenger Winter. Sie weinte und jammerte, da traten aus der Hüttenwand drei wunderschöne Feen hervor. Die eine stellte sich zu ihrem Haupte, die andere zu ihren Füssen, die dritte neben sie und dann schritten sie ans Werk. Und plötzlich ist alles in der kleinen Hütte in Ordnung, in reinem Bette befindet sich die Königstochter, neben ihr das neu geborne Mägdlein. Als die drei Feen mit allem fertig waren und sich entfernen wollten, traten sie einzeln an das Lager heran und die eine sprach:
»Rosen-Schöne soll es heissen;
Und so oft es weint, Perlen ausstreun.«
Die Zweite sprach:
»So oft es lacht, sollen Rosen erblühen!«
Die Dritte sprach:
»Wo es hintritt, sollen Gräser spriessen!«
Hierauf verschwanden die drei Feen.
Inzwischen suchte der Badeheizer vergeblich nach einer Hebamme; er fand keine. Was sollte er nun beginnen; er eilte heim und war nun erstaunt, dass seine Frau schon erkrankt, seine ärmliche Hütte in Ordnung gebracht und seine Gattin in einem schönen Bette lag. Die Frau setzte ihm den Hergang auseinander. Wie dem auch sei, etliche Zeit vergeht, das Mädchen wächst von Tag zu Tag und erreicht das zehnte bis zwölfte Jahr und ward schön, wie auf der Welt noch keins gesehn ward, so dass wer es nur einmal anblickte, in Liebe erbrannte und obendrein erblühten Rosen, wenn sie lachte, Perlen entfielen ihren Augen, wenn sie weinte und Gras entspros ihren Fussspuren. Wer sie gesehen, der hätte selbst seine Seele für sie hingegeben; gross war aber auch der Ruf ihrer Schönheit.
Von dieser Maid vernahm auch eines Prinzen Mutter und sie nahm sich vor, diese und keine andere solle die Gattin ihres Sohnes werden. Sie liess den Sohn zu sich rufen und sagte ihm, dass ein solch‘ schönes Mädchen in der Stadt lebe, welches Rosen lacht, Perlen weint und ihren Fussspuren Gras entspriesst; er solle es sich ansehn.
Dem Prinzen hatten die Feen die schöne Rose, die Maid, schon längst im Traume gezeigt und seither zehrte an ihm der Liebe Glut, aber er schämte sich vor seiner Mutter und weigerte sich scheinbar zur Maid zu gehen. Die Mutter aber drang in ihn und rief endlich eine Palastdame, die sie zum Diener begleiten sollte. Sie traten in die Hütte ein, erklärten den Grund ihres Erscheinens und auf Allahs Befehl freiten sie die Maid für den Schehzade. Die armen Leute freuen sich des grossen Glückes, sprechen die Maid zu und beginnen ihre Vorbereitungen zu treffen.
Jene Palastdame aber hatte eine Tochter; die war etwas schön und glich ein wenig der Rosen-Schönen Diese Frau grämte sich gar sehr, dass der Prinz jene arme Maid heiraten solle, dass eine Dienerstochter Sultansfrau werde, nicht aber ihre Tochter. Sie dachte nun bei sich, dass sie die Leute betrügen und statt der Rosen-Schöne ihre Tochter dem Prinzen zuführen werde. Sie tat auch also, wie sie es sich ausgehockt hatte. Am Hochzeitstage gab sie der Maid salzige Speisen zu essen, nahm einen Krug voll Wasser und einen grossen Korb und setzte sich nun mit der Rosen-Schöne und ihrer eigenen Tochter auf den Brautwagen und fuhr dem Seraj (Palast) zu.
Auf dem Wege ward die Maid durstig und verlangte von der Frau Wasser. »Ich gebe dir so lange kein Wasser,« sprach die Palastdame, »bis du mir nicht eines deiner Augen hergibst.« Die Maid verdurstete beinahe; was sollte sie machen, sie grub sich das eine Auge heraus, und gab es um einen Trunk Wasser hin.
Sie fuhren nun weiter und bald empfand die Maid wieder Durst, sie verlangte Wasser. »Ich gebe dir, wenn du auch dein anderes Auge hergibst,« versetzte die Frau. Der Durst plagte die Arme so sehr, dass sie für einen zweiten Trunk auch ihr anderes Auge hingab. Die Frau nahm nun die beiden Augen und versorgte sie, die blinde Maid aber steckte sie in den Korb hinein und liess sie auf einer Bergspitze zurück. Das schöne Brautkleid zog sie ihrer Tochter an, führte sie dem Prinzen zu und mit den Worten: »Hier deine Frau;« übergab sie ihm dieselbe. Eine grosse Hochzeit wurde gefeiert und als man die Braut dem Bräutigam übergab und dieser ihren Schleier abhob, sah er, dass nicht die Maid seines Traumes vor ihm stehe. Da sie aber seinem Traumbilde ein wenig glich, so sprach er kein Wort über die Sache. Sie legten sich nieder, den nächsten Morgen standen sie auf; der Prinz wusste, dass die Maid seines Traumes Perlen weine, Rosen lache und dass Gras ihrer Fussspur entspriesse, – diese hatte aber weder Perlen, noch Rosen und Gras. Der Jüngling ahnte, dass man ihn betrogen habe, dass dies nicht die Maid sei, die er hätte erhalten sollen; aber bald werde ich es erfahren, dachte er sich, und sprach zu niemandem ein Wort davon.
