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Märchenbasar

Frumoasa lumii (Schöne der Welt)

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Vor langer, langer Zeit war einmal eine Witwe, die hatte drei Töchter und einen Sohn. Jetzt geschah es, daß sich ihr der Tod näherte, und sie rief ihren Sohn und sagte ihm, wenn ein Freier käme und eines von den drei Mädchen verlange, sei es durch das Fenster oder durch den Rauchfang, solle er es geben.
Als die Mutter gestorben war, verging nicht viel Zeit, da kam ein Freier an das Fenster und verlangte die älteste Schwester. Der Bruder nahm sie und warf sie zum Fenster hinaus und fragte nicht, wer der Freier sei.
Nach einiger Zeit klopfte wieder ein Freier ans Fenster und verlangte die zweite Schwester. Dieser nahm sie und warf sie zum Fenster hinaus, wieder ohne zu fragen, wem er sie gebe.
Nun verging eine Zeit, wieviel vergangen sein wird, nur einmal verlangte ein Freier die jüngste Schwester durch den Rauchfang. Er nahm sie und warf auch die letzte Schwester in den Rauchfang.
Jetzt war er nur allein, aber er konnte es so nicht lange ertragen, es war ihm so einsam und kam eine so große Sehnsucht über ihn nach seinen Schwestern, und er wußte weder wem, noch wohin er sie gegeben. »O Gott, war ich doch dumm, ich hätte ja wenigstens meine Schwäger um ihre Namen fragen sollen.«
Er nahm sich den Tornister und den Stock und machte sich auf den Weg, seine Schwestern zu suchen. Er ging weit, weit durch den größten Wald und konnte sie nicht finden, nicht einmal eine.
Als er bald aus dem Walde herauskommen sollte, traf er auf ein großes, schönes Haus, in diesem Haus wohnte die Frumoasa lumii. Sie stand grade in der Gassentüre: »Guten Tag.« – »Ich danke, bis wohin?« – »Ich gehe meine Schwestern suchen, ich habe sie irgendwelchen Männern durch das Fenster und durch den Rauchfang gegeben. jetzt finde ich sie nicht mehr.« Ein Wort gab das andere. Der Bursche gefiel ihr. Nur einmal nahmen sie sich an der Hand und kamen überein, sie sollten sich vereinigen, er solle der Genosse, sie die Genossin sein. Dann machten sie Hochzeit, und er ging nicht mehr seine Schwestern zu suchen.
Die Frumoasa lumii war schöner als alle Mädchen aus der ganzen Welt und hatte acht Stuben, eine schöner als die andere, ganz mit Gold, Silber und Kupfer gemalt.
Eines Tages ging sie in die Stadt und gab ihm die Schlüssel von allen Zimmern und sagte, er könne durch sieben gehen, aber das achte solle er zugesperrt lassen und sich nicht unterstehen hineinzugehen. Nun, er ging durch alle sieben, er hatte ja nichts anderes zu tun. Nur einmal dachte er: »Ach Gott, warum sollte ich denn in das achte nicht auch gehen sollen? Ich gehe.« Er nahm den Schlüssel, es war ein ganz verrosteter, vielleicht hatte noch niemand diese Tür aufgesperrt. Und was war in dem Zimmer? Er trat bis an die Knie in Schmutz und Kehricht! Es war im ganzen Zimmer nichts anders, nur in der Mitte war ein großes Faß mit drei Reifen gebunden. Im Faß war der Drache eingesperrt. Der junge Mann wußte dies aber nicht.
Der Drache bat, er möge ihm eine Kanne voll Wasser bringen, er sterbe vor Durst. Der Alberne ging und brachte Wasser, als der Drache getrunken, sprang ein Reif. Er bat noch um eine Kanne. Als er die zweite getrunken, sprang auch der zweite Reif. Der Drache schleuderte sich heraus aus dem Faß, und gerade kam die Frumoasa lumii nach Hause. Der Drache nahm sie und floh mit ihr ins Gebirge in sein Haus.
