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Märchenbasar

Die Xorrigos-Quelle

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Als die Mauren und die Christen sich heftig anfeindeten, so dass diese, wenn sie eine Mauren-Galiote (Schiff) sahen, selbe sogleich verfolgten, oder die Mauren es den unsrigen ebenso machten, geschah es, dass man in Xorrigo einen Hirten benöthigte und die Pächterin sagte zu dem Pächter:
– Schau Gabriel, ich glaube, es wäre für uns vortheilhaft, wenn wir erfahren können, dass eine Schiffsladung Mauren zu verkaufen ist, dass du zur Stadt gehen würdest, um einen Sklaven zu kaufen, der uns den Hirten machte; und so hätten wir nur für seinen Unterhalt zu sorgen.
– Ja, sagte der Pächter, ich hatte mir dasselbe auch gedacht.
– Also werden wir es machen; vielleicht werde ich dich begleiten und zugleich werden wir die Schwester besuchen, die seit langer Zeit uns darum gebeten hat.
Nach vierzehn Tagen erfuhren sie, dass man eine Galiote gekapert hatte, spannten den zweispännigen Karren ein und fuhren langsam, langsam der Stadt zu. Angekommen, stellten sie den Wagen bei ihrer Schwester ein, die sich über ihren Besuch freute und der Pächter ging dann nach dem Rathhaus. Hier fand er die Mauren, die traurig und nachdenkend das Schicksal erwarteten, das sie treffen sollte und auf die vorübergehenden Leute schauten. Der Pächter Gabriel gewahrte einen Jungen, schön und kräftig gebaut, von dem er die Augen nicht abwenden konnte. Nachdem er den Kauf abgeschlossen und die vereinbarte Summe bezahlt hatte, nahm er diesen Mauren mit sich, der von nun an sein Sklave war.
Am Abend kehrten sie wieder nach Xorrigo zurück und unterwegs sagten sie zu dem Sklaven:
– Bei uns zu Hause wird es dir gut ergehen, weil du den Hirten machen musst und wenn du dich wie ein Mann beträgst, wird es dir so sein als wenn du zu Hause wärst.
– Ja, fügte die Pächterin hinzu, wir werden dich wie einen Sohn halten.
Der Maure äusserte sich nicht und zeigte sich recht traurig, was natürlich ist für einen, der sich in seiner Lage befand.
Angekommen in Xorrigo, begab sich jedes an seine Arbeit und der Hirte zu seinen Schafen um sie zu pflegen. Die Zeit verging und der Maure wurde sehr gut behandelt, ohne dass ihm etwas abginge.
Es kamen einige sehr schlechte Jahre und da es nicht regnete, hatten sie gar kein Wasser mehr, weil es damals keine Quelle wie jetzt gab. Das Vieh verendete vor Durst und der Pächter war ganz verzweifelt. Eines Tages, während des Abendessens, sagte der Maure über diesen Gegenstand sprechend:
– Was gebet ihr mir für eine Quelle, die euch täglich mehr Wasser liefern würde als der grosse Wasserbehälter von hier draussen fasst.
– Viel.
– Und was würdet ihr mir geben wenn ich sie fände?
– Schau, lasse das gehen; ebensogut könntest du wollen, dass ein Feigenbaum Orangen trägt.
– Warum! Euch frage ich, was würdet ihr geben wenn ich sie auf dem Besitzthum fände.
– Was ihr wollet.
– Also wenn ihr mir die Freiheit versprecht, werde ich euch Wasser schaffen für das Vieh, für die Besitzung und für die benachbarten Güter.
– Hast du es schon sicher?
– Ganz sicher, aber vorher müsst ihr mir versprechen, dass ihr mir, sobald ihr das Wasser bekommen werdet, die Erlaubnis gebet, fortzugehen.
– An dem Tage, an dem du eine solche Quelle, wie du sagst, finden wirst, werde ich dir sogleich die Freiheit geben.
– Versprechet ihr es mir?
– Ja, ich verspreche es dir.
– Also kommt mit mir.
Der Pächter nahm eine Laterne und der Maure eine Spitzhacke und sie gingen beide von Hause fort, nach einem tiefen Thale das zur Besitzung gehörte.
Als sie am Fusse eines sehr hohen Felsens angekommen waren, begann der Sklave an einer Fuge zu hämmern, wo es schien, dass man schon einmal angefangen habe, zu bohren; als er eine gute Zeit gehämmert hatte, fiel ein Stück Stein herab und es sprang ein Wasserstrahl heraus, stärker wie ein Bein, der über den Pächter, welcher davor Licht machte, stürzte, und taufte ihn von oben nach unten. Gut, dass es Sommer war. Nun sagte er ganz erstaunt zu Amet:
– Niemals hätte ich das gedacht, du bist der wirkliche Teufel.
– Versprechen heisst Halten; erwiederte der Sklave, und nun kann ich frei nach meiner Heimath gehen.
– Schau, lasse das gehen. Du hast es gut genug.
– Meinetwegen; ich habe nichts zu klagen weder über euch noch über die Pächterin, aber ich will fortgehen. Versprechen heisst Halten.
– Ei, ich will Zeit haben, um zu sehen, ob das Wasser immer fliesst; vielleicht versagt es morgen schon!
– Wenn bis in acht Tagen das Wasser ausbleibt, werde ich euer Sklave bleiben, wenn es aber fortfliesst, verlange ich die Freiheit.
– Es ist schon abgemacht, sagte der Pächter.
Es vergingen die acht Tage, und das Wasser floss in gleicher oder noch grösserer Menge wie am ersten Tag, aber der Pächter wollte ihm seine Freiheit nicht geben und mit Worten und Ausreden darüber hinwegkommen, indem er ihm sagte, dass ihm nie etwas fehlen würde, bis endlich der Maure ärgerlich darüber, ihm sagte:
– Wenn ihr mir nicht die Erlaubniss gebet, wegzugehen, verspreche ich euch und mit einem zuverlässigeren Versprechen, als das euere, dass ich euch das Wasser verstopfen werde und ihr werdet es niemals wieder auffinden.
– Du bist dazu nicht im Stande, diese Quelle verstopft Niemand.
– Nun wir wollen es sehen.
– Pächter Gabriel, ihr werdet an manchem Tag bereuen, was ihr gemacht habt.
Einen Monat darauf hielten folgendes Gespräch der Maure und eine Hirtin, von einer benachbarten Besitzung, die zur Quelle kam, um zu trinken, und mit der der Maure schon andere Male gesprochen hatte.
– Ich sah dich aus jener Anhöhe, sagte der Sklave, und kam hierher, um von dir Abschied zu nehmen, weil ich ganz fest entschlossen bin, heute Nacht zu entfliehen. Lasse es doch Niemanden erfahren.
– Und warum Amet?
– Der Pächter versprach mir, dass, wenn ich eine Quelle finde, er mir die Freiheit schenken würde, die Quelle ist da und jetzt will er mich nicht frei lassen.
– Es wird der Tag kommen wo er dich gehen lässt.
– Es ist schon lange Zeit her, dass er mir nein sagt, und heute Nacht warte ich nicht weiter, ich muss fliehen; aber zuerst komme ich um die Quelle zu verstopfen, weil der Pächter mir einen schlechten Streich gespielt hat.
– Es steht fest, dass er es dir so gemacht hat, aber ich erbitte für mich eine Gunst und das ist, dass wenn du sie verstopfest, du mir wenigstens ein Strählchen fliessen lässt, damit ich im Sommer wo es hier so warm ist, trinken kann.
– Es kann nicht sein, weil der Pächter es finden könnte.
– Wenn es noch so klein wäre, Amet, thue es meinetwegen.
– Es thut mir leid für den Pächter, aber ich werde es nur für dich fliessen lassen; wenn du den Pächter siehst, sage ihm, warum ich entflohen bin und dass er auf seine Haut acht geben solle, denn wenn ich Gelegenheit finden werde, wird er es mir theuer zahlen.
– Lasse ihn gehen.
– Er hat es verdient.
– Es ist wahr, aber sei nicht so.
Amet verschüttete die Quelle und verabschiedete sich von der Hirtin, die ihm für das Wasserstrählchen dankte, das er für sie gelassen hatte.
In jener Nacht entfloh er, ohne dass Jemand es bemerkte; und als der Pächter die Quelle nachsuchte, konnte er nur den Durst löschen, den die Ermüdung und der Aerger ihm verursacht hatte. Sehr bereute er, dass er ihm nicht alles, was er wollte, zugestanden hatte und er lief noch nach der Stadt, um zu sehen ob er ihn fände, aber es war umsonst, weil er schon das Wasser gewonnen hatte; er hatte sich eingeschifft und er war schon doppelt so weit von Mallorca entfernt als die Besitzung von der Stadt lag.
Sehr ärgerlich kehrte er nach Hause zurück und umsonst hämmerte er auf den Stein und suchte das Wasser, er musste sich mit dem Strählchen begnügen, welches, dank der Hirtin, der Maure zurückgelassen hatte.

[Katalonien: Erzherzog Ludwig Salvator: Märchen aus Mallorca]

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