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Dschahan

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Es war einmal eine Frau, die hatte einen Jungen namens Dschahan. Er war faul und wollte nicht arbeiten. Sein Vater zankte sich deshalb stets mit seiner Frau: „Ich muß immer arbeiten, und der Junge sitzt da! Sieh doch zu, daß du ihn irgendwohin auf Arbeit schickst.“ Dschahan kam nun zu einem Mann, für den er Kleiderstoffe verkaufen sollte. Der gab ihm ein Stück Tuch, und Dschahan ging los, das Stück Tuch zu verkaufen. Da erblickte er eine steinerne Statue. Zu ihr sprach er: „Signora, darf ich dir dieses Stück Tuch verkaufen?“ Der Wind bewegte nun jener Statue den Kopf hin und her. „Signora“, begann Dschahan wieder, „willst du das Tuch haben? Es ist gutes Malteser Tuch.“ Der Kopf der Statue machte eine Bewegung nach unten, Dschahan dachte daher, sie sage ja zu ihm. Darum ließ er ihr das Stück Tuch auf einem Stein zurück und sagte ihr noch: „Morgen hole ich mir das Geld.“ Darauf ging er zu seinem Lehrherrn und erklärte ihm: „Ich habe das Stück Tuch verkauft, und morgen werde ich das Geld holen.“

Am folgenden Tag begab er sich wieder zu jener Statue und sprach zu ihr: „Signora, ich komme wegen des Geldes.“ Der Wind wehte jetzt aber in entgegengesetzter Richtung und bewirkte, daß der Kopf der Statue Bewegungen nach oben machte. Da sprach Dschahan: „Du wirst mich also nicht bezahlen, du sagst ja immer nein zu mir.“ Und er nahm einen Stein in die Hand und warf ihr ihn an den Kopf. Als er ihr so den Kopf zerschmettert hatte, kam eine Menge Geldstücke herabgekollert. Dschahan sammelte sie auf, nahm sie mit zu seinem Meister und sprach zu ihm: „Meister, ich bringe dir das Geld für das Tuch.“ – „Wieviel Geld bringst du da? Das hast du natürlich gestohlen.“ – „Nein. Die Dame wollte mich nicht bezahlen. Da habe ich ihr den Kopf zerschmettert.“ – „Also getötet hast du sie! Nun komm mit und zeige mir, wo das war.“ Dschahan nahm den Meister dorthin mit. Der sprach zu ihm: „Das ist keine Dame, das ist eine Statue aus Stein. Aber das Geld hat dir Glück gebracht. Komm mit, wir wollen wieder fortgehen.“ Dann gab er dem Dschahan etwas von dem Geld, und Dschahan begab

sich zu seiner Mutter, in froher Stimmung über das Geld. Seine Mutter sprach zu ihm: „Du hast das Geld doch nicht etwa deinem Meister gestohlen?“ Dschahan antwortete: „Nein, er hat es mir gegeben! Ich will nun aber nicht länger bei ihm bleiben, ich will irgendein Geschäft anfangen!“

So zog denn Dschahan mit fünfzig Talern hinaus ins Freie und fand draußen einen Menschen in verzweifelter Stimmung vor, dem andere auch den letzten Centime im Spiel abgenommen hatten. Und neben dem Mann hatte man ein Pony hingeworfen; das hatte zwei gebrochene Beine und war blind und ganz voll Wunden. Man hatte es dort hingeworfen, damit es auf dem Feld krepieren solle. Dschahan redete den Mann an: „Guck her!“ Jener fragte: „Was willst du?“ Dschahan sagte: „Verkauf mir das Pony hier. Es ist gar zu hübsch.“ Der Mann horchte auf und sprach: „Ich werde es dir verkaufen. Also: fünfzig Taler.“ – „Die habe ich.“ – „Gut, bring sie und nimm es.“ Nun band Dschahan das Pony an seiner Schärpe fest und schleppte es hinter sich her; der Mann aber lief, sobald er das Geld in den Händen hatte, wie verrückt vor Freude davon, während Dschahan zum Haus seiner Mutter ging. Als er nur noch ein ganz kleines Stück bis nach Hause hatte, begann er nach seiner Mutter zu rufen: „Komm heraus, Mutter! Sieh, was ich mitbringe.“ Sie kam heraus und sprach zu ihm: „Was ist los? Was bringst du da eigentlich? Heute abend wird dich dein Vater totschlagen. Für das Tier da hast du die fünfzig Taler verausgabt? Ach, Junge, was wird mir deinetwegen dein Vater antun! Wo sollen wir das Tier jetzt verstecken, damit dein Vater es nicht sieht?“ Dschahan erwiderte: „Unter das Bett vom Vater. Also los! Hilf mir es unter das Bett kollern und sieh zu, daß ich ihm Kichererbsen vorsetzen kann, damit es frißt und dann einschläft.“

