0
(0)
Auf dem letzten Hause in einem kleinen Dorfe stand ein Storchennest. Die Storchmutter saß im Neste bei ihren vier kleinen Jungen, die den Kopf mit dem kleinen, schwarzen Schnabel, denn der war noch nicht rot geworden, hervorstreckten. Ein kleines Stück davon entfernt stand auf dem Dachrücken ganz stramm und steif der Storchvater; er hatte das eine Bein unter sich aufgezogen, um doch einige Mühe zu haben, während er Schildwache stand. Fast hätte man glauben mögen, dass er aus Holz geschnitzt sei, so still stand er. „Es sieht gewiss recht vornehm aus, dass meine Frau eine Schildwache beim Neste hat.“ dachte er. „Sie können ja nicht wissen, dass ich ihr Mann bin, sie glauben sicher, dass mir befohlen worden ist, hier zu stehen. Das sieht recht vornehm aus!“ Und er fuhr fort, auf einem Beine zu stehen.
Unten auf der Straße spielte eine Schar Kinder, und da sie die Störche gewahr wurden, sang einer der mutigsten Knaben und später alle zusammen den alten Vers von den Störchen:
„Storch, Storch, fliege heim,
Stehe nicht auf einem Bein,
Deine Frau im Neste liegt,
Wo sie ihre Jungen wiegt.
Das eine wird gehängt,
Das andre wird versengt,
Das dritte man erschießt,
Wenn man das vierte spießt!“
„Höre nur, was die Kinder singen!“ sagten die kleinen Storchkinder. „Sie singen, wir sollen gehängt und versengt werden!“
„Darum sollt ihr euch nicht kümmern.“ sagte die Storchmutter. „Hört nur nicht darauf, so schadet es gar nichts!“
Aber die Knaben fuhren fort zu singen, und sie zischten den Storch mit den Fingern aus; nur ein Knabe, der Peter hieß, sagte, dass es unrecht sei, die Tiere zum besten zu haben, und wollte auch gar nicht mit dabei sein. Die Storchmutter tröstete ihre Jungen. „Kümmert euch nicht darum“, sagte sie; „seht nur, wie ruhig euer Vater steht, und zwar auf einem Beine!“
„Wir fürchten uns sehr!“ sagten die jungen und zogen die Köpfe tief in das Nest zurück.
Am nächsten Tage, als die Kinder wieder zum Spielen zusammenkamen und die Störche erblickten, sangen sie ihr Lied: „Das eine wird gehängt, das andre wird versengt – „
„Werden wir wohl gehängt und versengt werden?“ fragten die jungen Störche.
„Nein, sicher nicht!“ sagte die Mutter, „ihr sollt fliegen lernen, ich werde euch schon einüben; dann fliegen wir hinaus auf die Wiese und statten den Fröschen Besuch ab; die verneigen sich vor uns im Wasser und singen: „Koax, koax,“ und dann essen wir sie auf. Das wird ein rechtes Vergnügen geben!“
„Und was dann?“ fragten die Storchjungen.
„Dann versammeln sich alle Störche, die hier im ganzen Lande sind, und die Herbstübung beginnt. Da muss man gut fliegen, das ist von großer Wichtigkeit; denn wer dann nicht ordentlich fliegen kann, wird vom Obersten mit dem Schnabel tot gestochen. Deshalb gebt wohl acht, etwas zu lernen, wenn das Üben anfängt!“
„So werden wir ja doch gespießt, wie die Knaben sagten, und hört nur, jetzt singen sie es wieder!“
„Hört nur auf mich und nicht auf sie“, sagte die Storchmutter. „Nach der großen Herbstübung fliegen wir in die warmen Länder, weit, weit von hier, über Berge und Wälder. Nach Ägypten fliegen wir, wo es dreieckige Steinhäuser gibt, die in eine Spitze auslaufen und bis über die Wolken ragen, sie werden Pyramiden genannt und sind älter, als ein Storch sich denken kann. Da ist auch ein Fluss, der aus seinem Bette tritt, dann wird das ganze Land zu Schlamm. Man geht im Schlamm und isst Frösche.“
„Oh!“ sagten alle Jungen.
„Ja, da ist es herrlich! Man tut den ganzen Tag nichts anderes als essen, und während wir es so gut haben, ist in diesem Lande nicht ein grünes Blatt auf den Bäumen. Hier ist es indessen so kalt, dass die Wolken in Stücke frieren und in kleinen weißen Lappen herunterfallen!“ Sie meinte den Schnee, aber sie konnte es nicht deutlicher erklären.
