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Ein König ging einmal auf die Jagd, und wie er so herumstreifte, begegnete er einem Bauern, der bei Nacht in einem Walde die Sterne beobachtete. »Was tut Ihr hier?« fragte der König. – »Ich beobachte die Sterne.« – »Zu welchem Zweck? Ihr versteht das nicht.« – »Ich verstehe es wohl. Ich machte die Beobachtung, weil meine Frau niederkommen und mir einen Knaben schenken wird, und die Sterne verkünden, er wird König von Spanien werden.« – Bei diesem Wort wurde der König ganz bestürzt, da er selbst der König von Spanien war und keine männlichen Leibeserben hatte. Er schwieg aber davon und sagte nur zu dem Bauern: »Ich will der Pate des Kindes sein, wenn Ihr’s zufrieden seid. Euer Schaden soll’s nicht sein.« – »Oh, nach Ihrem Belieben, wenn Sie sich damit bemühen wollen! Kommen Sie nur mit mir in mein Haus.«
Sie treten also beide in das Haus des Bauern, dessen Frau eben einen schönen Knaben geboren hatte, und alle kommen herzu, um ihn für die Taufe herzurichten. Und nachdem alles getan, wie es in solchen Fällen der Brauch ist, sagte der König: »Dies Kind will ich mitnehmen. Ihr müßt es mir geben, denn wenn es König sein soll, muß es eine Erziehung bekommen, wozu Ihr nicht die Mittel habt. Ich selbst habe keine Kinder, dafür will ich diesen als meinen legitimen Sohn ansehen.« – Man weiß, die Männer schweigen, und die Weiber reden desto mehr. Der Bauer blieb stumm und machte keine Einwände; sein Weib aber klagte, daß man ihr das neugeborene Kindchen nehmen wolle. Doch nach einer Weile Hin-und- widerredens ergab sie sich, und der König, nachdem er den Eltern ein reiches Trinkgeld gegeben hatte, nahm das Kindchen, das frisch gewickelt war, und ging weg mit seinem Diener, der ihn hierher begleitet hatte.
Als sie in einem dichten Walde waren, der nahe am Meere lag, sagte der König zu dem Diener: »Nimm dies Messer und töte damit den Knaben und wirf ihn ins Meer. Ich erwarte dich in der Schenke und will, daß du mir die Leber des Kindes bringst, damit ich sie esse.« – Der Diener blieb im Walde, und nachdem der König sich entfernt hatte, sprach er bei sich selbst: Das sind schöne Geschichten! Andern Kinder zu stehlen, um sie dann zu töten! Und doch muß ich gehorchen und es tun, denn bring‘ ich ihm die Leber nicht, so kostet’s meinen Kopf! – Er hob das Messer und gab dem kleinen Geschöpf einen Stich in den Hals. Doch während er zustach, erschien ihm zu Füßen ein Lamm, und sofort beschloß er, diesem die Leber auszuschneiden und den Kleinen mit seiner Wunde der Güte Gottes zu überlassen, und so tat er. Als der König aber die Leber des Lammes, die er für die des Knaben hielt, verschlungen hatte, rief er: Du wirst deinen Hintern nicht auf meinen Thron hinpflanzen!
