Es war einmal ein Bey, dem war ein Sohn gestorben. Da ging ein Gauner täglich an seiner Wohnung vorüber und rief: ‚Wer hat Briefe für den Hades?‘ Als die Frau des Bey das hörte, rief sie ihn hinauf in den Palast und fragte ihn, wann er aus der Unterwelt gekommen sei und wann er wieder dorthin zurückkehre. Jener antwortete: ‚Gestern bin ich angekommen, heute sammle ich Briefe ein und in kurzem gehe ich wieder zurück.‘ Da fragte die Beyin weiter: ‚Hast du etwa unsern Sohn gesehen?‘ – ‚Ja,‘ erwiderte er, ‚ich sah ihn, wie er mit einer hölzernen Wage in der Hand Küchenkräuter verkaufte; er hatte weder Kleider noch sonst etwas.‘ Da brach die Beyin in Wehklagen aus und sagte zu ihm: ‚Kannst du für meinen Sohn etwas mitnehmen?‘ – ‚Ja,‘ antwortete er, ‚aber nicht viel.‘ Da gab sie ihm Geld in Menge, golddurchwirkte Gewänder und einen Brief dazu. Der Gauner nahm die Sachen und machte sich schnell damit aus dem Staube. Nicht lange darauf kam der Bey, hoch zu Ross, nach Hause, und seine Frau erzählte ihm, was sich in seiner Abwesenheit zugetragen. Der Bey durchschaute den Betrug und sagte zu ihr: ‚In welcher Richtung ist der Mann gegangen?‘ – ‚Dorthin,‘ antwortete seine Frau. Da bestieg er wieder sein Pferd und sprengte mit verhängtem Zügel ihm nach.
Mittlerweile war der Gauner immer weiter geeilt und an einer Mühle angekommen. Davor stand der Müller, und der hatte einen Grindkopf. Da sprach der Gauner zu ihm: ‚Hast du’s denn schon gehört, Unglücklicher, was der König beschlossen hat? Die Köpfe der Grindigen will er sämmtlich zu Trommeln verarbeiten lassen, und sieh, da hinten kommt schon einer, der ist vom Könige abgesandt.‘ Da sprach der Müller: ‚Was soll ich thun?‘ – ‚Das will ich dir gleich sagen. Zieh deine Kleider aus, und lass mich sie anlegen, du aber nimm die meinigen und steig hinauf auf den Baum dort, damit er dich nicht sieht.‘ Und so machten sie’s. Der Grindige kletterte auf den Baum, und der Gauner blieb in der Mühle, als wenn er der Müller wäre, und verbarg hier das Geld und die Kleider, die er entwendet hatte. Kurz darauf kam der Bey auf seinem Pferde dahergesprengt und fragte den Gauner: ‚Hast du nicht einen Mann hier vorbeikommen sehen?‘ – ‚Ja wohl,‘ antwortete dieser. ‚Er sitzt dort auf dem Baume.‘ Da stieg der Bey vom Pferde und fing an den Baum hinauf zu klettern und drohte dem Grindigen. Der aber kletterte immer höher hinauf und stiess seinen Kopf gegen den Baumstamm und sagte: ‚Lieber will ich ihn zerschellen, aber eine Trommel machst du mir nicht daraus!‘ Dem Bey kamen diese Worte sehr wunderlich vor. Nach einer Weile rief er ihm zu: ‚He du, halt einmal! Was sagst du?‘, und erkannte aus seinen Reden, dass der Mann getäuscht worden sei. Er sagte daher zu ihm: ‚Heda, komm nur herunter! Ich thu dir nichts.‘ Und damit stieg der Bey vom Baume herab. Unten angekommen sah er sich nach seinem Pferde um. Das war nirgends zu finden! Der Gauner hatte das Geld und die Kleider wieder an sich genommen, sich auf das leere Pferd gesetzt und – fort war er. Der Bey kehrte nun zu Fusse nach Hause zurück. Und als sein Weib ihn fragte, wo er sein Pferd gelassen habe, sagte er: ‚Ich hab’s ihm sammt allen meinen Waffen noch dazu gegeben, auf dass er die Sachen desto schneller in die Unterwelt zu unsrem Sohne bringen kann.‘
[Griechenland: Bernhard Schmidt: Griechische Märchen, Sagen und Volkslieder – Aráchoba]