Jetzt sah der Mann, wie dumm er gewesen, daß er seiner Frau nicht gehorcht. Er ging in den Stall und gab seinem Pferd allerlei zu fressen: Hafer, Zucker, Brot und gab ihm Wein zu trinken, damit es Kraft bekomme, dann setzte er sich darauf und ritt ins Gebirge zu seiner Frau. Der Drache war auf Raub ausgegangen. Er nahm seine Frau geschwind aufs Pferd und ritt fort wie der Teufel. Aber der Drache hatte es gerochen und kehrte schnell nach Hause zurück, setzte sich auf sein Pferd und verfolgte sie. Sein Pferd hatte acht Herzen, das andere war aber nur ein irdisches Pferd, und was es sich auch bemühte, das Drachenpferd holte es doch ein. Der Drache nahm sich die junge Frau und sagte, für die erste Kanne Wasser tue er ihrem Manne nichts.
Dieser kehrte traurig heim und gab seinem Pferd noch mehr und noch bessere Speisen zu fressen und zu saufen, aber auch zum zweiten Male erging es ihm nicht besser, der Drache ließ ihn auch für die zweite Kanne am Leben. Als er ihn aber zum dritten Male eingeholt, nahm er ihn und zerschnitt ihn in lauter Stücke und warf sie auf eine Weide den Raben zum Fraß, damit er Ruhe vor ihm habe.
Es verging nicht lange Zeit, da näherten sich drei Raben dieser Weide, sie hatten das Fleisch gerochen. Aber als sie die Stücke nehmen wollten, schrie der älteste: »Bruder, bleib still, dies ist unser Schwager, was weißt du, mein ältester?« – »Ich weiß, daß man alle Stückel zusammenstellen muß.« Sie sammelten schnell alle Stücke und legten sie zusammen, bis der ganze Mensch dalag. »Was weißt du, mein jüngster?« – »Ich weiß, daß man die Stücke lecken muß, bis alle zusammengepickt sind.« Sie begannen schnell alle drei zu lecken, bis sich kein einziges Stück mehr von dem andern löste. Dann nahm der älteste zuletzt drei Zweige vom injer (Hebewinde, Schutzengel) und drei Äste vom Blutbaum (roter Hornstrauch, sînjer) und rieb ihn mit diesen lange, lange, bis er die Augen aufschlug. »Ach, lange hab‘ ich geschlafen.« – »Du hast auch geschlafen, Schwager, und wärst auch nie mehr erwacht, wenn wir nicht gewesen wären.« – »Aber seid ihr Raben meine Schwäger?« – »Wahrlich, wir sind es, aber wir sind nur am Tage Raben aus Furcht vor dem Drachen, nachts sind wir Menschen. Jetzt wollen wir dir sagen, was du tun mußt, damit wir alle vom Drachen befreit, wieder Menschen werden. Du sollst zur alten Hisbaba gehen und ihr ein Jahr dienen. Ein Jahr hat nur drei Tage. Du sollst dich so eindingen, daß sie dir gibt, was du verlangst. Du mußt ihr verlangen eine Ochsenherde und ihr schwächstes Füllen. Nahe am Hof der Hisbaba ist eine Brücke, auf der einen Seite hütet ein Bär, auf der andern steht der Wolf. Diesen mußt du die Ochsenherde versprechen, sonst lassen sie dich nicht über die Brücke und fressen dich. Wenn du ein Ungemach haben solltest, denk nur an uns, gleich sind wir bei dir.« Sie wünschten im glückliche Reise, dann machte er sich auf den Weg zur alten Hisbaba.
Er erreichte die Brücke ohne Ungemach. Der Bär und der Wolf wollten ihn gleich fressen, aber er versprach ihnen eine Herde Ochsen, da ließen sie ihn in Ruhe weitergehen. Er kam zur Hisbaba und verdingte sich: wenn er ein Jahr aushalten könne, gäbe sie ihm, was er verlange, könne er nicht, haue sie ihm den Kopf ab, um ihn an den leeren Pfahl zu hängen, denn es war nur noch einer leer, an neunundneunzig hingen die Köpfe der Knechte, die nicht dienen konnten.
