1
(1)
Es war einmal ein Mädchen, das hatte einen jungen Mann sehr lieb. Er hatte ihr das Wort gegeben, sie zu heiraten und sie niemals zu vergessen. Einmal traf es sich, daß er in die Fremde ziehen mußte. Anfangs schrieb er ihr sehr oft, aber bald blieben seine Briefe aus, und sie grämte sich sehr darüber und weinte.
Eines Abends kam eine alte Frau zu ihr und fragte sie, warum sie immer weine. Der erzählte sie, daß sie einen Liebsten gehabt habe, der sei schon viele Jahre in der Fremde und habe sie ganz vergessen. Da fragte die Alte, ob sie ihn sehen möchte, auch wenn er tot wäre. Das Mädchen sagte ja. Darauf riet ihr die Alte, wie sie den Toten zu sehen kriegen könnte: »Geh morgen auf den Friedhof und grabe drei Totenbeine aus. Wenn du nach Hause kommst, kaufe einen neuen Topf, fülle ihn mit frischem Wasser, und in das Wasser lege die drei Totenbeine, und jeden Abend, wenn du schlafen gehst, stelle dir das alles ans Kopfende. Dann wird er sicher in der Nacht zu dir kommen.«
Sie machte das alles wirklich so. Als sie eingeschlafen war, kam er und rief sie an, sie solle sich umwenden. Sie aber lag fest im Schlaf und konnte sich nicht umdrehen. Darauf sagte er zu ihr: »Schön, wenn du dich nicht umdrehen willst, wird morgen deine Mutter sterben«, und ging fort. Am andern Tage starb die Mutter. Den nächsten Abend stellte das Mädchen wieder den Topf mit den Totenbeinen an das Kopfende und schlief ein. Wiederum kam ihr Liebster und rief sie an, sie solle sich umdrehen; sie konnte es wieder nicht, und er sagte wieder: »Schön, wenn du dich nicht umdrehen willst, wird morgen dein Vater sterben.« Am andern Tage starb der Vater und so am dritten die Schwester, am vierten der Bruder. Als ihr so alle hingestorben waren, erkannte sie, daß am fünften Tage die Reihe an sie käme. Darum bat sie ihre Nachbarn, sie möchten sie nach ihrem Tode, wenn sie sie begraben wollten, nicht zur Tür hinaustragen, sondern unter der Schwelle ein Loch graben und sie dadurch stecken, und sie auch nicht auf dem Friedhof begraben, sondern davor. Die Nachbarn taten so.
Nach einiger Zeit wuchs aus ihrem Grabe eine schöne Rose hervor, wie es eine schönere im ganzen Reiche nicht gab. Viele wollten die Rose pflücken, aber keiner konnte es. Eines Tages ritt der junge Zar dort vorbei, erblickte die schöne Rose und befahl seinem Diener, der mit ihm ritt, dahin zu gehen und ihm die Rose zu pflücken, er wollte sie an seinen Hut stecken. Der Diener ging nach der Rose, kam aber bald zurück und sagte dem Zaren: »Erlauchter Zar, ich kann die Rose nicht abreißen.« Darauf erwiderte der Zar: »Wie kann denn das zugehen? Ich werde es selbst versuchen.« Und kaum hatte er die Rose angerührt, als sie ihm in der Hand blieb, und er steckte sie sich an den Hut.
Zu Hause ließ er die Rose an dem Hut und legte den Hut in ein Zimmer, wo allerlei Speisen standen. Am nächsten Tage kam er in das Zimmer und bemerkte, daß von den Speisen viel fehlte. Da ließ er noch mehr Gerichte aller Art dahinbringen, aber während der Nacht aß wieder jemand alles auf. Der Zar fragte, ob einer in dem Zimmer gewesen sei, aber er überzeugte sich, daß niemand dort gewesen war. Jetzt ließ er sein Mittagessen in das Zimmer bringen, um selbst zu erfahren, was geschehen würde, aß ein wenig davon, legte sich hin, wurde schläfrig und schlief ein. Während er schlief, sprang die Rose von seinem Hut herab, wurde zu einem schönen Mädchen, die setzte sich an den Tisch und aß alles auf, was aufgetragen war. Als der Zar erwachte, war er sehr verwundert, was das sein könnte und wer das Essen verzehrte.
Am anderen Tage ließ er wieder das Mittagessen in dasselbe Zimmer bringen und dachte: »Heute will ich nicht schlafen, ich muß sehen, wer das Essen nimmt.« Er kostete von jedem Gericht ein wenig und legte sich hin, schlief aber nicht ein. Darauf sprang wiederum die Rose von dem Hut herab, wurde ein schönes Mädchen, die setzte sich an den Tisch und aß sich satt, nahm auch einen Becher, schenkte sich Wein ein und trank. Während sie beim Trinken war, sprang der Zar auf, umfaßte sie und sprach: »Jetzt bist du mein! Jetzt weiß ich, wer mein Mittagessen verzehrt. Du wirst meine Frau werden; ich träume schon lange von dir und sehe jetzt, daß du die bist, die mir im Traum erscheint.« Sie antwortete ihm: »Ich will gern gleich deine Frau werden, aber unter einer Bedingung, daß du mit keinem Worte jemals die Kirche erwähnst.« Er gab ihr das Wort, daß er das nicht tun werde.
So wurden sie Mann und Frau und lebten sehr glücklich; sie gebar ihm drei Söhne, jedes Jahr einen. So waren schon sieben Jahre vergangen und die Kinder hübsch herangewachsen. Einmal ging der Zar ganz früh spazieren, und als er zurückkam, sagte er zu seiner Frau: »Ach, liebe Frau, wenn du heute unsere Kinder gesehen hättest, wie sie so hübsch in die Kirche gingen.« Sowie er das Wort ausgesprochen hatte, fiel sie tot zu Boden. Der Zar war außer sich, ließ alle Ärzte rufen und alles anwenden, daß sie wieder zu sich käme, aber alles war vergebens. Da begruben sie sie in der Kirche.
In der Nacht mußten Soldaten bei der Zarin in der Kirche Wache stehen, aber alle Wachen verloren ihr Leben, jeden fand man am Morgen zerrissen. Niemand wußte, wie das zuging. Endlich meldete sich beim Zaren ein alter Veteran er wolle bei der Zarin Wache halten, und ging in die Kirche Da erhob sich um Mitternacht die Zarin aus dem Grabe und suchte nach dem Soldaten, der aber verbarg sich schnell auf dem Chor, und sie konnte ihn nicht finden. So blieb er die erste und zweite Nacht am Leben.
Am dritten Tage kam eine alte Frau zu dem Soldaten und sagte zu ihm: »Ich sehe, du hast Verstand und Mut, aber das ist nicht genug. Heut nacht paß auf; wenn sie hinter den Altar geht, leg dich schnell in ihren Sarg. Sie wird dich heraustreiben wollen, du aber geh nicht, ehe der Hahn dreimal gekräht hat. Danach steh aus dem Sarge auf und küsse sie dreimal auf die Stirn. Nur wenn du so tust, kannst du sie erlösen.« Der alte Soldat tat alles wirklich so. Als sie hinter den Altar trat, legte er sich schnell in ihren Sarg; sie wandte sich um und wollte wieder in den Sarg, aber darin sah sie den Soldaten. Sie bat ihn, er möchte herausgehen, er wollte aber nicht und blieb liegen, bis der Hahn dreimal gekräht hatte. Dann stand er schnell aus dem Sarge auf und küßte sie dreimal auf die Stirn.
Dadurch bekam die Zarin sogleich ein anderes Gesicht und sagte zu dem Soldaten: »Schönen Dank! Du hast mich vom Fluche erlöst. Mich hatte ein junger Mann verflucht, der war gestorben, und ich hatte ihn als Toten zu mir gerufen. Du hast nicht nur mich, sondern auch meine Kinder erlöst.« Die beiden warteten nun bis Tagesanbruch in der Kirche; am Morgen öffnete man die Kirchentür, und auch der Zar selbst war gekommen. Als er sie lebendig sah, war er über die Maßen froh, ging in die Kirche, und auch die Kinder der Zarin und das übrige Volk. Der Priester segnete die Zarin, und fortan brauchte sie sich nicht mehr vor dem Wort Kirche zu fürchten. Darauf veranstaltete der Zar ein großes Fest, und dem alten Soldaten gab er viel Geld, so daß der bis an sein Ende gut zu leben hatte.
Eines Abends kam eine alte Frau zu ihr und fragte sie, warum sie immer weine. Der erzählte sie, daß sie einen Liebsten gehabt habe, der sei schon viele Jahre in der Fremde und habe sie ganz vergessen. Da fragte die Alte, ob sie ihn sehen möchte, auch wenn er tot wäre. Das Mädchen sagte ja. Darauf riet ihr die Alte, wie sie den Toten zu sehen kriegen könnte: »Geh morgen auf den Friedhof und grabe drei Totenbeine aus. Wenn du nach Hause kommst, kaufe einen neuen Topf, fülle ihn mit frischem Wasser, und in das Wasser lege die drei Totenbeine, und jeden Abend, wenn du schlafen gehst, stelle dir das alles ans Kopfende. Dann wird er sicher in der Nacht zu dir kommen.«
Sie machte das alles wirklich so. Als sie eingeschlafen war, kam er und rief sie an, sie solle sich umwenden. Sie aber lag fest im Schlaf und konnte sich nicht umdrehen. Darauf sagte er zu ihr: »Schön, wenn du dich nicht umdrehen willst, wird morgen deine Mutter sterben«, und ging fort. Am andern Tage starb die Mutter. Den nächsten Abend stellte das Mädchen wieder den Topf mit den Totenbeinen an das Kopfende und schlief ein. Wiederum kam ihr Liebster und rief sie an, sie solle sich umdrehen; sie konnte es wieder nicht, und er sagte wieder: »Schön, wenn du dich nicht umdrehen willst, wird morgen dein Vater sterben.« Am andern Tage starb der Vater und so am dritten die Schwester, am vierten der Bruder. Als ihr so alle hingestorben waren, erkannte sie, daß am fünften Tage die Reihe an sie käme. Darum bat sie ihre Nachbarn, sie möchten sie nach ihrem Tode, wenn sie sie begraben wollten, nicht zur Tür hinaustragen, sondern unter der Schwelle ein Loch graben und sie dadurch stecken, und sie auch nicht auf dem Friedhof begraben, sondern davor. Die Nachbarn taten so.
Nach einiger Zeit wuchs aus ihrem Grabe eine schöne Rose hervor, wie es eine schönere im ganzen Reiche nicht gab. Viele wollten die Rose pflücken, aber keiner konnte es. Eines Tages ritt der junge Zar dort vorbei, erblickte die schöne Rose und befahl seinem Diener, der mit ihm ritt, dahin zu gehen und ihm die Rose zu pflücken, er wollte sie an seinen Hut stecken. Der Diener ging nach der Rose, kam aber bald zurück und sagte dem Zaren: »Erlauchter Zar, ich kann die Rose nicht abreißen.« Darauf erwiderte der Zar: »Wie kann denn das zugehen? Ich werde es selbst versuchen.« Und kaum hatte er die Rose angerührt, als sie ihm in der Hand blieb, und er steckte sie sich an den Hut.
Zu Hause ließ er die Rose an dem Hut und legte den Hut in ein Zimmer, wo allerlei Speisen standen. Am nächsten Tage kam er in das Zimmer und bemerkte, daß von den Speisen viel fehlte. Da ließ er noch mehr Gerichte aller Art dahinbringen, aber während der Nacht aß wieder jemand alles auf. Der Zar fragte, ob einer in dem Zimmer gewesen sei, aber er überzeugte sich, daß niemand dort gewesen war. Jetzt ließ er sein Mittagessen in das Zimmer bringen, um selbst zu erfahren, was geschehen würde, aß ein wenig davon, legte sich hin, wurde schläfrig und schlief ein. Während er schlief, sprang die Rose von seinem Hut herab, wurde zu einem schönen Mädchen, die setzte sich an den Tisch und aß alles auf, was aufgetragen war. Als der Zar erwachte, war er sehr verwundert, was das sein könnte und wer das Essen verzehrte.
Am anderen Tage ließ er wieder das Mittagessen in dasselbe Zimmer bringen und dachte: »Heute will ich nicht schlafen, ich muß sehen, wer das Essen nimmt.« Er kostete von jedem Gericht ein wenig und legte sich hin, schlief aber nicht ein. Darauf sprang wiederum die Rose von dem Hut herab, wurde ein schönes Mädchen, die setzte sich an den Tisch und aß sich satt, nahm auch einen Becher, schenkte sich Wein ein und trank. Während sie beim Trinken war, sprang der Zar auf, umfaßte sie und sprach: »Jetzt bist du mein! Jetzt weiß ich, wer mein Mittagessen verzehrt. Du wirst meine Frau werden; ich träume schon lange von dir und sehe jetzt, daß du die bist, die mir im Traum erscheint.« Sie antwortete ihm: »Ich will gern gleich deine Frau werden, aber unter einer Bedingung, daß du mit keinem Worte jemals die Kirche erwähnst.« Er gab ihr das Wort, daß er das nicht tun werde.
So wurden sie Mann und Frau und lebten sehr glücklich; sie gebar ihm drei Söhne, jedes Jahr einen. So waren schon sieben Jahre vergangen und die Kinder hübsch herangewachsen. Einmal ging der Zar ganz früh spazieren, und als er zurückkam, sagte er zu seiner Frau: »Ach, liebe Frau, wenn du heute unsere Kinder gesehen hättest, wie sie so hübsch in die Kirche gingen.« Sowie er das Wort ausgesprochen hatte, fiel sie tot zu Boden. Der Zar war außer sich, ließ alle Ärzte rufen und alles anwenden, daß sie wieder zu sich käme, aber alles war vergebens. Da begruben sie sie in der Kirche.
In der Nacht mußten Soldaten bei der Zarin in der Kirche Wache stehen, aber alle Wachen verloren ihr Leben, jeden fand man am Morgen zerrissen. Niemand wußte, wie das zuging. Endlich meldete sich beim Zaren ein alter Veteran er wolle bei der Zarin Wache halten, und ging in die Kirche Da erhob sich um Mitternacht die Zarin aus dem Grabe und suchte nach dem Soldaten, der aber verbarg sich schnell auf dem Chor, und sie konnte ihn nicht finden. So blieb er die erste und zweite Nacht am Leben.
Am dritten Tage kam eine alte Frau zu dem Soldaten und sagte zu ihm: »Ich sehe, du hast Verstand und Mut, aber das ist nicht genug. Heut nacht paß auf; wenn sie hinter den Altar geht, leg dich schnell in ihren Sarg. Sie wird dich heraustreiben wollen, du aber geh nicht, ehe der Hahn dreimal gekräht hat. Danach steh aus dem Sarge auf und küsse sie dreimal auf die Stirn. Nur wenn du so tust, kannst du sie erlösen.« Der alte Soldat tat alles wirklich so. Als sie hinter den Altar trat, legte er sich schnell in ihren Sarg; sie wandte sich um und wollte wieder in den Sarg, aber darin sah sie den Soldaten. Sie bat ihn, er möchte herausgehen, er wollte aber nicht und blieb liegen, bis der Hahn dreimal gekräht hatte. Dann stand er schnell aus dem Sarge auf und küßte sie dreimal auf die Stirn.
Dadurch bekam die Zarin sogleich ein anderes Gesicht und sagte zu dem Soldaten: »Schönen Dank! Du hast mich vom Fluche erlöst. Mich hatte ein junger Mann verflucht, der war gestorben, und ich hatte ihn als Toten zu mir gerufen. Du hast nicht nur mich, sondern auch meine Kinder erlöst.« Die beiden warteten nun bis Tagesanbruch in der Kirche; am Morgen öffnete man die Kirchentür, und auch der Zar selbst war gekommen. Als er sie lebendig sah, war er über die Maßen froh, ging in die Kirche, und auch die Kinder der Zarin und das übrige Volk. Der Priester segnete die Zarin, und fortan brauchte sie sich nicht mehr vor dem Wort Kirche zu fürchten. Darauf veranstaltete der Zar ein großes Fest, und dem alten Soldaten gab er viel Geld, so daß der bis an sein Ende gut zu leben hatte.
[Kroatien: August Leskien: Balkanmärchen aus Kroatien]