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Märchenbasar

Die Schwestern im Berge

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Es war einmal eine alte Witfrau, die wohnte mit ihren drei Töchtern weit vom Dorfe unten an einem Berg. Sie war aber so arm, dass sie weiter nichts besaß als nur ein Huhn, und das hatte sie so lieb wie ihren Augapfel. Sie ackerte damit herum und warf ihm Körner zu, früh und spät.
Eines Tages aber war das Huhn fort. Die Frau ging um das Haus herum und suchte und lockte, aber das Huhn war fort und blieb fort. Da sagte sie zu ihrer ältesten Tochter: „Du musst hingehen und zusehen, dass du das Huhn wieder findest; denn her muss es wieder, und sollten wir es auch aus dem Berg holen.“ Die Tochter ging fort und suchte und lockte überall; aber kein Huhn war zu finden. Da schallte es auf einmal aus der Bergwand: „Das Hühnchen trippelt im Berge! Das Hühnchen trippelt im Berge!“
Das Mädchen ging hin und wollte zusehen. Da öffnete sich plötzlich unter ihr eine Falltür, und sie fiel tief hinab in ein Gewölbe unter der Erde. Als sie darin weiterging, kam sie durch viele schöne Zimmer, das eine noch prächtiger als das andre. In dem innersten Zimmer aber kam ein Mann auf sie zu, der fragte sie: „Willst du meine Braut sein?“ – „Nein“, sagte das Mädchen, das wollte sie ganz und gar nicht, sie wollte wieder hinauf und nach ihrem Huhn suchen, das fort gekommen wäre. Da ward der Mann so zornig, dass er sie nahm und ihr den Kopf abriss und sie in einen Keller hinab warf.
Die Mutter saß indessen zu Hause und wartete von einer Zeit zur andern; aber die Tochter war nicht da und kam nicht. Sie wartete nun noch eine gute Weile; da das Mädchen aber immer noch nicht kam, sagte sie zu ihrer zweiten Tochter, sie solle hingehen und sich nach ihrer Schwester umsehen; und dann solle sie zugleich das Huhn locken.
Der zweiten Tochter ging es nun ebenso wie der ersten. Sie suchte und lockte überall, und plötzlich hörte sie es aus der Bergwand rufen: „Das Hühnchen trippelt im Berge! Das Hühnchen trippelt im Berge!“ Das kam ihr ganz wunderbar vor, und als sie hingehen wollte und zusehen, was es zu bedeuten hätte, da fiel sie ebenfalls durch die Falltür in das unterirdische Gewölbe hinab. Sie ging nun durch viele Zimmer, und in dem innersten kam der Mann auf sie zu und fragte sie, ob sie seine Braut sein wollte. Nein, das wollte sie ganz und gar nicht, sie wollte sogleich wieder hinauf und nach ihrem Huhn suchen, das fortgelaufen wäre. Da ward der Mann so zornig, dass er sie nahm und ihr den Kopf abriss und sie in den Keller hinab warf.
Als nun die Frau auch auf die zweite Tochter schon eine lange Zeit gewartet hatte und diese immer noch nicht kam, sagte sie zu der jüngsten: „Nun musst du einmal hingehen und dich nach deinen Schwestern umsehen. Schlimm genug“, sagte sie, „dass uns das Huhn wegkam; sollten wir deine Schwestern dazu verlieren, so wäre es noch weit schlimmer. Vergiß aber nicht, unterwegs das Huhn zu locken.“
Die jüngste Tochter ging nun fort und suchte und lockte überall herum. Aber keine Schwestern waren zu finden, und kein Huhn war zu sehen. Endlich kam sie auch zu der Bergwand, und nun rief es wieder: „Das Hühnchen trippelt im Berge! Das Hühnchen trippelt im Berge!“ Das wäre ja herrlich, deuchte dem Mädchen. Sie wollte sogleich hin und es holen. Aber ehe sie sich’s versah, fiel sie ebenfalls in das Gewölbe hinunter. Wie sie nun durch die vielen Zimmer ging, wovon das eine immer noch schöner war als das andre, ließ sie sich gute Zeit und betrachtete alles genau; denn sie war ganz und gar nicht bange.