Am Tage mußte er hundert Pfähle machen, abends sollte er nur eine Stute aufs Gras führen und sie dort hüten; wenn er sie verliere, verliere er auch seinen Kopf. Am ersten Tage machte er seine Arbeit gut, abends gab ihm die Alte ein Brot mit Schlaf zum Abendessen ein. Als er sich auf die Stute setzte, wurde er so schläfrig, daß er herunterfiel. Wie er aufstand, war die Stute verschwunden. Er konnte sie nirgends finden, er fing an zu weinen, daß er fast verging, und jammerte: »Ach, wenn doch mein Schwager hier wäre!« Gleich war der älteste Rabe da. »Was für ein Ungemach hast du, mein Schwager?« – »Der Schlaf hat mich betrogen, daß ich von der Stute herunterfiel, und sie war fort.« – »Siehst du dort die Ochsenherde?« – »Ich sehe sie.« – »Wirf den Zaum über den größten, es ist deine Stute.« So war es. Am Morgen kam er mit ihr nach Hause.
Die Alte ging zur Stute und verfluchte sie mit häßlichen Worten und zankte sie aus, weil sie sich nicht besser versteckt und den Jüngling vom Tode befreit hätte.
Die Stute war die Tochter der Hisbaba und war immer nur in der Nacht eine Stute. Wie sie sich auch verschwor, sie wäre nicht schuld, ihre Mutter glaubte es nicht und schlug sie auch noch.
Am nächsten Tag machte der Knecht wieder hundert Pfähle, abends gab sie ihm ein Brot mit Schlaf zu essen. Als er sich auf die Stute setzte, kam ein solcher Schlaf über ihn, daß er herunterfiel. Die Stute lief fort. Als er zu sich kam, hatte er nicht mehr, von wo die Stute nehmen.
»Ach, ach. wäre doch mein Schwager hier!« Gleich war der zweite Schwager bei ihm. »Was ist dir, Schwager, warum hast du geweint?« – »Sieh, der Schlaf hat mich betrogen, daß ich von der Stute fiel, sie ist fort, jetzt schlägt mir die Hisbaba den Kopf ab.« – »Fürchte dich nicht, sie macht dir nichts, siehst du dort die hohe Pappel mit der Spitze bis zum hohen Himmel?«
»Ich seh‘ sie.«
»Dort in der Spitze sitzt ein Vogel, dieser Vogel ist deine Stute. Ich steige hinauf und nehme mich hinter ihr; aus Furcht wird sie sich herunterlassen, du sollst den Zaum über ihren Rücken werfen, gleich wird sie zur Stute.«
So machte er es.
Am Morgen kam der Knecht fröhlich auf der Stute zur Alten. Diese ärgerte sich fast zu Tode, ging in den Stall und verfluchte sie und schlug sie, trotzdem diese sich verschwor, sie wäre nicht schuld, aber das nächstemal möge die Alte sie verstecken, sie wisse nicht mehr wohin.
Der Knecht machte sich an die Pfähle, bis gegen Abend waren hundert fertig. Dann bekam er wieder ein Brot mit Schlaf. Als er zu Pferde saß, wurde er so schläfrig, daß er herunterfiel. Als er wieder zu sich kam, war die Stute fort.
»Ach, ach, Schwager komm!« Darauf war der jüngste Schwager sogleich bei ihm.
»Was für ein Ungemach hast du, Schwager?«
»Jetzt nimmt mir die Alte doch mein Leben. Der Schlaf hatte mich betrogen, jetzt weiß ich nicht, von wo ich die Stute nehmen soll.«
»Erschrick nicht, wir werden sie schon finden, heute hat sie die Alte versteckt. Sie hat sie zu einem Ei gemacht und hinter dem Ofen versteckt. Du sollst dich über den Kopf werfen, dann wirst du ein Fuchs. Mische dich unter die Hühner und Enten, die werden schreien. Die Alte wird herauskommen, ich gehe hinein und bringe dir das Ei hinter dem Ofen, wirf den Zaum darüber, gleich hast du die Stute. Mit dem heutigen Tage geht dein Jahr zu Ende. Als Lohn sollst du nur das schwächste, verderbte Füllen verlangen, es sieht nur so aus, weil es ein schmutziges Fell hat, damit es niemand stehle, aber es ist das mutigste, es hat neun Herzen.«
So machte er es. Am Morgen kam er mit der Stute.
