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Drei Zitronen

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Es waren einmal drei Brüder, die hatten ihre Eltern verloren, und weil diese gar nichts hinterlassen hatten, wovon die Söhne hätten leben können, mußten sie in die Welt hinaus und ihr Glück versuchen. Die zwei Ältesten rüsteten sich aus, so gut sie konnten, aber den Jüngsten, den sie Ofenmichel nannten, weil er immer hinter dem Ofen saß und Kienspäne schnitzte, den wollten sie nicht mithaben. Sie zogen im Morgengrauen aus; aber so sehr sie sich eilten, so war doch Ofenmichel ebenso zeitig am Königshof wie sie. Als sie hinkamen, baten sie um einen Dienst. Der König sagte, er habe eigentlich keine Arbeit für sie zu tun, aber weil sie so arm seien, wolle er ihnen doch etwas zu schaffen geben, es werde wohl immer irgend etwas zu tun sein in einem so großen Anwesen; sie könnten ja Nägel in die Wand schlagen, und wenn sie damit fertig wären, so könnten sie sie wieder herausziehen. Als sie damit fertig waren, sollten sie Holz und Wasser in die Küche tragen. Der Ofenmichel hatte am schnellsten seine Nägel in die Wand geschlagen und am schnellsten wieder herausgezogen, und Holz und Wasser hatte er auch flink getragen. Deshalb wurden die Brüder neidisch auf ihn und sagten, er habe behauptet, er könne dem König die schönste Prinzessin von zwölf Königreichen verschaffen, denn dem König war seine Frau gestorben, und er war Witwer. Als der König das zu Ohren bekam, sagte er zum Ofenmichel, er solle tun, was er gesagt habe, sonst würde er auf den Block gelegt und ihm der Kopf abgeschlagen.
Ofenmichel sagte, er habe das weder gesagt noch gedacht, aber da der König so streng sei, wolle er es probieren. Also nahm er einen Ranzen voll Proviant mit und zog davon. Aber er war noch nicht weit in den Wald hineingekommen, als er Hunger bekam und den Mundvorrat versuchen wollte, den sie ihm im Königsschloß mitgegeben hatten. Als er sich in Ruhe und Behaglichkeit unter einer Tanne am Rand des Weges niedergelassen hatte, kam eine alte Frau dahergehinkt und fragte, was er in seinem Rucksack habe. »Fleisch und Speck, Großmutter«, sagte der Bursche, »wenn du hungrig bist, so komm und halte mit!« Sie dankte und stillte ihren Hunger und sagte, sie würde ihm schon einen Gegendienst erweisen, und damit hinkte sie wieder in den Wald hinein. Als Ofenmichel ordentlich satt war, nahm er den Rucksack wieder auf den Buckel und ging weiter; aber er war noch nicht weit gegangen, da fand er eine Pfeife. Das wäre nett, wenn er die hätte und sich unterwegs eins pfeifen könnte, dachte er bei sich, und es dauerte auch gar nicht lange, so hatte er schon einen Ton herausgebracht. Aber da wimmelte es auf einmal von Zwergen, und die fragten alle zusammen: »Was hat mein Herr für Befehle? Was hat der Herr für Befehle?« Ofenmichel sagte, er wisse nichts davon, daß er ihr Herr sei, aber wenn er etwas befehlen solle, so möchten sie ihm die schönste Prinzessin von zwölf Königreichen herbeischaffen. Das sei keine besondere Sache, sagten die Zwerge; sie wüßten wohl, wo sie sei, und den Weg könnten sie ihm zeigen, dann könne er hingehen und sie selbst mitnehmen, denn sie anzurühren hätten die Zwerge keine Macht. Sie zeigten ihm den Weg, und er kam gut und rasch hin; es gab niemanden, der ihm irgendwie in die Quere kam. Es war ein Trollschloß da, und darin saßen drei schöne Prinzessinnen; aber als Ofenmichel hereinkam, wurden sie ganz närrisch und rannten durcheinander wie verängstigte Lämmer, und schließlich wurden sie zu drei Zitronen, die auf dem Fensterbrett lagen. Ofenmichel war ganz verzweifelt und unglücklich darüber, daß er sich gar nicht zu helfen wußte. Aber als er sich ein bißchen bedacht hatte, nahm er die drei Zitronen und steckte sie in die Tasche; er dachte, er würde wohl froh darum sein, wenn er auf der Reise Durst bekäme, denn er hatte gehört, daß Zitronen sauer seien.
