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Vor alter Zeit, da noch das Schloß auf dem Hügel droben stand, lebte darin ein Graf mit seiner Hausfrau. Sie hatten Güter in Hülle und Fülle und hätten das glücklichste Paar sein können, wenn ihnen nicht ein Kind und der häusliche Friede gefehlt hätten. Vom frühesten Morgen bis spätabends zankten und haderten Graf und Gräfin, und er hieß seine Frau nie anders als die hale Schlange.
So war es viele lange Jahre gegangen, und der Graf war noch schlimmer als je, bis seine Frau endlich wider Erwarten in die Hoffnung kam. Da wurde der schlimme Herr freundlicher und freute sich ob des künftigen Erben. So ging es viele Wochen lang fort, und man meinte, es sei der Friede für immer in das Schloß eingekehrt, da wurde es schlimmer als je; denn die Gräfin wurde, als die Wehen vorüber waren, einer Schlange entbunden. Als sich der Graf in seiner süßen Hoffnung so bitter getäuscht sah, war er erboster als jemals. Er tobte und wütete wie ein wildes Tier, schalt seine Frau eine böse Hexe, die mit dem Teufel im Bund stehe, und wollte die Schlange ohne weiteres töten. Da bat die Gräfin so lange und so innig, daß er ihr Kind am Leben lasse, damit sie wenigstens sehe, was daraus werde, bis er endlich nachgab und die Schlange nicht tötete. Er blieb aber seitdem immer böse und kümmerte sich weder um Weib noch um Kind und ging seine Wege.
Die Gräfin hatte aber die Schlange so lieb, als ob es der schönste Knabe wäre, und stand Tag und Nacht an der Wiege. Der Wurm aber wuchs und wuchs, und die Gräfin hatte ihn noch lieber und pflegte ihn wie ihr eigenes Kind. So ging es zwanzig Jahre hindurch, und die Schlange war noch nie aus ihrer Kammer gekommen. Als sie zwanzig Jahre alt geworden war und die Gräfin eines Abends bei ihr in der Kammer saß, öffnete die Schlange plötzlich ihr Maul und fing zu sprechen an.
»Liebe Frau Mutter«, sprach sie, »ich bin nun zwanzig Jahre alt und möchte heiraten; deshalb bitte ich Euch, daß Ihr mir eine Braut verschafft.«
Die Gräfin war nicht wenig erstaunt, als sie ihr Kind sprechen hörte, und noch mehr über das, was es gesprochen hatte. Sie versprach ihm, seinen Wunsch zu erfüllen, und suchte für ihre Schlange eine Braut. Allein das war ein schweres Kuppeln, denn es mochte ein Mädchen noch so heiratslustig sein, so wollte sie von einer solchen Versorgung nichts wissen. Die Schlange aber wiederholte tagtäglich ihre Bitte, und die Gräfin sah sich immer ängstlicher um eine Braut für ihr Kind um, konnte aber keine auftreiben.
Da kam ihr das Hennenmädl, das ein gar liebes, folgsames Kind war, in den Sinn, und sie dachte, dieses werde gewiß darauf eingehen und es für ein Glück schätzen, wenn sie Frau Gräfin werden könne. Darin hatte sich aber die Frau Mutter verrechnet, denn das Hennenmädl wollte, als ihr der Antrag gestellt wurde, ganz und gar nichts davon wissen. Das Mädchen meinte, es werde, wenn es brav sei, wohl auch sonst durch die Welt kommen und es könnte die Schlange doch nicht gerne haben. Es wolle lieber ein armes Hennenmädl bleiben und schwarzes Brot essen, als an der Seite eines so unheimlichen Tieres das reichste Leben führen.
Wie die Gräfin dieses hörte, wurde sie böse auf das arme Mädchen und sprach: »Wenn du dein Glück verschmähst, werde ich schon eine andere finden.«
Das dauerte aber seine Zeit, und die Gräfin mußte überall, wo sie für ihr Kind warb, mit langer Nase abziehen. Als sie dies sah, wandte sie sich wieder an das liebe, fromme Hennenmädl und gab ihm viele schöne, süße Worte. »Sei doch nicht so dumm und steh nicht selbst deinem Glück im Weg«, redete sie ihr zu. »Wenn du mein Kind heiratest, wirst du Gräfin und bist für dein Lebtag aufgehoben. Was hast du denn, wenn du so bleibst, für Aussichten? Du mußt die Hennen füttern und bleibst die geringste Magd, während dir, wenn du meinem Rat folgst, Ehre und Reichtum lachen.«
So bedrängte sie die Gräfin und sprach ihr zu, daß es dem armen Kind im Kopf wie ein Mühlrad hin und her ging und es nicht wußte, was es tun sollte. Die Gräfin drang, wie sie die Ratlosigkeit des Mädels sah, noch heftiger auf das Kind ein, bis es endlich, um die Gnädige loszuwerden und sich sammeln zu können, drei Tage Zeit verlangte, um darüber nachzudenken. Die Gräfin war damit zufrieden und verließ das Kind.
