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Die Taten des Zarensohnes und seiner beiden Gefährten

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Es waren einmal ein Zar und eine Zarin; die hatten zehn Jahre lang keine Kinder, und die Zarin fing jedesmal an zu weinen, wenn sie Kinder sah. Einmal sah sie einen Mann, der hatte sieben Kinder und ging betteln, um die Kinder zu ernähren. Einmal kam er auch an die Tür der Zarin; die war wieder betrübt, daß sie kein Kind hatte, und gab ihm Geld und Brot. Da ging einmal gerade ein alter Mann mit weißem Bart vorüber und sah, wie die Zarin weinte, als sie die Kinder des Bettlers sah. Der Alte fragte sie: „Warum weinst du?“ Sie antwortete ihm: „Dem da, der sie nicht ernähren kann, hat Gott Kinder gegeben, und mir, die sie nähren und kleiden kann, gibt er keine.“ Darauf sagte der Alte: „Wenn du mich zum Gevatter nimmst, will ich dir ein Kind geben.“ – „Warum nicht? Ich will dich zum Gevatter nehmen.“ Der Alte gab ihr darauf einen Apfel und sagte: „Eine Hälfte iß du, und die andere gib dem Zaren.“ Die Zarin nahm den Apfel, gab die eine Hälfte dem Zaren, die andere aß sie selbst. Nach neun Monaten bekam sie ein Kind, einen Jungen; bei seiner Geburt schoß man mit Kanonen. Bis zum zehnten Jahr hatten sie ihm noch keinen Namen gegeben und schickten ihn so ohne Namen in die Schule. Der Junge aber, traf er auf dem Schulwege einen Menschen, schlug er ihn nieder, und die Rinder, die auf die Weide getrieben wurden, packte er am Schwanze und schleuderte sie zur Seite. Da klagten die Hirten beim Zaren: „Willst du uns schützen, oder willst du unser Vieh schlagen lassen?“ Als der Junge aus der Schule kam, sagte der Zar zu ihm: „Was schlägst du das Vieh? Die Leute sind hierher gekommen dich zu verklagen.“ Darauf antwortete der Junge: „Ich mag hier nicht bleiben, ich will fort. Wenns dir recht ist, gib mir ein Pferd und Geld, ich mag nicht hier bleiben, ich will fort und mich mit irgendeinem Ringkämpfer messen.“ Der Zar aber sagte: „Sprich nicht davon, daß du fort willst, und schlag kein Vieh mehr tot“; damit ließ er ihn wieder in die Schule gehen. Die Schulkinder aber riefen ihm nach: „Namenlos, Namenlos“, weil er keinen Namen hatte. Als sie dann aus der Schule kamen, ging der Junge zu seiner Mutter und sagte: „Ich habe keinen Namen; ich will fort von hier.“ Die Mutter antwortete: „Wenn du gerne einen Namen willst, so wollen wir dir einen geben“, und sagte zum Zaren: „Das Kind will einen Namen haben. Den Apfel, den du gegessen hast, hat mir ein Alter gegeben und mir gesagt: wenn du mich zum Gevatter nimmst, schenke ich dir ein Kind.“ Darauf sagte der Zar: „Mag sein, aber wo sollen wir ihn finden?“ – „Er geht jeden Tag an unserm Hause vorbei?“ – Darauf sagte der Zar: „Halt ihn an, wenn er vorbeikommt.“ Am Abend schoß man mit Kanonen, da der Zarensohn einen Namen bekommen sollte, und der Zar hatte Gäste dazu eingeladen. Die Zarin aber hielt den Alten an, und am nächsten Morgen waren alle Zimmer voll Leute, auch der Alte war dort und sagte zum Zaren: „Mach ein Zimmer ganz leer!“ Das geschah, der Alte ging in das Zimmer und sagte: „Bringt mir das Kind, wie es die Mutter geboren hat.“ Da brachten sie ihm das Kind ganz nackt, er aber kleidete es in goldne Gewänder, stach ihm ein spitzes Messer ins rechte Bein und gab ihm den Namen „Messerprinz“. Als die Leute ihn so in Gold gekleidet sahen, gerieten sie ganz außer sich, und der Alte selbst auch; der aber ging davon.

