1
(3)
Es war einmal ein Padischah; dieser Padischah hatte vierzig Söhne. Den ganzen Tag über schweiften sie im Walde herum, jagten, fingen Vögel, und, als der jüngste vierzehn Jahre alt war, wollte sie ihr Vater verehelichen. Er liess sie vor sich rufen und teilte ihnen seine Absicht mit. »Wir werden uns verehelichen,« sagten die vierzig Brüder, »aber nur so, wenn wir von einem Vater und einer Mutter herstammende vierzig Mädchengeschwister finden.« Der Padischah liess nun im ganzen Lande vierzig solcher Geschwister suchen; aber man fand nur neununddreissig, vierzig aber nicht.
»Der vierzigste möge sich eine andere nehmen,« sagte der Padischah zu seinen Söhnen. Die vierzig Geschwister aber willigten nicht ein und baten ihren Vater, er möge sie von dannen ziehen lassen, damit sie sich in fremden Landen solche Geschwister suchen. Was sollte der Padischah machen. Er konnte sie von ihrem Vorhaben nicht abreden und gab ihnen also die Erlaubnis. Bevor sie aufbrachen, sprach der Padischah also zu ihnen: »Ich habe drei Worte an euch zu richten, die ihr gut im Sinne behalten möget. Wenn ihr von hier aufbrechet und zu einer grossen Quelle gelangt, so bringt die Nacht ja nicht in ihrer Nähe zu. Jenseits der Quelle ist eine Herberge, auch dort übernachtet nicht. Weiter ist eine grosse Ebene, auch dort verweilet keinen Augenblick.« Die Söhne versprachen, den Wunsch des Vaters zu erfüllen, und mit leichtem, aber wertvollem Gepäck beladen stiegen sie zu Rosse und machten sich auf den Weg.
Sie schritten vorwärts, rauchten, tranken, und als der Abend dämmerte, erreichten sie die Quelle. »Wir gehen,« sprach der Älteste, »keinen Schritt weiter. Wir sind müde, der Abend bricht heran und vor wem könnten vierzig Menschen sich fürchten.« Sie stiegen von ihren Rossen herab, assen und legten sich zur Ruhe. Nur der Jüngste, der Vierzehnjährige, blieb wach. Gegen Mitternacht nahm der Junge ein Geräusch wahr. Er nahm langsam seine Waffe zur Hand und indem er dem Geräusch nachging, begegnete er einem siebenköpfigen Drachen. Sie stürzten sich aufeinander und dreimal griff der Drache den Prinzen an, konnte ihm aber nichts anhaben. »Nun bin ich an der Reihe,« rief der Prinz, »wirst du meinem Glauben folgen?« Und er versetzte ihm einen so gewaltigen Hieb, dass ihm auf einmal sechs Köpfe vom Rumpfe fielen. »Hau noch einmal,« keuchte der Drache. »Ich nicht,« meinte der Junge, »auch ich bin nur einmal zur Welt gekommen.« Der Drache sank zu Boden und siehe da! einer seiner Köpfe begann zu rollen, rollte und rollte bis zu einem Brunnen. »Der mir die Seele genommen hat, der nehme von hier auch meine Schätze!« und mit diesen Worten fiel der Kopf in den Brunnen hinein.
Der Junge nahm nun einen Strick hervor, band das eine Ende an einen Felsen, das andere Ende ergriff er und liess sich also in den Brunnen hinab. Eine eiserne Türe befand sich am Grunde des Brunnens. Er riss sie auf, trat ein und ein schönerer Palast, als der seines Vaters, stand vor ihm. Der Palast bestand aus vierzig Zimmern, in jedem Zimmer befand sich je eine Maid vor einem Stickereitisch, neben sich ungeheure Schätze aufgehäuft. »Bist du ein Mensch? bist du ein Dschin?« frugen ihn erschreckt die Jungfrauen. »Ich bin ein Menschenkind,« sagte der Prinz, »habe den siebenköpfigen Drachen getötet und folgte dem rollenden Kopfe desselben hieher.«
»Ei, da hatten die vierzig Mädchen ihre Freude! Sie umarmen ihn und bitten ihn, er möge sie nicht hier lassen, sie seien die Töchter eines Vaters, einer Mutter. Der Drache habe sie geraubt und nachdem er ihre Eltern getötet habe, hätten sie niemanden auf der weiten Welt.« »Wir sind auch vierzig Brüder,« sagte hierauf der Prinz, »und suchen vierzig Mädchen.« Er teilte ihnen dann mit, dass er nun zu seinen Brüdern hinaufsteige und sie bald abzuholen käme. Er stieg also aus dem Brunnen empor, ging zur Quelle, legte sich nieder und schlief ein.