Lassen wir aber den König heiter und froh über das begangene Verbrechen nach Hause gehen, – was im Himmel geschrieben steht, ändert niemand, und jeder erfährt das Geschick, das ihm verhängt ist. Kehren wir zu dem unglücklichen kleinen Geschöpf zurück, das mit der Wunde am Hals im Walde in einem Korb von Strauchwerk liegt. Die Wunde war indessen nicht tödlich, da sie später heilte und nur eine Narbe zurückließ, die man unter den Fingern fühlen konnte. Am nächsten Tage bei Sonnenaufgang streifte ein Herr aus dieser Gegend auf der Jagd mit seinen Hunden hier herum, und als die Hunde zu dem Strauchkorb kamen, in dem das Kindlein verborgen war, schlugen sie ein Gewinsel an, als sollte die Welt untergehen. Der Herr lief sogleich hin, weil er glaubte, der Hase liege da in seinem Lager. Als er das kleine Wesen sah, das vor Hunger wimmerte, rief er: Gott hat mich begnadet! Ich habe ja keine Kinder, und auch meine Frau wird gerne dieses als ein eigenes annehmen! – Er nimmt es behutsam auf und trägt es nach Hause, wo es große Freude erregte. Diese beiden guten Personen erzogen es wie ein eigenes Kind, ließen es, da es groß geworden war, von geschickten Lehrern im Lesen und Schreiben unterrichten und gaben ihm den Namen Fiorindo. Fiorindo aber wuchs zusehends, wurde stark und tüchtig, daß es nur zu verwundern war, und als er dreizehn Jahre alt war, trieb er Possen mit den anderen Jungen der Nachbarschaft.
Einmal, als sie Nüssewerfen spielten, verlor er acht Kreuzer, und da er sie nicht in der Tasche hatte, sagte er: »Ich werde euch morgen bezahlen.« – »Nein, es muß gleich sein!« – »Aber ich habe sie nicht bei mir. Laßt mich nach Hause gehen und Vater und Mutter darum bitten. Sie sind reich, wißt ihr, und morgen bring‘ ich’s euch.« – »Vater und Mutter?« erwiderten sie spottend. »Armer Tor! Es sind ja nicht dein Vater und deine Mutter, diese Herrschaften, die dich in ihr Haus aufgenommen haben.« – »Wieso?« – »Nun, gewiß. Sie fanden dich in einem Walde, dort ausgesetzt, mit einer Wunde im Halse. Wenn du dich befühlst, findest du noch die Narbe.«
Diese Reden machten Fiorindo ganz bestürzt. Er lief nach Hause und wollte wissen, was daran sei, und bat solange, bis sie ihm die Wahrheit gestanden. »Dann,« rief er, »wenn ich nicht euer Sohn bin, will ich fortgehen. Ich danke euch für alles Gute, was ihr an mir getan habt, aber ich bin hier nur ein Bastard und will nicht bleiben.« – »Aber höre doch! Für uns bist du unser Sohn. Man wird dir geben, was du nur willst, aber laß uns nicht allein und in Verzweiflung!« – Er aber blieb fest auf seinem Vorsatz und bestand darauf, daß sie ihn in den Wald zurückbegleiten sollten, wo er gefunden worden war, und es war unmöglich, ihn davon abzubringen.
Erst dort im Walde bedachte er, wohin er gehen sollte, und überließ sich dann dem Zufall. Es war schon hoch am Tage und Hunger und Müdigkeit befielen ihn. So blieb er am Gitter eines Gartens stehen, hinter dem er den Gärtner die Pflanzen und Blumen begießen sah. Als der sich umblickte, sah er Fiorindo und fragte: »Wer bist du? Was willst du?« – »Ich bin ein armer Junge ohne Vater und Mutter und bin todmüde und hungrig. Möchtet Ihr mich wohl annehmen, Euch im Garten zu helfen? Ich würde mich mit dem Essen begnügen.« – Dem Gärtner hatte der Jüngling sehr gefallen, schon nach dem bloßen Ansehen, so daß er sagte: »Komm nur! Am Essen ist hier kein Mangel. Der Garten gehört dem König von Spanien, und ich stehe in seinem Dienst.«
Während nun Fiorindo bei dem Gärtner wohnte, ging der König oft im Garten spazieren, und da er ihm begegnete, fand er Gefallen an ihm, so daß er eines Tages zu ihm sagte: »Fiorindo, du sollst zu mir kommen als mein Kammerdiener.« – Fiorindo konnt‘ es kaum glauben. Er wohnte nun aber im königlichen Palast, kleidete den König an und war immer um seine Person.
