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Märchenbasar

Ein Ofenhocker wird Prinz

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Ein Schäfer hatte einen Sohn, der zwanzig Jahre lang nichts tat als hinter dem Ofen zu hocken. Darum nannten ihn alle „Ofenhocker“.
Seine Mutter war schon gestorben, und sein Vater, der Schäfer, hatte eine zweite Frau geheiratet. Der gefiel das gar nicht. Immer öfter schimpfte sie:
„So ein großer Bursche, tut nichts, als den ganzen Tag hinter dem Ofen zu hocken, und arbeitet überhaupt nichts. Das muss anders werden! Schick ihn in die Welt hinaus, Mann. Er soll auf Wanderschaft gehen und sein Brot selbst verdienen!“
Und sie bedrängte den Schäfer solange, bis er einverstanden war.

Eines Tages rief er den Sohn zu sich.
„Komm, Ofenhocker, wir wollen zusammen zur Kirchweih gehen!“
Sie gingen gemeinsam fort, und bald kamen sie durch einen großen, dichten Wald. Dort blieb der Vater stehen.
„Ofenhocker, bleib du hier und warte ein Weilchen, ich will mir nur mal einen Wanderstab schneiden.“
Der Vater verschwand und der Sohn blieb allein. Er wartete – eine Stunde lang, und noch eine, und noch eine, aber der Vater kam nicht zurück.

Es wurde Abend. Da kletterte Ofenhocker auf einen Baum und verbrachte dort die Nacht.
Am anderen Morgen wollte er aus dem Wald heraus und wieder nach Hause, aber er verirrte sich. Er konnte den Weg nicht finden.
Doch er ging weiter, wohin seine Augen ihn führten.

Da sah er auf einmal eine große Spinne, die gerade eine Ameise fressen wollte. Die Ameise hatte sich im Spinnennetz verfangen. Sie zappelte und rief: „Ofenhocker, rette mich!“
Der Ofenhocker vertrieb die Spinne und befreite die Ameise.
„Danke, du hast mich gerettet. Wenn du einmal in Not bist, rufe mich, und ich werde dir helfen.“
Dann zeigte die Ameise ihm noch den Weg, der aus dem Wald hinausführte, und verschwand.
Ofenhocker wanderte weiter.

Nach einer Weile begegnete er einem Fischer, der hatte einen Goldfisch gefangen. Der Fisch zappelte im Netz und rief: „Ofenhocker, rette mich!“
Ofenhocker kaufte dem Fischer den Goldfisch ab und setzte ihn zurück ins Wasser.
„Danke, Ofenhocker, du hast mich gerettet. Ruf mich, wenn du mich brauchst, und ich werde dir helfen.“
Ofenhocker wanderte weiter.

Da sah er, wie zwei Knechte ein altes Hexenweiblein im Fluss ertränken wollten. Sie hatten es an Händen und Füßen gebunden. Das Hexenweiblein bat und flehte: „So lasst mich doch frei, ich habe doch nichts Böses getan!“
Doch die Knechte hörten nicht darauf und waren unerbittlich.
„Ofenhocker, rette du mich!“
Da vertrieb Ofenhocker die beiden Knechte. Er jagte sie davon und befreite das Hexenweiblein.
„Dank dir, Ofenhocker, du hast mich gerettet! Ruf mich, wenn ich dir einmal helfen soll!“
Ofenhocker wanderte weiter und weiter.

Schließlich stieß er am Wegesrand auf einen toten Menschen, der erschlagen und unbestattet dalag. Er kniete nieder und sprach eine Gebet für die arme Seele.
Da wurde er plötzlich am Genick gepackt. Es war ein Gendarm.
„Ha, da haben wir ja den Mörder!“
„Nein, ich habe den Menschen nicht umgebracht. Er war schon tot.“
Doch der Gendarm glaubte ihm nicht. Er schleppte ihn zur Wache und dann zum König.
Ofenhocker beschwor seine Unschuld und flehte:
„Bitte, lasst mich frei! Ich habe nichts damit zu tun. Ich habe nur für die arme Seele gebetet.“
Der König sah ihn lange an. Dann ließ er sich einen Scheffel Mohn und einen Scheffel Sand bringen und vermischte beides miteinander.
„Das sollst du, Ofenhocker, an einem Tag auseinander sortieren. Wenn du das schaffst, lasse ich dich frei.“