„Frieren denn auch die unartigen Knaben in Stücke?“ fragten die jungen Störche.
„Nein, in Stücke frieren sie nicht, aber sie sind nahe daran und müssen in der dunklen Stube sitzen und duckmäusern. Ihr hingegen könnt in fremden Ländern umherfliegen, wo es Blumen und warmen Sonnenschein gibt!“
Nun war schon einige Zeit verstrichen, und die Jungen waren so groß geworden, dass sie im Neste aufrecht stehen und weit umhergehen konnten, und der Storchvater kam jeden Tag mit schönen Fröschen, kleinen Schlangen und all den Storchleckereien, die er finden konnte, geflogen. Oh, das sah lustig aus, wie er ihnen Kunststücke vormachte! Den Kopf legte er gerade herum auf den Schwanz, mit dem Schnabel klapperte er, als wäre er eine kleine Knarre, und dann erzählte er ihnen Geschichten vom Sumpfe.
„Hört, nun müsst ihr fliegen lernen!“ sagte eines Tages die Storchmutter, und nun mussten alle vier Jungen hinaus auf den Dachrücken. Oh, wie sie schwankten, wie sie mit den Flügeln sich im Gleichgewicht hielten und doch nahe daran waren, hinunterzufallen!
„Seht nun auf mich!“ sagte die Mutter. „So müsst ihr den Kopf halten, so müsst ihr die Füße stellen! Eins, zwei! Eins, zwei! Das ist es, was euch in der Welt forthelfen soll!“
Dann flog sie ein kleines Stück, und die Jungen machten einen kleinen, unbeholfenen Sprung.
Bums, da lagen sie, denn ihr Körper war zu schwerfällig.
„Ich will nicht fliegen!“ sagte das eine Junge und kroch wieder in das Nest hinauf. „Mir ist nichts daran gelegen, nach den warmen Ländern zu kommen!“
„Willst du denn hier erfrieren, wenn es Winter wird? Sollen die Knaben kommen, dich zu hängen, zu sengen und zu braten? Nun, ich werde sie rufen!“
„O nein!“ sagte der junge Storch und hüpfte wieder auf das Dach wie die andern.
Den dritten Tag konnten sie schon ein bisschen fliegen, und da glaubten sie, dass sie auch schweben und auf der Luft ruhen könnten; das wollten sie, aber – bums! – da purzelten sie, darum mussten sie schnell die Flügel wieder rühren. Nun kamen die Knaben unten auf der Straße und sangen ihr Lied: „Storch, Storch, fliege heim!“
„Wollen wir nicht hinunterfliegen und sie vertreiben?“ fragten die Jungen.
„Nein, lasst das!“ sagte die Mutter. „Hört nun auf mich, das ist weit wichtiger! Eins, zwei, drei! Nun fliegen wir rechts herum. Eins, zwei, drei! Nun links um den Schornstein! Seht, das war sehr gut; der letzte Schlag mit den Flügeln war so geschickt und richtig, dass ihr die Erlaubnis erhalten sollt, morgen mit mir in den Sumpf zu fliegen. Da werden mehrere hübsche Storchfamilien mit ihren Kindern sein; zeigt mir nun, dass die meinen die klügsten sind und dass ihr recht einherstolziert; das sieht gut aus und verschafft Ansehen!“
„Aber sollen wir denn die unartigen Buben nicht strafen?“ fragten die jungen Störche.
„Lasst sie schreien, soviel sie wollen. Ihr fliegt doch zu den Wolken auf und kommt nach dem Lande der Pyramiden, wenn sie frieren müssen und kein grünes Blatt und keinen süßen Apfel haben!“
„Ja, wir wollen sie aber strafen!“ zischelten sie einander zu, und dann wurde wieder geübt.
Von allen Knaben auf der Straße war keiner ärger, das Spottlied zu singen, als ein ganz kleiner, er war wohl nicht mehr als sechs Jahre alt. Die jungen Störche glaubten freilich, dass er hundert Jahre zähle, denn er war ja größer als ihre Mutter und ihr Vater, und was wussten sie davon, wie alt Kinder und große Menschen sein können!
Ihre Strafe sollte diesen Knaben treffen, er hatte ja zuerst begonnen, und er blieb auch immer dabei. Die jungen Störche waren sehr aufgebracht, und wie sie größer wurden, wollten sie es noch weniger dulden. Die Mutter musste ihnen zuletzt versprechen, dass er schon bestraft werden sollte, aber nicht eher als am letzten Tage, den sie hier im Lande seien.