Nun muß man wissen, daß dieser König zwar keine Söhne hatte, aber eine Tochter von dreizehn Jahren, die Chiara Stella hieß, eine Schönheit, die man nicht beschreiben kann, manierlich und zierlich mit einem Gesicht wie die Sonne und immer lustig. Ihr versteht schon, was da geschah. Junge Menschen verlieben sich leicht beim bloßen Sehen, zumal wenn sie sich miteinander verständigen können. Fiorindo band täglich einen Strauß aus etwas Geranium, etwas Diptam, Rosen, Veilchen und Stiefmütterchen, und wenn Chiara Stella in den Garten ging mit ihrer Kammerfrau, gab er ihn ihr. Gespräche führten sie nicht, aber mit den Augen sprachen sie besser, als mit dem Munde. Kurz, sie verliebten sich ineinander, und alle hatten es bemerkt außer dem König.
Nun sind Väter und Ehemänner immer blind. Doch an den Höfen gibt es eine Menge Neider, und alle anderen Diener beneideten Fiorindo wütend, weil der König ihn immer um sich hatte und ihm alles anvertraute. Sie fingen also an, ihm nachzuspüren, und hinterbrachten dem Könige, er habe ein Liebesverhältnis mit seiner Tochter. »Wie?« antwortete jener dumme König. »Ich kann nicht glauben, daß meine Tochter so verworfen sei, sich in eine Liebschaft mit einem Kammerdiener einzulassen.« – Aber die Neider paßten so auf sie auf, daß sie sich eines Tages überraschen ließen in einsamem Geplauder mit Fiorindo. Als der König dies sah, dachte er, der entrüstet war, daß man ihn in seinem Vertrauen betrogen hatte, an eine Strafe. Er befahl, Chiara Stella aus dem Palast zu entfernen und zu seinem Bruder zu bringen, der König von Portugal war. Dem schrieb er, er möge sie gut bewachen. Ja, haltet Verliebte auch in einem unterirdischen Kerker gefangen, sie finden doch Mittel und Wege, einander Nachricht zu geben. Sie fingen also an, sich zu schreiben. Aber einer dieser Briefe fiel einem Diener in die Hände, der ihn dem König brachte. Dieser Brief ist von Chiara Stella, rief der König, und geriet in solche Wut, daß die Liebe zu Fiorindo sich in Haß verwandelte. Er läßt ihn rufen und gibt ihm einen versiegelten Brief an den König von Portugal, in welchem stand, der Überbringer solle binnen einer Woche gehenkt werden. Nun seht, wie gut es das Schicksal mit Liebenden meint. Fiorindo kommt in die Stadt des Königs von Portugal und begegnet Chiara Stella, die mit ihrer Hüterin gerade in einem Kreuzgange spazieren ging. Als sie sich erblickten, – welches Glück! welcher Jubel! Fiorindo gab ihr den Brief ihres Vaters, aber Chiara Stella hatte Verdacht, öffnete ihn und las darin das saubere Schurkenstückchen. Ihr könnt denken, wie es sie schmerzte. Doch verlor sie darum nicht ihren Verstand. Sie hatte eine Schrift, wie ihr Vater, zerriß den häßlichen Brief und schrieb einen andern, darin stand: Ich wünsche Chiara Stella mit einem trefflichen Ritter zu vermählen. Laßt binnen einer Woche in einem Turnier um sie kämpfen, und wer Sieger bleibt, soll sie erhalten.
Kaum hatte der König von Portugal diesen falschen Brief erhalten, so schrieb er das Turnier in seinem ganzen Reiche aus, und Fürsten, Barone und berühmte Ritter strömten herbei. Chiara Stella bewirkte, daß auch Fiorindo sich zu dem Turnier meldete. Doch bei dem ersten und zweiten Ritt wollte man ihn nicht, weil er kein Ritter war, so daß erst Chiara Stella mit einem ihrer Kleinode, da sie eine Königstochter und Thronerbin war, ihn zum Ritter ernennen und auch ins Turnier schicken mußte. Dort betrug er sich so rühmlich, daß er alle besiegte und man ihm Chiara Stella vermählen mußte. Bei der Hochzeit aber erschien ein Kurier mit einem schwarzgesiegelten Brief, in dem stand, daß der König von Spanien gestorben sei und Chiara Stella regieren sollte. Das war ein schönes Zusammentreffen! So geschieht’s, daß, was »oben« geschrieben steht, nicht geändert werden kann, und die Sterne sprachen die Wahrheit, denn Fiorindo wurde König von Spanien.