In der Frühe erwachten die vierzig Brüder und lachten über ihren Vater, der sie mit der Quelle habe erschrecken wollen. Sie machten sich nun auf den Weg und schritten so lange weiter, bis es Abend wurde. Siehe, da stand der Hân (Herberge) vor ihnen. »Von hier keinen Schritt weiter vorwärts,« sagten die älteren. Der jüngste meinte zwar, dass es vielleicht gut wäre, dem Rate des Vaters zu folgen, aber man hörte nicht auf seine Rede. Sie assen, tranken, beteten und legten sich dann nieder. Nur der jüngste blieb wieder wach.
Gegen Mitternacht, erhob sich wieder ein Geräusch. Der Junge nahm seine Waffe zur Hand und stand bald wieder vor einem siebenköpfigen Drachen, der viel grösser war, als der gestrige. Zuerst griff der Drache den Jungen an, konnte ihm aber nichts anhaben; dann griff ihn der Junge an und mit einem Schwerthiebe schlug er ihm sechs Köpfe ab. Auch dieser wollte noch einen Hieb haben, den ihm aber der Junge versagte. Dann rollte der eine Kopf in den Brunnen, der Junge ging ihm nach und fand dort einen noch grösseren Palast und noch wertvollere Schätze. Er merkt sich den Brunnen, kehrt zu seinen Brüdern zurück und müde vom grossen Kampfe schläft er ein, so dass ihn am nächsten Morgen seine Brüder aufrütteln müssen.
Sie machten sich wieder auf den Weg, bestiegen also ihre Rosse und gelangten über Berg und Tal bei Sonnenuntergang auf die grosse Ebene. Sie assen und tranken, und als sie sich niederlegen wollten, erhob sich plötzlich ein so grosses Kreischen, ein so gewaltiger Lärm, dass selbst die Berge erzitterten. Angst erfüllte nun die vielen Prinzen. Erst als sie einen riesigen siebenköpfigen Drachen erblickten! Er spie Feuer und rief grimmig: »Wer hat meine beiden Brüder getötet? Her mit ihm, damit er sich auch mit mir messe!« Der Jüngste sah nun, dass seine Brüder vor Angst sich nicht einmal bewegen konnten. Er übergab ihnen also die Schlüssel zu den beiden Brunnen, damit sie die Schätze und die vierzig Mädchen nach Hause führen sollen; er wolle den Drachen töten und dann ihnen nachfolgen. Eilig sprangen die Neununddreissig zu Ross, nahmen aus dem einen die Schätze, aus dem anderen die vierzig Mädchen heraus, mit denen sie dann nach Hause eilten. Kehren wir aber zum jüngsten zurück.
Er kämpfte lange mit dem Drachen; keiner konnte den anderen besiegen. Als der Drache sah, dass er sich mit dem Jungen vergeblich abmühe, sprach er zu ihm: »Wenn du in’s Land Tschinimatschin gehst und von dort des Padischahs Tochter mir bringst, so nehme ich dir nicht das Leben!« Der Prinz willigte gerne ein, denn lange hätte er den Kampf doch nicht aushalten können.
Tschampalak, so hiess der Drache, gab dem Prinzen einen Zaum und sprach zu ihm: »Jeden Tag grast hier ein Zauberpferd (Ajgyr); fange es, lege ihm den Zaum an und sag ihm, es möge dich in’s Land Tschinimatschin tragen.« Der Junge nahm also den Zaum und wartete auf das Zauberpferd. In der Luft flog das goldgelbe Ross heran und kaum war ihm der Zaum angelegt, so sprach es: »Befiehl, mein kleiner Sultan!« Schliess‘ die Augen, öffne die Augen, – und da war das Land Tschinimatschin. Er stieg vom Rosse, steckte den Zaum ein und ging in die Stadt.