Am folgenden Tag kam sie aber schon wieder und fragte um den Entschluß und sprach dem Mädchen zu. So machte sie es auch am zweiten. Da wußte sich das Kind nicht zu helfen und dachte: Wenn mir der Himmel nicht guten Rat gibt, weiß ich nicht, was zu tun ist. Wenn ich die Schlange nicht heirate, dann habe ich keine Ruhe mehr, denn die Frau ist gar so aufdringlich; und sie zu heiraten habe ich auch keine Lust. In diesen Zweifeln ging es hinauf in den Gang des Schlosses, wo in einer Ecke ein gar schönes Muttergottesbild stand. Das fromme Mädchen hatte dazu eine besondere Andacht und hatte in verschiedenen Anliegen schon oft Erleichterung dabei gefunden.
Sooft es daran vorbeiging, sprach es deshalb ein Ave-Maria, und dann fühlte es sich besser und wohler. Es kniete sich diesmal vor der Muttergottes nieder und betete recht andächtig um Rat, was in diesem Fall zu tun sei. Als das Mädchen schon lange gebetet hatte und es meinte, es müßte die Muttergottes ein Ja winken oder ein Nein schütteln, fing das wunderbare Bild auf einmal zu sprechen an und sagte: »Dein Gebet ist erhört; heirate der Gräfin Kind, denn du bist berufen, es zu erlösen. Es ist wegen des sündhaften Lebens seiner Eltern zwar eine Schlange, du kannst ihm aber die menschliche Gestalt geben. So höre denn! Wenn du in der Hochzeitsnacht bei der Schlange allein in der Brautkammer sein wirst, wird sie sagen: ‚Zieh dich aus!‘ Da mußt du erwidern: ‚Zieh du dich zuerst aus!‘, und die Schlange wird sich einmal häuten. Dann wird sie wieder sagen: ‚Zieh dich aus!‘, und dann mußt du wieder entgegnen: ‚Zieh du dich zuerst aus!‘ Die Schlange wird sich dann wieder häuten. So muß es siebenmal geschehen, und wenn du zum siebenten Mal gesagt haben wirst: ‚Zieh du dich zuerst aus!‘, wird die Schlange die siebente Haut abstreifen, und der Grafensohn wird erlöst sein und als schöner Jüngling vor dir stehen.«
Das Bild hatte es gesprochen und verstummte. Ein Stein war vom Herzen des bedrängten Mädchens genommen, und es fühlte sich nun leicht und beruhigt. Es dankte dem Himmel für seine Hilfe und ging dann zur Gräfin und sagte ihr, daß es die Schlange heiraten wolle.
Da war diese hocherfreut und nannte das Hennenmädchen ihre liebe Tochter und koste es; dann ging sie mit ihm zu ihrem Kind und führte ihm die Braut vor. Weil aber die Gräfin fürchtete, es könnte das Mädchen seinen Sinn wieder ändern, wollte sie am nämlichen Tag noch das Paar getraut sehen. Sie hieß deshalb die Braut sich festlich putzen und gab ihr Schmuck und Kleider. Als diese sich gewaschen, gekleidet und geschmückt hatte und wieder in das Zimmer getreten war, ließ die Gräfin den Geistlichen holen, der das Paar traute. Da war die Gräfin froher Dinge und wünschte dem Brautpaar Glück. Die Schlange zeigte sich auch munter, und die Braut liebkoste sie, daß man sich darüber wundern mußte. Indessen war es Abend geworden, und am Himmel zogen die Sterne herauf. Da nahm die Gräfin von ihren Kindern Abschied und ließ sie allein.