Sie treten also beide in das Haus des Bauern, dessen Frau eben einen schönen Knaben geboren hatte, und alle kommen herzu, um ihn für die Taufe herzurichten. Und nachdem alles getan, wie es in solchen Fällen der Brauch ist, sagte der König: »Dies Kind will ich mitnehmen. Ihr müßt es mir geben, denn wenn es König sein soll, muß es eine Erziehung bekommen, wozu Ihr nicht die Mittel habt. Ich selbst habe keine Kinder, dafür will ich diesen als meinen legitimen Sohn ansehen.« – Man weiß, die Männer schweigen, und die Weiber reden desto mehr. Der Bauer blieb stumm und machte keine Einwände; sein Weib aber klagte, daß man ihr das neugeborene Kindchen nehmen wolle. Doch nach einer Weile Hin-und- widerredens ergab sie sich, und der König, nachdem er den Eltern ein reiches Trinkgeld gegeben hatte, nahm das Kindchen, das frisch gewickelt war, und ging weg mit seinem Diener, der ihn hierher begleitet hatte.
Als sie in einem dichten Walde waren, der nahe am Meere lag, sagte der König zu dem Diener: »Nimm dies Messer und töte damit den Knaben und wirf ihn ins Meer. Ich erwarte dich in der Schenke und will, daß du mir die Leber des Kindes bringst, damit ich sie esse.« – Der Diener blieb im Walde, und nachdem der König sich entfernt hatte, sprach er bei sich selbst: Das sind schöne Geschichten! Andern Kinder zu stehlen, um sie dann zu töten! Und doch muß ich gehorchen und es tun, denn bring‘ ich ihm die Leber nicht, so kostet’s meinen Kopf! – Er hob das Messer und gab dem kleinen Geschöpf einen Stich in den Hals. Doch während er zustach, erschien ihm zu Füßen ein Lamm, und sofort beschloß er, diesem die Leber auszuschneiden und den Kleinen mit seiner Wunde der Güte Gottes zu überlassen, und so tat er. Als der König aber die Leber des Lammes, die er für die des Knaben hielt, verschlungen hatte, rief er: Du wirst deinen Hintern nicht auf meinen Thron hinpflanzen!
Lassen wir aber den König heiter und froh über das begangene Verbrechen nach Hause gehen, – was im Himmel geschrieben steht, ändert niemand, und jeder erfährt das Geschick, das ihm verhängt ist. Kehren wir zu dem unglücklichen kleinen Geschöpf zurück, das mit der Wunde am Hals im Walde in einem Korb von Strauchwerk liegt. Die Wunde war indessen nicht tödlich, da sie später heilte und nur eine Narbe zurückließ, die man unter den Fingern fühlen konnte. Am nächsten Tage bei Sonnenaufgang streifte ein Herr aus dieser Gegend auf der Jagd mit seinen Hunden hier herum, und als die Hunde zu dem Strauchkorb kamen, in dem das Kindlein verborgen war, schlugen sie ein Gewinsel an, als sollte die Welt untergehen. Der Herr lief sogleich hin, weil er glaubte, der Hase liege da in seinem Lager. Als er das kleine Wesen sah, das vor Hunger wimmerte, rief er: Gott hat mich begnadet! Ich habe ja keine Kinder, und auch meine Frau wird gerne dieses als ein eigenes annehmen! – Er nimmt es behutsam auf und trägt es nach Hause, wo es große Freude erregte. Diese beiden guten Personen erzogen es wie ein eigenes Kind, ließen es, da es groß geworden war, von geschickten Lehrern im Lesen und Schreiben unterrichten und gaben ihm den Namen Fiorindo. Fiorindo aber wuchs zusehends, wurde stark und tüchtig, daß es nur zu verwundern war, und als er dreizehn Jahre alt war, trieb er Possen mit den anderen Jungen der Nachbarschaft.
