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Die Wunschfee

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Tam, das Pferd, sah dem Hund nach, wie er seinem Herrn folgte. Der hat es gut, darf mit ins Haus, dachte Tam. Er dagegen musste bei Wind und Wetter auf der Koppel stehen, nur ein alter, zugiger Verschlag bot ein wenig Schutz vor Regen und anderen Unbilden der Natur.
Da erblickte Tam die alte Fee, die öfter des Abends über die Koppel spazierte. Er trabte zu ihr hin und neigte ehrerbietend den Kopf vor ihr. „Liebe Fee, könntet Ihr mich verwandeln? Ich wäre so gern ein Hund.“
„Tam, wieso willst du ein Hund sein?“, fragte sie verwundert. Sie bückte sich, um einen Pilz zu pflücken und legte ihn in ihren Weidenkorb.
„Ein Hund hat es gut. Er darf in der warmen Stube schlafen, während ich draußen stehen muss, das ganze Jahr über. Und er wird mit feinen Speisen gefüttert.“
„Nun, wenn du unbedingt ein Hund sein willst, so sei es denn.“ Sie streckte ihre kurzfingrigen Hände aus, murmelte einen Spruch und mit dem nächsten Blinzeln war aus Tam, dem Pferd, Tam, der Hund geworden.
„Ich danke dir, liebe Fee“, sagte Tam und lief los. Nun war es ein Leichtes, unter dem Weidezaun hindurch zu schlüpfen.
Er bellte kurz vor der Tür und wurde sogleich eingelassen.
„Noch ein Hund“, sagte der Hausherr und machte ein zufriedenes Gesicht. „Das ist gut, dann kann er die Schafe bewachen. Gib ihm zu fressen, Knecht.“
Doch das, was der halbwüchsige Bursche vor ihn hinstellte, fand Tam nur scheußlich. Zeit seines Lebens hatte er sich von Gras, Heu, Hafer und manchmal Fallobst und Wurzeln ernährt. Als Hund aber gelüstete sein Körper nach Fleisch und ohne es verhindern zu können, fraß er die Schüssel leer und schleckte sie anschließend blank.
Die Nacht verbrachte er auf der Ofenbank. Neben ihm lag der andere Hund, ein struppiger Grauer, der ihn freundlich willkommen geheißen hatte.
„Die Arbeit bei den Schafen ist ganz einfach“, informierte ihn der Graue. „Du musst sie nur zusammenhalten und dorthin treiben, wo sie weiden sollen. Manchmal sind sie ein wenig stur, dann zwick sie in die Schenkel. Aber mach das ganz vorsichtig, wenn sie verletzt werden, wirst du Prügel beziehen.“
Einfach war die Arbeit wohl, doch fand Tam wenig Gefallen daran, stundenlang um die stetig blökenden Schafe herumzuwetzen. Schon am Nachmittag taten seine Pfoten weh. Die Schafe haben es gut, dachte er. Müssen nur grasen und schöne Wolle wachsen lassen, was ganz von allein geschieht.
Heimlich stahl sich Tam von der Herde fort und suchte die Fee auf. „Liebe Fee, Hund sein ist doch nicht so schön. Bitte verwandelt mich in ein Schaf. Schafe haben wirklich das vollkommene Dasein.“
„Nun, wenn du das willst, dann sei es.“
Und mit dem nächsten Atemzug war aus Tam, dem Hund, Tam, das Schaf geworden.
Glücklich trabte er zu der Herde und begann zu grasen. Die anderen Schafe nahmen ihn in ihre Herde auf, als sei er schon immer einer von ihnen gewesen. Bewacht von dem Hütehund schlief er friedlich neben den anderen Schafen.
Am nächsten Tag aber, die Sonne war gerade dabei über die Berge zu klettern, stellte Tam fest, dass es ihm doch nicht so sehr gefiel, ein Schaf zu sein. Ständig blökten die Schafe, was ihn sehr störte. Und es gab nichts weiter zu tun, als Gras zu fressen.