Als Dschahans Vater nach Hause kam, aß er und legte sich aufs Bett. Gegen Mitternacht stemmte das Pony seine Beine gegen die Bretter des Bettes und warf Dschahans Vater aus dem Bett. Der wußte nun gar nichts von dem Pony; er erhob sich vom Boden und rannte fort und schrie: „Was ist das?“ Dann zündete er Licht an und fand das Pony tot unter den Bettbrettern. Er sprach zu seiner Frau: „Was ist das für eine Geschichte? Wer hat das Tier hierhergebracht?“ -„Der Junge hat es gekauft.“ – „Wieviel hat er für das Tier ausgegeben?“ – „Fünfzig Taler.“ Da lag nun eine Stange in der Nähe; die nahm der Vater her und begann, mit ihr die beiden nach Leibeskräften durchzuprügeln. Die Mutter schrie: „Siehst du, Dschahan, wie mir dein Vater zusetzt! Reiß aus und geh zu irgend jemandem!“ Dschahan verließ hierauf das Haus und trat bei einem Mann ein, der einen Laden hatte und Essen für die Leute kochte. Der Mann fragte Dschahan: „Junge, was verstehst du zu arbeiten?“ Dschahan erwiderte: „Alles.“ Der Mann begann hierauf: „Nimm das Geld hier und zieh los und kauf mir ein Gekröse; das will ich zu Mittag kochen.“ Dschahan nahm nun den Korb und ging fort, das Gekröse zu holen, da kam ihm der Gedanke: ‚Ich will es ihm gewaschen bringen.‘ Er ging deshalb mit dem Korb an das Ufer des Meeres und begann das Gekröse zu waschen. Schließlich hatte er bloß noch ein einziges Stück von dem ganzen Gekröse; das Meer hatte ihm alles sonst weggeschwemmt. Nun sprach er? „Wie lange soll ich da eigentlich waschen? Na, wenn ein Schiff vorbeikommt, werde ich es anrufen und werde ihm das ganze Stück Gekröse zeigen, ob es rein genug ist.“ Das tat er.

Die Leute auf dem Schiff hörten ihn, und er sah, daß ihm der Kapitän ein Zeichen gab, er möge näher kommen. Als Dschahan hinkam, sagte er zum Kapitän: „Sieh mal, ist das Gekröse hier rein?“ Der Kapitän erwiderte: „Deshalb hast du mich hierherfahren lassen? Jetzt werde ich auf dich schießen!“ Damit ließ er das Schiff wieder umdrehen und fuhr fort. Dschahan aber nahm das Gekrösestückchen und ging zu seinem Meister. Als er zu ihm kam, fragte dieser ihn: „Wohin warst du gelaufen?“ Dschahan antwortete: „Ich wollte dir das Gekröse waschen.“ Der Meister sagte hierauf: „Du wäschst das Gekröse von acht Uhr früh bis vier Uhr nachmittags? Ich brauchte das Gekröse zu Mittag. Und von vier Pfund Gekröse ist dies Fäserchen alles, was du mir bringst?“

