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Märchenbasar

Die sieben Wildgänse

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Es war einmal eine Königin, die hatte sieben Söhne und eine Tochter. Einstmals wurde die Königin sehr krank, so dass niemand ihr helfen konnte. – In der Nähe war ein grosser Wald, und mitten darin eine Quelle; die Königin sagte, dass sie nur genesen würde, wenn sie vom Wasser jener Quelle trinken könne.

Zuerst machte sich der älteste Königssohn auf; aber wie er in den Wald kam, stutzte er, stolperte, und der Krug brach entzwei. So ging es allen sieben Prinzen; keiner brachte das Wasser. – Da rief die Königin im Zorn:

„Herr Gott, erweise mir die grosse Gnade und verwandle diese bösen Kinder in Wildgänse!“

Kaum hatte sie das gesprochen, so wurden alle plötzlich zu Wildgänsen und flogen alsbald mit grossem Geräusch davon.

Das kleine Mädchen fragte immer ihre Mutter, was aus ihren Brüdern geworden sei. Die Königin wollte es nicht sagen. Einstmals wie sie in einer Truhe kramte, klemmte die Königstochter ihr die Hände ein und liess sie nicht eher wieder frei, bis sie ihr nicht erzählt hatte, wie ihre Brüder zu Wildgänsen geworden waren.

Nun machte sich die Königstochter auf, ihre Brüder zu suchen. Sie wanderte und wanderte; einstmals fand sie eine Hütte. In der Hütte sass eine alte Frau. Die Königstochter grüsste sie:

„Guten Abend, Grossmutter! Könnt Ihr mir wohl sagen, wo ich hier bin!“

„Ach, ach, mein armes Kind, eile von hinnen!“ antwortete die alte Frau, „dein armes, junges Leben dauert mich. Denn abends kommen immer meine sieben Wildgänse, die zerreissen jedes menschliche Wesen, das sie treffen.“

Das Mädchen freute sich sehr; denn es erkannte, dass jene seine Brüder waren. Es bat die alte Frau flehentlich, dass sie es zuerst mit ihnen reden lassen solle, bis sie es erkannt hätten.

„Sie reden mit niemandem, mein armes Kind,“ antwortete die alte Frau, „sondern sie zerreissen sogleich, wen sie hier finden; denn Menschenwesen dürfen hier nicht sein.“

Aber die Königstochter bat so lange, bis die alte Frau sich ihrer erbarmte; ausserdem gewann sie sie auch sehr lieb, weil sie sehr schön war. Sie führte sie in die Kammer und türmte ein Waschfass, Waschholz und allerhand Kram auf sie, dass sie nicht sogleich zu ihr könnten.

Nach einer kleinen Weile langten mit grossem Getöse die Wildgänse, die Brüder des Mädchens, an. Als sie hineinkamen, begann gleich der Älteste;

„Ich wittere Menschenduft, Grossmutter, ich wittere Menschenduft!“

Die alte Frau erzählte ihnen, dass ein kleines Mädchen hier sei, das sehr gern mit ihnen reden möchte.

„Nein, nein, wir sprechen nicht mit ihr; wir zerreissen sie gleich,“ entgegnet der Älteste. „Gieb sie nur heraus, Grossmutter! Denn Menschenwesen dürfen hier nicht sein.“

„Ein bischen könnte sie doch reden,“ sagt der Jüngste, „nachher zerreissen wir sie dann ohnehin.“

Die Brüder wollten es nicht zugeben; aber die alte Frau bat so lange, bis sie es erlaubten: „Na, also ein bischen mag sie reden!“

Die Frau holte das Mädchen hervor, und wie es seine lieben Brüder erblickte, brach es in Thränen aus.

„Meine lieben Brüder,“ sprach sie zu ihnen, „sieben Jahre schon irrte ich umher, bis ich euch fand! Jetzt will ich alles thun, wenn ich euch erlösen könnte!“

„Das kannst du nicht vollführen,“ sagten die Brüder.

Aber sie bat und flehte so lange, bis sie ihr sagten:

„Sieben Jahre musst du splitternackt umherirren, darfst kein Sterbenswort sprechen, auch wenn sie schiessen, wenn Hunde bellen, wenn sie Gott weiss was thun. Dann sind wir erlöst.“

Die Königstochter legte sogleich ihre Kleider ab; dann ging sie in den Wald und stieg dort auf einen Baum.

Da trug es sich zu, dass der Königssohn gerade in diesem Walde jagte. Als sie in die Nähe jenes Baumes kommen, läuft einer der Hunde unter den Baum und beginnt laut zu bellen. Der Königssohn sieht das und sagt zu einem seiner Diener:

„Geh, schau nach, was auf jenem Baum ist!“

Der Diener geht hin; aber er konnte nicht sagen, was das sei.