»In die Hütte einer alten Frau kehrte er ein und sagte ihr, sie möge ihn als Gast bei sich behalten.« »Gerne,« sagte die alte Frau, wies ihm einen Platz an und während sie den Kaffee schlürfen, erkundigte er sich bei der Alten nach den Zuständen des Landes. »Ein siebenköpfiger Drache,« erzählte die Alte, »hat sich in unsere Sultanstochter gewaltig verliebt. Seit Jahren wütet darob der Krieg, und das Ungeheuer sitzt uns so sehr auf dem Nacken, dass nicht einmal ein Vogel in unser Land hereinfliegen kann.« – »Und die Sultanstochter?« fragte der Prinz. »Im Garten des Padischah hat sie ihren Kiosk,« antwortete die Alte, »sie getraut sich von da keinen Schritt zu entfernen.«
Am nächsten Tage ging der Prinz vor den Garten des Padischah und bat den alten Gärtner, er möge ihn in Dienst nehmen. Er flehte so lange, bis sich der Gärtner seiner erbarmte. »Du hast keine andere Arbeit zu verrichten,« sprach er zu ihm, »als nur die Blumen zu begiessen.«
Die Sultanstochter erblickte den Jungen, rief ihn zu ihrem Fenster und fragte ihn, auf welche Weise er in dieses Land gelangt sei. Der Junge erzählte ihr, dass sein Vater auch ein Padischah sei, dass er auf dem Wege mit Tschampalak gekämpft und ihm versprochen habe, ihm die Sultanstochter zu bringen. »Aber fürchte dich nicht,« sagte ihr der Prinz, »meine Liebe ist viel grösser, als die des Drachen; und wenn du mit mir kommst, so weiss ich schon, wie ich ihn vernichten kann.« Die Maid hatte den schönen Prinzen lieb gewonnen und wollte auch gerne ihrem ewigen Kerker entrinnen, sie vertraute sich daher dem Prinzen an und in einer Nacht verlassen sie heimlich den Palast und begeben sich auf Tschampalaks Ebene. Auf dem Wege besprechen sie, dass die Maid erfahren solle, was der Talisman des Drachen sei, und wenn anders nicht, so vernichten sie ihn auf diese Weise.
Man kann sich denken, was für Freude Tschampalak beim Anblicke der Sultanstochter hatte. »Welch‘ Seligkeit, dass du gekommen bist; welch‘ Glück, dass du gekommen bist;« empfing sie der Dew, aber wie immer er sie liebkoste, wie sehr er ihr auch alles zu Gefallen tat, die Maid weinte in einem fort. Tage vergehen, Wochen vergehen, die Tränen der Maid versiegen nicht. »Möchtest du mir wenigstens deinen Talisman sagen,« sprach sie eines Tages zum Drachen, »vielleicht würden mir dann die Tage leichter vergehen.« – »O mein Herz,« sagte der Drache, »der wird an einem solchen Orte bewacht, wohin zu gelangen es unmöglich ist. Ein grosser Palast befindet sich in einem gewissen Reich; der sich hingetrauen würde, der käme von dort nimmer wieder!« Der Prinz brauchte eben nichts mehr zu wissen. Er nahm den Zaum hervor und warf ihn in’s Meer, worauf das goldgelbe Ross erschien.
»Was befiehlst du, mein kleiner Sultan?« In das gewisse Reich, in den Palast des Talismanes wünscht sich der Junge hin. »Schliess‘ die Augen, – öffne die Augen,« und erstand vor dem Palaste. Das Zauberpferd sprach zu ihm: »Wenn wir zum Palaste gelangen, so binde mich mit dem Zaum an die eisernen Ringe des Tores. Ich wiehere einmal, schlage die eisernen Ringe aneinander und das Tor öffnet sich. Dieses sich öffnende Tor ist der Rachen eines Löwen, und wenn du ihn mit einem Schwerthiebe entzwei hauen kannst, so bist du gerettet; wenn nicht, so hat dein Leben das Ende erreicht.« Hierauf nähern sie sich dem Palaste; er bindet das Zauberpferd an die Ringe, und als es einmal wiehert, öffnet sich das Tor. Der Prinz versetzt dem klaffenden Rachen des Löwen einen Hieb und spaltet ihn entzwei. Dann schlitzt er den Bauch des Löwen auf, nimmt aus demselben einen Käfig hervor, in dem sich drei Tauben befinden, so schön, wie man dergleichen noch nirgends gesehen. Er nahm die eine in die Hand, streichelte sie, liebkoste sie, da plötzlich prr … sie entfliegt ihm. Schnell flog das Zauberpferd ihr nach und wenn es sie nicht einholt und ihr den Hals ausdreht, so hat der Prinz noch seine liebe Not.
