1
(1)
Nun also es war einmal ein armer Mann. Dieser arme Mann hatte soviel Kinder wie das Sieb Löcher hat, und noch eins mehr. Wiederum bekam seine Frau mit einem Schlage zwei Kinder. Da hat der arme Mann zu seiner Frau gesagt:
»Na, Frau, im Dorf sind schon alle vom Niedrigsten bis zum Höchsten unsere Gevatter; ich habe mir gedacht, ich werde sie ins Nachbardorf zum taufen tragen, denn wir laden zu Gevatter und haben nicht einmal das, was wir selbst brauchen.«
Antwortete seine Frau: »Tragt sie nur ins Nachbardorf, Vater, und lasst sie taufen. Gott wird uns darum nicht strafen, denn er sieht wohl, dass wir in Not sind.«
Da tat der Arme die beiden Kinder in einen Rucksack und nahm sie auf die Schulter und trug sie fort. Als er beim Ende der Stadt angelangt war, da sah er, dass ein Kaufmannsgraf mit vier Pferden daher kam. Und der Graf sah, dass ein armer Mann kam, und sagte zum Kutscher:
»Schau, dort kommt ein armer Mann; wenn wir bei ihm sind, dann halte den armen Mann an, damit ich ihm das Lamm abkaufe.« Und der Graf rief ihn an:
»Nun armer Mann, gib mir jenes Lamm, damit ich’s dir abkaufe.«
Sprach der Arme: »Ho ho, Vater Graf, treibt nicht Euren Spott mit mir, denn ich trage kein Lamm, sondern zwei Kinder zur Taufe.«
Da fragte der Graf: »Warum trägst du sie ins Nachbardorf zum taufen?«
»Darum, weil meiner Kinder so viele sind, wie das Sieb Löcher hat.«
»Nun armer Mann, gib mir diese beiden Kinder, damit ich sie dir abkaufe.«
»Lieber Vater Graf, wenn Ihr die Güte hättet und ein bischen wartetet, damit ich nach Hause gehe und meine Frau frage, ob ich sie verkaufen kann oder nicht.«
Der arme Mann eilte heim, sagte seiner Frau:
»Hör, ein Graf bittet, dass wir ihm die Kinder für Geld geben; was sagst du, können wir sie hingeben oder nicht?«
»Geht, Vater, gebt sie hin! Gott wird uns nicht schlagen, denn er sieht, dass wir kaum von einem Tag zum andern zu leben haben.«
Rannte der arme Mann zum Grafen zurück. »Lieber Vater Graf, meine Frau hat gesagt, wir würden die beiden Kinder für soviel Geld, wie sie wiegen, geben.«
»Du armer Mann, wollen wir in die Stadt gehen, um eine Wage zu bitten, dass wir sie dort wiegen? Wenn ich dir nun aber beide Hälften deines Rucksacks mit Silber und Gold fülle, wär’s dann recht?«
»Es wäre mir recht, lieber Vater Graf!«
Da füllte er nun die beiden Hälften des Rucksacks, dann nahm er die kleinen Kinder in den Wagen und sagte zum Kutscher:
»Kehre gleich um und jage so, dass du meinst, auf jeder Station werden vier Pferde verrecken; und wenn sie auch krepieren, so nehmen wir gleich andere.«
Hört die Gräfin, was für ein grosses Holter-Gepolter da ist, läuft hinaus zum Tor, und da sieht sie, dass ihr Mann so jagen lässt, wie wenn er blind wäre. Gleich lässt sie das Tor öffnen, und mit verhängten Zügeln sprengt ihr Mann herein. Sofort aber hält ihr Mann die Pferde auf dem Hofe an, und so fragt ihn seine Gemahlin:
»O mein Herzlieb, meine Augenweide, was ist die Ursache, dass du so schnell heimgejagt bist?«
»O liebe Frau, ich brachte, was uns mangelte, zwei kleine Kinder!«
Die Gräfin greift zu, nimmt sie gleich vom Wagen herunter, und da sieht sie, dass eins ein Knabe, das andere ein Mädchen ist. Ungesäumt taufte sie sie und zwar den Knaben »Blütensohn Janos«, das Mädchen hingegen »Grünhaarige Marzella«. Sie stellte auch gleich eine Amme für sie an.
Und jene wuchsen so schnell heran, dass sie am dritten Tag schon so gross waren, als ob sie dreizehn Jahre wären. Da begann der Graf und schickte sie in die Schule. Als es drei Tage waren, dass sie in die Schule gingen, wusste Blütensohn Janos mehr als der Lehrer. Das Mädchen, die Grünhaarige Marzella, ging noch eine Woche länger in die Schule als ihr Bruder.
Da sagte die Gräfin zu ihrem Mann:
»O mein Herzlieb, meine Augenweide, wie gern würde ich auch zur Messe gehen, um zu sehen, wer da alles ist.«
Sagt der Graf: »Wem sollen wir die Läden überlassen?«
Antwortet die Gräfin: »Wir setzen die beiden Kinder in die beiden Läden; denn sie verstehen das Verkaufen gut.«
Sagt der Graf: »Wir wollen den beiden Kindern zwei Futtersäcke mit Geld geben; damit sollen sie spielen, bis wir zurückkommen; die beiden Läden aber schliessen wir zu.«
Drauf reiste der Graf mit seiner Gemahlin zur Messe. Zu Hause begannen der Knabe und das Mädchen Karten zu spielen. So lange spielten sie, bis die Grünhaarige Marzella dem Blütensohn Janos alles Geld abgewonnen hatte. Da sagte Blütensohn Janos: »Liebe Schwester, sei so gut und leih mir ein Geldstück!«
Sagt die Grünhaarige Marzella: »Wahrlich, Blütensohn Janos, einem, der so gescheidt ist wie du, so einem gebe ich nicht mal einen Kreuzer!«
Sagt Blütensohn Janos: »Nun Schwester, dann leihe mir ein Geldstück auf meinen Rock.« Da sagte die Grünhaarige Marzella: »Hier ist das Geldstück!«
Sie begannen von Neuem zu spielen. Die Grünhaarige Marzella gewann wiederum dem Blütensohn Janos das Geldstück ab. Wiederum sagt Blütensohn Janos:
»Schwester, gib mir ein Geldstück auf meinen Hut!« Nachdrücklich sagt sie: »Schau, hier ist dein Geldstück!«
Wiederum begannen sie zu spielen. Wiederum gewann die Grünhaarige Marzella das Geldstück Blütensohn Janos ab. Und jetzt sagt Blütensohn Janos wiederum:
»Grünhaarige Marzella, sei so gut und gib mir ein Geldstück auf meine Hosen!«
Die Grünhaarige Marzella gab wieder ein Geldstück. Wiederum begannen sie zu spielen. Wiederum gewann die Grünhaarige Marzella das Geldstück.
»Los, du Grünhaarige Marzella, du weisst doch, du bist meine Schwester.«
»Wie sollte ich das denn nicht wissen!«
»Also sei so gut und gib mir noch ein Geldstück!«
»Ich weiss gewiss, dass ich keinem eins gebe, der so gescheidt ist wie du!«
»Gibst du’s nicht, Schwester?«
»Nein, ich sicher nicht!«
»Na, wenn du’s nicht gibst, so mögen dich die Teufel holen!«
Da holte sie der Teufel. Ihr Bruder schrie: »Na, na, tragt sie nicht fort! ich habe es ja nicht gesagt, damit ihr sie forttragt!«
Aber jetzt war’s zu spät zum reden, denn er hatte sie unterdessen fortgeholt. Und da grämte sich nun jetzt Blütensohn Janos, dass er allein geblieben war. »Und wenn nun der Graf heimkommt und das sieht, was wird dann aus mir?«
Der Graf kam heim und sah, dass Blütensohn Janos allein war und in Hemd und Unterhosen. Sagt der Graf:
»Nanu, Blütensohn Janos, wo ist deine Schwester?«
»Ich weiss es nicht, lieber Vater Graf!«
»Nicht? – Wenn du nicht weisst, wo sie ist, so geh, bis du sie erwischt.«
Blütensohn Janos grämte sich und zog durch siebenmal sieben Königreiche und noch weiter. Er langte in einer Königsstadt an. Vor dem königlichen Schloss waren, wie das so der Brauch, Bänke zum sitzen, und er setzte sich dort nieder. Alles was ein König so zu haben pflegte: Windhunde, Esel und Jagdhunde, die bellten alle drinnen hinterm Tor. Und einem Kutscher wurde das über, dass die Hunde so bellten; er dachte bei sich, er wollte nachsehen, was für ein Tier die Hunde dort so anbellten. Und da sah er, dass ein schmucker Bursche im Tor sass. Fragte ihn der Kutscher:
»Wohin geht die Reise?«
»Ich bin fürwahr ausgezogen, um einen Dienst zu nehmen.«
»Wenn der erlauchte Vater König Euch bei zwei alten Pferden anstellte, würdet Ihr kommen?«
»Gewiss, sehr gerne.«
Da ging der Kutscher hinauf zum König.