Endlich bemerkte sie eine Kellerklappe, die hob sie auf und sah hinunter. Da erkannte sie alsbald ihre Schwestern, die beide da lagen und tot waren. Wie sie eben die Klappe wieder zugemacht hatte, kam der Mann an. „Willst du meine Braut sein?“ fragte er sie. „Ja, recht gern“, sagte das Mädchen; denn sie konnte sich nun wohl denken, wie es ihren Schwestern ergangen war. Als der Troll das hörte, ward er froh und schenkte ihr die schönsten und prächtigsten Kleider und alles, was sie sich nur wünschen mochte, so sehr freute er sich, dass eine seine Braut sein wollte.
Wie das Mädchen sich nun einige Zeit bei dem Troll aufgehalten hatte, war sie eines Tages ganz traurig und betrübt. Der Troll fragte sie, was ihr fehle. „Ach“, sagte sie, „es betrübt mich so sehr, dass ich nicht zu Hause bei meiner Mutter sein kann; die leidet gewiss Hunger und Durst und hat keinen Menschen um sich.“ – „Ja, dich kann ich nicht zu ihr gehen lassen“, sagte der Troll. „Aber tu nur etwas Essen in einen Sack, dann will ich’s ihr schon bringen.“
Dafür dankte ihm das Mädchen und nahm einen Sack und füllte ihn mit lauter Gold und Silber, aber obendrauf legte sie etwas zu essen und sagte dann zu dem Troll, nun wäre der Sack fertig, aber er dürfe nicht nachsehen, was drin wäre. Das musste er ihr versprechen. Na, er wollt’s auch nicht tun. Als er fort ging, sah sie ihm nach durch ein Loch, das in der Falltür war. Unterwegs schaute sich der Troll um und sagte: „Der ist aber verdammt schwer, der Sack! Ich muss doch mal zusehen, was drin ist“, und damit wollte er das Band auflösen. Aber das Mädchen rief ihm zu: „Ich sehe dich! Ich sehe dich!“ – „Das ist doch auch zum Kuckuck, was du für Augen hast!“ sagte der Troll und wagte nun keinen weiteren Versuch. Als er bei der Witwe ankam, warf er den Sack durch die Tür hinein. „Da hast du was zu essen von deiner Tochter“, sagte er. „Sie kann’s entbehren!“
Wie nun das Mädchen schon eine gute Zeit bei dem Troll im Berge zugebracht hatte, fiel eines Tages ein Ziegenbock durch die Falltür hinunter. „Wer hat nach dir geschickt, du langrippiges Biest!“ rief der Troll und war entsetzlich böse, nahm den Bock, drehte ihm den Kopf um und warf ihn hinunter in den Keller. „Ach, warum hast du das getan?“ sagte das Mädchen. „Ich hätte ja meinen Zeitvertreib damit haben können.“ – „Nun, du brauchst darum eben das Maul nicht schief zu machen“, sagte der Troll. „Er soll bald wieder lebendig werden!“ Darauf nahm er einen Krug, der an der Wand hing, setzte dem Ziegenbock den Kopf wieder auf und bestrich ihn mit der Salbe aus dem Krug, und da war der Bock wieder ebenso frisch und munter wie zuvor. Haha! dachte das Mädchen. Der Krug ist was wert!
Als sie nun noch eine gute Weile bei dem Troll gewesen war, ersah sie eines Tages die Gelegenheit, da der Troll nicht zu Hause war, nahm die älteste Schwester und setzte ihr den Kopf auf und bestrich sie dann mit der Salbe aus dem Krug, so wie sie gesehen, dass der Troll es mit dem Ziegenbock gemacht hatte; und als das geschehen war, ward die Schwester sogleich wieder lebendig. Sie steckte sie nun in einen Sack, legte ein wenig Essen obendrauf, und wie der Troll nach Hause kam, sagte sie zu ihm: „Ach, willst du nicht zu meiner Mutter gehen und ihr ein wenig Essen bringen? Sie leidet gewiss Hunger und Durst, die Arme! Aber du musst auch nicht in den Sack sehen.“ Nein, er wollte nicht hineinsehen, sagte der Troll, nahm den Sack und marschierte damit fort.