Er setzte sich nun wieder auf das Zauberpferd und »Schliess‘ die Augen, – öffne die Augen,« sie befanden sich vor Tschampalaks Palast. Vor dem Tore des Palastes töten sie auch die zweite Taube und als der Junge zum Drachen hineinging, so lag das Untier schon kraftlos darnieder. Er erblickte die Taube in der Hand des Prinzen und flehte, er möge ihm gestatten, sie zum letzten Mal, bevor er sterbe, zu streicheln. Der Junge fühlte Mitleid mit ihm und als er ihm sie hinreichen wollte, eilte die Sultanstochter herbei, entriss die Taube seiner Hand und tötete sie. Sogleich verreckte der Drache. »Dein Glück,« sprach das Zauberpferd, »dass du die Taube nicht gegeben hast; neues Leben wäre in ihn gefahren, wenn er sie angerührt hätte.« Nun verschwand der Zaum und mit ihm auch das Zauberpferd.
Dann luden sie die Schätze des Drachen auf und zogen damit in’s Land Tschinimatschin. Der Padischah war ganz krank ob dem Verschwinden seiner Tochter; er liess sie weit und breit im Lande suchen und glaubte schliesslich, dass sie in die Hände des Drachen gefallen sei. Nun erschien plötzlich seine Tochter mit dem Prinzen. Er liess nun eine grosse Hochzeit veranstalten. Nach der Hochzeit reisten sie, von vielen Soldaten begleitet, zum Vater des Prinzen. Dort glaubte man, dass der Prinz schon längst gestorben sei und man hätte ihm kaum Glauben geschenkt, wenn er nicht eben die Geschichte von den drei Drachen und den vierzig Maiden erzählt hätte.
Ihn hatte treu die vierzigste Maid erwartet und der Prinz sagte nun seiner Gattin, dass dies seine andere Verlobte sei. »Du hast mein Leben von dem Drachen gerettet,« sprach die Sultanstochter von Tschinimatschin, »und ich habe dir dasselbe geschenkt; mache also damit, was du willst!« Er feierte nun die Hochzeit mit seiner zweiten Gattin und lebte von nun an teils im Reiche seines Vaters, teils im Lande Tschinimatschin in Glückseligkeit.
»Der vierzigste möge sich eine andere nehmen,« sagte der Padischah zu seinen Söhnen. Die vierzig Geschwister aber willigten nicht ein und baten ihren Vater, er möge sie von dannen ziehen lassen, damit sie sich in fremden Landen solche Geschwister suchen. Was sollte der Padischah machen. Er konnte sie von ihrem Vorhaben nicht abreden und gab ihnen also die Erlaubnis. Bevor sie aufbrachen, sprach der Padischah also zu ihnen: »Ich habe drei Worte an euch zu richten, die ihr gut im Sinne behalten möget. Wenn ihr von hier aufbrechet und zu einer grossen Quelle gelangt, so bringt die Nacht ja nicht in ihrer Nähe zu. Jenseits der Quelle ist eine Herberge, auch dort übernachtet nicht. Weiter ist eine grosse Ebene, auch dort verweilet keinen Augenblick.« Die Söhne versprachen, den Wunsch des Vaters zu erfüllen, und mit leichtem, aber wertvollem Gepäck beladen stiegen sie zu Rosse und machten sich auf den Weg.
Sie schritten vorwärts, rauchten, tranken, und als der Abend dämmerte, erreichten sie die Quelle. »Wir gehen,« sprach der Älteste, »keinen Schritt weiter. Wir sind müde, der Abend bricht heran und vor wem könnten vierzig Menschen sich fürchten.« Sie stiegen von ihren Rossen herab, assen und legten sich zur Ruhe. Nur der Jüngste, der Vierzehnjährige, blieb wach. Gegen Mitternacht nahm der Junge ein Geräusch wahr. Er nahm langsam seine Waffe zur Hand und indem er dem Geräusch nachging, begegnete er einem siebenköpfigen Drachen. Sie stürzten sich aufeinander und dreimal griff der Drache den Prinzen an, konnte ihm aber nichts anhaben. »Nun bin ich an der Reihe,« rief der Prinz, »wirst du meinem Glauben folgen?« Und er versetzte ihm einen so gewaltigen Hieb, dass ihm auf einmal sechs Köpfe vom Rumpfe fielen. »Hau noch einmal,« keuchte der Drache. »Ich nicht,« meinte der Junge, »auch ich bin nur einmal zur Welt gekommen.« Der Drache sank zu Boden und siehe da! einer seiner Köpfe begann zu rollen, rollte und rollte bis zu einem Brunnen. »Der mir die Seele genommen hat, der nehme von hier auch meine Schätze!« und mit diesen Worten fiel der Kopf in den Brunnen hinein.