„Erlauchter Herr, ich sehe dort im Wipfel des Baumes etwas; aber es gleicht weder einem Menschenleib noch einer Tiergestalt.“

Da ging der Königssohn selbst hin; aber er wusste auch nicht, was das sei.

„Steige auf den Baum, schau nach, was es ist,“ sagte er zu seinem Diener, „dann bring‘ es mir her!“

Der Diener, der mit ihm war, stieg hinauf, und wie erstaunte er, als er die wunderschöne Königstochter erblickte. Er sprach zu ihr, aber sie antwortete ihm nicht; er umfasste sie und trug sie hinab zum Königssohn; aber sie sprach kein Sterbenswörtchen. – Der Königssohn war sehr verwundert, er fragte sie, wohin und woher des Wegs; aber sie antwortete nicht. Er sprach zu ihr ungarisch, deutsch, slovakisch, wallachisch, raizisch, italienisch, zwickte sie, küsste sie, mit einem Wort, er that alles mit ihr, aber alles vergeblich: sie antwortete nicht.

Der Königssohn gewann sie sehr lieb; er liess sie in sein Schloss tragen, dort schön ankleiden und glaubte, sie würde vielleicht wieder sprechen, wenn sie sich erst eingewöhnt hätte.

Er wartete zwei Wochen, aber ganz vergebens; die Königstochter wagte nicht zu reden, weil ihr Versprechen sie band. Dem Königssohn war das alles eins; es wurde grosse Hochzeit gehalten, und er machte sie zu seiner Gemahlin.

Schon lange hatten sie glücklich zusammengelebt, die Frau war auch schon guter Hoffnung, als der Königssohn in den Krieg ziehen musste. Sie weinten bitterlich, als sie Abschied von einander nahmen, und der Königssohn hinterliess, dass man ihm schreiben solle, wenn ihm ein Sohn geboren würde; dann würde er gleich heimkommen.

Der Königssohn aber hatte eine böse, alte Stiefmutter, die war der armen Königstochter so gram, dass sie sie in einem Löffel Wasser ertränkt hätte, wenn das möglich gewesen wäre. Die Königstochter bekam wirklich ein Kind, ein sehr schönes Mägdlein. Da nahm die böse, alte Stiefmutter zur Nachtzeit das Mägdlein weg; aber so viel Herz hatte sie noch, dass sie es nicht tötete, sondern in die Obhut einer alten Frau gab. Neben die Königstochter aber legte sie eine zottige Katze. Dem Königssohn schrieb sie, dass seine Gemahlin eine zottige Katze zur Welt gebracht habe; dafür verdiene sie den Tod. Der Königssohn schrieb, dass man ihr die Katze nehmen, ihr selbst aber kein Leid anthun solle.

Einige Zeit später war die Königstochter wieder guter Hoffnung und bekam ein wunderschönes Knäblein. Die alte Stiefmutter stahl es wieder des Nachts, aber tötete es nicht, denn so viel Herz hatte sie noch; an seiner statt legte sie einen zottigen, behaarten Hund. Dann sprengte sie im ganzen Lande aus, dass des Königssohns Gemahlin jetzt einen Hund zur Welt gebracht habe. Dem Königssohn schrieb sie, dass es so mit seiner Gemahlin stehe; er solle sofort heimkommen.

Der Königssohn kam sehr zornig heim; aber er hatte noch so viel Herz, dass er sie nicht tötete. „Sie ist meine angetraute Gemahlin,“ sagte er, „was auch ihre Schuld sein mag, ich kann sie nicht töten lassen.“

Die arme Königstochter weinte bitterlich, aber sprechen durfte sie nicht. – Der Königssohn liess im Garten ein kleines Haus errichten, in das sperrte man die arme Königstochter.

Mittlerweile waren auch die sieben Jahre um; die Königstochter hatte ihr Wort gehalten. Gerade wie sie sie einschlossen, kamen ihre sieben Brüder.

Schon von weitem riefen sie:

„Wir erlösen dich, liebe Schwester; du hast uns auch erlöst.“

Die Königstochter begann gleich zu sprechen und sagte, sie sollten sie zum Königssohn führen.

Dort erzählte sie ihm unter Thränen, ein wie schönes Mägdlein und Knäblein sie ihm geboren habe und was die böse Stiefmutter ihr angethan habe. Die erschrak sehr; dann bekannte sie alles und liess auch die kleinen Kinder holen.

Da liess der Königssohn einen grossen Scheiterhaufen anzünden und die böse, alte Stiefmutter hineinwerfen.

Wenn sie nicht verbrannt ist, brennt sie jetzt noch.

Quelle:
(Ungarische Volksmärchen)

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