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Es waren ein König und eine Königin, die hatten sich lieb und waren fein miteinander wie die Engel im Himmel. Noch war es nicht lange her seit ihrer Hochzeit, da brach ein furchtbarer Krieg aus. Der König mußte Abschied nehmen von seiner lieben Gemahlin und dem Feind entgegenziehen.
Wie er nun im Feld stand, erhielt er eines Tages einen Brief von seiner Mutter, darin stand geschrieben, daß die junge Königin zwei Kinder bekommen habe, einen Prinzen und eine Prinzessin. Die Prinzessin trage einen goldenen Apfel in ihrer Hand, auf der Stirn des Prinzen aber funkle ein goldener Stern. Übrigens tue der König nicht gut und gescheit, wenn er diese zwei Kinder als die seinigen aufnehme.
Der König merkte nicht die Bosheit seiner Mutter, die der jungen Königin spinnefeind war und deswegen Zwietracht zu säen suchte zwischen ihr und ihrem Mann. Feuerrot vor Zorn legte er den Brief beiseite und schrieb seiner Mutter zurück, man solle die zwei Kinder beiseite schaffen und die Königin in den Turm werfen.
Die Alte tat, wie ihr der König befohlen hatte, und ließ die arme Königin in das Gefängnis werfen. Die Kinder aber wurden in ein hölzernes Kästchen geschlossen und nachts in den Bach geworfen. Das Kästchen schwamm auf dem Bach dahin und wurde von den Wassern weit, weit fortgetragen. Endlich kam es an eine Mühle.
Da es den Gang der Räder hemmte, kam der Müller, um nachzusehen, was denn dahinterstecke, daß die Mühle nicht mehr gehen wolle. Er fand das Kästchen und nahm es aus dem Wasser, und die Räder fingen wieder an zu rasseln und zu patschen. Der Müller aber war wie vom Himmel gefallen, als er das Kästchen geöffnet hatte und die beiden Kinder erblickte. Weil er ein gutherziger Mann war, faßte er schnell den Entschluß, die armen »Höselen« bei sich zu behalten und mit seinen eigenen Kindern aufzuziehen.
Die Kinder des Müllers hatten anfangs ihre Freude an den beiden Findlingen, und es war Ruhe und Frieden im Hause. Es kam aber eine Zeit, wo des Müllers Kinder den beiden Königskindern vorhielten, daß sie eigentlich nicht hierhergehörten und bloß gefundene, nicht aber rechte Kinder des Müllers seien.
Das tat den beiden Geschwistern weh bis tief in die Seele hinein, und als sie beiläufig ins zwanzigste Jahr gingen, beschlossen sie sich aufzumachen und in der weiten Welt ihre rechten Eltern zu suchen.
Der Müller, der seine lieben Pflegekinder ungern von sich ließ, mochte sagen, was er wollte, sie ließen sich nimmer aufhalten. Er gab ihnen einen Zehrpfennig und manche gute Lehre auf die Reise, und die beiden Königskinder traten wohlgemut ihre Wanderung an.
Sie gingen den ganzen lieben Tag in einem fort und dachten weder ans Müdewerden noch ans Essen und Trinken. Ums Dunkelwerden kamen sie an ein einsames Wirtshaus, und in diesem blieben sie über Nacht. Der Wirt war ein freundlicher Mann und fragte sie um dies und das, woher sie kämen und wohin sie gingen, und zeigte die aufrichtigste Teilnahme an ihrem Schicksal. Sie vertrauten ihm auch alles an, was auf ihrem Herzen lag, und erzählten ihm, daß sie ausgegangen seien, um Vater und Mutter zu suchen. Der Wirt, dem ihr Schicksal zu Herzen ging, gab ihnen ein Pferd und einiges Geld mit auf die Reise.
Am anderen Tag machten sie sich wieder auf, und ihr Weg führte sie nun in einen dichten, finsteren Wald. Da gingen sie eine Weile fort, bis sie zu einem wunderschönen Palast kamen. In diesen gingen sie hinein, fanden aber darin zu ihrem Erstaunen keine Menschenseele. Aber Lebensmittel gab es da in Hülle und Fülle. Im Stadel lag auch reichliches Futter fürs Pferd, und da ihnen hier gar nichts abging, so beschlossen sie, einstweilen in dem Schloß zu bleiben.
