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Märchenbasar

Die ungewöhnliche Midsommarfeier des Alfred Berling

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Es war einmal vor langer Zeit, als die Soldaten noch in Torps lebten und sich ab dem Frühjahr zu Übungen und Manövern trafen, da lebte in Dalarna ein Soldat, der mit Soldatennamen Rask hieß und als Alfred Berling getauft war. Der Major Axel Storstjärna hatte allen zu Beginn der diesjährigen Frühjahrsübungen versprochen, dass sie in diesem Jahr Midsommer wieder zu Hause seien und mit ihren Familien Midsommar feiern könnten. So war es dann auch, jedenfalls es war fast so.
Rask war auf dem Weg zu seinem Torp, und da er keine Familie hatte, ließ er sich etwas Zeit und kam erst am Midsommarabend an, es soll heißen, er versuchte anzukommen… Die Sonne begann zu sinken, es fing leicht an zu dämmern und er erreichte zu dieser Stunde das letzte Dorf vor seinem Heimatort, in dem sein eigener Torp lag. Dunkel wird es ja heute nicht, dachte er gerade, als ihn zwei Mägde und der reiche Bauer, die und den er gut kannte, mit einem Fuhrwerk überholten: „Rask, willst du nicht mitkommen und heute mit uns feiern?“, riefen sie ihm zu. Das ließ er sich nicht zweimal sagen, denn das bedeutete immer gutes Essen, viel Spaß, Bier und Schnaps, sowie sonstige Vergnügen, die es bei diesen Feiern halt immer gab. So sprang er schnell auf das Fuhrwerk auf. Auf dem Hof des reichen Bauern waren die Feierlichkeiten schon in Gang. Die kleinen Mädchen versuchten sich in alten Midsommarbräuchen mit Orakelspielen, bei denen man nicht sprechen durfte, um von ihrem Zukünftigen zu träumen und die kleinen Jungen versuchten, sie dabei zu stören, was manchem auch gelang.
Der Tanz um die Midsommarstange war aber schon fast vorbei, als das Fuhrwerk ankam und man hatte das gekaufte Fässchen mit Branntwein schon geleert, war mittlerweile auf das „gute und bewährte“ Selbstgebrannte des Bauern umgestiegen. Nach einer kräftigen Mahlzeit, die aus Schinken, Speck, kleinen Fleischbällchen, Blutpudding, kleinen Würstchen, Sill, Käse, sowie guten Brotfladen und frischer, gesalzener Butter bestand, so dass sich die Tischplatten bald durchbogen, folgte dann der eine oder andere Tanz, zu dem Spielleute aufspielten. Dem Tanz der Hofbewohner und ihrer Gäste vor und nach dem Essen folgten weitere kreisende Schnapsflaschen und auch ein gutes Fass mit Bier, das der Bauer mit seinen Knechten gebraut hatte. Die Feier am heutigen Abend lief nicht anders ab, als an fast allen Höfen in Dalarna und Schweden. Nachdem so einige Flaschen geleert waren, verschwanden auch das eine oder andere Paar an diesem Abend in der nahe gelegenen Scheune des großen Hofes, um später wieder etwas nüchterner zurückzukehren und weiterzufeiern.
Es muss so kurz nach Mitternacht gewesen sein, als Rask sich entschloss, die Feier zu verlassen, um weiter in sein Heimatdorf zu wandern. Stark wankend vom vielen Bier und vor allem vom selbstgebrannten Schnaps des Bauern lief er los. Auf dem Weg zu seinem Dorf und Torp musste er allerdings durch einen alten Wald, von dem man munkelte, dass es ein alter Rest und Ausläufer des Järnskogen sei. Hier kreuzten sich auch die Wege, von denen einer tiefer in den Wald, der andere gerade Weg aber zu seinem Heimatdorf führte.
Es kam, wie es kommen musste, wenn sich einem der Kopf zu stark vom Alkohol dreht, er bog falsch ab, da er scheinbar nicht mehr so ganz geradeaus gehen konnte. Nach einer Weile kam er auf eine Lichtung, an der zwei Köhler saßen, die gerade die Reste ihres bereits abgebauten Meilers bewachten. Es lag nur noch ein kleiner, ungefähr eine Aln hoher Holzkohlenstoß vor ihnen, der auch noch glimmte. Den Rest hatten die beiden Köhler wohl schon auskühlen lassen, in Säcke verpackt und abgefahren. Die beiden saßen jedenfalls davor und ließen den Rest einfach wegglimmen, um sich zu wärmen, da es im Juni oft noch recht kühl ist. „Gott zum Gruß“, rief da der Soldat, „ihr armen Köhler könnt ja nie mit anderen mitfeiern, wenn ihr einen Meiler ausgezogen habt. Aber was soll es, trinkt und feiert mit mir.“
Er setzte sich neben die beiden Köhler, zog seine volle Schnapsflasche aus dem Ranzen, nahm einen großen Schluck daraus und gab sie weiter. So lief sie zwischen den dreien hin und her, bis dass sie fast leer war. Da bemerkte er, dass die beiden Köhler glühende Augen hatten, als ob sie ihre eigene Kohle zum Sehen verwendeten. Bei dem einen glühten sie hellrot, bei dem anderen, dem jüngeren, hellblau. Aber das machte dem Soldaten überhaupt nichts aus, stattdessen holte er seinen Tabaksbeutel aus dem Ranzen und stopfte seine Pfeife. Auch den beiden Köhlern bot er seinen Tabak an, die aber darauf überhaupt nicht reagierten und weiter schwiegen. Da griff er furchtlos und betrunken in die Glut, nahm sich ein Stück der Holzkohle vom Rand und versuchte sich seine Pfeife anzuzünden, was ihm allerdings nicht gelang. Enttäuscht warf er das Stück mit der glühenden Holzkohle zur Seite und griff sich das nächste Stück, aber auch hier ging es nicht besser und so warf er auch das zweite Stück auf die Lichtung. Als es mit dem dritten Stück auch nichts wurde, rief er nur: „Was habt ihr hier nur für eine Kohle gebrannt, damit verdient ihr doch nichts, die wird euch kein Schmied der Welt abnehmen, nicht einmal eine Pfeife entzündet sie.“ Doch die beiden Köhler schwiegen weiter. So zündete er seine Pfeife schließlich mit der Zunderbüchse, wie althergebracht, an und ließ die Schnapsflasche ein letztes Mal kreisen, wobei sie leer wurde.