Als die Schlange sich mit ihrer Braut allein im Zimmer sah, sprach sie: »Zieh dich aus!« Da erwiderte die Braut: »Zieh du dich zuerst aus!«
Die Schlange schien über diese Antwort froh zu sein und schälte sich alsogleich eine Haut ab. Dann sprach sie wieder: »Zieh dich aus!«
Die Braut entgegnete: »Zieh du dich zuerst aus!«, und die Schlange zog wieder eine Haut aus. Dann sprach sie wieder: »Zieh dich aus«; die Braut antwortete aber wieder, wie die ersten beiden Male. So geschah es siebenmal, und als die Braut zum siebenten Male gesprochen hatte: »Zieh du dich zuerst aus!«, da zog die Schlange die siebente und letzte Haut ab, und siehe – anstatt der Schlange stand ein so wunderschöner Jüngling vor ihr, daß sie nie einen schöneren Ritter gesehen hatte. Er flog auf sie zu, umarmte und herzte sie und nannte sie seine liebe, liebe Braut und seine Erlöserin. Dann bestiegen sie das hohe Brautbett und schliefen selig, bis der Morgen graute und es im Schloßhof laut wurde.
Als der Tag angebrochen war und das schöne Paar aus der Kammer trat, stand die Gräfin schon an der Tür; denn sie war sehr neugierig, wie die Brautnacht vorübergegangen sei. Wie groß war da ihr Staunen, als sie anstatt der häßlichen Schlange den schönsten Mann sah! Sie wollte anfangs kaum ihren Augen trauen. Als der schöne Ritter sie aber Mutter nannte und ihre Hand küßte, da sah sie ein, daß er wirklich ihr umgewandelter Sohn war, und kannte keine Grenzen der Freude.
Es wurde nun die Hochzeit gefeiert, bei der es so laut und lustig zuging wie im ewigen Leben.
Doch dauerte das Glück nicht immer. Wenn die alte Gräfin ihren Sohn betrachtete und sah, wie schön er war, da schien ihr, er sei für das Hennenmädel schade, und sie beneidete ihre Schwiegertochter um ihren Mann. Sie wurde immer verstimmter und neidischer, so daß sie ihrem Sohn zuredete, er solle seine Gemahlin verstoßen. Der junge Graf aber, der seine Frau zärtlich liebte, hatte keine Ohren für die Ratschläge seiner Mutter und blieb seiner Frau treu. Als die alte Gräfin ihn wieder bedrängte und durchaus bewegen wollte, seine Frau zu verstoßen, sprach er: »Meiner Gattin verdanke ich meine Erlösung, und deshalb werde ich ihr immer dankbar und treu bleiben.«
Seit dieser Rede sah die Gräfin ein, daß ihre Ratschläge umsonst waren, und gab sich zufrieden. Das junge Ehepaar lebte noch lange, lange Zeit recht glücklich.
So war es viele lange Jahre gegangen, und der Graf war noch schlimmer als je, bis seine Frau endlich wider Erwarten in die Hoffnung kam. Da wurde der schlimme Herr freundlicher und freute sich ob des künftigen Erben. So ging es viele Wochen lang fort, und man meinte, es sei der Friede für immer in das Schloß eingekehrt, da wurde es schlimmer als je; denn die Gräfin wurde, als die Wehen vorüber waren, einer Schlange entbunden. Als sich der Graf in seiner süßen Hoffnung so bitter getäuscht sah, war er erboster als jemals. Er tobte und wütete wie ein wildes Tier, schalt seine Frau eine böse Hexe, die mit dem Teufel im Bund stehe, und wollte die Schlange ohne weiteres töten. Da bat die Gräfin so lange und so innig, daß er ihr Kind am Leben lasse, damit sie wenigstens sehe, was daraus werde, bis er endlich nachgab und die Schlange nicht tötete. Er blieb aber seitdem immer böse und kümmerte sich weder um Weib noch um Kind und ging seine Wege.
Die Gräfin hatte aber die Schlange so lieb, als ob es der schönste Knabe wäre, und stand Tag und Nacht an der Wiege. Der Wurm aber wuchs und wuchs, und die Gräfin hatte ihn noch lieber und pflegte ihn wie ihr eigenes Kind. So ging es zwanzig Jahre hindurch, und die Schlange war noch nie aus ihrer Kammer gekommen. Als sie zwanzig Jahre alt geworden war und die Gräfin eines Abends bei ihr in der Kammer saß, öffnete die Schlange plötzlich ihr Maul und fing zu sprechen an.
»Liebe Frau Mutter«, sprach sie, »ich bin nun zwanzig Jahre alt und möchte heiraten; deshalb bitte ich Euch, daß Ihr mir eine Braut verschafft.«
Die Gräfin war nicht wenig erstaunt, als sie ihr Kind sprechen hörte, und noch mehr über das, was es gesprochen hatte. Sie versprach ihm, seinen Wunsch zu erfüllen, und suchte für ihre Schlange eine Braut. Allein das war ein schweres Kuppeln, denn es mochte ein Mädchen noch so heiratslustig sein, so wollte sie von einer solchen Versorgung nichts wissen. Die Schlange aber wiederholte tagtäglich ihre Bitte, und die Gräfin sah sich immer ängstlicher um eine Braut für ihr Kind um, konnte aber keine auftreiben.