„Wir müssen ja erst sehen, wie ihr euch bei der großen Übung benehmen werdet; besteht ihr schlecht, so dass der Oberst euch den Schnabel durch die Brust rennt, dann haben ja die Knaben recht, wenigstens in einer Hinsicht. Nun lasst uns sehen!“
„Ja, das sollst du!“ sagten die Jungen, und so gaben sie sich alle Mühe; sie übten jeden Tag und flogen so niedlich und leicht, dass es eine Lust war, zuzusehen.
Nun kam der Herbst; alle Störche begannen sich zu sammeln, um fort nach den warmen Ländern zu ziehen, während wir Winter haben. Das war ein Leben! Über Wälder und Dörfer mussten sie, nur um zu sehen, wie sie fliegen könnten, denn es war ja eine große Reise, die ihnen bevorstand. Die jungen Störche machten ihre Sache so brav, dass sie „Ausgezeichnet gut mit Frosch und Schlange“ erhielten. Das war das allerbeste Zeugnis, das überhaupt ausgestellt werden konnte, und den Frosch und die Schlange durften sie essen; das taten sie auch.
„Nun wollen wir ihn aber strafen!“ sagten sie. „Ja, gewiss“, sagte die Storchmutter. „Was ich mir ausgedacht, ist gerade das richtige! Ich weiß, wo der Teich ist, in dem alle die kleinen Menschenkinder liegen, bis der Storch kommt und sie den Eltern bringt. Die niedlichsten kleinen Kinder schlafen und träumen so lieblich, wie sie später nie mehr träumen. Alle Eltern wollen gern solch ein kleines Kind haben, und alle Kinder wollen eine Schwester oder einen Bruder haben. Nun wollen wir nach dem Teiche hinfliegen, eins für jedes der Kinder zu holen, das uns nicht geärgert und auch nicht das böse Lied gesungen und die Störche zum besten gehabt hat!“
„Aber der zu singen angefangen, der schlimme, hässliche Knabe“, schrieen die jungen Störche, „was machen wir mit ihm?“
„Für den holen wir weder Brüderchen noch Schwesterchen aus dem Teiche, und dann muss er weinen, weil er als einziger allein bleibt! Aber dem guten Knaben – ihn habt ihr doch nicht vergessen, ihn, der da sagte, es sei Sünde, die Tiere zum besten zu haben? – ihm wollen wir sowohl einen Bruder als eine Schwester bringen, und da der Knabe Peter hieß, so sollt ihr allesamt Peter heißen!“
Und es geschah, wie sie sagte, und so hießen alle Störche Peter, und so werden sie noch genannt.
Unten auf der Straße spielte eine Schar Kinder, und da sie die Störche gewahr wurden, sang einer der mutigsten Knaben und später alle zusammen den alten Vers von den Störchen:
„Storch, Storch, fliege heim,
Stehe nicht auf einem Bein,
Deine Frau im Neste liegt,
Wo sie ihre Jungen wiegt.
Das eine wird gehängt,
Das andre wird versengt,
Das dritte man erschießt,
Wenn man das vierte spießt!“
„Höre nur, was die Kinder singen!“ sagten die kleinen Storchkinder. „Sie singen, wir sollen gehängt und versengt werden!“
„Darum sollt ihr euch nicht kümmern.“ sagte die Storchmutter. „Hört nur nicht darauf, so schadet es gar nichts!“
Aber die Knaben fuhren fort zu singen, und sie zischten den Storch mit den Fingern aus; nur ein Knabe, der Peter hieß, sagte, dass es unrecht sei, die Tiere zum besten zu haben, und wollte auch gar nicht mit dabei sein. Die Storchmutter tröstete ihre Jungen. „Kümmert euch nicht darum“, sagte sie; „seht nur, wie ruhig euer Vater steht, und zwar auf einem Beine!“
„Wir fürchten uns sehr!“ sagten die jungen und zogen die Köpfe tief in das Nest zurück.
Am nächsten Tage, als die Kinder wieder zum Spielen zusammenkamen und die Störche erblickten, sangen sie ihr Lied: „Das eine wird gehängt, das andre wird versengt – „
„Werden wir wohl gehängt und versengt werden?“ fragten die jungen Störche.