Während diese im Palaste lebten, weinte und jammerte die arme Rosen-Schöne auf dem Berggipfel und Perlen entrollten ihren Wangen, so dass sie im Korbe kaum mehr Platz fanden. Ein Misträumer kam eben des Weges und wollte den Mist dort ausleeren, als er das Weinen der Maid hörte; erschreckt frug er: »Wer ist da, bist du ein Geist oder eine Fee?« Die Maid antwortete: »Ich bin weder ein Geist, noch eine Fee; ich bin ein Mensch wie du.« Der Misträumer näherte sich dem Korbe, öffnete denselben und erblickte nun die blinde Maid und die ihr entrollenden vielen Perlen. Er führte nun die Maid in seine Hütte und nachdem der Alte niemanden auf der Welt hatte, so nahm er sie an Kindesstatt auf und pflegte sie so, als ob sie sein eigenes Kind wäre. Aber die Maid beklagte immerfort ihre beiden Augen und der Mann hatte nun nichts anderes zu tun, als die Perlen zu sammeln und wenn ihm das Geld ausging, dieselben zu verkaufen. Also lebten sie.
So verging die Zeit, im Palaste voll Lustbarkeit, beim Misträumer voll Kummer und Leid. Da sass eines Tages die Rosen-Schöne in der Hütte, es fiel ihr etwas ein, sie lächelte und auf ihr Lachen spross eine Rose hervor. Nun sprach die Maid zu ihrem Misträumer-Vater: »Nimm diese Rose, Väterchen, geh‘ damit vor den Palast des Prinzen und rufe, dass du Rosen verkaufest, solche, wie sie selten zu haben sind. Kommt die Palastdame heraus, so verkaufe ihr keine Rosen für Geld, sondern sage, dass du sie für Menschenaugen feil bietest.«
Der Mann nahm die Rose in die Hand, ging vor den Palast und begann zu rufen: »Ich verkaufe Rosen, solche, wie keine dergleichen auf der Welt zu haben sind!« Und es war damals nicht einmal die Rosenzeit. Zuerst hörte dies die Palastdame und dachte sich, sie werde die Rose für ihre Tochter kaufen, damit der Prinz denke, dass sie doch seine rechte Gattin sei. Sie rief den armen Mann herbei und fragte ihn, wie teuer er die Rose verkaufe? »Für nichts,« versetzte der Misträumer, »sie ist für Geld nicht feil, aber für ein Menschenauge gebe ich sie hin!« Die Frau nahm das eine Auge der Rosen-Schöne hervor und gab es für die Rose hin. Sie trug die Rose gleich ihrer Tochter hin, steckte sie ihr ins Haar und als der Prinz am Abend die Rose erblickte, wähnte er die Fee seines Traumes in ihr zu erkennen, konnte sich aber nicht erklären, wie sie hergelangt sei. Er tröstete sich, dass er bald den Sachverhalt erfahren werde und sprach zu niemandem ein Wort davon.
Der Alte ging mit dem einen Auge fort und übergab es seiner Tochter, der Rosen-Schöne. Diese setzt es sich ein, fleht zum allmächtigen Allah, blickt herum und siehe da! sie sieht mit dem Auge ganz gut. Die arme Maid freute sich darüber so sehr, dass ihrem Lächeln abermals eine Rose entspross. Auch diese gab sie ihrem Vater, damit er wieder vor den Palast gehe und dieselbe für ein Auge verkaufe. Der Alte nahm also die Rose in die Hand und kaum, dass er vor dem Palaste zu rufen begann, so hörte ihn schon die Frau. »Er kommt mir eben recht,« dachte sie sich, »der Prinz beginnt schon meine rosengeschmückte Tochter zu lieben; ich kaufe auch diese, damit er sie noch mehr lieb gewinne, dann wird er bald des Dieners Tochter vergessen.« Sie rief den Misträumer herbei, verlangte die Rose, doch er gab sie wieder nicht für Geld, sondern für ein Menschenauge hin. Die Frau gab ihm das andere Auge hin, der Alte eilte damit nach Hause und übergab es seiner Tochter. Die Rosen-Schöne setzte es sich ein, flehte zu Allah, blickte dann herum und freute sich nun ihrer beiden Augen so sehr, dass ihrem Lächeln viele Rosen entsprossen. Sie ward noch schöner als sie früher gewesen.