Da kam ihr das Hennenmädl, das ein gar liebes, folgsames Kind war, in den Sinn, und sie dachte, dieses werde gewiß darauf eingehen und es für ein Glück schätzen, wenn sie Frau Gräfin werden könne. Darin hatte sich aber die Frau Mutter verrechnet, denn das Hennenmädl wollte, als ihr der Antrag gestellt wurde, ganz und gar nichts davon wissen. Das Mädchen meinte, es werde, wenn es brav sei, wohl auch sonst durch die Welt kommen und es könnte die Schlange doch nicht gerne haben. Es wolle lieber ein armes Hennenmädl bleiben und schwarzes Brot essen, als an der Seite eines so unheimlichen Tieres das reichste Leben führen.
Wie die Gräfin dieses hörte, wurde sie böse auf das arme Mädchen und sprach: »Wenn du dein Glück verschmähst, werde ich schon eine andere finden.«
Das dauerte aber seine Zeit, und die Gräfin mußte überall, wo sie für ihr Kind warb, mit langer Nase abziehen. Als sie dies sah, wandte sie sich wieder an das liebe, fromme Hennenmädl und gab ihm viele schöne, süße Worte. »Sei doch nicht so dumm und steh nicht selbst deinem Glück im Weg«, redete sie ihr zu. »Wenn du mein Kind heiratest, wirst du Gräfin und bist für dein Lebtag aufgehoben. Was hast du denn, wenn du so bleibst, für Aussichten? Du mußt die Hennen füttern und bleibst die geringste Magd, während dir, wenn du meinem Rat folgst, Ehre und Reichtum lachen.«
So bedrängte sie die Gräfin und sprach ihr zu, daß es dem armen Kind im Kopf wie ein Mühlrad hin und her ging und es nicht wußte, was es tun sollte. Die Gräfin drang, wie sie die Ratlosigkeit des Mädels sah, noch heftiger auf das Kind ein, bis es endlich, um die Gnädige loszuwerden und sich sammeln zu können, drei Tage Zeit verlangte, um darüber nachzudenken. Die Gräfin war damit zufrieden und verließ das Kind.
Am folgenden Tag kam sie aber schon wieder und fragte um den Entschluß und sprach dem Mädchen zu. So machte sie es auch am zweiten. Da wußte sich das Kind nicht zu helfen und dachte: Wenn mir der Himmel nicht guten Rat gibt, weiß ich nicht, was zu tun ist. Wenn ich die Schlange nicht heirate, dann habe ich keine Ruhe mehr, denn die Frau ist gar so aufdringlich; und sie zu heiraten habe ich auch keine Lust. In diesen Zweifeln ging es hinauf in den Gang des Schlosses, wo in einer Ecke ein gar schönes Muttergottesbild stand. Das fromme Mädchen hatte dazu eine besondere Andacht und hatte in verschiedenen Anliegen schon oft Erleichterung dabei gefunden.
Sooft es daran vorbeiging, sprach es deshalb ein Ave-Maria, und dann fühlte es sich besser und wohler. Es kniete sich diesmal vor der Muttergottes nieder und betete recht andächtig um Rat, was in diesem Fall zu tun sei. Als das Mädchen schon lange gebetet hatte und es meinte, es müßte die Muttergottes ein Ja winken oder ein Nein schütteln, fing das wunderbare Bild auf einmal zu sprechen an und sagte: »Dein Gebet ist erhört; heirate der Gräfin Kind, denn du bist berufen, es zu erlösen. Es ist wegen des sündhaften Lebens seiner Eltern zwar eine Schlange, du kannst ihm aber die menschliche Gestalt geben. So höre denn! Wenn du in der Hochzeitsnacht bei der Schlange allein in der Brautkammer sein wirst, wird sie sagen: ‚Zieh dich aus!‘ Da mußt du erwidern: ‚Zieh du dich zuerst aus!‘, und die Schlange wird sich einmal häuten. Dann wird sie wieder sagen: ‚Zieh dich aus!‘, und dann mußt du wieder entgegnen: ‚Zieh du dich zuerst aus!‘ Die Schlange wird sich dann wieder häuten. So muß es siebenmal geschehen, und wenn du zum siebenten Mal gesagt haben wirst: ‚Zieh du dich zuerst aus!‘, wird die Schlange die siebente Haut abstreifen, und der Grafensohn wird erlöst sein und als schöner Jüngling vor dir stehen.«
Das Bild hatte es gesprochen und verstummte. Ein Stein war vom Herzen des bedrängten Mädchens genommen, und es fühlte sich nun leicht und beruhigt. Es dankte dem Himmel für seine Hilfe und ging dann zur Gräfin und sagte ihr, daß es die Schlange heiraten wolle.
