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Ein Bauer hatte einen Hirten, der ihm viele Jahre lang in Treue und Redlichkeit diente. Dieser Hirt vernahm einmal, als er bei seiner Herde auf der Weide saß, ein sonderbares Zischen im angrenzenden Wald. Er ging dem Geräusch nach und sah, daß es im Wald brannte und vom Feuer eine Schlange eingekreist war, die vor Angst zischte. „Hirt! Rette mich um Gotteswillenl“ schrie sie mit menschlicher Stimme. Da hielt ihr der Hirt einen Stock hin, sie kroch auf den Stock, von dort auf den Arm des Hirten und ringelte sich um seinen Hals. „Wehe mir!“ rief der Hirt erschrocken. „Jetzt habe ich dich gerettet und mich ins Verderben gebracht.“ — „Fürchte dich nicht!“ erwiderte die Schlange. „Trage mich zu meinem Vater, dem Schlangenkönig.“ — „Das ist unmöglich, ich darf meine Schafe nicht im Stich lassen!“ widersprach der Hirt. „Mach dir keine Sorge um die Schafe, ihnen wird inzwischen bestimmt nichts geschehen.“ Da ging der Hirt mit der Schlänge um den Hals in den Wald hinein; über verschlungene Pfade führte sie ihn vor ein Tor, das unzählige Schlangen aus ihren Leibern geflochten hatten, pfiff, und die Schlangen lösten sich voneinander, so daß der Hirt passieren konnte. „Ich will dir einen Rat geben“, sagte die Schlangenprinzessin. „Wenn wir zu meinem Vater kommen, wird er dir zum Lohn für meine Errettung Silber, Gold und Edelsteine anbieten. Nimm das nicht an und bitte ihn, er möge dir stattdessen die Gabe verleihen, die Sprache der Tiere zu verstehen. Das wird er zwar anfangs ablehnen, aber dann doch tun.“
Als sie ins Schloß kamen und der Schlangenkönig sie erblickte, weinte er vor Freude. „Wo warst du so lange, meine Tochter?“ fragte er. Die Schlangenprinzessin erzählte ihm, was ihr zugestoßen war, und daß der Hirt sie aus den Flammen gerettet hatte. „Womit kann ich dich belohnen?“ fragte der Schlangenkönig den Hirten. „Ich wünsche mir nur die Gabe, die Sprache der Tiere zu verstehen“, antwortete der Hirt. „Nein, das würde dir kein Glück bringen, denn wenn du es könntest und irgendwem davon erzähltest, müßtest du auf der Stelle sterben. Erbitte dir lieber etwas anderes.“ — „Willst du deine Dankesschuld abtragen, dann verleihe mir diese Gabe. Willst du es nicht, dann leb wohl, denn etwas anderes ist mir nicht vonnöten!“ Nach diesen Worten wandte sich der Hirt zum Ausgang. „Warte!“ rief der Schlangenkönig ihm nach. „Wenn du darauf bestehst, dann öffne den Mund.“ Der Hirt tat es, und der Schlangenkönig spuckte ihm hinein. „Und jetzt spucke du mir in den Mund!“ befahl er. Der Hirt tat es, der Schlangenkönig spuckte zurück, und auf diese Weise spuckten sie sich gegenseitig dreimal in den Mund. „So, nun verstehst du die Sprache der Tiere“, sagte der Schlangenkönig dann. „Ziehe hin in Frieden, und wenn dir dein Leben lieb ist, sage niemandem ein Wort davon. Tust du es doch, hat dein letztes Stündlein geschlagen.“ Der Hirt bedankte sich, und schon auf dem Heimweg merkte er, daß er alles verstand, was sich die Vögel und Vierbeiner einander zuriefen.