Als er ein Stück Wegs gegangen war, wurde ihm sehr heiß, und er bekam Durst; Wasser war nirgends zu finden, und er wußte nicht, was er anstellen sollte, um sich zu erfrischen. Da fielen ihm die Zitronen ein, und er nahm eine und biß hinein. Aber darin saß die Prinzessin, bis an die Arme sichtbar, und rief: »Wasser! Wasser!« Wenn sie kein Wasser bekäme, müsse sie sterben, sagte sie. Der Bursche rannte überall herum und suchte nach Wasser, als ob er rein von Sinnen wäre; aber Wasser war keines da und keines zu finden, und als er wieder hinkam, war sie tot.
Als er noch eine Weile gegangen war, wurde er noch viel durstiger, und weil er nichts fand, womit er sich hätte erfrischen können, nahm er die andere Zitrone und biß hinein. Da schaute auch eine Prinzessin bis an die Schultern heraus, und die war noch viel schöner als die erste. Sie schrie nach Wasser und sagte, wenn sie kein Wasser bekäme, so müsse sie auf der Stelle sterben. Ofenmichel rannte herum und suchte unter Stein und Moos, aber er fand kein Wasser, und so starb auch diese Prinzessin.
Dem Ofenmichel kam es immer schlimmer vor, und es war auch so, denn je länger er ging, um so heißer wurde es. Die Gegend war so dürr und ausgetrocknet, daß kein Tröpfchen Wasser aufzutreiben war, und er war halbtot vor Durst. Lange wollte er die letzte Zitrone nicht anbeißen, aber schließlich blieb ihm nichts anderes übrig. Als er hineingebissen hatte, schaute auch eine Prinzessin heraus; sie war die Schönste in zwölf Königreichen, und sie schrie, wenn sie kein Wasser bekäme, müsse sie auf der Stelle sterben. Ofenmichel rannte und suchte nach Wasser, und diesmal traf er den Müller des Königs, der zeigte ihm den Weg zum Mühlenteich. Als er mit ihr zu dem Teich kam und ihr Wasser gegeben hatte, kam sie ganz aus der Zitrone heraus und hatte gar nichts an. Ofenmichel mußte ihr seinen Kittel geben, und sie zog ihn an und versteckte sich in einem Baum, während er ins Schloß gehen sollte und Kleider für sie holen und dem König erzählen, daß er sie gefunden hätte, und wie das alles zugegangen sei.
Während dieser Zeit kam die Köchin hinunter an den Teich und wollte Wasser holen. Als sie das schöne Gesicht sah, das sich im Teich spiegelte, meinte sie, das sei sie selbst, und freute sich so, daß sie anfing zu tanzen und zu springen, weil sie so schön geworden war.