Einmal, als sie Nüssewerfen spielten, verlor er acht Kreuzer, und da er sie nicht in der Tasche hatte, sagte er: »Ich werde euch morgen bezahlen.« – »Nein, es muß gleich sein!« – »Aber ich habe sie nicht bei mir. Laßt mich nach Hause gehen und Vater und Mutter darum bitten. Sie sind reich, wißt ihr, und morgen bring‘ ich’s euch.« – »Vater und Mutter?« erwiderten sie spottend. »Armer Tor! Es sind ja nicht dein Vater und deine Mutter, diese Herrschaften, die dich in ihr Haus aufgenommen haben.« – »Wieso?« – »Nun, gewiß. Sie fanden dich in einem Walde, dort ausgesetzt, mit einer Wunde im Halse. Wenn du dich befühlst, findest du noch die Narbe.«
Diese Reden machten Fiorindo ganz bestürzt. Er lief nach Hause und wollte wissen, was daran sei, und bat solange, bis sie ihm die Wahrheit gestanden. »Dann,« rief er, »wenn ich nicht euer Sohn bin, will ich fortgehen. Ich danke euch für alles Gute, was ihr an mir getan habt, aber ich bin hier nur ein Bastard und will nicht bleiben.« – »Aber höre doch! Für uns bist du unser Sohn. Man wird dir geben, was du nur willst, aber laß uns nicht allein und in Verzweiflung!« – Er aber blieb fest auf seinem Vorsatz und bestand darauf, daß sie ihn in den Wald zurückbegleiten sollten, wo er gefunden worden war, und es war unmöglich, ihn davon abzubringen.
Erst dort im Walde bedachte er, wohin er gehen sollte, und überließ sich dann dem Zufall. Es war schon hoch am Tage und Hunger und Müdigkeit befielen ihn. So blieb er am Gitter eines Gartens stehen, hinter dem er den Gärtner die Pflanzen und Blumen begießen sah. Als der sich umblickte, sah er Fiorindo und fragte: »Wer bist du? Was willst du?« – »Ich bin ein armer Junge ohne Vater und Mutter und bin todmüde und hungrig. Möchtet Ihr mich wohl annehmen, Euch im Garten zu helfen? Ich würde mich mit dem Essen begnügen.« – Dem Gärtner hatte der Jüngling sehr gefallen, schon nach dem bloßen Ansehen, so daß er sagte: »Komm nur! Am Essen ist hier kein Mangel. Der Garten gehört dem König von Spanien, und ich stehe in seinem Dienst.«
Während nun Fiorindo bei dem Gärtner wohnte, ging der König oft im Garten spazieren, und da er ihm begegnete, fand er Gefallen an ihm, so daß er eines Tages zu ihm sagte: »Fiorindo, du sollst zu mir kommen als mein Kammerdiener.« – Fiorindo konnt‘ es kaum glauben. Er wohnte nun aber im königlichen Palast, kleidete den König an und war immer um seine Person.
Nun muß man wissen, daß dieser König zwar keine Söhne hatte, aber eine Tochter von dreizehn Jahren, die Chiara Stella hieß, eine Schönheit, die man nicht beschreiben kann, manierlich und zierlich mit einem Gesicht wie die Sonne und immer lustig. Ihr versteht schon, was da geschah. Junge Menschen verlieben sich leicht beim bloßen Sehen, zumal wenn sie sich miteinander verständigen können. Fiorindo band täglich einen Strauß aus etwas Geranium, etwas Diptam, Rosen, Veilchen und Stiefmütterchen, und wenn Chiara Stella in den Garten ging mit ihrer Kammerfrau, gab er ihn ihr. Gespräche führten sie nicht, aber mit den Augen sprachen sie besser, als mit dem Munde. Kurz, sie verliebten sich ineinander, und alle hatten es bemerkt außer dem König.