Der Zar schickte nun seinen Sohn wieder in die Schule; der aber prügelte sich mit den Kindern; sie klagten es dem Zaren, und er verbot es ihm. Aber es war einmal von Gott so in den Jungen gelegt, er konnte es nicht aushalten und sagte zu seinem Vater: „Ich kann hier nicht stillsitzen, gebt mir ein Pferd und einen Quersack voll Geld, ich will fort.“ Da gab ihm der Zar, was er wünschte. Der Junge zog fort und kam an ein Gebirge. Da begegnete ihm einer, der vom Gebirge herabkam und, während er so ging, mit dem Fuß ausholte und die Buchen umstürzte. Messerprinz sagte zu ihm: „Wer bist du?“ – „Ich bin ein Mensch, und du?“ – „Ich bin auch ein Mensch; und du, wohin gehst du?“ – Der antwortete: „Ich gehe zu einem Zarensohn, der Messerprinz heißt, und will mit ihm ringen.“ Messerprinz sagte darauf: „Komm, versuch es erst einmal mit mir!“ Der andre sagte ja, und sie rangen drei Tage und drei Nächte, aber keiner kam zu Fall. Da sagte Messerprinz: „Komm, laß uns Brüderschaft machen!“ Der andere war einverstanden, und Messerprinz fragte ihn: „Was für eine Heldenkraft hast du?“ Der antwortete: „Ich weiß alles, was es auf der Welt gibt; und was hast du für eine?“ – „Ich habe im rechten Bein ein Messer; wenn mir das ein andrer herauszieht, muß ich sterben; wenn ich es aber selbst herausziehe, sterbe ich nicht; wenn ich das Messer schleudere, kann mir nichts widerstehen.“ Da schlossen die beiden Brüderschaft.

Sie gingen nun weiter und kamen wieder an einen Berg; da sahen sie einen herabkommen und fragten ihn: „Was bist du?“ – „Ich bin ein Mensch,“ antwortete der, „und was seid ihr?“ – „Wir sind auch Menschen. Und du, wohin gehst du?“ – Der sagte: „Ich gehe und will mit Messerprinz ringen.“ – „Komm, versuch es erst einmal mit mir!“ Da rangen sie drei Tage und drei Nächte, und keiner kam zu Fall. Darauf sagte Messerprinz zu ihm: „Komm, laß uns drei Brüderschaft schließen!“ Der war einverstanden, und Messerprinz fragte ihn: „Was für eine Heldenkraft hast du?“ Er antwortete: „Ich kann mitten durchs Meer einen Weg bahnen; und was für eine hast du?“ – „Ich habe im rechten Bein ein Messer; zieht mir das ein andrer heraus, so muß ich sterben; wenn ich es aber selbst herausziehe, sterbe ich nicht, und wenn ich es schleudere, kann nichts mir widerstehen.“ Da schlossen die drei Brüderschaft.

Der eine, der alles auf der Welt wußte, sagte zu dem Prinzen: „An dem und dem Ort ist ein Feuer; darüber versuchen Helden zu springen, aber keiner kommt hinüber; wer hinüberspringt, der bekommt des Zaren Tochter.“ Messerprinz antwortete: „Kommt, laß uns dahin gehen!“ Dort fragte er die Springer: „Ist es auch uns erlaubt, zu springen?“ Sie antworteten: „Ja wohl, warum nicht? Wer kann, darf springen.“ Da sprang Messerprinz über das Feuer, und sie gaben ihm die Zarentochter. Er aber sagte: „Sie soll mir eine Schwester sein in dieser und in jener Welt; wenn ihr mir sie für meinen älteren Bruder da geben wollt, will ich sie nehmen; sonst mag sie hier bleiben.“ Man gab sie ihm, Messerprinz aber richtete diesem seinem Bruder ein Haus zur Wohnung ein, gab ihm eins von seinen Haaren und sagte: „Wenn Blut aus diesem Haar fließt, wisse, daß ich tot bin.“

Darauf gingen er und der jüngere Bruder weiter und sahen an einer Stelle, wie Leute versuchten, über einen Fluß zu springen; und wer hinüberkäme, der solle die Tochter des Zaren bekommen. Da nahm Messerprinz einen Esel, lud ihn auf die Schulter und sprang über den Fluß. Sie wollten ihm nun die Zarentochter geben; er aber sagte: „Sie soll mir eine Schwester sein in dieser und jener Welt; wenn ihr sie mir für meinen Bruder geben wollt, will ich sie nehmen.“ Das taten sie; er richtete diesem Bruder ein Wohnhaus ein wie dem andern, gab ihm auch ein Haar und zog weiter.

