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Die zwei goldhaarigen Kinder

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Ein Mann hatte zwei Kinder; ihre Mutter war eine Stiefmutter. Die Frau sagte ihrem Mann, er sollte diese beiden Kinder umbringen, denn sie wolle sie nicht ernähren. Nun, ihr Vater sagte:
»Nehmt einen Ranzen und geht, wohin ihr wollt; denn eure Mutter gönnt euch nicht das Leben.« Nun, da machten sich die Kinder traurig auf den Weg. Sie begegneten einem Rehchen. Sie fragten, ob da nicht etwas zu essen sei, denn es hungerte sie beim wandern. Sprach das Rehlein:
»Trink aus meiner Spur, und du wirst wie ich und isst, was ich esse!«
Das Mägdlein wollte nicht trinken und ein Rehlein werden; doch das Knäblein trank; es wurde ein Rehchen, ass, was die andern Rehchen assen, und blieb dort im Walde.
Nun, aber das Mädchen ging, wanderte weiter, langte in einer Stadt an; dort nahm man sie als Tagelöhnerin, Hanf zu rupfen. Und als dort die Wagen vorbeifuhren, da wünschte sie sich, wenn doch der Herr im Wagen sie zur Gemahlin nehmen wollte, dann würde sie ihm ein paar goldhaarige Kinder schenken. Nun kam ein Königssohn, und sie sprach zu ihm:
»Nimm mich auf, König, nimm mich auf, lieber Königssohn, denn ich werde dein Leben schmücken mit einem Paar goldhaariger Knaben.«
Da nahm er sie auf, führte sie fort in sein grosses königliches Schloss. Die Frau wurde guter Hoffnung, und beim König langte der Befehl an, in den Kampf zu ziehen. Und als die Zeit kam, dass die Frau ihrer Bürde ledig werden und ein Kind bekommen sollte, da wies sie seine Mutter auf den Boden, dass sie dort (durch den Schornstein) das erste Kind zur Welt bringe; denn sie war gottlos. Diese ihre Schwiegermutter trug zwei junge Hunde unter die Mutter, und ihre beiden goldhaarigen Kinder vergrub sie im Gang.
Nun fiel es dem König schwer aufs Herz, dass er solch eine Gefährtin genommen, die junge Hunde zur Welt brachte, und er liess sie in die Erde graben, und die beiden jungen Hunde saugten an ihrer Brust.
Aus den beiden Kindern wurden zwei schöne Bäume mit goldenen Blättern. Diese beiden Bäume verneigten sich immer vor dem König, und darum liess des Herrn Mutter die beiden Bäume abhauen, damit sie nicht dort wären. Sie sagte, sie sollten die beiden Bäume dort abhauen und Betten daraus machen. Doch der König sprach: »Wenn du ein Viertel des Königreichs dafür gäbst, ich scheide nicht von den beiden Bäumen!«
Doch die Königin sagte, sie stürbe, wenn er sie nicht abschlüge. Da sagte nun der König, sie sollten also Betten daraus machen. Im einen schlief er, im andern die Frau.
Ja, aber die beiden Betten sprachen nachts immerfort. Das eine sagte:
»Und trägst du schwer?«
Es sagte:
»Nein, denn ich halte meinen lieben Vater. Und trägst du schwer?«
»Ja, denn ich halte meine böse Grossmutter.«
Nun, die Betten wurden verbrannt, und aus den Brettern sprangen zwei Funken, und aus ihnen wurden zwei goldenfellige Lämmchen.
Und die alte Frau liess die auch abschlachten, denn sie sah, dass der junge König, ihr Sohn, sie auch sehr liebte. Und als die Lämmchen geschlachtet waren, schickte die alte Frau die Eingeweide durch zwei Mägde zum Fluss. Aber die Frau befahl den Mädchen, dass sie garnichts davon entschlüpfen lassen sollten, und wär’s auch nur soviel wie mein Finger. Doch die eine liess ein Stückchen Eingeweide, blos so viel wie mein Finger, entschlüpfen. Dann beschwor sie die andere, doch auch etwas entschlüpfen zu lassen; denn sie standen unter schwerem Verbot. Dann trug es der grosse Strom fort, dorthin wo der viele Kies trocken geblieben war, auf einen Schotter.
Und da waren sie nun, denn sie waren wieder zwei schöne, goldhaarige Kinder, nackt und bloss inmitten des Wassers. Und der Mond sah zur Nachtzeit, wie dort zwei goldene Kinder nackt spielten. Als der Mond heimkam, erzählte er seiner lieben Mutter, was er nachts gesehen. Und des Mondes liebe Mutter war bereit, sie zu bekleiden, wenn auch nur mit zwei Mützchen. Sie machte sie auch für alle beide. Des Mondes Mutter sprach zu ihrem Sohn:
»Ich habe sie gemacht, mein Sohn, doch dem grösseren gib das kleinere und dem kleineren das grössere; denn wenn sie Geschwister sind, werden sie sie austauschen.«
Und sie tauschten sie nachher auch aus, denn sie waren alle beide klug.
Und da sah die Sonne am Tage, dass dort zwei goldhaarige Kinder nackt herumliefen, nur mit einem Mützchen, und da sagte sie es ihrer Mutter, dass sie ihnen etwas anzuziehen mache. Und die Mutter machte ihnen zwei Hemden, eins grösser und eins kleiner und befahl ihrem Sohn, dass er dem kleineren das grössere gäbe und dem grösseren das kleinere, denn wenn sie Brüder wären, so würden sie sie austauschen.
Und der Wind fand sie aus, dass sie dort barfüssig herumspielten. Der Wind sagte es auch seiner Mutter, und die Windmutter machte ihnen kleine Pantoffeln, und dann wehte der Wind sie in ein Dorf, in eine Stadt. Und der Wind hatte sie just dahin geweht, in jene Stadt, wo ihr Vater just ein Gastmahl gab. Und dem König ward gemeldet, was für schöne kleine Kinder da seien, ob sie sie einlassen sollten. Und der König rief sie auch herein.
Sie gaben den Kindern beim Schmaus zu essen, und der König hiess sie neben sich setzen. Da sprach ihr Vater:
»Nun, Knaben, ihr müsst doch irgend was wissen, irgend eine Geschichte oder was sonst. Erzählt!«
»Gewiss, wir können eine Geschichte erzählen. Ein Mann hatte zwei Kinder, und sie hatten eine Stiefmutter. Und da sagte die Stiefmutter ihrem Mann, er solle die Kinder umbringen, denn sie hielt es nicht länger aus, usw., usw.
Sie erzählten dem König nur jene Geschichte. Und ihre liebe Mutter war bis zur Stunde auf immer und ewig mitten im Hofe bis zur Mitte des Leibes eingegraben gewesen, und die beiden jungen Hunde hatten immer an ihrer Brust gesaugt. Und als sie es sagten, sass des Königs Mutter auf neun Kissen, und eins nach dem andern rollte unter dem Sitz vor. Sie sagte immer:
»Sprich nicht, mein Sohn, sprich nicht!«
Doch ihr Vater sagte:
»Sprich, mein Sohn, sprich!«
Und sie erzählten es. Und dann wurde des Königs Hexenmutter an den Schweif eines Rosses gebunden, seine Gemahlin holten sie aus der Erde, und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie noch heute.

[Ungarn: Elisabet Róna-Sklarek: Ungarische Volksmärchen]

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