„Nein, sicher nicht!“ sagte die Mutter, „ihr sollt fliegen lernen, ich werde euch schon einüben; dann fliegen wir hinaus auf die Wiese und statten den Fröschen Besuch ab; die verneigen sich vor uns im Wasser und singen: „Koax, koax,“ und dann essen wir sie auf. Das wird ein rechtes Vergnügen geben!“
„Und was dann?“ fragten die Storchjungen.
„Dann versammeln sich alle Störche, die hier im ganzen Lande sind, und die Herbstübung beginnt. Da muss man gut fliegen, das ist von großer Wichtigkeit; denn wer dann nicht ordentlich fliegen kann, wird vom Obersten mit dem Schnabel tot gestochen. Deshalb gebt wohl acht, etwas zu lernen, wenn das Üben anfängt!“
„So werden wir ja doch gespießt, wie die Knaben sagten, und hört nur, jetzt singen sie es wieder!“
„Hört nur auf mich und nicht auf sie“, sagte die Storchmutter. „Nach der großen Herbstübung fliegen wir in die warmen Länder, weit, weit von hier, über Berge und Wälder. Nach Ägypten fliegen wir, wo es dreieckige Steinhäuser gibt, die in eine Spitze auslaufen und bis über die Wolken ragen, sie werden Pyramiden genannt und sind älter, als ein Storch sich denken kann. Da ist auch ein Fluss, der aus seinem Bette tritt, dann wird das ganze Land zu Schlamm. Man geht im Schlamm und isst Frösche.“
„Oh!“ sagten alle Jungen.
„Ja, da ist es herrlich! Man tut den ganzen Tag nichts anderes als essen, und während wir es so gut haben, ist in diesem Lande nicht ein grünes Blatt auf den Bäumen. Hier ist es indessen so kalt, dass die Wolken in Stücke frieren und in kleinen weißen Lappen herunterfallen!“ Sie meinte den Schnee, aber sie konnte es nicht deutlicher erklären.
„Frieren denn auch die unartigen Knaben in Stücke?“ fragten die jungen Störche.
„Nein, in Stücke frieren sie nicht, aber sie sind nahe daran und müssen in der dunklen Stube sitzen und duckmäusern. Ihr hingegen könnt in fremden Ländern umherfliegen, wo es Blumen und warmen Sonnenschein gibt!“
Nun war schon einige Zeit verstrichen, und die Jungen waren so groß geworden, dass sie im Neste aufrecht stehen und weit umhergehen konnten, und der Storchvater kam jeden Tag mit schönen Fröschen, kleinen Schlangen und all den Storchleckereien, die er finden konnte, geflogen. Oh, das sah lustig aus, wie er ihnen Kunststücke vormachte! Den Kopf legte er gerade herum auf den Schwanz, mit dem Schnabel klapperte er, als wäre er eine kleine Knarre, und dann erzählte er ihnen Geschichten vom Sumpfe.
„Hört, nun müsst ihr fliegen lernen!“ sagte eines Tages die Storchmutter, und nun mussten alle vier Jungen hinaus auf den Dachrücken. Oh, wie sie schwankten, wie sie mit den Flügeln sich im Gleichgewicht hielten und doch nahe daran waren, hinunterzufallen!
„Seht nun auf mich!“ sagte die Mutter. „So müsst ihr den Kopf halten, so müsst ihr die Füße stellen! Eins, zwei! Eins, zwei! Das ist es, was euch in der Welt forthelfen soll!“
Dann flog sie ein kleines Stück, und die Jungen machten einen kleinen, unbeholfenen Sprung.
Bums, da lagen sie, denn ihr Körper war zu schwerfällig.
„Ich will nicht fliegen!“ sagte das eine Junge und kroch wieder in das Nest hinauf. „Mir ist nichts daran gelegen, nach den warmen Ländern zu kommen!“
„Willst du denn hier erfrieren, wenn es Winter wird? Sollen die Knaben kommen, dich zu hängen, zu sengen und zu braten? Nun, ich werde sie rufen!“
„O nein!“ sagte der junge Storch und hüpfte wieder auf das Dach wie die andern.
Den dritten Tag konnten sie schon ein bisschen fliegen, und da glaubten sie, dass sie auch schweben und auf der Luft ruhen könnten; das wollten sie, aber – bums! – da purzelten sie, darum mussten sie schnell die Flügel wieder rühren. Nun kamen die Knaben unten auf der Straße und sangen ihr Lied: „Storch, Storch, fliege heim!“
„Wollen wir nicht hinunterfliegen und sie vertreiben?“ fragten die Jungen.