Der Junge nahm nun einen Strick hervor, band das eine Ende an einen Felsen, das andere Ende ergriff er und liess sich also in den Brunnen hinab. Eine eiserne Türe befand sich am Grunde des Brunnens. Er riss sie auf, trat ein und ein schönerer Palast, als der seines Vaters, stand vor ihm. Der Palast bestand aus vierzig Zimmern, in jedem Zimmer befand sich je eine Maid vor einem Stickereitisch, neben sich ungeheure Schätze aufgehäuft. »Bist du ein Mensch? bist du ein Dschin?« frugen ihn erschreckt die Jungfrauen. »Ich bin ein Menschenkind,« sagte der Prinz, »habe den siebenköpfigen Drachen getötet und folgte dem rollenden Kopfe desselben hieher.«
»Ei, da hatten die vierzig Mädchen ihre Freude! Sie umarmen ihn und bitten ihn, er möge sie nicht hier lassen, sie seien die Töchter eines Vaters, einer Mutter. Der Drache habe sie geraubt und nachdem er ihre Eltern getötet habe, hätten sie niemanden auf der weiten Welt.« »Wir sind auch vierzig Brüder,« sagte hierauf der Prinz, »und suchen vierzig Mädchen.« Er teilte ihnen dann mit, dass er nun zu seinen Brüdern hinaufsteige und sie bald abzuholen käme. Er stieg also aus dem Brunnen empor, ging zur Quelle, legte sich nieder und schlief ein.
In der Frühe erwachten die vierzig Brüder und lachten über ihren Vater, der sie mit der Quelle habe erschrecken wollen. Sie machten sich nun auf den Weg und schritten so lange weiter, bis es Abend wurde. Siehe, da stand der Hân (Herberge) vor ihnen. »Von hier keinen Schritt weiter vorwärts,« sagten die älteren. Der jüngste meinte zwar, dass es vielleicht gut wäre, dem Rate des Vaters zu folgen, aber man hörte nicht auf seine Rede. Sie assen, tranken, beteten und legten sich dann nieder. Nur der jüngste blieb wieder wach.
Gegen Mitternacht, erhob sich wieder ein Geräusch. Der Junge nahm seine Waffe zur Hand und stand bald wieder vor einem siebenköpfigen Drachen, der viel grösser war, als der gestrige. Zuerst griff der Drache den Jungen an, konnte ihm aber nichts anhaben; dann griff ihn der Junge an und mit einem Schwerthiebe schlug er ihm sechs Köpfe ab. Auch dieser wollte noch einen Hieb haben, den ihm aber der Junge versagte. Dann rollte der eine Kopf in den Brunnen, der Junge ging ihm nach und fand dort einen noch grösseren Palast und noch wertvollere Schätze. Er merkt sich den Brunnen, kehrt zu seinen Brüdern zurück und müde vom grossen Kampfe schläft er ein, so dass ihn am nächsten Morgen seine Brüder aufrütteln müssen.
Sie machten sich wieder auf den Weg, bestiegen also ihre Rosse und gelangten über Berg und Tal bei Sonnenuntergang auf die grosse Ebene. Sie assen und tranken, und als sie sich niederlegen wollten, erhob sich plötzlich ein so grosses Kreischen, ein so gewaltiger Lärm, dass selbst die Berge erzitterten. Angst erfüllte nun die vielen Prinzen. Erst als sie einen riesigen siebenköpfigen Drachen erblickten! Er spie Feuer und rief grimmig: »Wer hat meine beiden Brüder getötet? Her mit ihm, damit er sich auch mit mir messe!« Der Jüngste sah nun, dass seine Brüder vor Angst sich nicht einmal bewegen konnten. Er übergab ihnen also die Schlüssel zu den beiden Brunnen, damit sie die Schätze und die vierzig Mädchen nach Hause führen sollen; er wolle den Drachen töten und dann ihnen nachfolgen. Eilig sprangen die Neununddreissig zu Ross, nahmen aus dem einen die Schätze, aus dem anderen die vierzig Mädchen heraus, mit denen sie dann nach Hause eilten. Kehren wir aber zum jüngsten zurück.