»Erlauchter Vater König, mein Leben und Tod ist in Eurer Hand, draussen im Tor sitzt ein schmucker Bursche; es wäre ganz gut, ihn bei den beiden alten Pferden anzustellen.«
»Geh und rufe den Burschen herauf.«
Der Bursche geht hinauf, grüsst den König:
»Guten Tag, erlauchter Vater König!«
»Willkommen, du kleiner Bursche! Was führt dich her?«
»Mich führt nichts Schlimmes her. Ich bin ausgezogen, einen Dienst zu nehmen, mein Glück zu versuchen.«
»Und wenn ich dich nähme, würdest du zu mir kommen?«
»Gewiss, erlauchter Vater König.«
»Was für Lohn forderst du jährlich?«
»Ich fordere nichts anderes als Kleidung und Essen. Am Jahresschluss mag mir der erlauchte Vater König das zahlen, was ich verdient habe.«
Na, da wurden die beiden alten Pferde ihm in Hut gegeben. Und er begann also, die beiden Pferde zu pflegen. Sie wurden so wie dreijährige Rosse. Na und da hatte er also nichts zu tun; er dachte bei sich:
»Wenn ich eine Flinte hätte, zöge ich hinaus ins Schneegebirge, schösse einen Hasen oder eine Taube und machte sie dem erlauchten Vater König zum Geschenk.« Und er dachte bei sich: »Ich werde hinauf gehen zum erlauchten Vater König und mir eine Flinte ausbitten.«
»Gott zum Gruss, erlauchter Vater König!«
»Und was gibt’s Neues, mein Kutscher?«
»Nichts als das, erlauchter Vater König: da ich nichts zu tun habe, möchte ich den erlauchten Vater König um eine Flinte bitten, dass ich ins Schneegebirge gehen und das Schneegebirge durchwandern kann. Wenn dann der erlauchte Vater König irgend wann einmal ins Schneegebirge schickte, so würde ich wissen, in welcher Richtung man gehen muss.«
»Nun, du kleiner Knabe, dort ist das Gewehr, dort sind Patronen; nimm dir soviel mit, wie du brauchst.«
Da machte er sich auf ins Schneegebirge. Er schritt durch den Wald, aber er fand keinerlei Getier. Plötzlich hört er, wie ein Jagdhund anschlägt. Er denkt bei sich: Was auch immer es sei, was dieser Jagdhund aufgespürt hat, ich werde es ihm wegschiessen, denn niemand kann mir das verbieten! – Wie er dem Bellen des Hundes nachging, gelangte er auf eine kleine Wiese; auf der Wiese war ein Milchsee; dort sah er, dass zwölf Wildenten drin badeten. Er dachte bei sich: Ich werde ein Paar von ihnen schiessen; die bringe ich dann wenigstens heim. – Als er niedergekniet war am Milchseegestade und die Flinte bereit hielt, als er auf die schönste Ente zielen wollte, da rief die Verwunschene Ente:
»Holla, du Blütensohn Janos, dies Gewehr, das du just eben zum Antlitz hebst, senke es und leg’s auf die Erde!«
Dann kam die Verwunschene Ente aus dem See, übersprang sich, und aus ihr wurde ein Demanten- Fräulein. Also sprach Fee Ilona:
»Wohlan, Blütensohn Janos, jetzt komm her zu mir!«
Dann dachte Fee Ilona einen Tisch für ein Paar, Speise und Getränke; es ward.
»Jetzt komm, Blütensohn Janos, setz dich neben mich, mein Herzlieb, meine Augenweide!«
Sie hielten nun das Mittagsmahl zusammen. Als das Mittagsmahl vorüber war, da sprach Fee Ilona:
»Merk auf, du Blütensohn Janos, rühme dich meiner nicht, was für eine Liebste du hast, sondern lass drei Tage um meinetwillen so hingehen, ohne dass du dich zu jemandem meiner rühmst.«
»Ja, mein Herzlieb, meine Augenweide.«
»Und nun, Janos, hast du Geld für dich?«
»Ich habe ein paar Kreuzer.« Da sprach Fee Ilona:
»Schau diesen Geldbeutel, darin bleibt das Geld, und wenn du nichts anderes tust und alles hinauswirfst, er bleibt doch voll bis in alle Ewigkeit. Nun, du Blütensohn Janos, morgen pünktlich zur Mittagsstunde, um zwölf Uhr sei hier am Milchseegestade.«
Dann griff Fee Ilona zwei Wildenten und gab sie Blütensohn Janos.
»Nun, die nimm und schenke sie dem König; doch wenn du gehst, lass es dir ja nicht in den Sinn kommen, in ein Wirtshaus zu gehen und dort zu trinken, dass du dich dort meiner rühmst, was für eine Liebste du hast.«
»Fürchte nichts, denn ich werde nicht prahlen.«
Damit zog er von dannen. Als er bei des Königs Schloss angelangt war, hört er, dass die Burschen im Wirtshaus singen. Er denkt bei sich: ich werde hineingehen und wenigstens einen Becher Wein trinken. – Als er eingetreten war, grüsste er:
»Guten Tag, Herr Wirt, bitte, ein Viertel Wein!« Der Wirt gab es ihm sogleich. Er trank es an der Türe. Da sprachen die andern Burschen:
»Das scheint ein Bettler zu sein und der kein Geld hat, denn er trinkt dort hinten an der Tür das eine Viertel Wein.«
Da entgegnete Blütensohn Janos: »Wer hat kein Geld, he?«
»Na du!«
»Also ich hätte keins, he?«
»Na du doch!«
»Herr Wirt, wieviel Wein habt Ihr wohl?« fragte Blütensohn Janos.
»Das weiss der Himmel, ehe ich ’s nicht ausrechne, eh weiss ich nicht, wieviel’s ist.«
»Haben der Herr Wirt wohl einen leeren Keller?«
»Jawohl.«
»Wenn ich ihn mit Zwanzigern und Talern vollwerfe, war’s recht so?«
»Gut.«
»Nun, dann kommt gefälligst mit mir, öffnet die Tür!« Dann stellte er sich in die Tür und warf den Keller so voll mit Zwanzigern und Talern, dass auch kein Pritzelchen mehr Platz hatte.
»Nun ihr Burschen, geht und wälzt die Fässer aus dem Keller und trinkt, so viel ihr mögt.«
Damit ging er fort und legte dem König das Wildentenpaar vor. Der König freute sich sehr, dass sein Kutscher ihm ein Paar Wildenten gebracht hatte.
Anderntags zwölf Uhr langte Blütensohn Janos am Milchseegestade an. Die Verwunschene Ente sprang aus dem Teich, übersprang sich, wurde aus ihr ein Fräulein aus eitel Demant. Da sprach Fee Ilona:
»Ich habe dir gesagt, du solltest dich meiner nicht rühmen, aber das ist nur eine Kleinigkeit, und wiederum bitte ich dich, rühme dich nicht und sei morgen zur Mittagsstunde um zwölf Uhr hier.«
Dann griff sie ein Paar Wildenten. »Nun, die trage heim!«
Er machte sich auf den Heimweg, und da hört er, wie die Burschen im Wirtshaus singen.
»Ich werde hineingehen und einen Becher Wein trinken!«
»Herr Wirt, bitte, einen Becher Wein!«
Der Wirt gab ihm gleich. Er trank ihn an der Tür. Sprachen die Burschen unter einander: »Wer ist deine Liebste?« »Meine ist die von Dorfrichters.« »Und deine?« »Meine die von Notars.« »Und deine, Freundchen?« »Meine die von Stuhlrichters.«
»Der scheint ein Zigeuner, denn er hat keine; denn wenn er eine hätte, würde er auch sagen, wer’s ist.«
Da sprach Blütensohn Janos: »Wer hat keine Liebste, he?«
»Na du!«
»Ich habe solch eine Liebste, dass meiner Liebsten Fusssohle schöner ist als eurer Königin Antlitz.«
Da stürzten sich die Burschen gleich auf ihn, und sie begannen ihn zu schlagen. Der König bemerkte, dass sie seinen Burschen schlugen; der König rief hinaus:
»Heda, schlagt ihn nicht!«
»Lasst uns, erlauchter Vater König! denn wenn Ihr wüsstet, warum wir ihn schlagen, würden der erlauchte Vater König ihn auch schlagen.«
»Na, haltet nur Frieden, bringt ihn herauf zu mir und erzählt mir, was er gefehlt hat.«
Und da sagten die Burschen, jener habe gesagt, er habe solch eine Liebste, dass seiner Liebsten Fusssohle schöner sei als unserer Königin Antlitz. Da sagte der König, man sollte ihn einsperren. Nun entschloss sich Fee Ilona und schrieb ein Zettelchen und schickte es durch ein winziges Hündchen zum König. Der König las das Zettelchen. Drauf stand geschrieben:
»Merk auf du König! Den du gefangen setzen liessest, der soll einen gemalten Tisch haben, und zwölf Kerzen sollen unaufhörlich vor ihm brennen, und von Speisen und Getränken das auserlesenste soll ihm gebracht werden. Du jedoch lass morgen um acht Uhr deine zwölf Pferde vor die Demantkutsche spannen. Heiss deine Gemahlin und deine Tochter einsteigen und jenen Gefangenen heisse hinten auf dem Bockende sitzen. Mit ihm zusammen erscheine morgen zur Mittagsstunde am Milchsee; denn glaube mir, du spielst mit deinem Haupt, wenn du nicht erscheinst.«
Da nahm’s der König nicht als Spass, und punkt acht Uhr waren die Pferde vor der Demantkutsche, und sie sassen auf und fuhren zum Milchsee. Sie langten beim Milchseegestade an. Da rief ihnen die Verwunschene Ente zu:
»Nun, Königin, schau in den Milchsee; was siehst du?«
Und da sah sie, dass er mit eitel Goldperlen ausgelegt war.