Tams Blick fiel auf eine Katze, die in geduckter Haltung lauerte. Eine Katze zu sein ist sicher fein, dachte er. Und er machte sich auf zur Fee.
Wieder erfüllte sie seinen Wunsch und aus Tam, dem Schaf, wurde Tam, der Kater.
Tam genoss es, nun klettern zu können. Behände sauste er Bäume hinauf und wieder hinunter, zwängte sich durch enge Zäune und döste faul in der Mittagssonne.
Gegen Abend stellte er fest, dass er schrecklich hungrig war. Seinen Katzenkörper gelüstete es nach fleischlicher Nahrung und so begab er sich in Lauerstellung vor ein Mauseloch.
Er wartete und wartete und wartete. Vergeblich, keine Maus zeigte sich. Sein Magen knurrte. Und er hörte noch etwas, ein Kichern.
Es kam von einer Gruppe Mäuse, die nun, da sie seine Aufmerksamkeit gewonnen hatten, blitzgeschwind in ihre Verstecke huschten.
Verärgert, dass sie ihn so gemein hereingelegt hatten, lief er zu der Fee. „Liebe Fee, eine Katze zu sein war zwar schön, doch nun wäre ich gern eine Maus. Mäuse können Katzen ärgern und sich überall verstecken. Und sie haben köstlichste Speisen im Überfluss.“
„Nun, Tam, wenn das dein Wunsch ist, dann sei es so.“
Und so wurde aus Tam, dem Kater, Tam, der Mäuserich.
Tam fand es herrlich, nun eine Maus zu sein. Er knabberte an Gerstenkörnern, naschte Käse in der Speisekammer und labte sich an den Rosinen, die die anderen Mäuse schon stibitzt und in eines der vielen Verstecke gebracht hatten.
Und es machte Spaß, die Katzen zu ärgern, auch wenn man dabei sehr aufpassen musste, dass sie einen nicht doch erwischten.
Aber wirklich zufrieden war Tam nach einigen Tagen nicht mehr. Laufend musste er sich vor Raubvögeln, Füchsen und den allgegenwärtigen Katzen in Acht nehmen.
„Nun, in was möchtest du jetzt verwandelt werden?“, begrüßte ihn die Fee, als er bei ihr vorsprach.
„Ich wäre gern ein Hahn“, sagte Tam. „Ein Hahn ist wunderschön anzuschauen, wie er majestätisch auf dem Misthaufen thront und den neuen Tag einkräht.“
Gesagt, getan. Aus Tam, dem Mäuserich, wurde Tam, der Hahn.
Stolz stand er am nächsten Morgen, kaum, dass es hell wurde, auf dem Misthaufen und krähte so laut er konnte. Herrlich war das, auch wenn die Bäuerin ihm drohte, er käme in den Suppentopf, wenn er noch weiter krähe. Da war er lieber still, der Hahn Tam und stolzierte den Rest des Tages zwischen den Hühnern hin und her.
Am nächsten Morgen empfand er den Geruch des Misthaufens als Gestank. Natürlich, er stand nun ja auch auf dem, was aus den Ställen entfernt wurde und in das er als Pferd nie getreten wäre.
Als er auf dem Weg zur Fee war, sah er, wie die kleine Tochter des Bauern mit roten Wurzeln in der Hand zur Weide lief. Tam schluckte, als er zusah, wie sie die beiden dort stehenden Pferde fütterte und streichelte.
Dort wäre ich jetzt auch gern, dachte er, als Pferd, würde Gras fressen, mir die Mähne kraulen lassen.
„Nun, Tam, wer möchtest du jetzt werden?“, seufzte die Fee.
„Ein Pferd“, sagte Tam
„Das warst du ursprünglich“, erinnerte ihn die Fee, „und batest mich, dich in einen Hund zu verwandeln.“
„Ja, ich weiß. Aber das war ein Fehler. Ich möchte wieder ein Pferd sein. Bitte liebe Fee.“
„So sei es“, sagte die Fee und so wurde aus Tam, dem Hahn, Tam, das Pferd. Glücklich trabte er auf seine Koppel.
Und nie wieder wünschte Tam sich, etwas anderes zu sein, als das, was er war.

Quelle: Maren

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