Der Wald, in dem das Schloß stand, gehörte zum königlichen Forst, und der König, der unterdessen wieder vom Krieg heimgekehrt war, schickte einstmals seine Jäger aus, um ein köstliches Stück Wildbret zu erjagen. Die Jäger ritten lange Zeit im Wald umher, konnten aber kein einziges Stücklein auftreiben. Sie blasen in das Horn, der Jüngling schaut zum Fenster des Schlosses heraus und wird von einem Jäger gesehen. Der hat gewiß ein Stück Wild, dachte sich der Jäger und ging hinauf in das Schloß. Er erzählte dem Jüngling, daß er in königlichen Diensten sei, und ließ auch sonst manches Wörtlein fallen über den königlichen Hof. Der Jüngling gab dem Jäger den Auftrag, den König in seinem Namen zu einer Mahlzeit einzuladen.
Der Jäger richtete seinen Auftrag getreu aus, und in einigen Tagen ging der König hinaus in das Schloß im Wald, um bei den unbekannten Fremdlingen zu Gast zu sein. Er wurde freundlich empfangen und aufs herrlichste bewirtet. Beim Essen ging die Rede über dies und jenes, und endlich lud auch der König seine freundlichen Nachbarn in sein Schloß zu einem Mahl ein. Sie sagten ohne Weigern zu, und der König ging nach Hause.
Die böse Schwiegermutter hörte auch von den beiden Geschwistern, die im Wald hausten und von ihrem Sohn zur Tafel geladen waren. Da regte sich ihr böses Gewissen und sagte ihr: »Holla, das könnten die zwei Kinder sein, die auf dein Anstiften in den Bach geworfen worden sind!«
Es war ihr angst und bange bei der Sache, und sie ging zu einer Hexe, um sich Rat zu holen. Die Hexe redete ihr die Flausen aus und sagte: »Laß du nur mich machen!«
Eines Abends geht die Hexe hinaus in den Wald, klopft an die Tür des Palastes und bittet um Einlaß: »Husch, husch, ist mir kalt; darf ich mich nicht ein bißchen erwärmen?«
Die Königskinder vergönnen ihr das gerne und lassen sie augenblicklich herein. Sie hockt sich an das Feuer und lobt den Kindern in einem fort die Schönheit ihres Palastes vor und wie er so herrlich gelegen sei und wie sie es da so fein hätten und ohne Kummer und Sorge leben könnten. »Grad etwas solltet ihr noch haben«, fügte sie endlich bei, »einen Sonnenbaum, der recht schimmert und leuchtet.«
Sie munterte dann den Jüngling auf, diesen zu suchen, und zeigte ihm auch die Gegend, wo er zu bekommen sei. Sie tat aber das in der bösen Absicht, den Jüngling in eine Wildnis hinauszulocken, wo er von giftigen Schlangen umkommen sollte.
Sosehr sich der Jüngling den strahlenden Sonnenbaum wünschte, so konnte er sich doch nur hart entschließen, ihn zu holen. Es kam ihm immer vor, als ob da nichts Rechtes dahinter wäre. Auch die Schwester konnte es fast nicht über ihr Herz bringen, von ihm Abschied zu nehmen, obwohl sie sich immer dachte, er ist ja nur einen Tag aus, und wenn die Sonne heimgegangen ist, kommt er ja wieder zurück mit dem schönen, glitzernden Sonnenbaum.
Der Jüngling konnte sich aber doch nicht halten, und eines Morgens sagte er zu seiner Schwester: »Heute werde ich ausziehen, den Sonnenbaum zu suchen. Laß uns die ganze Sache dem Himmelvater anheimstellen, er wird uns nicht verlassen.«
Sie mündeten dann zwei Lichter an, und wenn eines von diesen auslöschen würde, so sollte das der Schwester als Zeichen gelten, daß dem Bruder etwas widerfahren sei und daß er nimmermehr zurückkehre. Solange aber die Kerzen brannten, sollte sie immer noch gute Hoffnung haben, wenn es auch schon finstere Nacht wäre.