»Schau hinein, Prinzessin, und du, was siehst du?«
Und da sah sie, dass der Boden des Milchsees beladen war mit eitel demantenen Ohrgehängen.
»Nun König, schau hinein, was siehst du?«
Schaute der König hinein, und da sah er, dass der Verwunschenen Ente Fusssohle schöner war als seiner Gemahlin Antlitz. Da sprach die Verwunschene Ente;
»Wohlan König, du kannst gehen, doch Janos bleibe hier! Nun du König, wenn du in die Landstrasse eingebogen bist, wandelt Euch zur Steinsäule allesamt miteinander.«
Da erwiderte der König: »Eselsgeschrei dringt nicht zum Himmel.«
Nun sprach Fee Ilona zu Blütensohn Janos:
»Ich hatte dir gesagt, du solltest dich meiner nicht rühmen, und wenn du nur noch einmal vierundzwanzig Stunden ausgehalten hättest, so wären wir einer des andern gewesen, doch so bleiben wir auf ewig von einander geschieden.«
Dann nahm sie Abschied von Blütensohn Janos: »Gott weiss, ob wir uns jemals, ob niemals begegnen werden.«
Dann flog die Verwunschene Ente selbzwölft auf und zog fort zum Sinaiberg.
Jetzt härmte sich Blütensohn Janos und dachte bei sich: So lange will ich wandern, bis ich irgendwo Kunde höre von Fee Ilona! –
Und so ging er fort und zog durch sieben Lande, durch sieben Welten. Er langte beim schwarzen Meer an; dort erblickte er eine Mühle. Er dachte bei sich: Siebenzehn Jahre um und um, dass ich keinen Bissen gegessen! Ich werde hineingehen und um ein kleines Brot oder einen Bissen Maisbrei bitten. – Er ging hinein, und da sieht er, dass kein Müller da ist.
»Heda, wo steckst du, Müller!«
»Heda, hier bin ich beim Mühltrichter!«
Wie er hingeht, um den Müller zu erspähen, da sieht er ihn nirgends. Wiederum ruft er: »Wo steckst du, Müller?«
»Zum Teufel mit deinen Augen! Siehst du denn nicht, dass ich hier beim Mühltrichter bin und den Weizen aufschütte?«
Und da schaut er hin, und da sieht er, dass ein Däumlingsmüller dort steht. Fragt Blütensohn Janos:
»Hör, Däumlingsmüller, für wen mahlst du denn diesen Weizen?«
»Den mahle ich für die Verwunschene Ente!«
»Und wer trägt dies Weizenmehl fort?«
»Drei Schwäne.«
»Worin tragen sie’s?«
»In drei Tonnen.«
»Nun du Müller, was soll ich dir bezahlen, dass du mich in einer der Tonnen versteckst?«
»O«, sagt er, »mir zahle nichts, ich verstecke dich schon so; aber wenn jene drei Schwäne dich hinaus auf den Gipfel des Glasbergs getragen haben und wenn sie dann merken, dass du dich drinnen bewegst, werfen sie dich so zurück, dass deine Knochen feiner zermahlen sein werden als das feinste Mehl.«
»Fürchte nichts, denn ich werde mich nicht regen.«
Da stand ihm der Däumlingsmüller bei und verbarg ihn in einer Tonne. Langten die drei Schwäne an. Die drei Schwäne flogen mit den drei Tonnen von dannen und flogen hinaus auf den Wipfel des Glasberges und legten sie an ihrem Rastort nieder. Fragt der eine Schwan die andern:
»Sind eure diesmal schwerer wie sonst?«
»Unsere sind nicht schwerer.«
»Nun, die meine ist aber um vieles schwerer als sonst.«
Blütensohn Janos konnte es nicht mehr aushalten, den einen Fuss nicht zu rühren. Sie bemerkten ihn und schleuderten ihn vom Glasberg so zurück, dass sein Leib feiner zermahlen war als das feinste Mehl, als er unten war. Da ging der Müller hin und sammelte all seine Bröckchen und trug sie heim und formte einen Menschen. Dann berührte er ihn leicht mit einem Tüchlein, und auf der Stelle war er wieder lebendig. Wiederum sprach Blütensohn Janos:
»Wohlan, du Däumlingsmüller, sag mir, wie ich dorthin gelangen kann.«
Da sprach der Müller: »Nun, Blütensohn Janos, siehst du hier unten jenes Haus?«
»Jawohl.«
»Dort wohnt ein gottloser Schmied, der hat eine dreibeinige Stute; wenn du die kaufen und dann verkehrt beschlagen lassen könntest und seinen Kutscher und seinen Wagen mitsamt Geschirr kaufen könntest, würdest du damit von dannen ziehen können.«
Er ging hin:
»Guten Tag, du gottloser Schmied, was soll ich geben, damit du mir deine dreibeinige Stute und deinen Kutscher, deinen Wagen mitsamt Geschirr gibst? denn ich möchte sie kaufen.«
»So viel Geld hast du garnicht, um das zu kaufen.«
»Und was forderst du denn?«
»Also packe mir jedes meiner Haar in Gold.« Da sprach Blütensohn Janos:
»Du, damit wollen wir nicht Zeit verlieren, sondern hast du eine leere Kammer?«
»Ja.«
»Wenn ich sie nun mit Zwanzigern, mit Talern vollwerfe, war’s dann recht?«
Er sagte, es wäre ihm recht. Nun liess er die Kammer mit Zwanzigern und Talern füllen. Dann stand er ihm bei und spannte die dreibeinige Stute vor den Wagen.
Da sagte die Zigeunerin zum Kutscher:
»Na«, sagte sie, »du siehst doch, wieviel Geld wir haben!«
»Jawohl.«
»Na, schau hier die Zigeunerwurzel! Wenn ihr auf des Glasbergs Gipfel zum Rastplatz gekommen seid, da wird Blütensohn Janos sich an einer Stelle niederlegen. Diese Wurzel stecke ihm verkehrt in seinen Rock!«
Und so geschah es auch. Als sie auf dem Gipfel angelangt waren, da legte sich Blütensohn Janos unter einem Baum nieder, und dieser Kutscher steckte ihm die Wurzel verkehrt in seinen Rock. Da schlief Blütensohn Janos ein. Die Verwunschene Ente kam selbzwölft daher. Sie fassten Blütensohn Janos, spielten mit ihm Ball, zwölfmal, dass sie es garnicht toller hätten treiben können, zwölfmal badeten sie ihn in ihren Tränen, zwölfmal trockneten sie ihn ab; aber dennoch erwachte er nicht. Da sprach die Verwunschene Ente zu jenem Kutscher:
»Sag deinem Herrn, ich hätte das gesagt: Morgen zur Mittagszeit, um zwölf Uhr, sei er hier; doch wenn er dann auch in so tiefem Schlummer läge wie jetzt, dann würde er mich fürderhin nicht wieder finden.«
Dann flog die Verwunschene Ente selbzwölft auf und zog von dannen. Da zog der Kutscher die Zigeunerwurzel aus seinem Rock. Da erwachte Blütensohn Janos. Der Kutscher sprach:
»Siehst du, wo sie fliegt?«
»Ich sehe es.«
»Nun, das sagte sie: du sollst morgen zur Mittagsstunde, um zwölf Uhr hier sein, und wenn du dann auch in so tiefem Schlummer liegst wie jetzt, begegnest du ihr fürderhin nicht wieder.«
Dann kehrten sie zurück zum Schmied. Doch die Schmiedsfrau erwartete Blütensohn Janos mit einem prächtigen Nachtmahl. Blütensohn Janos jedoch in seinem Kummer brauchte kein Essen; sondern er wartete nur, dass der andere Tag nahe, dass er noch einmal hinausgehen könnte zum Gipfel des Glasberges.