Eines Tages ging nun die Rosen-Schöne spazieren und überall entsprossen Rosen ihrem Lächeln, Gräser ihrer Fussspur. Die Palastdame erblickte die Maid und erschrak sehr. Was wird nun mit ihrer Tochter geschehen, wenn man die Sache erfährt! Sie erkundigt sich nach des Misträumers Wohnung, eilt hin und jagt dem armen Alten Schrecken ein, weil er eine Hexe beherberge. Der Alte hatte nie in seinem Leben eine Hexe gesehen und er war nun ganz ausser sich vor Schrecken; er fragte die Frau, was er denn beginnen solle. »Frag sie,« rät ihm die Frau, »nach ihrem Talisman (tylysym) ich werde dann schon die Sache schlichten!« Als seine Tochter heimkehrte, war es nun des Alten erste Sache, dass er sie fragte, wie es komme, dass sie als Mensch solche Zauberdinge treibe Die Maid ahnte nichts Böses, erzählte ihm, dass sie von drei Feen einen Talisman bekommen habe, durch den sie Rosen, Perlen und Gräser hervorbringe, so lange, bis eben ihr Talisman lebe. »Was ist dein Talisman?« forschte der Alte. »Ein kleines Hirschlein auf Bergeshöhen; stirbt es, muss auch ich sterben,« antwortete die Maid.
Am nächsten Tage kam heimlich die Palastdame, erfuhr vom Misträumer die Sache und kaum hatte sie den Talisman in Erfahrung gebracht, als sie freudig nach Hause eilte. Sie teilte nun ihrer Tochter mit, das auf Bergeshöhen ein Hirschlein sich befinde, sie solle es von ihrem Prinzgemahlen einfangen lassen Noch am selben Tage jammerte und klagte die Sultansfrau ihrem Gatten, dass sich auf Bergeshöhen ein Hirschlein befinde, dessen Herz sie essen möchte. Nach Verlauf gar kurzer Zeit fingen die Leute des Prinzen das kleine Wild, schlachteten es ab, nahmen sein Herz heraus und gaben es der Sultansfrau hin. In dem Augenblicke, in dem man das Hirschlein abschlachtete, starb auch die Rosen-Schöne. Der Misträumer bedauerte sie und bedauerte sie auch nicht, und schliesslich beerdigte er sie.
An der Spitze des Hirschherzens befand sich aber eine rote Koralle, die niemand bemerkt hatte. Als nun die Sultansfrau das Herz ass, fiel die Koralle zu Boden und rollte unter die Treppe, als ob sie sich verstecken wollte. Mit der Zeit, und zwar nach neun Monaten und zehn Tagen erkrankte des Prinzen Gattin und gebar ein solches Töchterlein, das Perlen weinte, Rosen lachte und dessen Fussspur Gras entkeimte. Als dies der Prinz sah, dachte er hin und her, war dies Mägdlein doch ähnlich der Rosen-Schöne, und war ja seine Mutter eine andere. Selbst im Traume hatte er keine Ruhe und es erschien ihm die Rosen-Schöne, die also zu ihm sprach; »O Prinz, mein Bräutigam, meine Seele liegt unter der Palasttreppe, mein Leib im Friedhof, deine Tochter ist meine Tochter, mein Talisman die kleine Koralle.«
Kaum dass der Prinz erwachte, so ging er gleich zur Treppe, suchte herum und fand dort die Korallenperle. Er hob sie auf, trug dieselbe in sein Gemach und legte sie auf den Tisch hin. Da kam sein Töchterlein herein, erblickte die rote Koralle und kaum ergreift es dieselbe, so verschwindet es, als ob es nie da gewesen wäre. Die drei Feen hatten das Kind entführt, trugen es nun hin zu seiner Mutter und als die Koralle in den Mund der Toten fiel, so erwachte sie zu neuem Leben.
Der Prinz fand keine Ruhe, ging in den Friedhof, öffnete das Grab und liess den Sarg aufschliessen; siehe da! dort befand sich die Rosen-Schöne seines Traumes, die ihr Kind im Arme hielt und ihren Talisman, die kleine Koralle bei sich hatte. Sie entstiegen dem Grabe, umarmten sich und beide weinten und aus den Augen Beider strömten Perlen; wenn sie aber lachten, so sprossen Rosen hervor und ihren Fussspuren entkeimten Gräser.
Die Palastdame und ihre Tochter mussten gar schwer büssen, die Rosen-Schöne und ihr Diener- Vater samt dessen Frau, der Sultanstochter, lebten nun beisammen und vierzig Tage und vierzig Nächte lang dauerte die Hochzeit, aber ewig die Lustbarkeit.
[Asien: Türkei. Märchen der Welt]