Der Bruder begab sich nun auf den Weg und wanderte durch einen schauerlichen Wald dem Ort zu, wo nach der Beschreibung der Hexe der Sonnenbaum stehen sollte. Als er seinem Ziel nahe kam, hörte er hinter sich die Stimme eines großmächtigen Wurms, der ihm zurief: »Geh nit hin! Du bist hin. Geh dort hin!« Der Jüngling folgt der Stimme des Wurms und geht nach jener Seite hin, die er ihm angezeigt hatte. Es war schon tiefe Nacht, da sah er vor sich etwas leuchten und strahlen, daß er den Glanz fast nicht aushalten konnte – und das war der Sonnenbaum.
Die Schwester wartete voll Sehnsucht auf ihren Bruder, allein je tiefere Nacht es wurde, desto mehr sank ihre Hoffnung. Nur die beiden Kerzen, an denen immer noch helle Lichter brannten, waren ihr noch zum Trost. Jeden Augenblick schaute sie auf die Lichter, ob sie wohl noch brannten, und dann wieder zum Fenster hinaus nach der Gegend hin, nach der ihr Bruder gezogen war. Endlich in später Nacht sah sie in der Ferne einen Glanz, der immer näher und näher zum Schloß kam und immer heller und heller leuchtete. Bald erkannte sie, daß dieses der Sonnenbaum war, und aller Kummer war vergessen. Als der Bruder endlich mit dem Sonnenbaum, der ihm den Weg erleuchtet hatte, herankam, glaubten die beiden Geschwister fast, es müsse ihnen das Herz zerspringen vor Freude.
Die Zeit verging in Heiterkeit und Ruhe, und bald kam der Tag, an dem die beiden Königskinder zu Hofe geladen waren. Beiden kam in den Sinn, daß der König ihr Vater sein könnte, und weil sie sich diesen Gedanken um alles in der Welt nicht aus dem Kopf bringen konnten, so dachten sie an ein Mittel, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Sie machten miteinander aus, bei der königlichen Tafel weder zu essen noch zu trinken, bevor alle gegenwärtig wären, die zum königlichen Haus gehörten.
Mit diesem Entschluß machten sie sich auf und kamen an den Hof. Der König empfing sie gar freundlich und führte sie in einen herrlichen Saal, wo eine mit den köstlichsten Speisen besetzte Tafel stand. Weil nun die Gäste da waren, setzten sich alle Anwesenden zu Tisch, und man forderte die beiden auf, sich zu laben an Speise und Trank. Aber eines weigerte sich wie das andere, früher zu essen, bevor alle Mitglieder des königlichen Hauses da wären. Man schickte nun nach der alten Mutter des Königs, die zuerst draußen geblieben war. Allein die zwei Gäste wollten noch nicht essen, denn »noch seien nicht alle da«.
Den Gästen zuliebe entschloß sich endlich der König, auch seine seit vielen Jahren eingesperrte Gemahlin vorführen zu lassen. Man mußte eine Zeitlang warten, bis endlich die Königin in erbärmlicher Gestalt in den Saal hereinwankte. Kaum hatte sie sich zur Tafel gesetzt, so setzte sich die eingeladene Königstochter an ihre Seite, der Königssohn aber setzte sich an die Seite des Königs. Bruder und Schwester nahmen nun ihr Glas und tranken auf das Wohl von Vater und Mutter.
Dem König wurde es ganz schwarz vor den Augen, er wußte anfangs nicht, was das bedeuten sollte und was da zu machen sei. Dann ließ er seine Räte kommen und alle Türen verriegeln. Es wurden nun alle Bücher und Schriften durchwühlt, und alles wurde offenbar, was der König und die zwei Geschwister zu wissen wünschten. Man fand, daß die beiden Gäste des Königs Kinder seien und daß die Königin unverschuldet von der bösen Schwiegermutter angeschwärzt worden war. Darum wurde die Königin wieder von ihrem Gemahl in Liebe und Gnaden aufgenommen, die böse Schwiegermutter aber samt der falschen Hexe hingerichtet.
Der Müller, der die beiden Kinder in seinem Haus erzogen, und der Wirt, der ihnen Geld und Pferd gegeben hatte, wurden reichlich beschenkt. Der Palast im Wald verschwand, und am königlichen Hof war nun wieder Freude und Friede wie ehedem.