Wie er aber ein Ende gegangen war, deuchte ihm, der Sack wäre so verdammt schwer, und als er noch etwas weiter gegangen war, sagte er: „Ich möchte doch wohl wissen, was drin ist, und was sie auch für Augen im Kopf haben mag, so kann sie mich doch jetzt nicht mehr sehen.“ Als er aber das Band auflösen wollte, rief die Schwester, die in dem Sack war: „Ich seh dich wohl! Ich seh dich wohl!“ – „Das ist doch auch zum Kuckuck mit deinen Augen!“ sagte der Troll; denn er glaubte, es wäre die im Berge, welche das sagte. Er wagte nun nicht mehr, den Sack zu öffnen, sondern lief damit, was er nur konnte, zu der Mutter, und als er an die Tür kam, warf er den Sack hinein und rief: „Da hast du Essen von deiner Tochter! Sie kann’s entbehren.“
Wie nun das Mädchen noch eine gute Zeit in dem Berg gewesen war, machte sie es ebenso mit der zweiten Schwester: Sie setzte ihr den Kopf auf, bestrich sie mit der Salbe aus dem Krug und steckte sie in den Sack. Aber diesmal legte sie oben drauf soviel Gold und Silber, als nur hinein konnte; und ganz obendrauf legte sie ein wenig zu essen. „Ach“, sagte sie zu dem Troll, „willst du nicht zu meiner Mutter gehen und ihr wieder ein wenig Essen bringen? Aber du darfst ja nicht in den Sack sehen.“ Ja, er wollte wohl hingehen und wollt auch nicht hineinsehen, sagte der Troll.
Als er aber eine Strecke weit gekommen war, deuchte ihm, der Sack würde so verdammt schwer, und als er noch etwas weiter gegangen war, konnte er ihn beinah nicht mehr tragen. Er wollte nun das Band auflösen und in den Sack gucken; aber da rief die Schwester, welche drinnen war: „Ich seh dich wohl! Ich seh dich wohl!“ – „Das ist doch auch zum Kuckuck, was du für Augen im Kopf hast!“ sagte der Troll und wagte nicht weiter, in den Sack zu sehen, sondern trug ihn, so schnell er nur konnte, gradewegs zu der Mutter, und als er ans Haus kam, warf er ihn durch die Tür hinein und rief: „Da hast du Essen von deiner Tochter! Sie kann’s entbehren.“
Wie nun das Mädchen noch eine gute Zeit in dem Berg gewesen war, wollte der Troll einmal ausgehen. Das Mädchen aber stellte sich schwach und elend und sagte: „Es kann nichts nützen, dass du vor zwölf Uhr nach Hause kommst; denn ich kann das Essen heut doch nicht so früh fertig kriegen, weil ich so schwach bin.“ Als der Troll fort war, stopfte sie ihre Kleider mit Stroh aus und stellte die Strohpuppe mit einem Quirl in der Hand in die Herdecke, so dass es aussah, als wäre sie es selbst. Darauf schlich sie sich aus dem Berg und lief fort nach Hause; unterwegs aber sprach sie sich einen Schützen auf, und den nahm sie mit.
Als die Uhr zwölf war, oder so ungefähr, kam der Troll nach Hause. „Gib mir was zu essen!“ rief er der Strohpuppe zu. Aber die antwortete nicht. „Gib mir was zu essen, sag ich dir“, rief der Troll, „denn ich bin hungrig.“ Keine Antwort. „Gib mir was zu essen!“ schrie der Troll zum dritten Mal. „Und wenn du nicht tust, was ich dir sage, werde ich dich aus dem Schlaf wecken.“ Aber die Puppe stand da, ohne sich zu rühren. Da wurde der Troll rasend und stieß sie mit dem Fuß, dass die Halme umher stoben. Als er das sah, witterte er Unrat und begann zu suchen, im ganzen Berg herum, und zuletzt kam er auch hinunter in den Keller. Da waren aber die beiden Schwestern des Mädchens fort, und nun konnte er sich wohl den ganzen Zusammenhang denken. „Ja, das will ich ihr heimzahlen!“ sagte er und machte sich auf nach dem Hause der Mutter. Als er aber an die Tür kam, knallte der Schütz los. Wie der Troll das hörte, wagte er nicht hineinzugehen; denn er glaubte, es wäre der Donner, und lief fort, so schnell er nur konnte. Ehe er aber zu der Falltür kam, ging die Sonne auf, und da barst er.
Wenn ich bloß wüsste, wo die Falltür wäre; denn da ist gewiss noch Gold und Silber genug zu holen.

Quelle:
(Unbekannt-Norwegen)

 

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