„Nein, lasst das!“ sagte die Mutter. „Hört nun auf mich, das ist weit wichtiger! Eins, zwei, drei! Nun fliegen wir rechts herum. Eins, zwei, drei! Nun links um den Schornstein! Seht, das war sehr gut; der letzte Schlag mit den Flügeln war so geschickt und richtig, dass ihr die Erlaubnis erhalten sollt, morgen mit mir in den Sumpf zu fliegen. Da werden mehrere hübsche Storchfamilien mit ihren Kindern sein; zeigt mir nun, dass die meinen die klügsten sind und dass ihr recht einherstolziert; das sieht gut aus und verschafft Ansehen!“
„Aber sollen wir denn die unartigen Buben nicht strafen?“ fragten die jungen Störche.
„Lasst sie schreien, soviel sie wollen. Ihr fliegt doch zu den Wolken auf und kommt nach dem Lande der Pyramiden, wenn sie frieren müssen und kein grünes Blatt und keinen süßen Apfel haben!“
„Ja, wir wollen sie aber strafen!“ zischelten sie einander zu, und dann wurde wieder geübt.
Von allen Knaben auf der Straße war keiner ärger, das Spottlied zu singen, als ein ganz kleiner, er war wohl nicht mehr als sechs Jahre alt. Die jungen Störche glaubten freilich, dass er hundert Jahre zähle, denn er war ja größer als ihre Mutter und ihr Vater, und was wussten sie davon, wie alt Kinder und große Menschen sein können!
Ihre Strafe sollte diesen Knaben treffen, er hatte ja zuerst begonnen, und er blieb auch immer dabei. Die jungen Störche waren sehr aufgebracht, und wie sie größer wurden, wollten sie es noch weniger dulden. Die Mutter musste ihnen zuletzt versprechen, dass er schon bestraft werden sollte, aber nicht eher als am letzten Tage, den sie hier im Lande seien.
„Wir müssen ja erst sehen, wie ihr euch bei der großen Übung benehmen werdet; besteht ihr schlecht, so dass der Oberst euch den Schnabel durch die Brust rennt, dann haben ja die Knaben recht, wenigstens in einer Hinsicht. Nun lasst uns sehen!“
„Ja, das sollst du!“ sagten die Jungen, und so gaben sie sich alle Mühe; sie übten jeden Tag und flogen so niedlich und leicht, dass es eine Lust war, zuzusehen.
Nun kam der Herbst; alle Störche begannen sich zu sammeln, um fort nach den warmen Ländern zu ziehen, während wir Winter haben. Das war ein Leben! Über Wälder und Dörfer mussten sie, nur um zu sehen, wie sie fliegen könnten, denn es war ja eine große Reise, die ihnen bevorstand. Die jungen Störche machten ihre Sache so brav, dass sie „Ausgezeichnet gut mit Frosch und Schlange“ erhielten. Das war das allerbeste Zeugnis, das überhaupt ausgestellt werden konnte, und den Frosch und die Schlange durften sie essen; das taten sie auch.
„Nun wollen wir ihn aber strafen!“ sagten sie. „Ja, gewiss“, sagte die Storchmutter. „Was ich mir ausgedacht, ist gerade das richtige! Ich weiß, wo der Teich ist, in dem alle die kleinen Menschenkinder liegen, bis der Storch kommt und sie den Eltern bringt. Die niedlichsten kleinen Kinder schlafen und träumen so lieblich, wie sie später nie mehr träumen. Alle Eltern wollen gern solch ein kleines Kind haben, und alle Kinder wollen eine Schwester oder einen Bruder haben. Nun wollen wir nach dem Teiche hinfliegen, eins für jedes der Kinder zu holen, das uns nicht geärgert und auch nicht das böse Lied gesungen und die Störche zum besten gehabt hat!“
„Aber der zu singen angefangen, der schlimme, hässliche Knabe“, schrieen die jungen Störche, „was machen wir mit ihm?“
„Für den holen wir weder Brüderchen noch Schwesterchen aus dem Teiche, und dann muss er weinen, weil er als einziger allein bleibt! Aber dem guten Knaben – ihn habt ihr doch nicht vergessen, ihn, der da sagte, es sei Sünde, die Tiere zum besten zu haben? – ihm wollen wir sowohl einen Bruder als eine Schwester bringen, und da der Knabe Peter hieß, so sollt ihr allesamt Peter heißen!“
Und es geschah, wie sie sagte, und so hießen alle Störche Peter, und so werden sie noch genannt.
Quelle: Hans Christian Andersen