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Märchenbasar

Drei kostbare Dinge

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Es waren einmal zwei Könige, die lebten mit einander in aller Freundschaft des Leibes und der Seele; der eine hatte drei Söhne, der andre eine Tochter. Die beiden Väter hatten mit einander die Verabredung getroffen, daß wenn der Eine stürbe der Andre dessen Waisen unter seinen Schutz nähme, und wenn dann vielleicht einer von den drei Söhnen das Mädchen zur Frau nähme, er auch deren Habe erbte. Nicht lange darauf starb der Vater des Mädchens, und sie zog hinüber zu ihrem Pflegevater da zu wohnen.
Kurze Zeit nachher kam der älteste Sohn und bat ihn um die Hand des Mädchens, und versicherte, wenn sie ihm verweigert würde, so würde er sich das Leben nehmen. Der Vater versprach ihm über drei Wochen Antwort. Nach Verlauf einer Woche hielt der zweite Sohn um die Hand des Mädchens an, und wie’s schien hatte er auch große Lust sich zu tödten, wenn er sie nicht bekäme; diesem versprach er den Bescheid in vierzehn Tagen. Als die zweite Woche zu Ende war, bat sich auch der Jüngste das Mädchen aus, und der Vater bestimmte ihm eine Woche die Antwort abzuwarten. Der Tag kam heran, welcher allen Dreien die Entscheidung bringen sollte, und nun redete ihr Vater folgendermaßen zu ihnen: »Meine Söhne! Ihr liebt das Mädchen alle Drei, aber ihr wißt recht gut, daß nur Einer sie haben kann; ich gebe darum das Mädchen dem, der sich ihrer am würdigsten zeigt, macht euch also auf die Welt zu durchreisen auf welchem Wege es euch gefällt, heute über ein Jahr kommt wieder hieher; wer von seiner Reise die merkwürdigsten Dinge mitbringt, der soll das Mädchen haben.«
Damit beruhigten sich die Söhne und machten sich auf den Weg, in dem nahegelegenen Walde unter einer großen Eiche machten sie dann Halt. Hier theilte sich der Weg nach drei Seiten: Der Aelteste wählte den Abend, die Mittagsseite der Zweite, der Dritte aber ging nach Morgen. Sie schieden mit dem Versprechen, über ein Jahr auf denselben Tag alle hier wieder zusammenzukommen und dann gemeinschaftlich nach Hause zu ziehen.
Der Aelteste nahm Alles in Augenschein was ihm auf der Reise Merkwürdiges aufstieß, und scheute keine Mühe etwas Ausgezeichnetes ausfindig zu machen. Nach vielen Kreuzundquerzügen schaffte er sich zuletzt ein Fernrohr an mit dem man bis ans Ende der Welt sehen konnte, das wollte er seinem Vater als Merkwürdigkeit mitbringen. Auch der Zweite wandte allen Fleiß an, so merkwürdige Dinge zu erwerben durch die ihm der Sieg gewiß wäre; nach vielem Suchen fand er einen Mantel; wenn man sich in den gehüllt hatte, brauchte man sich nur an einen beliebigen Ort zu denken so war man dort. Der Jüngste erstand nach langem Umherirren eine Pomeranze von der Eigenschaft, daß sie einen Todten, wenn es noch nicht vierundzwanzig Stunden seit seinem Tode her war, wieder ins Leben zurückrief, sobald sie ihm einer unter die Nase hielt. Das waren die Merkwürdigkeiten welche die Drei nach Hause brachten.
Weil nun auch das Jahr zu Ende ging, so waren der Aelteste und der Jüngste schon auf dem Wege zu der verabredeten Eiche, nur der Mittelste hielt sich noch hier und dort auf, weil für ihn eine Minute schon genug war ihn an den bestimmten Ort zu bringen. Als nun die Beiden bereits unter dem genannten Eichbaum angekommen waren und gleich darauf auch der Dritte, so zeigten sie einander die erworbenen Gegenstände; zuerst untersuchten sie das Fernrohr, und sahen darin zu ihrem großen Schrecken, daß die Jungfrau, um derentwillen sie ein Jahr lang sich gequält hatten, todt lag. Schnell hüllten sich alle Drei in den Mantel und wurden schnell wie ein Gedanke heimgetragen. Der Vater erzählte ihnen unter Wehklagen wie das Mädchen nun Keinem von ihnen angehören könnte, weil sie gestorben wäre. Sie fragten »wann?« und da die vierundzwanzig Stunden noch nicht ganz abgelaufen waren, trat der Jüngste schnell an sie heran und rief die schon gestorbene Jungfrau mit Hülfe seines Zauberapfels wieder ins Leben zurück.
Jetzt entstand unter den drei Jünglingen wieder Streit und Zwietracht; der Aelteste schrieb sich das größte Verdienst zu, denn er sagte so: wenn er sie nicht mit dem Fernrohr gesehen hätte, so hätten sie noch wer weiß wie lange unter dem Baume gesessen, dann wäre die Hülfe der Orange zu spät gekommen. Der Zweite sagte: wenn er nicht mit seinem Mantel sich und seine Brüder so schnell heimgebracht hätte, so würde die Pomeranze wieder nichts haben helfen können. Der Dritte dagegen nahm den Ruhm der Auferweckung des Mädchens für sich in Anspruch und somit das größte Verdienst. Also wurden die Weisen und Alten des Königreichs zusammenberufen, und diese sprachen das Mädchen dem Jüngsten zu. Dabei beruhigten sich endlich alle Drei und vergaßen ihre Todtschlagspläne; der Aelteste erkuckte sich mit seinem Sehrohr die schönste Prinzessin und heirathete sie. Der Zweite vernahm gleichergestalt den schönheit- und tugendreichen Ruf einer andern, dachte sich mit seinem Mantel hin, und so führten sie alle Drei ihre erworbenen Frauen zufrieden heim, und waren so glücklich mit ihnen wie’s Menschen überhaupt sein können.

[Europa: Ungarn. Märchen der Welt ]

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