Am andern Tage mittags um zwölf Uhr waren sie draussen auf dem Gipfel des Glasbergs. Wiederum legte er sich im Schatten nieder. Da machte sich der Kutscher an ihn heran und steckte ihm die Zigeunerwurzel verkehrt in seinen Rock; er schlief so fest ein, wie er fester garnicht hätte schlafen können. Langte die Verwunschene Ente selbzwölft an. Sie warfen Blütensohn Janos in die Höhe, zwölfmal spielten sie mit ihm Ball, zwölfmal badeten sie ihn in ihren Tränen, zwölfmal trockneten sie ihn ab; dennoch wachte er nicht auf. Da zog die Verwunschene Ente sein Schwert heraus, und auf die Schwertklinge schrieb sie: »Hänge dein Schwert vom kleineren Nagel auf den grösseren Nagel.« Dann sprach die Verwunschene Ente:
»Sag deinem Herrn, er solle sich nicht fürder um mich abmühen; jetzt hätten wir uns finden können, jetzt dies einemal, doch von nun an werden wir uns nicht wieder begegnen.«
Dann flatterte die Verwunschene Ente selbzwölft auf und flog von dannen. Dann zog der Zigeunerbursche die Wurzel aus seinem Rock. Da erwachte Blütensohn Janos.
»Na siehst du, wo die Verwunschene Ente fliegt? Die Verwunschene Ente sagte: du sollst ihr nicht weiter nachziehen, denn Gott weiss, ob ihr euch finden werdet oder nicht. Doch sie sagte, ich sollte dir ausrichten, dass du dein Schwert vom kleineren Nagel auf den grösseren hängen sollst.«
Da ging er zurück zum Schmied und nahm sein Schwert und metzelte den Schmied mitsamt seiner Familie nieder.
Dann machte er sich auf durch siebenmal sieben Königreiche und langte auf einem grossen Schneegebirge an. Dort erblickte er einen Palast. Er dachte bei sich: ich werde hinaufsteigen in diesen Palast. Siebenzehn Jahre um und um sind’s, dass keine Speise meinen Mund berührte; ich werde um einen Bissen Brot bitten oder um ein wenig Maisbrei, womit ich meine Seele laben kann.
Er geht hinauf in den Palast, und da sieht er, dass dort ein Tisch gedeckt ist mit Essen und Trinken für einen Menschen, doch er sieht nirgends jemanden, und er ruft, doch keiner antwortet. Er dachte bei sich: Wessen Essen dies auch sei, ich werde es aufessen; denn ich habe so viel Geld, dass ich es bezahlen kann! – Als er das Essen verzehrt hatte, hörte er ein wehmütiges Pfeifen. Er schaut zum Fenster hinaus, und da sieht er, wie eine riesige Schlange geradewegs ins Schloss hinaufkommt, ins Zimmer hineinkommt, in dem er ist. Die Riesenschlange kroch unter den Tisch, legte den Kopf auf das Tischkreuz, begann sich einzurollen und bedeckte mit ihrem Rund den Fussboden des ganzen Zimmers; die Hälfte ihres Leibes war da aber noch draussen. Dann fragte sie Blütensohn Janos:
»Fürchtest du dich vor mir?«
»Zuerst, als ich dich erblickte, da habe ich mich ein bischen gefürchtet; aber jetzt fürchte ich mich nicht mehr.«
»Wohlan, Blütensohn Janos, ich sage dir eins: bringe drei Nächte für mich zu; denn nach deiner guten Tat erwartet dich Gutes. Essen, Trinken wirst du haben, wann es dir gefällt, dort ist Tabak, Pfeife und Zündhölzer, dort das Spiel Karten, mit denen du dich nach Belieben unterhalten kannst; doch abends leg dich oben auf das zurechtgemachte Bett, nach der Wand zu. Zwölf Riesen werden hereinkommen; die werden hier nachtmahlen und zum kleinsten sagen: ‚Mach das Bett!‘ Und er wird gehen und das Bett machen und dich dort erwischen. Du aber sprich nichts, sage nichts, lass sie nur mit dir machen, was sie wollen.«
So geschah es auch. Er legte sich oben aufs Bett nach innen zu, siehe, da kamen die zwölf Riesen. Sie nachtmahlten und sagten zum kleinsten:
»Du mach das Bett!«
Und er machte es und fand Blütensohn Janos. Da sprach er:
»Ich habe eine Erdmaus gefunden.«
Sprachen die andern: »Bring sie her!«
Er trug ihn hin, und sie spielten so mit ihm Ball, dass sie’s ärger nicht hätten treiben können. Dann sagten sie zum kleinsten:
»Na, nun schüttle ihn aus dem Fenster!«
Und er schüttelte ihn aus dem Fenster. Gleich langte er auf der Erde an, und er war siebenmal schöner geworden, als er vordem gewesen war.
Da ging er wieder hinauf und ass und trank. Als er fertig war, da hörte er den traurigen Gesang. Er blickt zum Fenster hinaus, und da sieht er, dass die Schlange kommt, aber bis zur Brust herab hatte sie schon einen Frauenleib. Nun kam die Schlange ins Zimmer und fragte Blütensohn Janos:
»Hast du dich heut Nacht gefürchtet?«
»Ich habe mich kein bischen gefürchtet.«
»Mein Herzlieb, meine Augenweide, bring diese zwei Nächte für mich zu, und nach deiner guten Tat erwartet dich Gutes.«
Dann ging die Schlange fort. Blütensohn Janos legte sich auf die innere Seite des zurechtgemachten Bettes. Dann traten die zwölf Riesen ein und nachtmahlten. Sie sprachen zum kleinsten:
»Mach das Bett!«
Er ging hin und erblickte ihn. Wieder sagte er:
»Ich habe wieder eine Erdmaus gefunden.«
»Gib sie her, damit wir mit ihr Ball spielen können.«
Und sie spielten auch mit ihm Ball und sprachen zum kleinsten:
»Schüttle ihn aus dem Fenster!«
Und er schüttelte ihn auch aus, und er war noch nicht auf der Erde, da war er ein siebenmal schönerer Mann geworden, als er vordem gewesen war.
Dann ging er wieder hinauf und ass zu Mittag. Während des Mahles hört er den lauten Gesang. Er blickt zum Fenster hinaus, und da sieht er, dass die Schlange kommt und schon bis herab zur Hüfte in Frauengestalt ist. Dann kam die Schlange ins Zimmer hinauf und sprach:
»Nun, mein Herzlieb, meine Augenweide, nun musst du noch eine Nacht kein bischen schlafen.«
Dann sprach sie: »Tür und Fenster öffne zuletzt; zwölf Banden werden herkommen, sich vor Tür und Fenster stellen und dort musizieren. Du geh immer im Zimmer spazieren. Sie werden dich durch Tür und Fenster hinausrufen, doch du nahe ihnen nicht, und wenn jemand hereintreten will, schlage ihn ungesäumt nieder.«
Der Abend nahte. Die zwölf Banden kamen, stellten sich an Tür und Fenster auf, begannen dort sehr lustig die Musik. Sie riefen Blütensohn Janos; doch er ging nicht hinaus. Um zwölf Uhr verstummte die Musik, und die Banden zogen auch von dannen. Da machte er sich auch das Bett zurecht und legte sich nieder und schlief auch ein.
Frühmorgens kam Fee Ilona zu ihm und herzte und küsste ihn wieder und wieder. Blütensohn Janos erwachte von den glühenden Küssen, und siehe da, vor ihm stand Fee Ilona. Da sprach Fee Ilona:
»Nun mein Herzlieb, meine Augenweide, ich bin dein, du bist mein.«
Dann assen und tranken sie. Dann bestrich Blütensohn Janos die vier Ecken des Palastes mit einer goldenen Gerte, da wurde er zu einem goldenen Apfel, und den steckte er in seine Tasche. Sie machten sich auf und wanderten durch siebzehn Königreiche, siebzehn Welten. Da langten sie bei einem riesigen Haus auf einer kleinen Wiese an, und sie gingen hinein. Dort sahen sie in einem Zimmer, dass sein Anzug auf einem Haken hing, und er erblickte die Grünhaarige Marzella, und sie umarmten und küssten sich.
»Ach, meine Seele, meine Schwester, wie gut, dass wir uns noch im Leben getroffen haben; jetzt gehen wir zusammen heim.«
Da sprach Fee Ilona: »Dort sollen wir sein, wo ich’s denke.«
Und da waren sie auch schon zu Hause am Ende der Stadt. Blütensohn Janos holte den Goldapfel hervor und schleuderte ihn so hinauf, wie es besser garnicht möglich gewesen wäre, und da wurde aus ihm ein zwölfstöckiger Palast auf einem Hahnenfuss, der war mit einer goldenen Kette an einen goldenen Stern gebunden und drehte sich darauf immer der lieben Sonne zu. Durch siebzehn Reiche liessen sie es künden, Herzöge und Grafen, Prinzen und erlesene Zigeunerburschen erschienen zur Hochzeit, Priester und Henker wurden gerufen. Der Priester traute sie, der Henker stäupte sie; noch jetzt dauert die grosse Hochzeit.