Vor dem Meister lag gerade eine eiserne Stange, die warf er dem Dschahan von hinten zwischen die Beine, und Dschahan machte, daß er zu seiner Mutter kam. Die sprach zu ihm: „Du hältst doch an keinem Ort aus. Man jagt dich überall fort, wo du bist.“

In dem Augenblick, wo seine Mutter noch mit ihm redete, klopfte es an die Tür. Die Mutter ging an die Tür und fand dort eine Frau. Zu der sprach sie: „Tritt ein!“ Die Frau aber sagte: „Nein, ich kann nicht, ich habe zuviel zu tun.“ Da trat Dschahans Mutter in die Türöffnung hinaus und fragte sie: „Was willst du?“ Sie erwiderte: „Ich bin gekommen, um dich zur Hochzeit eines Mädchens einzuladen.“ Dschahan horchte jetzt auf und sagte: „Mutter, wir wollen hingehen! Da können wir bei der Braut einmal etwas Besseres essen.“ Jetzt begann die Mutter Dschahans: „Worin willst du hingehen? Du hast keinen Anzug.“ – „Mutter, dann borg dir einen für mich.“ – „Gut, mein Sohn.“ Die Mutter Dschahans begab sich nun zu den feinen Leuten, die neben ihnen wohnten, und bat sie: „Meine Herrschaften, tut mir den Gefallen und leiht mir einen Tag einen Anzug für Dschahan.“ – „Gern“, antworteten die Gefragten und gaben ihr einen weißen, vollständigen, geplätteten und noch neuen Anzug.

Als der Morgen anbrach, zog sich Dschahan an und die Mutter ebenfalls. Er begann alsdann: „Mutter, wir wollen doch unsere Sau mitnehmen; die wird auch ihr Vergnügen haben.“ Die Mutter erwiderte: „Gut! Ich werde ihr meinen

Goldschmuck anlegen.“ Hiermit schmückte sie das Schwein mit einem aus zehn Pfundstücken bestehenden Schmuck, und nun brachen sie alle drei zum Hochzeitsfest auf: die Mutter, Dschahan und die Sau. Als sie den halben Weg zurückgelegt hatten, trafen sie mit einem Mann zusammen, der sich in verzweifelter Lage befand und auch nicht einen Soldo besaß, auf den er hätte schwören können. Er hörte das Grunzen der Sau, die „Us! Us! Us! Us!“ grunzte, wandte sich um und sprach bei sich: >Jetzt kommt mein Glück.< Zur Mutter Dschahans sprach er: „Maria, wohin gehst du?“ – „Zu einer Hochzeit.“ – „Ich auch. Und bitte, kann ich dir die Sau ein wenig tragen?“ Da begann Dschahan: „Ja, trag sie und geh mit ihr immer voran.“ Der Mann aber sprach bei sich: ‚Die gehört mir.‘
Als er ein Stückchen entfernt war, sprach die Mutter Dschahans zu ihrem Sohn: „Ich habe mir eigentlich das Gesicht jenes Mannes gar nicht ordentlich angeguckt; ich will ihm lieber zurufen, daß ich sein Gesicht sehen möchte!“ Das tat sie, und der Mann öffnete, als er es hörte, seine Hosen und reckte ihr seinen Hintern entgegen mit den Worten: „Weißt du nun, wie ich aussehe?“ – „Ja!“ antwortete sie. „Wie ist denn mein Gesicht?“ fragte er. Sie er widerte: „Dein Gesicht ist breit wie ein Kuchen, und deine Nase ist ziemlich lang.“ Jetzt machte jener, daß er fortkam mit der Sau und ihrem Goldschmuck. Hernach verkaufte er die Sau.