Da saß Ofenhocker nun in seinem Verließ und wusste nicht, wie er das schaffen sollte. Nein, das war nicht zu schaffen!
Da fiel ihm die Ameise ein.
„Ameise, komm, hilf mir! Rette du mich jetzt, sonst bin ich verloren.“
Da kamen aus allen Ecken und Ritzen Scharen vonAmeisen in sein Gefängnis gekrabbelt, und es dauerte nicht lange, da hatten die Ameisen den Mohn und den Sand auseinander sortiert – hier ein Scheffel Mohn und dort ein Scheffel Sand.
Ofenhocker rief die Wachen:
„Meldet dem König, ich bin fertig!. Der Mohn ist vom Sand befreit.“
Der König konnte es nicht glauben und kam selbst ins Gefängnis, um dieses Wunder mit eigenen Augen zu sehen. Und er sah es.
Der Ofenhocker wurde sofort freigelassen und der König machte ihn zu seinem Schweinehirten.

Der König hatte eine Tochter.
Die Königstochter liebte es, über die Felder spazieren zu gehen. Da begegnete sie dem Ofenhocker, der dort seine Schweine hütete. Die beiden lernten sich kennen, und sie verliebten sich ineinander.
Auch der König fand Gefallen an Ofenhocker, und bald erhob er ihn zum Kammerdiener. Nun hatte er noch mehr Gelegenheit, die Königstochter zu treffen, doch sie mussten ihre Liebe geheim halten, denn an eine Heirat war nicht zu denken.

Einmal geschah es nun, dass der König auf Reisen war, und gerade, als er sich über die Weichsel übersetzen ließ, da fiel ihm seine Königskrone herab und fiel ins Wasser, mitten im Fluss.
Da ließ der König im ganzen Land bekannt machen:
„Wer mir die Krone aus der Weichsel herausholt, der soll meine Tochter zur Frau bekommen.“
Viele vornehme und reiche Herren versuchten ihr Glück, aber keiner konnte die Krone finden.
Da meldete sich der Ofenhocker.
„Herr König, bekomme auch ich Eure Tochter zur Frau, wenn ich die Krone wiederbringe?“
„Ja gewiss, wenn ich nur bald meine Krone wieder hätte!“
Der Ofenhocker ging zur Weichsel. Dort rief er den Goldfisch, den er dem Fischer abgekauft und wieder ins Wasser gesetzt hatte.
Nicht lange, da kam der Goldfisch geschwommen, und er brachte die Königskrone mit.
Ofenhocker übergab sie dem König. Der hielt sein Wort und die Hochzeit wurde festgesetzt und vorbereitet.

Doch plötzlich wurde die Königstochter krank. Sie war so schwach, dass sie gar nicht mehr aufstehen konnte. Der König rief alle berühmten Ärzte herbei, aber keiner konnte ihr helfen.
Da erinnerte sich der Ofenhocker an das Hexenweiblein, das er vor den Knechten gerettet hatte. Vielleicht konnte die helfen.
Das Hexenweiblein kam sofort und wusste auch Rat.
Es war nämlich so: Da war ein Prinz, der hatte schon lange ein Auge auf die Prinzessin geworfen, und er wollte durchaus nicht, dass sie einen anderen heiratet. Darum hatte er sie mit einem Blatt von einer Pflanze aus seinem Garten vergiftet. Es gab in seinem Garten aber auch ein Kräutlein, das der Königstochter helfen konnte. Das sollte Ofenhocker holen, einen Sud daraus kochen und der Kranken zu trinken geben..
„Aber pass auf, dass du das Kräutlein mit der Wurzel ausgräbst! Und zwar dann, wenn der Prinz eingeschlafen ist, weil er sonst das Kräutlein streng bewacht.“

Der Ofenhocker begab sich zum Garten des Prinzen. Er wartete, bis sich der Prinz zum Schlafen niedergelegt hatte. Rasch grub er nun das Kräutlein aus und eilte zurück in das königliche Schloss. Er bereitete die Arznei und gab sie der Kranken.
Kaum hatte die Königstochter die ersten Schlucke getan, richtete sie sich auf, und als sie die ganze Medizin getrunken hatte, erhob sie sich aus dem Bett und war völlig gesund.
Der König freute sich und richtete den beiden eine üppige und prachtvolle Hochzeit aus, so prachtvoll, dass man heute noch davon erzählt.

(Polnisches Märchen)

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