An einer Stelle teilte sich der Weg; dort war ein Stein mit einer Inschrift. Messerprinz las sie: „Wer diesen Weg geht, kehrt zurück, wer den da, kehrt nicht zurück.“ Da sagte er: „Ah! Daran wird man erkennen, daß ich ein tapfrer Held bin; ich will den Weg gehen, wo man nicht zurückkommt.“ Das tat er, und unterwegs traf er auf drei Lamien, schleuderte seine Keule und erschlug sie alle drei. Beim Weitergehen traf er noch weitere sechs; da dachte er: „Wenn ich mit der Keule werfe, treffe ich sie vielleicht nicht; ich will lieber mit dem Messer werfen.“ Aber dann meinte er doch: „Nein, ich will nicht mit dem Messer werfen, sondern lieber mit der Keule.“ Das tat er und erschlug alle sechs. Als er weiter ging, traf er wieder eine Lamia. Die war so hoch wie drei Minarete zusammen; da sprach er bei sich: „Werfe ich so, daß ich ihre Füße treffe, so fällt sie auf mich und erschlägt mich“; darum warf er so, daß er sie am Kopfe traf; sie fiel, und er ging hin und machte ihr mit dem Messer den Garaus. An demselben Ort war ein Palast mit fünfzig Zimmern; darin befand sich ein Mädchen; er stieg zu den Zimmern hinauf, fand neunundvierzig offen und eins verschlossen; an dieses stieß er mit dem Fuße und öffnete es; darin fand er das Mädchen. Sie war zugedeckt; er deckte sie auf und sagte: „Steh auf!“ Sie aber rief: „Lauf fort, die Lamia wird dich auffressen.“ Er erwiderte: „Ich habe die Lamia erschlagen.“ – „Nein, wie sollst du die Lamia erschlagen können?“ – „Steh auf, dann kannst du’s sehen!“ Und als sie dahin gingen, sah sie, daß die Lamia wirklich erschlagen war.

Da kamen drei Schiffe, das Mädchen zu holen. Als Messerprinz die sah, sprach er zu dem Mädchen: „Gib acht, ich will machen, daß die Schiffe kentern.“ Das Mädchen aber sagte: „Lauf weg! die Schiffsleute werden dich erschlagen.“ Er hörte aber nicht darauf und machte zwei Schiffe kentern; das eine entkam. Da gingen die Schiffsleute zum Zaren und sprachen: „Die Lamien waren nicht mehr dort, aber ein junger Mann ließ uns nicht heran.“ Als das ein altes Weib hörte, die da war, sagte sie: „Wenn es sich nur um einen jungen Mann handelt, will ich ihn schon überlisten. Legt mich in eine Kiste und bringt mich zu dem Palast. Wenn ich da bin und ihn überlistet habe, stecke ich ein Handtuch als Fahne auf; lauft ihr dann dahin.“ Das taten sie; der junge Mann aber und das Mädchen, die gerade am Strande spazierten, sahen die Kiste, und er sagte: „Gib acht, sieh, wie ich die Kiste da fortschleudere.“ Sie antwortete: „Laß sein, tu es nicht; es sind vielleicht Schüsseln darin, wir wollen uns doch Essen herrichten.“ Da nahmen sie die Kiste und öffneten sie, und was sahen sie? Darin steckt eine Alte, und das Mädchen meinte: „Wir wollen sie mit nach Hause nehmen, sie soll unsere Dienerin sein.“ Er sagte aber: „Nein, ich will sie fortschleudern.“ Doch das Mädchen blieb bei ihrer Meinung, der Mann gab ihr nach, und sie nahmen die Alte mit sich. Da sagte die Alte zu dem Mädchen: „Was für eine Heldenkraft hat dein Mann?“ Die antwortete: „Ich weiß nicht.“ – Darauf sagte die Alte weiter: „O! wenn du das noch nicht weißt, so liebt dich dein Mann nicht.“ Darauf ging das Mädchen und fragte ihn: „Was für eine Heldenkraft hast du?“ Er antwortete: „Ich habe ein Messer im rechten Bein stecken; wenn mir das ein anderer herauszieht, muß ich sterben; aber wenn ich es selbst herausziehe, sterbe ich nicht.“ Das erzählte sie der Alten; eines Abends aber tat diese so, als schüttle sie das Fieber, und sie klagte es dem Mädchen. Die sagte darauf zu ihrem Manne: „Wir wollen sie doch zu uns in die Stube nehmen, damit sie nicht einsam stirbt.“ Er antwortete: „Nein, sie liegt nicht im Sterben, meine Liebe.“ Das Mädchen aber blieb dabei: „Wir wollen es doch tun; es wäre sonst Sünde.“ Da nahmen sie die Alte zu sich; die aber zog dem Manne, als er eingeschlafen war, das Messer aus dem rechten Bein, und er starb. Darauf ging die Alte und steckte ein Tuch als Fahne auf, und die Schiffsleute kamen und nahmen das Mädchen mit. Die bat sie: „Wartet noch, laßt mich ihn zudecken und die Stube abschließen!“ Das erlaubten sie ihr, und dann nahmen sie sie mit.