Nachdem er zu seinen Schafen zurückgekehrt war, sah er zu seiner Verwunderung, daß alle in einen tiefen Schlaf versunken waren, zählte sie nach und stellte fest, daß kein einziges fehlte. Erleichtert ließ er sich ebenfalls im weichen Gras nieder. Da flogen zwei Raben herbei, setzten sich auf den Baum, unter dem er saß, und sagten zueinander: „Was würde wohl der Hirt sagen, wenn er wüßte, daß sein schwarzes Lamm über einer unterirdischen Höhle voller Gold und Silber liegt!“ Der Hirt merkte sich die Stelle, und nachdem er die Herde abends heimgetrieben hatte, ging er zu seinem Herrn und erzählte ihm davon. Am nächsten Morgen spannte der Bauer ein Pferd vor den Wagen und fuhr mit dem Hirten auf die Weide. Gemeinsam gruben sie den Schatz aus und fuhren ihn auf dem Wagen heim. Jener Bauer aber war ein Ehrenmann. „Du hast den Schatz gefunden, mein Sohn, deshalb sollst du ihn auch behalten“, sagte er. „Bau dir ein Haus, heirate und werde glücklich!“ Der Hirt nahm den Schatz, baute sich ein Haus, heiratete und wurde ein wohlhabender Mann.
Über kurz oder lang war er der reichste Bauer im ganzen Umkreis und hatte viele Hirten, die seine Schafe, Kühe und Schweine hüteten. „Pack mir Wein, Schnaps und Zukost ein“, befahl er einmal zu Weihnachten seiner Frau. „Wir wollen es morgen meinen Hirten bringen und ihnen einen fröhlichen Tag machen!“ Die Frau bereitete alles vor, am nächsten Morgen ritten sie zum Vorwerk hinaus und verbrachten dort den Tag. „Eßt, trinkt und laßt es euch wohl sein!“ sagte der Bauer am Abend zu seinen Hirten. „Ich will diesmal nachts die Herde hüten.“
Um Mitternacht schlichen die Wölfe herbei. „Dürfen wir uns ein Schaf aus der Herde holen?“ heulten sie den Hunden zu. „Wir würden euch von unserer Beute abgeben.“ — „Kommt nur, wir sind einem Festschmaus auch nicht abgeneigt!“ bellten die Hunde zurück. Nur ein alter Köter, der bloß noch zwei Zähne im Maule hatte, kläffte wütend: „Ihr könnt mich nicht verlocken! So lange ich noch meine beiden Zähne habe, werde ich verhindern, daß ihr meinem Herrn Schaden zufügt.“ Da mußten die Wölfe unverrichteter Dinge abziehen.
Als es tagte, befahl der Bauer, alle Hunde zu erschlagen, ausgenommen den alten Köter. „Das wolle Gott verhüten, Herr!“ riefen die Hüten. „Es wäre jammerschade.“ — „Tut, was ich, euch sage!“ beharrte der Bauer und machte sich mit seiner Frau auf den Heimweg. Sie ritten wieder zu Pferde — der Mann auf einem Hengst, die Frau auf einer Stute. Der Hengst sprengte vorneweg, die Stute blieb zurück. „Hurtig, hurtig!“ wieherte der Hengst der Stute .zu. „Warum hältst du nicht Schritt?“ — „Ja, du hast’s gut“, antwortete die Stute. „Du brauchst nur einen zu tragen, den Bauern. Ich dagegen trage drei – die Bäuerin, das Kind in ihr und das Fohlen in mir.“
Als der Bauer das vernahm, drehte er sich um und lachte. „Warum lachst du?“ rief die Bäuerin. „Bloß so“, gab der Bauer zur Antwort. Das glaubte sie nicht und überschüttete ihn mit Fragen. „Gott behüte, liebe Frau, ich weiß den Grund ja selber nicht“, sagte der Bauer. Doch je mehr er leugnete, um so heftiger setzte ihm die Frau mit ihren Fragen zu. Schließlich riß ihm die Geduld. „Wenn ich’s dir sage, dann muß ich sterben!“ rief er. Doch das glaubte sie nicht und verlangte immer eigensinniger, den Grund zu erfahren. Sie zwiebelte ihn ohne Unterlaß, keifte und schrie, und schließlich nannte sie ihn einen Dummkopf.
