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Die Streiche des Weihnachtsengels Felix

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Felix war noch recht unbedarft in seiner Aufgabe als Weihnachtsengel. So richtig eingearbeitet wurde er von niemandem, keiner hatte wirklich Zeit für ihn, also versuchte er es allein. Doch bald wurde es ihm langweilig, immer nur in die Fenster der Kinder zu schauen und dem Weihnachtsmann zu petzen, welche Kinder unartig waren. Immer diese ewig langen Listen mit Namen und stimmen mussten die Adressen auch noch – puh! Felix hätte gern mal was anderes gemacht. Aber eines wurde ihm täglich immer wieder vorgebetet: Lehrjahre sind keine Herrenjahre! Merk dir das!
„Ja! Ja! Wann kommen denn mal meine Herrenjahre?“, schmollte der Weihnachtsengellehrling und versuchte sich, so gut es ging, in sein Schicksal zu ergeben. Bis auf dreimal, da saß ihm wohl der Schalk im Nacken.

Es war am Abend vor Nikolaus, als er wie immer seinen Rundflug über dem kleinen Städtchen unternahm. Er sah, wie sich der Alte mit seinem Knecht Ruprecht die Füße wund lief, um in alle vor den Türen stehenden Schuhen und Stiefel Süßigkeiten zu stecken. Da hatte er eine prima Idee und sah schon einen Gute-Tat-Orden um seinen Hals baumeln.
Als Nikolaus und Ruprecht den Schlitten bestiegen und außer Sichtweite waren, blies Felix aus voller Lunge. Die Schuhe und Stiefel wirbelten nur so durcheinander. Zuguterletzt stand das gesamte Schuhwerk samt Süßem vor den Türen der ärmeren Leute.
„Was für eine gute Tat! Diesmal bekommen die Kinder, die es nötig haben, gleich doppelt soviel Naschwerk“, lachte er und klopfte sich auf die Schulter.
Und die ärmeren Kinder freuten sich am nächsten Morgen wahrhaftig. Es hatte nur lange gedauert, bis jeder Einwohner sein eigenes Schuhwerk wieder hatte. Ein Glück, dass die Stadt wirklich recht klein war!
Dem Weihnachtsmann wurde das Ereignis umgehend zugetragen. Er rügte Felix, der mit hängenden Flügeln und Köpfchen vor ihm stand. Es hagelte die erste Ermahnung. Der Weihnachtsengel fand das ungerecht. Den Reichen mal ein wenig wegzunehmen und die Leckereien umzuverteilen, daran fand er nichts Falsches. Er gelobte jedoch, es nicht noch einmal zu machen.

Beim zweiten Mal überquerte er auf einem seiner Rundflüge ein Wäldchen, er hatte geträumt und sich verirrt. Felix schaute nach unten, da er laute Geräusche vernahm.
„Was ist denn da los? Ich seh wohl nicht recht! Da klaut doch jemand Tannen! Nicht nur eine, nein, eine ganze Menge! Zwei Männer verladen sie jetzt auch noch auf ein Pferdefuhrwerk. Was soll denn das?“
Felix war ganz aufgeregt. Aber schon hatte er eine Idee. Er pustete die Tannen einfach vom Fuhrwerk zurück auf ihre Stämme, als wären sie nie abgesägt worden. Die Waldarbeiter trauten ihren Augen nicht.
„Was ist das für ein Spuk?“, rief einer der Männer.
„Hier geht es nicht mit rechten Dingen zu!“, flüsterte ein anderer.
„War doch nur ein kurzer Sturm“, winkte einer der Sägemänner ab.
„Und wie erklärst du dir, dass die Tannen alle wie nie vom Stamm getrennt dastehen und der Wagen leer ist, als hätte wir noch gar nicht angefangen?“, keifte der Meister und wurde plötzlich ganz bleich im Gesicht. „Los Leute, packt zusammen! Ich glaub zwar nicht an Geister, aber hier hauen wir ab!“
Keine fünf Minuten und das Pferdegetrappel war verklungen. Felix klopfte sich auf die Schulter. „Gut gemacht, großer Weihnachtsengel!“, lachte er und flog nach Hause.
Auch dieses Ereignis wurde dem Weihnachtsmann zugetragen. Es gab momentan nicht einen Weihnachtsbaum auf dem Markt zu kaufen. Die Leute waren aufgebracht. Nach einigem Hin und Her überredete der Bürgermeister die Waldarbeiter und einen Tag vor Heilig Abend konnte doch noch jeder Bürger einen Baum kaufen.
Mit dieser Missetat handelte sich Felix die zweite Ermahnung ein, was er gemein fand. Schließlich hatte ihm niemand erklärt, warum das Wäldchen so viele Tannen hergeben musste. Doch es sollte noch schlimmer kommen.