Nun floß Blut aus den Haaren, die er den beiden Brüdern zurückgelassen hatte, und sie machten sich auf, ihn zu suchen, sahen den Stein und lasen darauf die Inschrift: „Geht einer diesen Weg, kommt er nicht zurück; geht er den da, kommt er zurück.“ Da sagten sie: „Den Weg, wo man nicht zurückkommt, ist er gegangen.“ Auf dem weiteren Wege fanden sie erst die drei erschlagenen Lamien, dann die sechs und zuletzt die riesenhafte, und sahen also, daß Messerprinz nicht von ihnen aufgefressen war. Als sie dann in den Palast kamen, fanden sie neunundvierzig Zimmer offen, eins geschlossen. Das öffneten sie und fanden ihn dort. Da sagte der eine, der alles auf der Welt wußte, zu dem andern, der einen Weg durchs Meer bahnen konnte, er solle das tun; er wußte nämlich, daß die Alte das Messer ins Meer geworfen hatte. Der andre tat das, sie fanden das Messer, kehrten zurück und steckten Messerprinz es wieder ins Bein. Da wachte der auf und sprach: „Ach, was habe ich geschlafen! Aber wo kommt ihr her? Was habt ihr mit dem Mädchen gemacht?“ Sie antworteten: „Wir sollen etwas mit dem Mädchen gemacht haben? Wo ist die?“ Der aber, der alles wußte, wußte auch, daß der Zar das Mädchen fortgeholt hatte, und Messerprinz befahl dem andern, einen Weg durchs Meer zu bahnen. Von dem Palast bis zu dem Zaren waren es neun Tagereisen. Sechs Tagereisen hatten sie schon auf dem Meereswege zurückgelegt, es blieben bis zu dem Zarenschlosse noch drei. Das Mädchen hatte aber zu dem Zaren gesagt: „Ich heirate dich nicht, ehe neun Tage um sind; so lange laß mich ihn betrauern.“ Messerprinz fragte nun seinen Genossen: „Wieviel Tagereisen sind es noch bis zu dem Schlosse“, und als er erfuhr, noch drei, sagte er: „Mach jetzt schnell!“ Das tat der, und sie kamen bis an das Schloß. Da sah Messerprinz das Mädchen am Fenster des Zaren sitzen, sprang ans Land und ging zu dem Fenster. Als die Alte, die am Tisch des Zaren gesessen hatte, ihn sah, fiel sie unter den Tisch, der Zar aber ging gerade im Hause herum. Da ergriff Messerprinz die Alte und hieb sie in Stücke; dann machte er sich auf, auch den Zaren in Stücke zu hauen; der aber bat ihn: „Ich will dir neun Lasten Geld geben, töte mich nicht.“ So geschah es, Messerprinz nahm das Geld und das Mädchen, drei Lasten gab er dem ältesten Bruder, drei dem jüngern, drei behielt er für sich, und dann ging jeder hin, wo er zu Hause war.

Quelle:
(Balkanmärchen aus Bulgarien)

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