Da war diese hocherfreut und nannte das Hennenmädchen ihre liebe Tochter und koste es; dann ging sie mit ihm zu ihrem Kind und führte ihm die Braut vor. Weil aber die Gräfin fürchtete, es könnte das Mädchen seinen Sinn wieder ändern, wollte sie am nämlichen Tag noch das Paar getraut sehen. Sie hieß deshalb die Braut sich festlich putzen und gab ihr Schmuck und Kleider. Als diese sich gewaschen, gekleidet und geschmückt hatte und wieder in das Zimmer getreten war, ließ die Gräfin den Geistlichen holen, der das Paar traute. Da war die Gräfin froher Dinge und wünschte dem Brautpaar Glück. Die Schlange zeigte sich auch munter, und die Braut liebkoste sie, daß man sich darüber wundern mußte. Indessen war es Abend geworden, und am Himmel zogen die Sterne herauf. Da nahm die Gräfin von ihren Kindern Abschied und ließ sie allein.
Als die Schlange sich mit ihrer Braut allein im Zimmer sah, sprach sie: »Zieh dich aus!« Da erwiderte die Braut: »Zieh du dich zuerst aus!«
Die Schlange schien über diese Antwort froh zu sein und schälte sich alsogleich eine Haut ab. Dann sprach sie wieder: »Zieh dich aus!«
Die Braut entgegnete: »Zieh du dich zuerst aus!«, und die Schlange zog wieder eine Haut aus. Dann sprach sie wieder: »Zieh dich aus«; die Braut antwortete aber wieder, wie die ersten beiden Male. So geschah es siebenmal, und als die Braut zum siebenten Male gesprochen hatte: »Zieh du dich zuerst aus!«, da zog die Schlange die siebente und letzte Haut ab, und siehe – anstatt der Schlange stand ein so wunderschöner Jüngling vor ihr, daß sie nie einen schöneren Ritter gesehen hatte. Er flog auf sie zu, umarmte und herzte sie und nannte sie seine liebe, liebe Braut und seine Erlöserin. Dann bestiegen sie das hohe Brautbett und schliefen selig, bis der Morgen graute und es im Schloßhof laut wurde.
Als der Tag angebrochen war und das schöne Paar aus der Kammer trat, stand die Gräfin schon an der Tür; denn sie war sehr neugierig, wie die Brautnacht vorübergegangen sei. Wie groß war da ihr Staunen, als sie anstatt der häßlichen Schlange den schönsten Mann sah! Sie wollte anfangs kaum ihren Augen trauen. Als der schöne Ritter sie aber Mutter nannte und ihre Hand küßte, da sah sie ein, daß er wirklich ihr umgewandelter Sohn war, und kannte keine Grenzen der Freude.
Es wurde nun die Hochzeit gefeiert, bei der es so laut und lustig zuging wie im ewigen Leben.
Doch dauerte das Glück nicht immer. Wenn die alte Gräfin ihren Sohn betrachtete und sah, wie schön er war, da schien ihr, er sei für das Hennenmädel schade, und sie beneidete ihre Schwiegertochter um ihren Mann. Sie wurde immer verstimmter und neidischer, so daß sie ihrem Sohn zuredete, er solle seine Gemahlin verstoßen. Der junge Graf aber, der seine Frau zärtlich liebte, hatte keine Ohren für die Ratschläge seiner Mutter und blieb seiner Frau treu. Als die alte Gräfin ihn wieder bedrängte und durchaus bewegen wollte, seine Frau zu verstoßen, sprach er: »Meiner Gattin verdanke ich meine Erlösung, und deshalb werde ich ihr immer dankbar und treu bleiben.«
Seit dieser Rede sah die Gräfin ein, daß ihre Ratschläge umsonst waren, und gab sich zufrieden. Das junge Ehepaar lebte noch lange, lange Zeit recht glücklich.
(mündlich aus Absam)
[Österreich: Ignaz und Joseph Zingerle: Kinder und Hausmärchen aus Süddeutschland]