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Die zwei Groschen

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Zwei Gevatter, die zugleich auch Nachbarn waren und sich sehr gut miteinander vertrugen, saßen einmal beisammen und der eine sagte: »Jetzt möchte ich nur wissen, wovon wir weiter leben sollen! Wir haben doch rein gar nichts mehr. Du hast wenigstens noch ein Weib, aber ich habe nicht einmal eine Katze, nichts als vier leere Wände und ein Dach darüber, und auch das taugt nichts mehr.« Da meinte der andere: »Weißt du was, Bruder? Wir könnten es einmal versuchen, die Leute zu betrügen.« – »Ja, ja,« sagte der erste, »wenn ich nur wüßte, wie.« – Da kratzte sich der andere ein bischen den Kopf unter der Kappe und sagte dann: »Das kann doch nicht gar so schwer sein, da es so viele treffen. Ich meine, du gehst in den Wald, holst dir einen Sack Moos, und obenauf gibst du die Wolle aus deinem Polster; und ich hole mir einen Sack Galläpfel und gebe obenauf Nüsse. Damit gehen wir in die Stadt auf den Markt und verkaufen unsere Ware nur im Großen.« – Der Plan gefiel beiden immer besser, und so zogen sie denn wirklich am nächsten Markttag mit einem erborgten Pferd, auf das sie die Säcke geladen hatten, nach der Stadt. Das Marktviertel füllte sich und leerte sich wieder, aber bei den beiden fragte nicht einmal jemand an. Schon war Sonnenuntergang nahe und die Läden sollten geschlossen werden, da sagte der mit den Nüssen unmutig zu seinem Gefährten: »Du verstehst auch gar nichts vom Geschäft! Lasse uns tauschen und nimm du die Nüsse; ich werde die Wolle schon verkaufen.« – »Ist mir recht«, sagte der andere, »aber Wolle ist mehr wert, als Nüsse und du mußt mir zwei Groschen draufzahlen.« – »Gut, du sollst sie bekommen, sobald die Wolle verkauft ist.«
Kaum hatte er es gesagt, so kam ein Weißbart daher, erstand die Wolle und hieß den Bauer ihm den Sack nachtragen; er werde ihm daheim das Geld geben. Also, was soll man da lange hin und her erzählen, kurz: der Weißbart bemerkte es noch rechtzeitig, daß in dem Sacke nur Moos war, lief dem Bauer nach und brachte ihn vor den Kadi.1 Erst nach drei Tagen ließen sie ihn ohne Geld und ohne Sack laufen, und daheim bekam er von seinem Weib noch allerlei zu hören. Und da kam auch noch der Gevatter und verlangte von ihm die schuldigen zwei Groschen. »Woher soll ich sie nehmen?« fragte er. Der andere sagte: »Du hast versprochen mir die zwei Groschen zu geben, sobald du die Wolle verkauft hast. Die Wolle hast du verkauft, also gib mir die zwei Groschen.« – »Ich habe aber kein Geld bekommen!« jammerte der Schuldner. – »Du hast die Wolle doch verkauft und mußt mir also zwei Groschen geben.«
Tag für Tag kam nun der Gevatter und verlangte die zwei Groschen. Da sagte der Bedrängte: »Mach‘ was du willst, ich hab‘ sie nicht; aber wenn du willst, so will ich versuchen etwas zu stehlen, aber du mußt mir dabei helfen.« Der Gevatter war dazu bereit und der Schuldner meinte: »Sünde ist’s, den Bauer zu bestehlen; Kaufleute gibt es im Dorfe keine, also gehen wir zum Frater,2 der hat ohnehin alles umsonst.« – Und sie schlichen sich nachts zu des Pfarrers Keller, in dem ein großer Bottich mit Weizen stand. Jener Gevatter, welcher der Gläubiger war, machte den Aufpasser, und der andere war eben daran einen großen Sack mit dem schönen gelben Weizen anzufüllen. Da hörte er ein Geräusch, und aus Angst schlüpfte er schnell in den Sack hinein und blieb regungslos liegen. Der Aufpasser eilte herbei, um ihn zu warnen; als er ihn aber nicht mehr sah, glaubte er ihn schon davongelaufen, lud rasch den gefüllten Sack auf und rannte querfeldein nach Hause. Dabei liefen ihm die Hunde nach und zerrten an dem Sacke, so daß der, welcher drinnen war, eine Heidenangst bekam und schrie: »Heb‘ doch den Sack ein bissel höher, sonst bringen mich die Hunde um.« – Der Andere, welcher sich über den schönen Weizen im Sacke gefreut hatte, wurde nun zornig und ließ den Sack fallen, und da der im Sacke nicht gleich heraus konnte, fanden ihn die Leute des Fraters und prügelten ihn windelweich durch, so daß er fast auf allen Vieren heimkam.
Am nächsten Tage aber war schon wieder der Gevatter da und verlangte die zwei Groschen. Dem Weibe war das schon langweilig, und sie sagte zu ihrem Manne: »Daß dich der Donner …! Warum zahlst du ihn denn nicht?« – »Weil ichs nicht hab‘, du Weibskopf«, brummte er; »aber mir ist das viele Reden jetzt wirklich zuwider, und so will ich mich denn hinlegen und nicht mehr muksen. Und wenn der Gevatter kommt, so sage ihm, ich sei gestorben. Dann wird er mich wohl in Ruhe lassen.«
Als der Gevatter nun kam und wieder die zwei Groschen verlangte, sagte ihm das Weib: »Mein Mann kann dir nicht zahlen, er ist gestorben.« – Der Gevatter jedoch erwiderte: »Und wenn er auch gestorben ist, ich gehe nicht früher fort, als bis er mir die zwei Groschen gibt.« – Er setzte sich zu ihm, um die Totenwache zu halten, und dabei verlangte er fortwährend seine zwei Groschen.
Es kamen nun vier Männer, um den Toten zu Grabe zu tragen. Ihnen voraus ging der Pope3 und las dabei etwas aus einem Buche. Hinter der Tragbahre ging das wehklagende Weib und der Gevatter, der die zwei Groschen verlangte. Da wurde der Geistliche recht böse und schlug auf den Gevatter los. »Was«, schrie er, »der Tote soll dich zahlen?« – »Ja«, sagte der Gevatter, »früher gehe ich nicht weg von ihm.« Auf dem Wege war ein Kirchlein, in das der Pope den Toten hineintragen ließ. »Da soll er bis morgen bleiben«, sagte er, »und der Gevatter soll seine Sache mit ihm ausmachen; sonst ist er im Stande, noch am offenen Grabe seine zwei Groschen zu verlangen.«
Der Geistliche zündete die Ampel vor dem Altare an, dann gingen alle fort, und die beiden Gevatter blieben allein. Der eine lag auf der Bahre und schwieg, und der andere saß neben ihm und verlangte die zwei Groschen.
Da zog in der Nacht eine Räuberbande an dem Kirchlein vorüber. Ihr Anführer, der Harambascha, sah das Licht brennen und sagte zu seinen Gefährten: »Legt die Waffen ab und tretet ein! Wir wollen jeder einen Dukaten opfern und wieder einmal zu Gott beten.« – Sie taten so, und der Gevatter fand kaum Zeit, sich hinter den Altar zu flüchten. Nachdem die Räuber gebetet hatten, brachten sie ihre letzte Beute herbei, um sie zu teilen. Es war ein großer Haufen Dukaten und ein Handschar.4 Einer der Räuber sagte: »Ich möchte statt Geld lieber das Messer nehmen, wenn ich wüßte, daß es etwas taugt.« – »Du kannst es ja leicht an jenem Toten dort versuchen«, erwiderte man ihm. Als der auf der Bahre das hörte, sprang er auf und suchte auch hinter dem Altare Zuflucht. Das erschreckte die Räuber derart, daß sie alles liegen und stehen ließen und liefen, was sie laufen konnten. Nach einer Stunde blieb endlich der Harambascha stehen und meinte: »Jetzt möchte ich aber doch wissen, vor was wir eigentlich davongelaufen sind!«