Wie er nun im Feld stand, erhielt er eines Tages einen Brief von seiner Mutter, darin stand geschrieben, daß die junge Königin zwei Kinder bekommen habe, einen Prinzen und eine Prinzessin. Die Prinzessin trage einen goldenen Apfel in ihrer Hand, auf der Stirn des Prinzen aber funkle ein goldener Stern. Übrigens tue der König nicht gut und gescheit, wenn er diese zwei Kinder als die seinigen aufnehme.
Der König merkte nicht die Bosheit seiner Mutter, die der jungen Königin spinnefeind war und deswegen Zwietracht zu säen suchte zwischen ihr und ihrem Mann. Feuerrot vor Zorn legte er den Brief beiseite und schrieb seiner Mutter zurück, man solle die zwei Kinder beiseite schaffen und die Königin in den Turm werfen.
Die Alte tat, wie ihr der König befohlen hatte, und ließ die arme Königin in das Gefängnis werfen. Die Kinder aber wurden in ein hölzernes Kästchen geschlossen und nachts in den Bach geworfen. Das Kästchen schwamm auf dem Bach dahin und wurde von den Wassern weit, weit fortgetragen. Endlich kam es an eine Mühle.
Da es den Gang der Räder hemmte, kam der Müller, um nachzusehen, was denn dahinterstecke, daß die Mühle nicht mehr gehen wolle. Er fand das Kästchen und nahm es aus dem Wasser, und die Räder fingen wieder an zu rasseln und zu patschen. Der Müller aber war wie vom Himmel gefallen, als er das Kästchen geöffnet hatte und die beiden Kinder erblickte. Weil er ein gutherziger Mann war, faßte er schnell den Entschluß, die armen »Höselen« bei sich zu behalten und mit seinen eigenen Kindern aufzuziehen.
Die Kinder des Müllers hatten anfangs ihre Freude an den beiden Findlingen, und es war Ruhe und Frieden im Hause. Es kam aber eine Zeit, wo des Müllers Kinder den beiden Königskindern vorhielten, daß sie eigentlich nicht hierhergehörten und bloß gefundene, nicht aber rechte Kinder des Müllers seien.
Das tat den beiden Geschwistern weh bis tief in die Seele hinein, und als sie beiläufig ins zwanzigste Jahr gingen, beschlossen sie sich aufzumachen und in der weiten Welt ihre rechten Eltern zu suchen.
Der Müller, der seine lieben Pflegekinder ungern von sich ließ, mochte sagen, was er wollte, sie ließen sich nimmer aufhalten. Er gab ihnen einen Zehrpfennig und manche gute Lehre auf die Reise, und die beiden Königskinder traten wohlgemut ihre Wanderung an.
Sie gingen den ganzen lieben Tag in einem fort und dachten weder ans Müdewerden noch ans Essen und Trinken. Ums Dunkelwerden kamen sie an ein einsames Wirtshaus, und in diesem blieben sie über Nacht. Der Wirt war ein freundlicher Mann und fragte sie um dies und das, woher sie kämen und wohin sie gingen, und zeigte die aufrichtigste Teilnahme an ihrem Schicksal. Sie vertrauten ihm auch alles an, was auf ihrem Herzen lag, und erzählten ihm, daß sie ausgegangen seien, um Vater und Mutter zu suchen. Der Wirt, dem ihr Schicksal zu Herzen ging, gab ihnen ein Pferd und einiges Geld mit auf die Reise.
Am anderen Tag machten sie sich wieder auf, und ihr Weg führte sie nun in einen dichten, finsteren Wald. Da gingen sie eine Weile fort, bis sie zu einem wunderschönen Palast kamen. In diesen gingen sie hinein, fanden aber darin zu ihrem Erstaunen keine Menschenseele. Aber Lebensmittel gab es da in Hülle und Fülle. Im Stadel lag auch reichliches Futter fürs Pferd, und da ihnen hier gar nichts abging, so beschlossen sie, einstweilen in dem Schloß zu bleiben.