Da sprang er auf und rief lallend: „Midsommar ist zu Ende und Rask zieht weiter.. .“ In diesen Moment standen auch die Köhler auf, griffen sich wortlos eine Schaufel, begannen die restlichen, glühenden und qualmenden Kohlen in Rasks Ranzen zu füllen, ohne ihn zu fragen, den sie dann mit den vorhanden Riemen wieder schlossen, wobei ihnen Rask mit offenem Mund zusah und erwartete, dass dieser jeden Moment in Flammen aufging. Doch nichts dergleichen geschah. Danach setzten sie ihm wortlos den Ranzen auf, klopften ihm auf die Schulter, begleiteten ihn zum Rand der Lichtung und auf den richtigen Weg.
Das muss schon ein seltsamer Anblick gewesen sein, als er des Weges weiter taumelte. Vorne rauchte seine Pfeife und hinten qualmte sein Ranzen. Aber schließlich erreichte er wieder die Wegkreuzung und bog diesmal richtig ab. Ab der Kreuzung, auf dem richtigen Weg, geschah etwas Seltsames. Der Qualm aus seinem Ranzen wurde immer weniger, dafür wurde der Ranzen immer schwerer.
Als er schließlich seinen Torp erreichte, konnte er den heißen Ranzen kaum noch auf dem Rücken halten und setzte ihn so schnell wie möglich ab, fluchte über den Schnaps, den er am Abend getrunken hatte: „Was hat der Bauer da wieder zusammengepanscht, dass es einem beim Gehen fast die Beine wegdrückt.“

So sank er im Torp auf sein Bett und war schnell im Reich der Träume angekommen. Am nächsten Morgen staunte er, als er den Ranzen öffnete, war der voller Goldklumpen. Seine Nachbarn wollten ihm die Geschichte erst nicht glauben und so suchten sie gemeinsam die Stelle auf der Lichtung im Wald auf.
Von den Köhlern war hier weit und breit nichts mehr zu sehen, es war auch keinem bekannt, dass hier Kohlenbrenner einen Meiler errichtet hatten, allerdings gab es eine Stelle, an der vor einiger Zeit ein Meiler gestanden haben musste. Hier fand er aber auch seine leere Schnapsflasche wieder sowie drei Goldklumpen, die im Gras neben der Feuerstelle lagen. Jetzt verstand er, dass er mit den Unterirdischen Midsommar gefeiert haben musste und war froh, hier lebend zu stehen. Da schwor er sich doch, in der Zukunft etwas weniger zu trinken, da mit den Unterirdischen eigentlich nicht zu spaßen war und er großes Glück gehabt hatte.

von: Larissa Tjärnväg
aus: Kalle-Nisses Träume und Erzählungen – Juni –  / Copyright 2016-2023 – WeyTeCon Förlag – Årjäng

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