„Heilig Abend! Endlich Feierabend! Keine Listen und unartigen Kinder mehr! Einfach nur rumfliegen ohne Auftrag! Herrlich!“ Felix flog durch die Dämmerung und war glücklich. Bitterkalt war es und der Schnee glitzerte wunderbar. Da Engel nicht frieren, sauste Felix ausgelassen durch die klare Winterluft. Doch etwas ließ ihn innehalten. Am Waldrand flackerte ein Feuerchen. Er flog hinunter und erblickte ein altes Mütterchen, eng eingewickelt in ein zerlöchertes Wolltuch, das neben dem Feuerchen saß und den mageren Körper hin- und herwiegte. Dabei sang sie „Stille Nacht, heilige Nacht“. Felix setzte sich neben sie und schaute sie mit seinen großen, blauen Augen fragend an. „Mütterchen, was tust du denn hier in der Kälte? Hast du denn keine Familie, kein Zuhause?“
„Ach, Kleinchen! Wenn ich eine hätte, säße ich nicht hier. Mir war es nie vergönnt Kinder zu haben, weißt du! Mein Mann ist schon seit vielen Jahren tot. Ich hoffe, dass mich der Tod auch bald holen kommt. Vielleicht schon diese Nacht!“, jammerte die Alte mit klappernden Knochen. „Wenn mich doch nur das Rheuma und die Gicht nicht so plagen würden. Das ist schlimmer als die Einsamkeit! Was mir fehlt ist Wärme, nichts als Wärme“, fügte sie noch hinzu.
Da hatte Felix auch schon eine geniale Idee. „Wo ist der wärmste Ort? Komm ich bringe dich hin!“, lächelte er, umarmte das Mütterchen, erhob sich mit ihr in die Lüfte und trug sie fort. Es dauerte eine ganze Weile, bis er mit der Alten in einen Schlot flog, tiefer und tiefer. Unten angekommen, fühlte sich die Alte gleich recht behaglich. Sie schaute sich um und ihr zahnloser Mund lächelte zufrieden. Schon war Luzifer zur Stelle. Felix war jedoch flugs wieder zum Höllentor hinaus und verschwunden.
„Was willst du hier, Alte? Du bist noch gar nicht dran. Und zu mir ist noch niemand freiwillig gekommen. Außerdem gehörst du zu dem Anderen, du weißt schon! Hast in deinem Leben viel zu wenig gesündigt, als dass ich dich in einen meiner Folterkessel stecken könnte. Was soll ich also mit dir anfangen?“, herrschte der Oberteufel sie an.
„Entschuldigung, Herr …! Ich wollte es nur ein wenig warm haben und hier ist es herrlich warm. Ich setzte mich dort in die Ecke. Sie werden mich gar nicht bemerken. Ich möchte nur meine alten, kranken Knochen ein wenig ausruhen. Wissen Sie, Wärme ist das Beste bei Rheuma und Gicht.“
Luzifer glaubte sich verhört zu haben und blies ihr seinen stinkenden Atem ins Gesicht. „Und? Glaubst du, du hältst es hier aus? Riechst du nichts?“
„Was soll ich schon riechen? Meine Sinne sind schon lange nicht mehr die, die sie einmal waren. Ich rieche nichts und sehe auch sehr schlecht. Ich möchte es nur warm haben“, krächzte die Alte und begann jämmerlich zu husten.
„Bei allen Teufeln! Dann setz dich da hin und wärm dich!“
Luzifer stand da und glaubte nicht, dass er das gerade gesagt hatte. Lag es vielleicht daran, das Heilig Abend war? Aber das hat ihm doch sonst nichts bedeutet.
„Wenn sich das rumspricht, verlieren die Leute ihre Angst vor mir“, bummelte er vor sich her. „Wie komme ich bloß mit heilem Fell aus der Sache wieder raus?“
Doch darum kümmerte sich ungewollt Weihnachtsengellehrling Felix. Voller Freude, der alten Frau geholfen zu haben, flog er nach Hause. Er kam gerade zur Ordensverleihung der Weihnachtshelfer zurecht. Ein wenig neidisch war er schon.
„Vielleicht bekomme ich doch noch einen Orden, kann ja auch ein ganz kleiner sein“, überlegte Felix. Da überwand er sich, ging stracks auf den Weihnachtsmann zu und erzählte, was für eine gute Tat er heute am Heilig Abend vollbracht hatte. Der Weihnachtsmann wurde abwechselnd rot und bleich im Gesicht. Als Felix fertig berichtet hatte, stapfte der Weihnachtsmann mit Riesenschritte zur Tür hinaus und kam sehr lange nicht zurück.