»Da soll der Teufel Wasser holen, ich bin viel zu schön dazu!« sagte sie und warf die Wassereimer weg. Aber auf einmal merkte sie, daß das Gesicht im Teich ja der Prinzessin gehörte, die auf dem Baum saß. Da wurde sie so böse, daß sie sie vom Baum herunterriß und in den Teich warf. Sie selbst aber zog Ofenmichels Kittel an und kletterte auf den Baum. Als der König kam und das häßliche schwarze Küchenmädchen sah, wurde er bald rot, bald blaß, aber als er hörte, daß die Leute sagten, sie sei die Schönste in zwölf Königreichen, da mußte er wohl oder übel glauben, daß etwas daran sei, und es schien ihm auch unrecht gegen den Ofenmichel, der so viel Mühe gehabt hatte, bis er sie fand. Mit der Zeit würde sie vielleicht auch schöner, dachte er sich, wenn man sie schmückte und ihr schöne Kleider anzöge, und so nahm er sie denn mit sich heim. Dann wurde nach Perückenmachern und Näherinnen geschickt, und sie wurde geschmückt und angezogen wie eine Prinzessin, aber so sehr man sie auch wusch und schmückte, so blieb sie doch schwarz und häßlich. Nach einer Weile sollte das Küchenmädchen an den Teich gehen und Wasser holen, da fing sie einen großen Silberfisch in ihrer Bütte. Sie trug ihn hinauf und zeigte ihn dem König, und er fand ihn ganz wunderschön; aber die häßliche Prinzessin sagte, das sei Hexenwerk, und sie sollten ihn verbrennen, denn sie hatte gleich gemerkt, was das war. Also wurde der Fisch verbrannt, und am nächsten Morgen fanden sie einen Silberklumpen in der Asche. Da kam die Köchin hinauf und erzählte es dem König, und es kam ihm höchst wunderbar vor; aber die Prinzessin sagte, das sei das pure Hexenwerk und hieß sie, es in dem Misthaufen vergraben. Der König wollte nicht, aber sie ließ ihm weder Ruhe noch Frieden, und schließlich sagte er, sie sollten es tun. Aber am nächsten Tag stand eine wunderschöne Linde da, wo sie den Silberklumpen eingegraben hatten, und die Linde hatte Blätter, die glitzerten wie Silber. Als sie das dem König erzählten, kam es ihm wunderlich vor; aber die Prinzessin sagte, das sei nichts anderes als Hexenwerk, und sie sollten die Linde auf der Stelle umhauen. Der König wollte durchaus nicht, aber die Prinzessin plagte ihn so sehr, bis er schließlich auch darin nachgab. Als die Mägde hinausgingen und von der Linde Holz zum Feueranmachen holten, war es das pure Silber. »Das brauchen wir dem König und der Prinzessin gar nicht zu sagen«, sagte eine von ihnen, »denn die würden es doch nur verbrennen und einschmelzen lassen. Wir wollen es lieber in unserem Schrank aufheben. Das kann uns noch einmal viel nützen, wenn einer kommt und wir heiraten wollen.« Damit waren sie alle einverstanden; aber als sie es eine Weile getragen hatten, wurde es so furchtbar schwer. Als sie danach sehen wollten, von was das käme, da hatten sich die Holzspäne in ein kleines Kind verwandelt, und es dauerte nicht lange, bis es die schönste Prinzessin war, die man sich nur denken konnte. Die Mädchen merkten wohl, daß das nicht mit rechten Dingen zuging, sie gaben ihr Kleider und rannten davon und holten den Burschen, der die schönste Prinzessin in zwölf Königreichen hatte holen sollen, und sagten ihm die Geschichte. Und als Ofenmichel kam, erzählte die Prinzessin ihm, wie das alles zugegangen war, daß die Köchin sie in den Teich geworfen hatte und daß sie der Silberfisch und der Silberklumpen und die Linde und die Späne gewesen sei, und sie sei die Rechte. Des Königs konnte man nicht so leicht habhaft werden, denn die häßliche schwarze Köchin steckte früh und spät bei ihm; aber schließlich kamen sie darauf, zu sagen, es sei von dem Nachbarkönig eine Kriegserklärung gekommen, damit bekamen sie ihn heraus, und als er die schöne Prinzessin sah, wurde er so verliebt in sie, daß er auf der Stelle Hochzeit machen wollte, und wie er hörte, wie schlimm die häßliche schwarze Köchin mit ihr umgegangen war, befahl er, man solle sie in ein Faß mit Nägeln stecken und herumrollen. Dann hielten sie Hochzeit, daß man es in zwölf Königreichen hörte und davon sprach.

[Norwegen: Klara Stroebe: Nordische Volksmärchen]

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