Die alte Hisbaba sah jetzt, daß ihre Tochter nicht schuld war, und sagte: »Ich hatte neunundneunzig Knechte, und nicht einer konnte das ganze Jahr dienen. Jetzt, was verlangst du?«
»Du sollst mir eine Herde Ochsen geben und ein Füllen.«
»Ich gebe es dir, komm in den Stall.« Dort war Pferd an Pferd und Füllen, eines schöner als das andere, nur in einer Ecke lag ein krummes, elendes Füllen im Stroh.
»Großmutter, gib mir dieses.«
»Aber mein Sohn, wie kann ich dir dieses elende Füllen geben, daß dich die Leute auslachen, sieh hier sind ja viele schöne, wähle dir eines, du bist es wert, du hast mir die Stute gut gehütet.«
Der Knecht wollte nur das eine. Sie mußte es ihm geben, denn sie hatte, welches immer er wollte, gedungen. Er nahm sich dies Füllen und kam heraus. In der Stalltüre fiel das elende Füllen in die Knie, er schlug es mit der Peitsche, daß er wieder aufstand. Dann ging es ein wenig und fiel wieder zu Boden. Er hieb es noch einmal, es stand auf, und nun kamen sie bis zur Brücke. Der Bär und der Wolf standen mit aufgesperrtem Mund und konnten kaum die versprochenen Ochsen erwarten. Als er sie ihnen gegeben, ging er ruhig über die Brücke, dann setzte er sich auf das Füllen, das warf ihn zehn Klaftern hoch.
»Bist du erschrocken, mein Herr?«
»Freilich bin ich erschrocken.«
»Na, sieh, so war ich auch erschrocken, als du mich schlugst.« Es warf ihn wieder zwanzig Klaftern hoch. »Bist du erschrocken, mein Herr?« – »Erschrocken freilich.« – »So erschrak auch ich, wie du mich zum zweiten Male schlugst, aber jetzt halte dich fest.«
Das Füllen schüttelte sich einmal, da fiel ihm das schmutzige Haar herunter, es wurde ein schönes Pferd, noch schöner als das des Teufels.
Schnell wie der Gedanke war er bei der Frumoasa lumii, nahm sie und ritt fort. Das Drachenpferd wieherte, daß der Drache es von der Jagd aus hörte und herbeikam.
»Warum hast du gewiehert?«
»Der Mann der Frumoasa lumii hat sie genommen und ist mit ihr fort.«
»Kannst du noch essen und schlafen und sie noch erreichen?«
»Den Teufel kann ich erreichen, wir werden ihren Rücken sehen, das Gesicht sehen wir nicht wieder. Mein Bruder hat neun Herzen, ich habe nur acht.«
»Wir wollen doch versuchen.«
Er setzte sich aufs Pferd, das rannte schnell wie der Teufel hinter seinem Bruder; da sagte der Drache: »Ruf deinem Bruder, daß er stehenbleibt, bis wir zu ihm kommen.«
»Bruder, Bruder, bleib stehen, er hackt mir die Sporen in den Magen, ich kann fast nicht mehr weiter.«
Der antwortete: »Wirf, Bruder, den Drachen hinauf bis in den Himmel und fang ihn in deinen Hufen auf, daß er lauter Staub und Brösel wird, dann komm du zu uns. Du dienst mit mir bei der Frumoasa lumii leichter als beim Drachen.« Als das Drachenpferd diese Worte hörte, warf es ihn bis an den hohen Himmel und wartete nicht, er solle ihm wieder in den Sattel fallen, er ließ ihn zur Erde fallen, daß er zerbarst in lauter Stücke, wie er es mit dem Manne gemacht. Aber die Raben kamen nicht, um ihn wieder zusammenzustellen.
Als sie hörten, daß er gestorben, wurden sie wieder Menschen auch am Tage. Dann kamen sie alle zusammen und lebten noch lange im Frieden.

Nicolai Gaspar, Großschenk
[Rumänien: Pauline Schullerus: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal]

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