Am zweiten Weihnachtsfeiertag wurde Felix zum Weihnachtsmann gerufen. Der Engel fühlte sich äußerst unwohl in seiner Haut und die Flügel juckten ganz gemein. Seine Augen betrachteten voller Inbrunst seine nackten Füße.
„Sag mal, Felix, was hast du dir bei der ganzen Geschichte nur gedacht? Du hast eine alte Frau in die Hölle gebracht! Da gehört sie aber nicht hin! Und zu allem Überfluss wird Luzifer sie nicht mehr los! Sie will nicht in den Himmel, da ihr die Wärme in der Hölle so gut tut.“
Felix konnte nicht sehen, dass der Weihnachtsmann vor Lachen kaum noch an sich halten konnte.
„Ich wollte doch immer nur Gutes tun“, kam es kleinlaut von Felix. Tränen kullerten über seine Wangen. Nun war es genug! Der Weihnachtsmann konnte Tränen noch nie ertragen, deshalb fing er lauthals an zu lachen.
„Was hab ich mir da nur für ein Früchtchen eingehandelt! Aber gut! Eigentlich kannst du nichts dafür. Keiner hatte Zeit für dich und du hast nach deinem eigenen Kopf gehandelt. Ja, du hast Recht! So wirklich schlimm waren ja deine Taten auch gar nicht. Aber von nun an werde ich dir jemanden zur Seite stellen, der dich lehrt, was dich zu einem guten Weihnachtsengel macht.“
Felix schaute erleichtert auf. Sogar ein Lächeln zauberte sich auf seinen Mund. Den Gedanken an einen Orden hatte er aufgegeben. Vielleicht aber im nächsten Jahr!
Der Weihnachtsmann räusperte sich, aber seine Augen lachten weiter.
„Weißt du, dass du mit deiner letzten Tat etwas zustande gebracht hast, was es noch niemals gab?“
„So? Was denn?“
„Es gab eine Zusammenkunft zwischen mir, dem Teufel und Gott. Wir sind uns einig geworden, dass die Alte zur Familie Meier mit den sieben Kindern kommt. Ich habe schon mit den Meiers gesprochen und sie freuen sich auf eine Oma. So ist immer jemand für die Kinder da und Märchen kennt sie sicher wie jede andere Oma auch. In einigen Jahren wird sie dann im Himmel aufgenommen. Was glaubst du, wie erleichtert Luzifer war!“
Der Weihnachtsmann wurde noch einmal von einem Lachanfall geschüttelt.
„Auf jeden Fall haben wir eine Familie und eine alte Frau glücklich gemacht. Glücklich sein ist das Wichtigste im Leben.“
„Aber gesund sein auch!“, ergänzte Felix, dem plötzlich die Flügel nicht mehr juckten. Er lächelte jetzt glücklich und der Weihnachtsmann strich ihm schmunzelnd über seinen kleinen, blonden Lockenkopf.

In all meinen Geschichten gibt es etwas zum Lachen. Geweint wird schon genug.

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