Daheim angelangt, bestellte der Bauer sogleich einen Sarg und stellte ihn, als er fertig war, vor dem Hause auf. „Jetzt lege ich mich in den Sarg“, sagte er zu seiner Frau, „und erzähle dir, worüber ich gelacht habe. Danach sterbe ich.“ — „Na, und wenn schon“, rief das boshafte Weib und brach in ein Gelächter aus. Während er sich in den Sarg legte, lief der alte Köter herbei, setzte sich ihm zu Häupten und jaulte. Das rührte den Bauern. „Hole ein Stück Brot und gib es dem Hund!“ befahl er seiner Frau. Sie tat es, aber der Hund rührte das Brot nicht an. Da stelzte der Hahn herbei und pickte auf dem Brot herum. „Verfluchter Gierschlung, du denkst nur ans Fressen!“ kläffte der Hund, „siehst du nicht, daß sich unser Herr zu sterben anschickt?“ — „Soll er doch sterben, gegen Dummheit ist kein Kraut gewachsen!“ krähte der Hahn. „Ich hab hundert Weiber und werde mit allen fertig. Der Bauer ist ja blöde, daß er nicht mal eine einzige kirre machen kann.“ Als der Bauer das hörte, stieg er aus dem Sarg, nahm einen Knüppel zur Hand und rief seine Frau ins Haus. „Komm in die Stube, dort werde ich dir alles mitteilen!“ sagte er und traktierte sie mit dem Knüppel. „Da hast du, da hast, du!“ Das verschlug der Frau die Sprache, und seitdem fragte sie niemals mehr, warum er lachte.
Als sie ins Schloß kamen und der Schlangenkönig sie erblickte, weinte er vor Freude. „Wo warst du so lange, meine Tochter?“ fragte er. Die Schlangenprinzessin erzählte ihm, was ihr zugestoßen war, und daß der Hirt sie aus den Flammen gerettet hatte. „Womit kann ich dich belohnen?“ fragte der Schlangenkönig den Hirten. „Ich wünsche mir nur die Gabe, die Sprache der Tiere zu verstehen“, antwortete der Hirt. „Nein, das würde dir kein Glück bringen, denn wenn du es könntest und irgendwem davon erzähltest, müßtest du auf der Stelle sterben. Erbitte dir lieber etwas anderes.“ — „Willst du deine Dankesschuld abtragen, dann verleihe mir diese Gabe. Willst du es nicht, dann leb wohl, denn etwas anderes ist mir nicht vonnöten!“ Nach diesen Worten wandte sich der Hirt zum Ausgang. „Warte!“ rief der Schlangenkönig ihm nach. „Wenn du darauf bestehst, dann öffne den Mund.“ Der Hirt tat es, und der Schlangenkönig spuckte ihm hinein. „Und jetzt spucke du mir in den Mund!“ befahl er. Der Hirt tat es, der Schlangenkönig spuckte zurück, und auf diese Weise spuckten sie sich gegenseitig dreimal in den Mund. „So, nun verstehst du die Sprache der Tiere“, sagte der Schlangenkönig dann. „Ziehe hin in Frieden, und wenn dir dein Leben lieb ist, sage niemandem ein Wort davon. Tust du es doch, hat dein letztes Stündlein geschlagen.“ Der Hirt bedankte sich, und schon auf dem Heimweg merkte er, daß er alles verstand, was sich die Vögel und Vierbeiner einander zuriefen.
Nachdem er zu seinen Schafen zurückgekehrt war, sah er zu seiner Verwunderung, daß alle in einen tiefen Schlaf versunken waren, zählte sie nach und stellte fest, daß kein einziges fehlte. Erleichtert ließ er sich ebenfalls im weichen Gras nieder. Da flogen zwei Raben herbei, setzten sich auf den Baum, unter dem er saß, und sagten zueinander: „Was würde wohl der Hirt sagen, wenn er wüßte, daß sein schwarzes Lamm über einer unterirdischen Höhle voller Gold und Silber liegt!“ Der Hirt merkte sich die Stelle, und nachdem er die Herde abends heimgetrieben hatte, ging er zu seinem Herrn und erzählte ihm davon. Am nächsten Morgen spannte der Bauer ein Pferd vor den Wagen und fuhr mit dem Hirten auf die Weide. Gemeinsam gruben sie den Schatz aus und fuhren ihn auf dem Wagen heim. Jener Bauer aber war ein Ehrenmann. „Du hast den Schatz gefunden, mein Sohn, deshalb sollst du ihn auch behalten“, sagte er. „Bau dir ein Haus, heirate und werde glücklich!“ Der Hirt nahm den Schatz, baute sich ein Haus, heiratete und wurde ein wohlhabender Mann.