Als die Frau zum Hochzeitsfest kam, konnte sie den Mann nirgends finden; darum sprach sie zu Dschahan: „Heute abend wird uns dein Vater zweifellos totschlagen.“ Dann fuhr sie fort: „Junge, jetzt sag ich dir bloß noch: Wenn du am Tisch sitzt, so nimm die Serviette hübsch vor, damit du nicht den Anzug beschmutzt.“ – „Jawohl, Mutter!“ antwortete Dschahan und begab sich dann hinunter in die Küche. Dort befand sich ein rußiger Kessel; den kehrte Dschahan um und setzte sich auf ihn und machte sich ganz voll Ruß – ganz schwarz sah er aus! Als er wieder hinauf zu seiner Mutter kam, sprach sie zu ihm: „Ach! Wie hast du den Anzug zugerichtet, was ist das denn für eine Geschichte?“ Dschahan erwiderte: „Hab keine Angst, Mutter! Du kannst ihn ihnen ja waschen.“ Schließlich war die Hochzeit zu Ende, und Dschahan und seine Mutter kehrten nach Hause zurück.
Als am Abend der Vater kam und die Sau füttern wollte, fand er sie nicht. „Wo ist die Sau?“ fragte er seine Frau. „Ich weiß es nicht“, sagte sie. Da sprach er: „Gut!“ und langte sich die Stange hinter der Tür hervor und begann, die beiden nach Leibeskräften durchzuprügeln. Dschahan mußte sich zu Bett legen und starb im Verlauf einer Woche. Und sein Vater und seine Mutter zankten sich seinetwegen flott weiter.

Der Vater erklärte schließlich: „Ihr habt mich ganz verrückt und dumm gemacht durch die Streiche, die ihr mir gespielt habt. Nun werde ich irgendwo fern von hier Arbeit suchen. Mach mir Brot für zwei Tage fertig, damit ich nicht allemal wieder hierherzukommen brauche von so weit her.“ Am Abend, als er nun doch nicht kommen wollte, sprach sie bei sich: >Ich werde gar nicht kochen; ich werde ein Stück Brot mit Öl essen und aufs Feld gehen und mir eine Zwiebel dazu ausreißend Kaum war sie zum Feld gegangen, da drang ein Dieb ins Haus ein. Er hatte eine Leiter mit, mit der er auf den Oberboden stieg, wo er sich mitten in der Baumwolle verbarg.

Als der Vater Dschahans sich anschickte, das Brot herzunehmen und es zu essen, sprach er bei sich: >Ich werde hier doch nicht essen. Ich will lieber meinen Reisesack nehmen und wieder nach Hause wandern, denn meiner Frau ist gewiß etwas geschehene Seine Frau saß und aß, da klopfte es an die Tür. „Wer ist da?“ – „Ich bin’s, Maria.“ – „Wer bist du?“ – „Dein Giuseppe.“ – „Du bist also wieder da?“ – „Ich bin wiedergekommen, weil ich dachte, dir sei etwas geschehen.“ -„Geh fort! Komischer Mann, du! Übrigens habe ich jetzt nichts gekocht.“ – „Mach dir keine Sorge. Wir essen ein Stückchen Fleisch und zwei kleine Käse.“ – „Gut, dann steig auf der Leiter nach dem Oberboden und hol das Fleisch aus dem Krug und die Käse! „
Als er hinaufgestiegen war und die Baumwolle betrachtete, sah er, daß diese sich bewegte. Da sprach er bei sich: ‚Famos! Wir haben Besuch.‘ Nun schloß er die Tür des Oberbodens ab und begab sich zur Polizeistation. Zwei Polizisten gingen mit und betraten das Haus. Einer von ihnen begann: „Freundchen! Steig von dort oben herunter!“ Der Dieb antwortete keine Silbe. Jetzt riet der andere Polizist: „Schieß auf ihn!“ Da kroch der Dieb aus der Baumwolle heraus und kam herunter. Die Polizisten nahmen ihn fest, banden ihn und schafften ihn ins Gewahrsam. Man fand bei ihm eine Pfeife, ein Messer, einen Strick und einen Revolver. Man führte ihn der Behörde vor, die stellte ihn vor Gericht, und er kam für zwölf Jahre ins Gefängnis. Und das Pferd ist aus Wachs! Und Dreck ins Gesicht des Erzählers und des Hörers!

Quelle: (Maltesische Märchen)

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