Er kämpfte lange mit dem Drachen; keiner konnte den anderen besiegen. Als der Drache sah, dass er sich mit dem Jungen vergeblich abmühe, sprach er zu ihm: »Wenn du in’s Land Tschinimatschin gehst und von dort des Padischahs Tochter mir bringst, so nehme ich dir nicht das Leben!« Der Prinz willigte gerne ein, denn lange hätte er den Kampf doch nicht aushalten können.
Tschampalak, so hiess der Drache, gab dem Prinzen einen Zaum und sprach zu ihm: »Jeden Tag grast hier ein Zauberpferd (Ajgyr); fange es, lege ihm den Zaum an und sag ihm, es möge dich in’s Land Tschinimatschin tragen.« Der Junge nahm also den Zaum und wartete auf das Zauberpferd. In der Luft flog das goldgelbe Ross heran und kaum war ihm der Zaum angelegt, so sprach es: »Befiehl, mein kleiner Sultan!« Schliess‘ die Augen, öffne die Augen, – und da war das Land Tschinimatschin. Er stieg vom Rosse, steckte den Zaum ein und ging in die Stadt.
»In die Hütte einer alten Frau kehrte er ein und sagte ihr, sie möge ihn als Gast bei sich behalten.« »Gerne,« sagte die alte Frau, wies ihm einen Platz an und während sie den Kaffee schlürfen, erkundigte er sich bei der Alten nach den Zuständen des Landes. »Ein siebenköpfiger Drache,« erzählte die Alte, »hat sich in unsere Sultanstochter gewaltig verliebt. Seit Jahren wütet darob der Krieg, und das Ungeheuer sitzt uns so sehr auf dem Nacken, dass nicht einmal ein Vogel in unser Land hereinfliegen kann.« – »Und die Sultanstochter?« fragte der Prinz. »Im Garten des Padischah hat sie ihren Kiosk,« antwortete die Alte, »sie getraut sich von da keinen Schritt zu entfernen.«
Am nächsten Tage ging der Prinz vor den Garten des Padischah und bat den alten Gärtner, er möge ihn in Dienst nehmen. Er flehte so lange, bis sich der Gärtner seiner erbarmte. »Du hast keine andere Arbeit zu verrichten,« sprach er zu ihm, »als nur die Blumen zu begiessen.«
Die Sultanstochter erblickte den Jungen, rief ihn zu ihrem Fenster und fragte ihn, auf welche Weise er in dieses Land gelangt sei. Der Junge erzählte ihr, dass sein Vater auch ein Padischah sei, dass er auf dem Wege mit Tschampalak gekämpft und ihm versprochen habe, ihm die Sultanstochter zu bringen. »Aber fürchte dich nicht,« sagte ihr der Prinz, »meine Liebe ist viel grösser, als die des Drachen; und wenn du mit mir kommst, so weiss ich schon, wie ich ihn vernichten kann.« Die Maid hatte den schönen Prinzen lieb gewonnen und wollte auch gerne ihrem ewigen Kerker entrinnen, sie vertraute sich daher dem Prinzen an und in einer Nacht verlassen sie heimlich den Palast und begeben sich auf Tschampalaks Ebene. Auf dem Wege besprechen sie, dass die Maid erfahren solle, was der Talisman des Drachen sei, und wenn anders nicht, so vernichten sie ihn auf diese Weise.