»Na, Frau, im Dorf sind schon alle vom Niedrigsten bis zum Höchsten unsere Gevatter; ich habe mir gedacht, ich werde sie ins Nachbardorf zum taufen tragen, denn wir laden zu Gevatter und haben nicht einmal das, was wir selbst brauchen.«
Antwortete seine Frau: »Tragt sie nur ins Nachbardorf, Vater, und lasst sie taufen. Gott wird uns darum nicht strafen, denn er sieht wohl, dass wir in Not sind.«
Da tat der Arme die beiden Kinder in einen Rucksack und nahm sie auf die Schulter und trug sie fort. Als er beim Ende der Stadt angelangt war, da sah er, dass ein Kaufmannsgraf mit vier Pferden daher kam. Und der Graf sah, dass ein armer Mann kam, und sagte zum Kutscher:
»Schau, dort kommt ein armer Mann; wenn wir bei ihm sind, dann halte den armen Mann an, damit ich ihm das Lamm abkaufe.« Und der Graf rief ihn an:
»Nun armer Mann, gib mir jenes Lamm, damit ich’s dir abkaufe.«
Sprach der Arme: »Ho ho, Vater Graf, treibt nicht Euren Spott mit mir, denn ich trage kein Lamm, sondern zwei Kinder zur Taufe.«
Da fragte der Graf: »Warum trägst du sie ins Nachbardorf zum taufen?«
»Darum, weil meiner Kinder so viele sind, wie das Sieb Löcher hat.«
»Nun armer Mann, gib mir diese beiden Kinder, damit ich sie dir abkaufe.«
»Lieber Vater Graf, wenn Ihr die Güte hättet und ein bischen wartetet, damit ich nach Hause gehe und meine Frau frage, ob ich sie verkaufen kann oder nicht.«
Der arme Mann eilte heim, sagte seiner Frau:
»Hör, ein Graf bittet, dass wir ihm die Kinder für Geld geben; was sagst du, können wir sie hingeben oder nicht?«
»Geht, Vater, gebt sie hin! Gott wird uns nicht schlagen, denn er sieht, dass wir kaum von einem Tag zum andern zu leben haben.«
Rannte der arme Mann zum Grafen zurück. »Lieber Vater Graf, meine Frau hat gesagt, wir würden die beiden Kinder für soviel Geld, wie sie wiegen, geben.«
»Du armer Mann, wollen wir in die Stadt gehen, um eine Wage zu bitten, dass wir sie dort wiegen? Wenn ich dir nun aber beide Hälften deines Rucksacks mit Silber und Gold fülle, wär’s dann recht?«
»Es wäre mir recht, lieber Vater Graf!«
Da füllte er nun die beiden Hälften des Rucksacks, dann nahm er die kleinen Kinder in den Wagen und sagte zum Kutscher:
»Kehre gleich um und jage so, dass du meinst, auf jeder Station werden vier Pferde verrecken; und wenn sie auch krepieren, so nehmen wir gleich andere.«
Hört die Gräfin, was für ein grosses Holter-Gepolter da ist, läuft hinaus zum Tor, und da sieht sie, dass ihr Mann so jagen lässt, wie wenn er blind wäre. Gleich lässt sie das Tor öffnen, und mit verhängten Zügeln sprengt ihr Mann herein. Sofort aber hält ihr Mann die Pferde auf dem Hofe an, und so fragt ihn seine Gemahlin:
»O mein Herzlieb, meine Augenweide, was ist die Ursache, dass du so schnell heimgejagt bist?«
»O liebe Frau, ich brachte, was uns mangelte, zwei kleine Kinder!«
Die Gräfin greift zu, nimmt sie gleich vom Wagen herunter, und da sieht sie, dass eins ein Knabe, das andere ein Mädchen ist. Ungesäumt taufte sie sie und zwar den Knaben »Blütensohn Janos«, das Mädchen hingegen »Grünhaarige Marzella«. Sie stellte auch gleich eine Amme für sie an.
Und jene wuchsen so schnell heran, dass sie am dritten Tag schon so gross waren, als ob sie dreizehn Jahre wären. Da begann der Graf und schickte sie in die Schule. Als es drei Tage waren, dass sie in die Schule gingen, wusste Blütensohn Janos mehr als der Lehrer. Das Mädchen, die Grünhaarige Marzella, ging noch eine Woche länger in die Schule als ihr Bruder.
Da sagte die Gräfin zu ihrem Mann:
»O mein Herzlieb, meine Augenweide, wie gern würde ich auch zur Messe gehen, um zu sehen, wer da alles ist.«
Sagt der Graf: »Wem sollen wir die Läden überlassen?«
Antwortet die Gräfin: »Wir setzen die beiden Kinder in die beiden Läden; denn sie verstehen das Verkaufen gut.«
Sagt der Graf: »Wir wollen den beiden Kindern zwei Futtersäcke mit Geld geben; damit sollen sie spielen, bis wir zurückkommen; die beiden Läden aber schliessen wir zu.«
Drauf reiste der Graf mit seiner Gemahlin zur Messe. Zu Hause begannen der Knabe und das Mädchen Karten zu spielen. So lange spielten sie, bis die Grünhaarige Marzella dem Blütensohn Janos alles Geld abgewonnen hatte. Da sagte Blütensohn Janos: »Liebe Schwester, sei so gut und leih mir ein Geldstück!«
Sagt die Grünhaarige Marzella: »Wahrlich, Blütensohn Janos, einem, der so gescheidt ist wie du, so einem gebe ich nicht mal einen Kreuzer!«
Sagt Blütensohn Janos: »Nun Schwester, dann leihe mir ein Geldstück auf meinen Rock.« Da sagte die Grünhaarige Marzella: »Hier ist das Geldstück!«
Sie begannen von Neuem zu spielen. Die Grünhaarige Marzella gewann wiederum dem Blütensohn Janos das Geldstück ab. Wiederum sagt Blütensohn Janos:
»Schwester, gib mir ein Geldstück auf meinen Hut!« Nachdrücklich sagt sie: »Schau, hier ist dein Geldstück!«
Wiederum begannen sie zu spielen. Wiederum gewann die Grünhaarige Marzella das Geldstück Blütensohn Janos ab. Und jetzt sagt Blütensohn Janos wiederum:
»Grünhaarige Marzella, sei so gut und gib mir ein Geldstück auf meine Hosen!«
Die Grünhaarige Marzella gab wieder ein Geldstück. Wiederum begannen sie zu spielen. Wiederum gewann die Grünhaarige Marzella das Geldstück.
»Los, du Grünhaarige Marzella, du weisst doch, du bist meine Schwester.«
»Wie sollte ich das denn nicht wissen!«
»Also sei so gut und gib mir noch ein Geldstück!«
»Ich weiss gewiss, dass ich keinem eins gebe, der so gescheidt ist wie du!«
»Gibst du’s nicht, Schwester?«
»Nein, ich sicher nicht!«
»Na, wenn du’s nicht gibst, so mögen dich die Teufel holen!«
Da holte sie der Teufel. Ihr Bruder schrie: »Na, na, tragt sie nicht fort! ich habe es ja nicht gesagt, damit ihr sie forttragt!«
Aber jetzt war’s zu spät zum reden, denn er hatte sie unterdessen fortgeholt. Und da grämte sich nun jetzt Blütensohn Janos, dass er allein geblieben war. »Und wenn nun der Graf heimkommt und das sieht, was wird dann aus mir?«
Der Graf kam heim und sah, dass Blütensohn Janos allein war und in Hemd und Unterhosen. Sagt der Graf:
»Nanu, Blütensohn Janos, wo ist deine Schwester?«
»Ich weiss es nicht, lieber Vater Graf!«
»Nicht? – Wenn du nicht weisst, wo sie ist, so geh, bis du sie erwischt.«
Blütensohn Janos grämte sich und zog durch siebenmal sieben Königreiche und noch weiter. Er langte in einer Königsstadt an. Vor dem königlichen Schloss waren, wie das so der Brauch, Bänke zum sitzen, und er setzte sich dort nieder. Alles was ein König so zu haben pflegte: Windhunde, Esel und Jagdhunde, die bellten alle drinnen hinterm Tor. Und einem Kutscher wurde das über, dass die Hunde so bellten; er dachte bei sich, er wollte nachsehen, was für ein Tier die Hunde dort so anbellten. Und da sah er, dass ein schmucker Bursche im Tor sass. Fragte ihn der Kutscher:
»Wohin geht die Reise?«
»Ich bin fürwahr ausgezogen, um einen Dienst zu nehmen.«
»Wenn der erlauchte Vater König Euch bei zwei alten Pferden anstellte, würdet Ihr kommen?«
»Gewiss, sehr gerne.«
Da ging der Kutscher hinauf zum König.