Der Wald, in dem das Schloß stand, gehörte zum königlichen Forst, und der König, der unterdessen wieder vom Krieg heimgekehrt war, schickte einstmals seine Jäger aus, um ein köstliches Stück Wildbret zu erjagen. Die Jäger ritten lange Zeit im Wald umher, konnten aber kein einziges Stücklein auftreiben. Sie blasen in das Horn, der Jüngling schaut zum Fenster des Schlosses heraus und wird von einem Jäger gesehen. Der hat gewiß ein Stück Wild, dachte sich der Jäger und ging hinauf in das Schloß. Er erzählte dem Jüngling, daß er in königlichen Diensten sei, und ließ auch sonst manches Wörtlein fallen über den königlichen Hof. Der Jüngling gab dem Jäger den Auftrag, den König in seinem Namen zu einer Mahlzeit einzuladen.
Der Jäger richtete seinen Auftrag getreu aus, und in einigen Tagen ging der König hinaus in das Schloß im Wald, um bei den unbekannten Fremdlingen zu Gast zu sein. Er wurde freundlich empfangen und aufs herrlichste bewirtet. Beim Essen ging die Rede über dies und jenes, und endlich lud auch der König seine freundlichen Nachbarn in sein Schloß zu einem Mahl ein. Sie sagten ohne Weigern zu, und der König ging nach Hause.
Die böse Schwiegermutter hörte auch von den beiden Geschwistern, die im Wald hausten und von ihrem Sohn zur Tafel geladen waren. Da regte sich ihr böses Gewissen und sagte ihr: »Holla, das könnten die zwei Kinder sein, die auf dein Anstiften in den Bach geworfen worden sind!«
Es war ihr angst und bange bei der Sache, und sie ging zu einer Hexe, um sich Rat zu holen. Die Hexe redete ihr die Flausen aus und sagte: »Laß du nur mich machen!«
Eines Abends geht die Hexe hinaus in den Wald, klopft an die Tür des Palastes und bittet um Einlaß: »Husch, husch, ist mir kalt; darf ich mich nicht ein bißchen erwärmen?«
Die Königskinder vergönnen ihr das gerne und lassen sie augenblicklich herein. Sie hockt sich an das Feuer und lobt den Kindern in einem fort die Schönheit ihres Palastes vor und wie er so herrlich gelegen sei und wie sie es da so fein hätten und ohne Kummer und Sorge leben könnten. »Grad etwas solltet ihr noch haben«, fügte sie endlich bei, »einen Sonnenbaum, der recht schimmert und leuchtet.«
Sie munterte dann den Jüngling auf, diesen zu suchen, und zeigte ihm auch die Gegend, wo er zu bekommen sei. Sie tat aber das in der bösen Absicht, den Jüngling in eine Wildnis hinauszulocken, wo er von giftigen Schlangen umkommen sollte.
Sosehr sich der Jüngling den strahlenden Sonnenbaum wünschte, so konnte er sich doch nur hart entschließen, ihn zu holen. Es kam ihm immer vor, als ob da nichts Rechtes dahinter wäre. Auch die Schwester konnte es fast nicht über ihr Herz bringen, von ihm Abschied zu nehmen, obwohl sie sich immer dachte, er ist ja nur einen Tag aus, und wenn die Sonne heimgegangen ist, kommt er ja wieder zurück mit dem schönen, glitzernden Sonnenbaum.
Der Jüngling konnte sich aber doch nicht halten, und eines Morgens sagte er zu seiner Schwester: »Heute werde ich ausziehen, den Sonnenbaum zu suchen. Laß uns die ganze Sache dem Himmelvater anheimstellen, er wird uns nicht verlassen.«
Sie mündeten dann zwei Lichter an, und wenn eines von diesen auslöschen würde, so sollte das der Schwester als Zeichen gelten, daß dem Bruder etwas widerfahren sei und daß er nimmermehr zurückkehre. Solange aber die Kerzen brannten, sollte sie immer noch gute Hoffnung haben, wenn es auch schon finstere Nacht wäre.