Man kann sich denken, was für Freude Tschampalak beim Anblicke der Sultanstochter hatte. »Welch‘ Seligkeit, dass du gekommen bist; welch‘ Glück, dass du gekommen bist;« empfing sie der Dew, aber wie immer er sie liebkoste, wie sehr er ihr auch alles zu Gefallen tat, die Maid weinte in einem fort. Tage vergehen, Wochen vergehen, die Tränen der Maid versiegen nicht. »Möchtest du mir wenigstens deinen Talisman sagen,« sprach sie eines Tages zum Drachen, »vielleicht würden mir dann die Tage leichter vergehen.« – »O mein Herz,« sagte der Drache, »der wird an einem solchen Orte bewacht, wohin zu gelangen es unmöglich ist. Ein grosser Palast befindet sich in einem gewissen Reich; der sich hingetrauen würde, der käme von dort nimmer wieder!« Der Prinz brauchte eben nichts mehr zu wissen. Er nahm den Zaum hervor und warf ihn in’s Meer, worauf das goldgelbe Ross erschien.
»Was befiehlst du, mein kleiner Sultan?« In das gewisse Reich, in den Palast des Talismanes wünscht sich der Junge hin. »Schliess‘ die Augen, – öffne die Augen,« und erstand vor dem Palaste. Das Zauberpferd sprach zu ihm: »Wenn wir zum Palaste gelangen, so binde mich mit dem Zaum an die eisernen Ringe des Tores. Ich wiehere einmal, schlage die eisernen Ringe aneinander und das Tor öffnet sich. Dieses sich öffnende Tor ist der Rachen eines Löwen, und wenn du ihn mit einem Schwerthiebe entzwei hauen kannst, so bist du gerettet; wenn nicht, so hat dein Leben das Ende erreicht.« Hierauf nähern sie sich dem Palaste; er bindet das Zauberpferd an die Ringe, und als es einmal wiehert, öffnet sich das Tor. Der Prinz versetzt dem klaffenden Rachen des Löwen einen Hieb und spaltet ihn entzwei. Dann schlitzt er den Bauch des Löwen auf, nimmt aus demselben einen Käfig hervor, in dem sich drei Tauben befinden, so schön, wie man dergleichen noch nirgends gesehen. Er nahm die eine in die Hand, streichelte sie, liebkoste sie, da plötzlich prr … sie entfliegt ihm. Schnell flog das Zauberpferd ihr nach und wenn es sie nicht einholt und ihr den Hals ausdreht, so hat der Prinz noch seine liebe Not.
Er setzte sich nun wieder auf das Zauberpferd und »Schliess‘ die Augen, – öffne die Augen,« sie befanden sich vor Tschampalaks Palast. Vor dem Tore des Palastes töten sie auch die zweite Taube und als der Junge zum Drachen hineinging, so lag das Untier schon kraftlos darnieder. Er erblickte die Taube in der Hand des Prinzen und flehte, er möge ihm gestatten, sie zum letzten Mal, bevor er sterbe, zu streicheln. Der Junge fühlte Mitleid mit ihm und als er ihm sie hinreichen wollte, eilte die Sultanstochter herbei, entriss die Taube seiner Hand und tötete sie. Sogleich verreckte der Drache. »Dein Glück,« sprach das Zauberpferd, »dass du die Taube nicht gegeben hast; neues Leben wäre in ihn gefahren, wenn er sie angerührt hätte.« Nun verschwand der Zaum und mit ihm auch das Zauberpferd.
Dann luden sie die Schätze des Drachen auf und zogen damit in’s Land Tschinimatschin. Der Padischah war ganz krank ob dem Verschwinden seiner Tochter; er liess sie weit und breit im Lande suchen und glaubte schliesslich, dass sie in die Hände des Drachen gefallen sei. Nun erschien plötzlich seine Tochter mit dem Prinzen. Er liess nun eine grosse Hochzeit veranstalten. Nach der Hochzeit reisten sie, von vielen Soldaten begleitet, zum Vater des Prinzen. Dort glaubte man, dass der Prinz schon längst gestorben sei und man hätte ihm kaum Glauben geschenkt, wenn er nicht eben die Geschichte von den drei Drachen und den vierzig Maiden erzählt hätte.
Ihn hatte treu die vierzigste Maid erwartet und der Prinz sagte nun seiner Gattin, dass dies seine andere Verlobte sei. »Du hast mein Leben von dem Drachen gerettet,« sprach die Sultanstochter von Tschinimatschin, »und ich habe dir dasselbe geschenkt; mache also damit, was du willst!« Er feierte nun die Hochzeit mit seiner zweiten Gattin und lebte von nun an teils im Reiche seines Vaters, teils im Lande Tschinimatschin in Glückseligkeit.
[Asien: Türkei. Märchen der Welt]