»Erlauchter Vater König, mein Leben und Tod ist in Eurer Hand, draussen im Tor sitzt ein schmucker Bursche; es wäre ganz gut, ihn bei den beiden alten Pferden anzustellen.«
»Geh und rufe den Burschen herauf.«
Der Bursche geht hinauf, grüsst den König:
»Guten Tag, erlauchter Vater König!«
»Willkommen, du kleiner Bursche! Was führt dich her?«
»Mich führt nichts Schlimmes her. Ich bin ausgezogen, einen Dienst zu nehmen, mein Glück zu versuchen.«
»Und wenn ich dich nähme, würdest du zu mir kommen?«
»Gewiss, erlauchter Vater König.«
»Was für Lohn forderst du jährlich?«
»Ich fordere nichts anderes als Kleidung und Essen. Am Jahresschluss mag mir der erlauchte Vater König das zahlen, was ich verdient habe.«
Na, da wurden die beiden alten Pferde ihm in Hut gegeben. Und er begann also, die beiden Pferde zu pflegen. Sie wurden so wie dreijährige Rosse. Na und da hatte er also nichts zu tun; er dachte bei sich:
»Wenn ich eine Flinte hätte, zöge ich hinaus ins Schneegebirge, schösse einen Hasen oder eine Taube und machte sie dem erlauchten Vater König zum Geschenk.« Und er dachte bei sich: »Ich werde hinauf gehen zum erlauchten Vater König und mir eine Flinte ausbitten.«
»Gott zum Gruss, erlauchter Vater König!«
»Und was gibt’s Neues, mein Kutscher?«
»Nichts als das, erlauchter Vater König: da ich nichts zu tun habe, möchte ich den erlauchten Vater König um eine Flinte bitten, dass ich ins Schneegebirge gehen und das Schneegebirge durchwandern kann. Wenn dann der erlauchte Vater König irgend wann einmal ins Schneegebirge schickte, so würde ich wissen, in welcher Richtung man gehen muss.«
»Nun, du kleiner Knabe, dort ist das Gewehr, dort sind Patronen; nimm dir soviel mit, wie du brauchst.«
Da machte er sich auf ins Schneegebirge. Er schritt durch den Wald, aber er fand keinerlei Getier. Plötzlich hört er, wie ein Jagdhund anschlägt. Er denkt bei sich: Was auch immer es sei, was dieser Jagdhund aufgespürt hat, ich werde es ihm wegschiessen, denn niemand kann mir das verbieten! – Wie er dem Bellen des Hundes nachging, gelangte er auf eine kleine Wiese; auf der Wiese war ein Milchsee; dort sah er, dass zwölf Wildenten drin badeten. Er dachte bei sich: Ich werde ein Paar von ihnen schiessen; die bringe ich dann wenigstens heim. – Als er niedergekniet war am Milchseegestade und die Flinte bereit hielt, als er auf die schönste Ente zielen wollte, da rief die Verwunschene Ente:
»Holla, du Blütensohn Janos, dies Gewehr, das du just eben zum Antlitz hebst, senke es und leg’s auf die Erde!«
Dann kam die Verwunschene Ente aus dem See, übersprang sich, und aus ihr wurde ein Demanten- Fräulein. Also sprach Fee Ilona:
»Wohlan, Blütensohn Janos, jetzt komm her zu mir!«
Dann dachte Fee Ilona einen Tisch für ein Paar, Speise und Getränke; es ward.
»Jetzt komm, Blütensohn Janos, setz dich neben mich, mein Herzlieb, meine Augenweide!«
Sie hielten nun das Mittagsmahl zusammen. Als das Mittagsmahl vorüber war, da sprach Fee Ilona:
»Merk auf, du Blütensohn Janos, rühme dich meiner nicht, was für eine Liebste du hast, sondern lass drei Tage um meinetwillen so hingehen, ohne dass du dich zu jemandem meiner rühmst.«
»Ja, mein Herzlieb, meine Augenweide.«
»Und nun, Janos, hast du Geld für dich?«
»Ich habe ein paar Kreuzer.« Da sprach Fee Ilona:
»Schau diesen Geldbeutel, darin bleibt das Geld, und wenn du nichts anderes tust und alles hinauswirfst, er bleibt doch voll bis in alle Ewigkeit. Nun, du Blütensohn Janos, morgen pünktlich zur Mittagsstunde, um zwölf Uhr sei hier am Milchseegestade.«
Dann griff Fee Ilona zwei Wildenten und gab sie Blütensohn Janos.
»Nun, die nimm und schenke sie dem König; doch wenn du gehst, lass es dir ja nicht in den Sinn kommen, in ein Wirtshaus zu gehen und dort zu trinken, dass du dich dort meiner rühmst, was für eine Liebste du hast.«
»Fürchte nichts, denn ich werde nicht prahlen.«
Damit zog er von dannen. Als er bei des Königs Schloss angelangt war, hört er, dass die Burschen im Wirtshaus singen. Er denkt bei sich: ich werde hineingehen und wenigstens einen Becher Wein trinken. – Als er eingetreten war, grüsste er:
»Guten Tag, Herr Wirt, bitte, ein Viertel Wein!« Der Wirt gab es ihm sogleich. Er trank es an der Türe. Da sprachen die andern Burschen:
»Das scheint ein Bettler zu sein und der kein Geld hat, denn er trinkt dort hinten an der Tür das eine Viertel Wein.«
Da entgegnete Blütensohn Janos: »Wer hat kein Geld, he?«
»Na du!«
»Also ich hätte keins, he?«
»Na du doch!«
»Herr Wirt, wieviel Wein habt Ihr wohl?« fragte Blütensohn Janos.
»Das weiss der Himmel, ehe ich ’s nicht ausrechne, eh weiss ich nicht, wieviel’s ist.«
»Haben der Herr Wirt wohl einen leeren Keller?«
»Jawohl.«
»Wenn ich ihn mit Zwanzigern und Talern vollwerfe, war’s recht so?«
»Gut.«
»Nun, dann kommt gefälligst mit mir, öffnet die Tür!« Dann stellte er sich in die Tür und warf den Keller so voll mit Zwanzigern und Talern, dass auch kein Pritzelchen mehr Platz hatte.
»Nun ihr Burschen, geht und wälzt die Fässer aus dem Keller und trinkt, so viel ihr mögt.«
Damit ging er fort und legte dem König das Wildentenpaar vor. Der König freute sich sehr, dass sein Kutscher ihm ein Paar Wildenten gebracht hatte.
Anderntags zwölf Uhr langte Blütensohn Janos am Milchseegestade an. Die Verwunschene Ente sprang aus dem Teich, übersprang sich, wurde aus ihr ein Fräulein aus eitel Demant. Da sprach Fee Ilona:
»Ich habe dir gesagt, du solltest dich meiner nicht rühmen, aber das ist nur eine Kleinigkeit, und wiederum bitte ich dich, rühme dich nicht und sei morgen zur Mittagsstunde um zwölf Uhr hier.«
Dann griff sie ein Paar Wildenten. »Nun, die trage heim!«
Er machte sich auf den Heimweg, und da hört er, wie die Burschen im Wirtshaus singen.
»Ich werde hineingehen und einen Becher Wein trinken!«
»Herr Wirt, bitte, einen Becher Wein!«
Der Wirt gab ihm gleich. Er trank ihn an der Tür. Sprachen die Burschen unter einander: »Wer ist deine Liebste?« »Meine ist die von Dorfrichters.« »Und deine?« »Meine die von Notars.« »Und deine, Freundchen?« »Meine die von Stuhlrichters.«
»Der scheint ein Zigeuner, denn er hat keine; denn wenn er eine hätte, würde er auch sagen, wer’s ist.«
Da sprach Blütensohn Janos: »Wer hat keine Liebste, he?«
»Na du!«
»Ich habe solch eine Liebste, dass meiner Liebsten Fusssohle schöner ist als eurer Königin Antlitz.«
Da stürzten sich die Burschen gleich auf ihn, und sie begannen ihn zu schlagen. Der König bemerkte, dass sie seinen Burschen schlugen; der König rief hinaus:
»Heda, schlagt ihn nicht!«
»Lasst uns, erlauchter Vater König! denn wenn Ihr wüsstet, warum wir ihn schlagen, würden der erlauchte Vater König ihn auch schlagen.«
»Na, haltet nur Frieden, bringt ihn herauf zu mir und erzählt mir, was er gefehlt hat.«
Und da sagten die Burschen, jener habe gesagt, er habe solch eine Liebste, dass seiner Liebsten Fusssohle schöner sei als unserer Königin Antlitz. Da sagte der König, man sollte ihn einsperren. Nun entschloss sich Fee Ilona und schrieb ein Zettelchen und schickte es durch ein winziges Hündchen zum König. Der König las das Zettelchen. Drauf stand geschrieben:
»Merk auf du König! Den du gefangen setzen liessest, der soll einen gemalten Tisch haben, und zwölf Kerzen sollen unaufhörlich vor ihm brennen, und von Speisen und Getränken das auserlesenste soll ihm gebracht werden. Du jedoch lass morgen um acht Uhr deine zwölf Pferde vor die Demantkutsche spannen. Heiss deine Gemahlin und deine Tochter einsteigen und jenen Gefangenen heisse hinten auf dem Bockende sitzen. Mit ihm zusammen erscheine morgen zur Mittagsstunde am Milchsee; denn glaube mir, du spielst mit deinem Haupt, wenn du nicht erscheinst.«
Da nahm’s der König nicht als Spass, und punkt acht Uhr waren die Pferde vor der Demantkutsche, und sie sassen auf und fuhren zum Milchsee. Sie langten beim Milchseegestade an. Da rief ihnen die Verwunschene Ente zu:
»Nun, Königin, schau in den Milchsee; was siehst du?«
Und da sah sie, dass er mit eitel Goldperlen ausgelegt war.
