Es war einmal ein König, der hatte drei Söhne und drei Töchter, und er wollte, je ein Sohn solle eine Tochter heiraten. Die beiden ältesten nahmen ihre zwei ältesten Schwestern. Aber der jüngste und die jüngste wollten nicht, es sei eine Sünde. Als sie dem Befehle ihres Vaters nicht gehorchen wollten, jagte er sie aus dem Hause. Sie gingen zusammen in den Wald und lebten dort und aßen Erdbeeren und Wurzeln und wohnten in einer hohlen Eiche. Eines Tages sagte der Bruder, er hieß Alexander, zu seiner Schwester Marie: »Mein Schwesterchen, ich gehe zu dem König über den Berg und verdinge mich als Knecht.« – »Geh, mein Bruder, aber ich bleibe hier im Walde.« Er ging und nahm sich auch ihr Bild mit. Er dingte sich zum König in den Pferdestall, aber alle Tage gedachte er seiner Schwester, und wenn er das Essen erhielt, zog er ihr Bild hervor aus dem Tornister und sah auf seine Schwester und salzte sich die Suppe mit Tränen, aß und weinte, aß und weinte. Das Knechtlein, welches immer das Essen brachte, sah, daß er immer weinte, und sagte es dem König. Eines Tages ging der König um zu sehen, was für einen Kummer der Pferdeknecht habe. Als er hinkam, sah er, daß er ein Bild von einem schönen Mädchen hatte, ein so schönes hatte er noch nie gesehen. Nachdem er das Bild gesehen, hatte er keine Ruhe mehr, ging in den Stall und fragte, wen er da habe und warum er immer weine. Der Knecht sagte, es sei seine Schwester, die lebe im Wald, und sagte alles, wie es war. Darauf meinte der König, wenn seine Schwester so schön sei, dann nehme er sie zur Frau, und schickte seinen Kutscher mit der Kutsche in den Wald, um das Mädchen herzubringen. Die Köchin fuhr auch mit und beredete sich mit dem Kutscher, sie solle die Kleider von der Königstochter anziehen, dann würde der König denken, sie wäre das Mädchen aus dem Walde und würde sie zur Frau nehmen. Als sie in den Wald kamen und das Mädchen antrafen, nahmen sie es, zogen es aus, stachen ihm die Augen aus und warfen es ins Wasser. Nun kamen sie nach Hause, da sah der König, daß das Mädchen nicht so schön war wie das Bild und wurde zornig, weil er glaubte, der Knecht habe ihn betrogen, und warf ihn ins Gefängnis, aber das Mädchen, d.h. die Köchin, nahm er doch zur Frau, weil er sein Wort gegeben.
Das schöne Mädchen hatte ein goldenes Kreuzlein, und auch dieses nahm ihr die Köchin und hing es ans Fenster. – Jetzt lassen wir diese und gehen zurück zu dem armen Mädchen in den Wald. Es ging ein Mann, welcher Fische fing, ans Wasser und zog das Mädchen heraus, sie war blind und fragte: »Wer bist du, der mich aus dem Wasser gezogen? Bist du ein Bursch, sollst du mein Bruder sein. Wenn du alt bist, sei mir Vater.« – »Ich bin ein alter Mann, ich will dir Vater sein.« Er nahm das Mädchen in seine Hütte und ehrte es, wie es sich gehört. Wenn sie sich kämmte, fiel ihr immer ein Teller voll Gold vom Kopf. Am Sonntag trug der Alte zwei Teller voll Gold an die Kirchentüre. Als die Königin kam und das Gold sah, wollte sie es gleich kaufen und fragte, was der Alte dafür verlange. Der sagte: »Ein paar Mädchenaugen.« Die Königin kehrte sogleich um und ging die Augen zu bringen, welche sie dem Mädchen aus dem Wald ausgestochen. Der Alte nahm sie und brachte sie der Marie und klebte ihr sie mit Tau wieder in den Kopf, daß sie noch besser sah als vorher. Abends ging sie unter das Fenster, wo das Kreuzlein angehängt war, und sagte:
Mädchen: »Buna seara, cruciulita mea.«
Kreuz: »Sa traiesti, stapîna mea.«
»Dar ce face împaratul?«
»Face ca un împärat suparat.«
»Ce face împarateasa?«
»Face ca o misea blastamata.«
»Guten Abend, mein Kreuzlein.«
»Sollst leben; mein Herrinlein.«.
»Was macht der König?«
»Er macht wie ein betrübter König.«
»Was macht die Königin?«
»Sie macht wie eine schlechte Betrügerin.«
Das Knechtlein hatte dies gehört und dachte, er solle aufpassen, wenn sie am nächsten Abend wieder käme, müsse er es dem König sagen. Am nächsten Abend kam sie wieder, und wieder redete sie mit dem Kreuzlein Dieselben Worte. Jetzt erzählte das Knechtlein dem König, was er gehört, und als sie am dritten Abend kam, ging der König hinaus und sah das Mädchen, und sah, daß es gerade wie das Bild war, nur noch schöner, die Augen leuchteten wie Sterne. Dann fragte er sie, wie und was und gab den Befehl, man solle mit der Köchin so verfahren, wie sie mit dem Mädchen, man solle ihr die Augen gewinnen und sie ins Wasser werfen. Als man sie hineingeworfen, zog sie niemand heraus, sie ertrank dort. Aber den Bruder nahm man aus dem Gefängnis heraus, und dann lebten alle drei in Frieden und Gesundheit bis ins hohe Alter.
Ana Subtirel, Alzen
[Rumänien: Pauline Schullerus: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal]