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Märchenbasar

April, April

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Gähnend öffnete Petrus mit seinem großen silbernen Schlüssel die Himmelstür. Missmutig sah er auf den überquellenden Briefkasten. Wieder hatte er soviel Post bekommen, dass der Kasten die ganzen Zuschriften nicht fassen konnte und sie auf dem Boden verstreut lagen. Petrus rief den Dienst habenden Türsteherengel und bat ihn um einen Korb. Der Engel klatschte in die Hände und sogleich kamen einige Engelchen angelaufen. Eifrig halfen sie dem ehrwürdigen Heiligen beim Einsammeln seiner Post. Hinterher schleppten sie ihm sogar noch den gefüllten Korb in sein Büro. Petrus strich ihnen dankend über ihre goldenen Locken und setzte sich dann brummelnd auf seinen Bürostuhl. Dieser war erst kürzlich geliefert worden und nach den neuesten Gesundheitsrichtlinien angefertigt. Weiche Wolkenkissen ließen Petrus bequem sitzen und nicht selten ertappte er sich bei einem kleinen Nickerchen, während er eigentlich doch das Wetter machen sollte. Alles hatte seiner Ansicht nach auch gut geklappt, bis sein oberster Chef diese neumodische Idee eines Kummerkastens entwickelt hatte.
Auf der Erde stand nun unterhalb des großen Wetterberges in der Stadt Beschwerdehausen ein großer Kasten. Die Menschen durften in diesen Kasten ihre Beschwerden über das Wetter einwerfen und auch Wünsche äußern. Der Chef wollte die Wünsche und Anregungen überprüfen lassen und danach ein neues Management installieren. Seitdem bekam der arme Petrus jeden Morgen körbeweise Post in sein Wolkenbüro gebracht. Schlecht gelaunt begann Petrus die neuen Briefe zu öffnen. Was als gute Idee begonnen hatte, wuchs sich zu einer Katastrophe aus. Seit ewigen Zeiten hatte er das Wetter nach bestem Wissen gemacht. Im Winter schneite es, im Frühling und Sommer war reichlich Sonne am Himmel erschienen. Petrus hatte auch den Regen nicht vergessen, damit alle Pflanzen gut wachsen konnten. Herbststürme fegten die alten Blätter von den Bäumen, schufen Platz für frisches Grün im kommenden Jahr, während goldene Herbsttage Früchte und Nüsse reifen ließen.
Früher waren die Menschen mit dem Wetter zufrieden gewesen und hatten das Beste für sich daraus gemacht.
Aber heute!
Wütend knallte Petrus die Post auf seinen Schreibtisch. Der Vorzimmerengel spähte ganz erschrocken durch die geöffnete Tür. Petrus Laune wurde seit Tagen immer schlechter. Schnell bestrich der Engel ein wolkenzartes Brot mit himmlisch weißem Frischkäse und legte es dem Heiligen zur Ermunterung auf die hingeworfenen Briefe. Und wirklich, während er an seinem Brot knabberte, hob sich seine Laune beträchtlich. Keinem Menschen hatte er es Recht machen können. Der eine wollte mehr Schnee im Winter zum Skifahren, der andere beschwerte sich über das Schneeräumen auf den Bürgersteigen oder die Behinderung im Straßenverkehr. Der Landwirt bat um Regen, während andere Menschen darüber schimpften und am Wochenende Würstchen grillen oder einen Ausflug machen wollten. Hinz war es im Sommer zu heiß und Kunz zu kalt. Jeder Mensch wollte sein eigenes persönliches Wetter haben. Petrus grübelte vor sich hin, während er noch einen Becher zartes Wolkendessert löffelte. Das Problem war nicht zu lösen! Da er es niemandem Recht machen konnte, hielt er es für das Beste, so weiter zu machen wie bisher.
Nach einem kleinen erfrischenden Verdauungsschläfchen schrieb der Heilige eine E-Mail an den großen Boss und teilte ihm seine Sorgen mit. Die Antwort kam sofort per Regenbogenhotline. Auch der liebe Gott wusste keinen Rat, um die unterschiedlichen Menschenwünsche zu befriedigen und gab dem Wettermacher freie Hand. Petrus blätterte in seinem Vormerkkalender, in den er sich sehr sorgfältig alle Daten eintrug und sah, dass der heutige Tag der 1. April war. Da hatte er eine glänzende Idee. Ein spitzbübisches Lächeln überzog sein Gesicht. Er freute sich wie ein Kind. Sollten die Menschen sich doch ihr Wetter selber aussuchen! Petrus stopfte alle Briefe in einen riesigen Sack und schleppte ihn mit Hilfe des Vorzimmerengels an die Himmeltür. Dann zog er eine große Trillerpfeife unter seinem Gewand hervor und blies kräftig hinein. Wolken kamen eilig herbei gesegelt. Von ihren Gebirgen und aus allen Vertiefungen krochen oder hüpften unzählige Wetterfrösche hervor. Die grüne Schar baute sich vor Petrus in Reih und Glied auf und sah ihren obersten Wettermacher erwartungsvoll an. Welches Wetter war jetzt geplant? Petrus nahm den großen Sack und schüttete die Briefe vor den Fröschen aus.
„Da, nehmt die Bitten der Menschen“, rief Petrus mit weit hallender Stimme. „Macht das Wetter so, wie es in den Briefen steht. Jeder Mensch kann sich dann sein Wunschwetter aussuchen!“ Die Papiere wehten lustig im Wind davon. Eilig sprangen ihnen die Frösche hinterher, bis sich jeder seinen Brief eingefangen hatte. Als sie den Inhalt gelesen hatten, machten sie sich mit großem Gequake ans Werk. Weil aber so viele unterschiedliche Wünsche in den Briefen standen, änderte sich das Wetter alle nasenlang, bis die Briefe ausgelesen und die vielen Bitten erfüllt waren.
Seitdem ist das Wetter im April sehr wechselhaft und für jeden Menschen ist sein Wunschwetter dabei.

Quelle: nicht angegeben

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