»Schau hinein, Prinzessin, und du, was siehst du?«
Und da sah sie, dass der Boden des Milchsees beladen war mit eitel demantenen Ohrgehängen.
»Nun König, schau hinein, was siehst du?«
Schaute der König hinein, und da sah er, dass der Verwunschenen Ente Fusssohle schöner war als seiner Gemahlin Antlitz. Da sprach die Verwunschene Ente;
»Wohlan König, du kannst gehen, doch Janos bleibe hier! Nun du König, wenn du in die Landstrasse eingebogen bist, wandelt Euch zur Steinsäule allesamt miteinander.«
Da erwiderte der König: »Eselsgeschrei dringt nicht zum Himmel.«
Nun sprach Fee Ilona zu Blütensohn Janos:
»Ich hatte dir gesagt, du solltest dich meiner nicht rühmen, und wenn du nur noch einmal vierundzwanzig Stunden ausgehalten hättest, so wären wir einer des andern gewesen, doch so bleiben wir auf ewig von einander geschieden.«
Dann nahm sie Abschied von Blütensohn Janos: »Gott weiss, ob wir uns jemals, ob niemals begegnen werden.«
Dann flog die Verwunschene Ente selbzwölft auf und zog fort zum Sinaiberg.
Jetzt härmte sich Blütensohn Janos und dachte bei sich: So lange will ich wandern, bis ich irgendwo Kunde höre von Fee Ilona! –
Und so ging er fort und zog durch sieben Lande, durch sieben Welten. Er langte beim schwarzen Meer an; dort erblickte er eine Mühle. Er dachte bei sich: Siebenzehn Jahre um und um, dass ich keinen Bissen gegessen! Ich werde hineingehen und um ein kleines Brot oder einen Bissen Maisbrei bitten. – Er ging hinein, und da sieht er, dass kein Müller da ist.
»Heda, wo steckst du, Müller!«
»Heda, hier bin ich beim Mühltrichter!«
Wie er hingeht, um den Müller zu erspähen, da sieht er ihn nirgends. Wiederum ruft er: »Wo steckst du, Müller?«
»Zum Teufel mit deinen Augen! Siehst du denn nicht, dass ich hier beim Mühltrichter bin und den Weizen aufschütte?«
Und da schaut er hin, und da sieht er, dass ein Däumlingsmüller dort steht. Fragt Blütensohn Janos:
»Hör, Däumlingsmüller, für wen mahlst du denn diesen Weizen?«
»Den mahle ich für die Verwunschene Ente!«
»Und wer trägt dies Weizenmehl fort?«
»Drei Schwäne.«
»Worin tragen sie’s?«
»In drei Tonnen.«
»Nun du Müller, was soll ich dir bezahlen, dass du mich in einer der Tonnen versteckst?«
»O«, sagt er, »mir zahle nichts, ich verstecke dich schon so; aber wenn jene drei Schwäne dich hinaus auf den Gipfel des Glasbergs getragen haben und wenn sie dann merken, dass du dich drinnen bewegst, werfen sie dich so zurück, dass deine Knochen feiner zermahlen sein werden als das feinste Mehl.«
»Fürchte nichts, denn ich werde mich nicht regen.«
Da stand ihm der Däumlingsmüller bei und verbarg ihn in einer Tonne. Langten die drei Schwäne an. Die drei Schwäne flogen mit den drei Tonnen von dannen und flogen hinaus auf den Wipfel des Glasberges und legten sie an ihrem Rastort nieder. Fragt der eine Schwan die andern:
»Sind eure diesmal schwerer wie sonst?«
»Unsere sind nicht schwerer.«
»Nun, die meine ist aber um vieles schwerer als sonst.«
Blütensohn Janos konnte es nicht mehr aushalten, den einen Fuss nicht zu rühren. Sie bemerkten ihn und schleuderten ihn vom Glasberg so zurück, dass sein Leib feiner zermahlen war als das feinste Mehl, als er unten war. Da ging der Müller hin und sammelte all seine Bröckchen und trug sie heim und formte einen Menschen. Dann berührte er ihn leicht mit einem Tüchlein, und auf der Stelle war er wieder lebendig. Wiederum sprach Blütensohn Janos:
»Wohlan, du Däumlingsmüller, sag mir, wie ich dorthin gelangen kann.«
Da sprach der Müller: »Nun, Blütensohn Janos, siehst du hier unten jenes Haus?«
»Jawohl.«
»Dort wohnt ein gottloser Schmied, der hat eine dreibeinige Stute; wenn du die kaufen und dann verkehrt beschlagen lassen könntest und seinen Kutscher und seinen Wagen mitsamt Geschirr kaufen könntest, würdest du damit von dannen ziehen können.«
Er ging hin:
»Guten Tag, du gottloser Schmied, was soll ich geben, damit du mir deine dreibeinige Stute und deinen Kutscher, deinen Wagen mitsamt Geschirr gibst? denn ich möchte sie kaufen.«
»So viel Geld hast du garnicht, um das zu kaufen.«
»Und was forderst du denn?«
»Also packe mir jedes meiner Haar in Gold.« Da sprach Blütensohn Janos:
»Du, damit wollen wir nicht Zeit verlieren, sondern hast du eine leere Kammer?«
»Ja.«
»Wenn ich sie nun mit Zwanzigern, mit Talern vollwerfe, war’s dann recht?«
Er sagte, es wäre ihm recht. Nun liess er die Kammer mit Zwanzigern und Talern füllen. Dann stand er ihm bei und spannte die dreibeinige Stute vor den Wagen.
Da sagte die Zigeunerin zum Kutscher:
»Na«, sagte sie, »du siehst doch, wieviel Geld wir haben!«
»Jawohl.«
»Na, schau hier die Zigeunerwurzel! Wenn ihr auf des Glasbergs Gipfel zum Rastplatz gekommen seid, da wird Blütensohn Janos sich an einer Stelle niederlegen. Diese Wurzel stecke ihm verkehrt in seinen Rock!«
Und so geschah es auch. Als sie auf dem Gipfel angelangt waren, da legte sich Blütensohn Janos unter einem Baum nieder, und dieser Kutscher steckte ihm die Wurzel verkehrt in seinen Rock. Da schlief Blütensohn Janos ein. Die Verwunschene Ente kam selbzwölft daher. Sie fassten Blütensohn Janos, spielten mit ihm Ball, zwölfmal, dass sie es garnicht toller hätten treiben können, zwölfmal badeten sie ihn in ihren Tränen, zwölfmal trockneten sie ihn ab; aber dennoch erwachte er nicht. Da sprach die Verwunschene Ente zu jenem Kutscher:
»Sag deinem Herrn, ich hätte das gesagt: Morgen zur Mittagszeit, um zwölf Uhr, sei er hier; doch wenn er dann auch in so tiefem Schlummer läge wie jetzt, dann würde er mich fürderhin nicht wieder finden.«
Dann flog die Verwunschene Ente selbzwölft auf und zog von dannen. Da zog der Kutscher die Zigeunerwurzel aus seinem Rock. Da erwachte Blütensohn Janos. Der Kutscher sprach:
»Siehst du, wo sie fliegt?«
»Ich sehe es.«
»Nun, das sagte sie: du sollst morgen zur Mittagsstunde, um zwölf Uhr hier sein, und wenn du dann auch in so tiefem Schlummer liegst wie jetzt, begegnest du ihr fürderhin nicht wieder.«
Dann kehrten sie zurück zum Schmied. Doch die Schmiedsfrau erwartete Blütensohn Janos mit einem prächtigen Nachtmahl. Blütensohn Janos jedoch in seinem Kummer brauchte kein Essen; sondern er wartete nur, dass der andere Tag nahe, dass er noch einmal hinausgehen könnte zum Gipfel des Glasberges.