Über kurz oder lang war er der reichste Bauer im ganzen Umkreis und hatte viele Hirten, die seine Schafe, Kühe und Schweine hüteten. „Pack mir Wein, Schnaps und Zukost ein“, befahl er einmal zu Weihnachten seiner Frau. „Wir wollen es morgen meinen Hirten bringen und ihnen einen fröhlichen Tag machen!“ Die Frau bereitete alles vor, am nächsten Morgen ritten sie zum Vorwerk hinaus und verbrachten dort den Tag. „Eßt, trinkt und laßt es euch wohl sein!“ sagte der Bauer am Abend zu seinen Hirten. „Ich will diesmal nachts die Herde hüten.“
Um Mitternacht schlichen die Wölfe herbei. „Dürfen wir uns ein Schaf aus der Herde holen?“ heulten sie den Hunden zu. „Wir würden euch von unserer Beute abgeben.“ — „Kommt nur, wir sind einem Festschmaus auch nicht abgeneigt!“ bellten die Hunde zurück. Nur ein alter Köter, der bloß noch zwei Zähne im Maule hatte, kläffte wütend: „Ihr könnt mich nicht verlocken! So lange ich noch meine beiden Zähne habe, werde ich verhindern, daß ihr meinem Herrn Schaden zufügt.“ Da mußten die Wölfe unverrichteter Dinge abziehen.
Als es tagte, befahl der Bauer, alle Hunde zu erschlagen, ausgenommen den alten Köter. „Das wolle Gott verhüten, Herr!“ riefen die Hüten. „Es wäre jammerschade.“ — „Tut, was ich, euch sage!“ beharrte der Bauer und machte sich mit seiner Frau auf den Heimweg. Sie ritten wieder zu Pferde — der Mann auf einem Hengst, die Frau auf einer Stute. Der Hengst sprengte vorneweg, die Stute blieb zurück. „Hurtig, hurtig!“ wieherte der Hengst der Stute .zu. „Warum hältst du nicht Schritt?“ — „Ja, du hast’s gut“, antwortete die Stute. „Du brauchst nur einen zu tragen, den Bauern. Ich dagegen trage drei – die Bäuerin, das Kind in ihr und das Fohlen in mir.“
Als der Bauer das vernahm, drehte er sich um und lachte. „Warum lachst du?“ rief die Bäuerin. „Bloß so“, gab der Bauer zur Antwort. Das glaubte sie nicht und überschüttete ihn mit Fragen. „Gott behüte, liebe Frau, ich weiß den Grund ja selber nicht“, sagte der Bauer. Doch je mehr er leugnete, um so heftiger setzte ihm die Frau mit ihren Fragen zu. Schließlich riß ihm die Geduld. „Wenn ich’s dir sage, dann muß ich sterben!“ rief er. Doch das glaubte sie nicht und verlangte immer eigensinniger, den Grund zu erfahren. Sie zwiebelte ihn ohne Unterlaß, keifte und schrie, und schließlich nannte sie ihn einen Dummkopf.
Daheim angelangt, bestellte der Bauer sogleich einen Sarg und stellte ihn, als er fertig war, vor dem Hause auf. „Jetzt lege ich mich in den Sarg“, sagte er zu seiner Frau, „und erzähle dir, worüber ich gelacht habe. Danach sterbe ich.“ — „Na, und wenn schon“, rief das boshafte Weib und brach in ein Gelächter aus. Während er sich in den Sarg legte, lief der alte Köter herbei, setzte sich ihm zu Häupten und jaulte. Das rührte den Bauern. „Hole ein Stück Brot und gib es dem Hund!“ befahl er seiner Frau. Sie tat es, aber der Hund rührte das Brot nicht an. Da stelzte der Hahn herbei und pickte auf dem Brot herum. „Verfluchter Gierschlung, du denkst nur ans Fressen!“ kläffte der Hund, „siehst du nicht, daß sich unser Herr zu sterben anschickt?“ — „Soll er doch sterben, gegen Dummheit ist kein Kraut gewachsen!“ krähte der Hahn. „Ich hab hundert Weiber und werde mit allen fertig. Der Bauer ist ja blöde, daß er nicht mal eine einzige kirre machen kann.“ Als der Bauer das hörte, stieg er aus dem Sarg, nahm einen Knüppel zur Hand und rief seine Frau ins Haus. „Komm in die Stube, dort werde ich dir alles mitteilen!“ sagte er und traktierte sie mit dem Knüppel. „Da hast du, da hast, du!“ Das verschlug der Frau die Sprache, und seitdem fragte sie niemals mehr, warum er lachte.
Quelle:
(Märchen aus Jugoslawien)