Da sagte einer: »Ich will zurückgehen und schauen, wenn noch jemand mit mir geht.« – Es gingen also ihrer zwei nach dem Kirchlein zurück.
Dort hatten sich indessen die beiden Gevatter hinter dem Altare begrüßt und einander nach der Gesundheit befragt. Dann gingen sie daran das viele Geld, das die Räuber in der Kirche zurückgelassen hatten, zu teilen, und als sie damit fertig waren, verlangte der eine Gevatter von dem andern noch die zwei Groschen, die ihm dieser schuldig war. Darüber gerieten sie nun abermals in Streit und machten dabei einen solchen Lärm, daß ihn die Räuber bis hinaus hörten. Ganz entsetzt flohen sie zu den Ihren und meldeten: »Es wären der Gespenster so viele in der Kirche, daß von dem Haufen Dukaten auf jedes Gespenst nur zwei Groschen kämen.« Und die Bande lief weiter, ohne sich umzusehen. – Die beiden Gevatter aber gingen vergnügt miteinander heim, wobei der eine von dem andern immer die zwei Groschen verlangte. Und er würde sie noch heule verlangen, wenn der andere nicht einen Dukaten gewechselt und ihm die zwei Groschen endlich gegeben hätte. Falls sie noch leben, sind beide noch heute reiche Leute und gute Nachbarn.

Quelle:
[Bosnien: Milena Preindlsberger-Mrazovic: Bosnische Volksmärchen]

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