Am andern Tage mittags um zwölf Uhr waren sie draussen auf dem Gipfel des Glasbergs. Wiederum legte er sich im Schatten nieder. Da machte sich der Kutscher an ihn heran und steckte ihm die Zigeunerwurzel verkehrt in seinen Rock; er schlief so fest ein, wie er fester garnicht hätte schlafen können. Langte die Verwunschene Ente selbzwölft an. Sie warfen Blütensohn Janos in die Höhe, zwölfmal spielten sie mit ihm Ball, zwölfmal badeten sie ihn in ihren Tränen, zwölfmal trockneten sie ihn ab; dennoch wachte er nicht auf. Da zog die Verwunschene Ente sein Schwert heraus, und auf die Schwertklinge schrieb sie: »Hänge dein Schwert vom kleineren Nagel auf den grösseren Nagel.« Dann sprach die Verwunschene Ente:
»Sag deinem Herrn, er solle sich nicht fürder um mich abmühen; jetzt hätten wir uns finden können, jetzt dies einemal, doch von nun an werden wir uns nicht wieder begegnen.«
Dann flatterte die Verwunschene Ente selbzwölft auf und flog von dannen. Dann zog der Zigeunerbursche die Wurzel aus seinem Rock. Da erwachte Blütensohn Janos.
»Na siehst du, wo die Verwunschene Ente fliegt? Die Verwunschene Ente sagte: du sollst ihr nicht weiter nachziehen, denn Gott weiss, ob ihr euch finden werdet oder nicht. Doch sie sagte, ich sollte dir ausrichten, dass du dein Schwert vom kleineren Nagel auf den grösseren hängen sollst.«
Da ging er zurück zum Schmied und nahm sein Schwert und metzelte den Schmied mitsamt seiner Familie nieder.
Dann machte er sich auf durch siebenmal sieben Königreiche und langte auf einem grossen Schneegebirge an. Dort erblickte er einen Palast. Er dachte bei sich: ich werde hinaufsteigen in diesen Palast. Siebenzehn Jahre um und um sind’s, dass keine Speise meinen Mund berührte; ich werde um einen Bissen Brot bitten oder um ein wenig Maisbrei, womit ich meine Seele laben kann.
Er geht hinauf in den Palast, und da sieht er, dass dort ein Tisch gedeckt ist mit Essen und Trinken für einen Menschen, doch er sieht nirgends jemanden, und er ruft, doch keiner antwortet. Er dachte bei sich: Wessen Essen dies auch sei, ich werde es aufessen; denn ich habe so viel Geld, dass ich es bezahlen kann! – Als er das Essen verzehrt hatte, hörte er ein wehmütiges Pfeifen. Er schaut zum Fenster hinaus, und da sieht er, wie eine riesige Schlange geradewegs ins Schloss hinaufkommt, ins Zimmer hineinkommt, in dem er ist. Die Riesenschlange kroch unter den Tisch, legte den Kopf auf das Tischkreuz, begann sich einzurollen und bedeckte mit ihrem Rund den Fussboden des ganzen Zimmers; die Hälfte ihres Leibes war da aber noch draussen. Dann fragte sie Blütensohn Janos:
»Fürchtest du dich vor mir?«
»Zuerst, als ich dich erblickte, da habe ich mich ein bischen gefürchtet; aber jetzt fürchte ich mich nicht mehr.«
»Wohlan, Blütensohn Janos, ich sage dir eins: bringe drei Nächte für mich zu; denn nach deiner guten Tat erwartet dich Gutes. Essen, Trinken wirst du haben, wann es dir gefällt, dort ist Tabak, Pfeife und Zündhölzer, dort das Spiel Karten, mit denen du dich nach Belieben unterhalten kannst; doch abends leg dich oben auf das zurechtgemachte Bett, nach der Wand zu. Zwölf Riesen werden hereinkommen; die werden hier nachtmahlen und zum kleinsten sagen: ‚Mach das Bett!‘ Und er wird gehen und das Bett machen und dich dort erwischen. Du aber sprich nichts, sage nichts, lass sie nur mit dir machen, was sie wollen.«
So geschah es auch. Er legte sich oben aufs Bett nach innen zu, siehe, da kamen die zwölf Riesen. Sie nachtmahlten und sagten zum kleinsten:
»Du mach das Bett!«
Und er machte es und fand Blütensohn Janos. Da sprach er:
»Ich habe eine Erdmaus gefunden.«
Sprachen die andern: »Bring sie her!«
Er trug ihn hin, und sie spielten so mit ihm Ball, dass sie’s ärger nicht hätten treiben können. Dann sagten sie zum kleinsten:
»Na, nun schüttle ihn aus dem Fenster!«
Und er schüttelte ihn aus dem Fenster. Gleich langte er auf der Erde an, und er war siebenmal schöner geworden, als er vordem gewesen war.
Da ging er wieder hinauf und ass und trank. Als er fertig war, da hörte er den traurigen Gesang. Er blickt zum Fenster hinaus, und da sieht er, dass die Schlange kommt, aber bis zur Brust herab hatte sie schon einen Frauenleib. Nun kam die Schlange ins Zimmer und fragte Blütensohn Janos:
»Hast du dich heut Nacht gefürchtet?«
»Ich habe mich kein bischen gefürchtet.«
»Mein Herzlieb, meine Augenweide, bring diese zwei Nächte für mich zu, und nach deiner guten Tat erwartet dich Gutes.«
Dann ging die Schlange fort. Blütensohn Janos legte sich auf die innere Seite des zurechtgemachten Bettes. Dann traten die zwölf Riesen ein und nachtmahlten. Sie sprachen zum kleinsten:
»Mach das Bett!«
Er ging hin und erblickte ihn. Wieder sagte er:
»Ich habe wieder eine Erdmaus gefunden.«
»Gib sie her, damit wir mit ihr Ball spielen können.«
Und sie spielten auch mit ihm Ball und sprachen zum kleinsten:
»Schüttle ihn aus dem Fenster!«
Und er schüttelte ihn auch aus, und er war noch nicht auf der Erde, da war er ein siebenmal schönerer Mann geworden, als er vordem gewesen war.
Dann ging er wieder hinauf und ass zu Mittag. Während des Mahles hört er den lauten Gesang. Er blickt zum Fenster hinaus, und da sieht er, dass die Schlange kommt und schon bis herab zur Hüfte in Frauengestalt ist. Dann kam die Schlange ins Zimmer hinauf und sprach:
»Nun, mein Herzlieb, meine Augenweide, nun musst du noch eine Nacht kein bischen schlafen.«
Dann sprach sie: »Tür und Fenster öffne zuletzt; zwölf Banden werden herkommen, sich vor Tür und Fenster stellen und dort musizieren. Du geh immer im Zimmer spazieren. Sie werden dich durch Tür und Fenster hinausrufen, doch du nahe ihnen nicht, und wenn jemand hereintreten will, schlage ihn ungesäumt nieder.«
Der Abend nahte. Die zwölf Banden kamen, stellten sich an Tür und Fenster auf, begannen dort sehr lustig die Musik. Sie riefen Blütensohn Janos; doch er ging nicht hinaus. Um zwölf Uhr verstummte die Musik, und die Banden zogen auch von dannen. Da machte er sich auch das Bett zurecht und legte sich nieder und schlief auch ein.
Frühmorgens kam Fee Ilona zu ihm und herzte und küsste ihn wieder und wieder. Blütensohn Janos erwachte von den glühenden Küssen, und siehe da, vor ihm stand Fee Ilona. Da sprach Fee Ilona:
»Nun mein Herzlieb, meine Augenweide, ich bin dein, du bist mein.«
Dann assen und tranken sie. Dann bestrich Blütensohn Janos die vier Ecken des Palastes mit einer goldenen Gerte, da wurde er zu einem goldenen Apfel, und den steckte er in seine Tasche. Sie machten sich auf und wanderten durch siebzehn Königreiche, siebzehn Welten. Da langten sie bei einem riesigen Haus auf einer kleinen Wiese an, und sie gingen hinein. Dort sahen sie in einem Zimmer, dass sein Anzug auf einem Haken hing, und er erblickte die Grünhaarige Marzella, und sie umarmten und küssten sich.
»Ach, meine Seele, meine Schwester, wie gut, dass wir uns noch im Leben getroffen haben; jetzt gehen wir zusammen heim.«
Da sprach Fee Ilona: »Dort sollen wir sein, wo ich’s denke.«
Und da waren sie auch schon zu Hause am Ende der Stadt. Blütensohn Janos holte den Goldapfel hervor und schleuderte ihn so hinauf, wie es besser garnicht möglich gewesen wäre, und da wurde aus ihm ein zwölfstöckiger Palast auf einem Hahnenfuss, der war mit einer goldenen Kette an einen goldenen Stern gebunden und drehte sich darauf immer der lieben Sonne zu. Durch siebzehn Reiche liessen sie es künden, Herzöge und Grafen, Prinzen und erlesene Zigeunerburschen erschienen zur Hochzeit, Priester und Henker wurden gerufen. Der Priester traute sie, der Henker stäupte sie; noch jetzt dauert die grosse Hochzeit.
[Ungarn: Elisabet Róna-Sklarek: Ungarische Volksmärchen]