Nun sind Väter und Ehemänner immer blind. Doch an den Höfen gibt es eine Menge Neider, und alle anderen Diener beneideten Fiorindo wütend, weil der König ihn immer um sich hatte und ihm alles anvertraute. Sie fingen also an, ihm nachzuspüren, und hinterbrachten dem Könige, er habe ein Liebesverhältnis mit seiner Tochter. »Wie?« antwortete jener dumme König. »Ich kann nicht glauben, daß meine Tochter so verworfen sei, sich in eine Liebschaft mit einem Kammerdiener einzulassen.« – Aber die Neider paßten so auf sie auf, daß sie sich eines Tages überraschen ließen in einsamem Geplauder mit Fiorindo. Als der König dies sah, dachte er, der entrüstet war, daß man ihn in seinem Vertrauen betrogen hatte, an eine Strafe. Er befahl, Chiara Stella aus dem Palast zu entfernen und zu seinem Bruder zu bringen, der König von Portugal war. Dem schrieb er, er möge sie gut bewachen. Ja, haltet Verliebte auch in einem unterirdischen Kerker gefangen, sie finden doch Mittel und Wege, einander Nachricht zu geben. Sie fingen also an, sich zu schreiben. Aber einer dieser Briefe fiel einem Diener in die Hände, der ihn dem König brachte. Dieser Brief ist von Chiara Stella, rief der König, und geriet in solche Wut, daß die Liebe zu Fiorindo sich in Haß verwandelte. Er läßt ihn rufen und gibt ihm einen versiegelten Brief an den König von Portugal, in welchem stand, der Überbringer solle binnen einer Woche gehenkt werden. Nun seht, wie gut es das Schicksal mit Liebenden meint. Fiorindo kommt in die Stadt des Königs von Portugal und begegnet Chiara Stella, die mit ihrer Hüterin gerade in einem Kreuzgange spazieren ging. Als sie sich erblickten, – welches Glück! welcher Jubel! Fiorindo gab ihr den Brief ihres Vaters, aber Chiara Stella hatte Verdacht, öffnete ihn und las darin das saubere Schurkenstückchen. Ihr könnt denken, wie es sie schmerzte. Doch verlor sie darum nicht ihren Verstand. Sie hatte eine Schrift, wie ihr Vater, zerriß den häßlichen Brief und schrieb einen andern, darin stand: Ich wünsche Chiara Stella mit einem trefflichen Ritter zu vermählen. Laßt binnen einer Woche in einem Turnier um sie kämpfen, und wer Sieger bleibt, soll sie erhalten.
Kaum hatte der König von Portugal diesen falschen Brief erhalten, so schrieb er das Turnier in seinem ganzen Reiche aus, und Fürsten, Barone und berühmte Ritter strömten herbei. Chiara Stella bewirkte, daß auch Fiorindo sich zu dem Turnier meldete. Doch bei dem ersten und zweiten Ritt wollte man ihn nicht, weil er kein Ritter war, so daß erst Chiara Stella mit einem ihrer Kleinode, da sie eine Königstochter und Thronerbin war, ihn zum Ritter ernennen und auch ins Turnier schicken mußte. Dort betrug er sich so rühmlich, daß er alle besiegte und man ihm Chiara Stella vermählen mußte. Bei der Hochzeit aber erschien ein Kurier mit einem schwarzgesiegelten Brief, in dem stand, daß der König von Spanien gestorben sei und Chiara Stella regieren sollte. Das war ein schönes Zusammentreffen! So geschieht’s, daß, was »oben« geschrieben steht, nicht geändert werden kann, und die Sterne sprachen die Wahrheit, denn Fiorindo wurde König von Spanien.
[Italien: Paul Heyse: Italienische Volksmärchen]