Der Bruder begab sich nun auf den Weg und wanderte durch einen schauerlichen Wald dem Ort zu, wo nach der Beschreibung der Hexe der Sonnenbaum stehen sollte. Als er seinem Ziel nahe kam, hörte er hinter sich die Stimme eines großmächtigen Wurms, der ihm zurief: »Geh nit hin! Du bist hin. Geh dort hin!« Der Jüngling folgt der Stimme des Wurms und geht nach jener Seite hin, die er ihm angezeigt hatte. Es war schon tiefe Nacht, da sah er vor sich etwas leuchten und strahlen, daß er den Glanz fast nicht aushalten konnte – und das war der Sonnenbaum.
Die Schwester wartete voll Sehnsucht auf ihren Bruder, allein je tiefere Nacht es wurde, desto mehr sank ihre Hoffnung. Nur die beiden Kerzen, an denen immer noch helle Lichter brannten, waren ihr noch zum Trost. Jeden Augenblick schaute sie auf die Lichter, ob sie wohl noch brannten, und dann wieder zum Fenster hinaus nach der Gegend hin, nach der ihr Bruder gezogen war. Endlich in später Nacht sah sie in der Ferne einen Glanz, der immer näher und näher zum Schloß kam und immer heller und heller leuchtete. Bald erkannte sie, daß dieses der Sonnenbaum war, und aller Kummer war vergessen. Als der Bruder endlich mit dem Sonnenbaum, der ihm den Weg erleuchtet hatte, herankam, glaubten die beiden Geschwister fast, es müsse ihnen das Herz zerspringen vor Freude.
Die Zeit verging in Heiterkeit und Ruhe, und bald kam der Tag, an dem die beiden Königskinder zu Hofe geladen waren. Beiden kam in den Sinn, daß der König ihr Vater sein könnte, und weil sie sich diesen Gedanken um alles in der Welt nicht aus dem Kopf bringen konnten, so dachten sie an ein Mittel, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Sie machten miteinander aus, bei der königlichen Tafel weder zu essen noch zu trinken, bevor alle gegenwärtig wären, die zum königlichen Haus gehörten.
Mit diesem Entschluß machten sie sich auf und kamen an den Hof. Der König empfing sie gar freundlich und führte sie in einen herrlichen Saal, wo eine mit den köstlichsten Speisen besetzte Tafel stand. Weil nun die Gäste da waren, setzten sich alle Anwesenden zu Tisch, und man forderte die beiden auf, sich zu laben an Speise und Trank. Aber eines weigerte sich wie das andere, früher zu essen, bevor alle Mitglieder des königlichen Hauses da wären. Man schickte nun nach der alten Mutter des Königs, die zuerst draußen geblieben war. Allein die zwei Gäste wollten noch nicht essen, denn »noch seien nicht alle da«.
Den Gästen zuliebe entschloß sich endlich der König, auch seine seit vielen Jahren eingesperrte Gemahlin vorführen zu lassen. Man mußte eine Zeitlang warten, bis endlich die Königin in erbärmlicher Gestalt in den Saal hereinwankte. Kaum hatte sie sich zur Tafel gesetzt, so setzte sich die eingeladene Königstochter an ihre Seite, der Königssohn aber setzte sich an die Seite des Königs. Bruder und Schwester nahmen nun ihr Glas und tranken auf das Wohl von Vater und Mutter.
Dem König wurde es ganz schwarz vor den Augen, er wußte anfangs nicht, was das bedeuten sollte und was da zu machen sei. Dann ließ er seine Räte kommen und alle Türen verriegeln. Es wurden nun alle Bücher und Schriften durchwühlt, und alles wurde offenbar, was der König und die zwei Geschwister zu wissen wünschten. Man fand, daß die beiden Gäste des Königs Kinder seien und daß die Königin unverschuldet von der bösen Schwiegermutter angeschwärzt worden war. Darum wurde die Königin wieder von ihrem Gemahl in Liebe und Gnaden aufgenommen, die böse Schwiegermutter aber samt der falschen Hexe hingerichtet.
Der Müller, der die beiden Kinder in seinem Haus erzogen, und der Wirt, der ihnen Geld und Pferd gegeben hatte, wurden reichlich beschenkt. Der Palast im Wald verschwand, und am königlichen Hof war nun wieder Freude und Friede wie ehedem.
(mündlich aus dem Oberinntal)
[Österreich: Ignaz und Joseph Zingerle: Kinder und Hausmärchen aus Süddeutschland]