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Märchenbasar

Gänsefurth

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Seit Jahr und Tag sind die Bauern von den Launen des Wetters abhängig. Diese bekam eines schönen Tages auch ein Bauer zu spüren, der stets genügend Wasser für seine Felder und sein Vieh hatte, da sein Hof in der Nähe eines kleinen Flusses lag. Die Ernte, die er jedes Jahr einbrachte, machte ihn zwar nicht reich, doch er hatte bis zum nächsten Herbst sein Auskommen und musste nicht hungern.

In einem Jahr allerdings war der Sommer so heiß, dass der Fluss austrocknete. Die Pflanzen auf den Feldern verdorrten und über das ganze Land breitete sich eine große Dürre aus. Das Wasser fehlte überall, bei Mensch und Vieh gleichermaßen. So blieb dem armen Bauern nichts anderes übrig, als nach und nach seine Tiere zu schlachten, bis nur noch eine kleine Gänseschar übrig war.
„Ihr kommt morgen dran“, verkündete er eines Abends und schlurfte müde und traurig ins Haus. Es tat dem Mann von Herzen leid, dass er keine andere Lösung fand.

Als er am nächsten Morgen in den Stall ging, um die Gänse zu schlachten, waren diese verschwunden. Der Bauer lief aufgeregt zu seiner Frau und rief schon von weitem: „Unsere Gänse sind fort!“Den ganzen langen Tag sah und hörte man nichts von dem Federvieh. Doch irgendwann am Abend, die Dunkelheit hatte sich längst über die Landschaft gelegt, erklang ein lautes Geschnatter auf dem Hof. Die Gänse waren zurückgekehrt, watschelten einträchtig in ihren Stall und hockten sich zum Schlafen nieder. Der Bauer atmete auf.

Aber als er früh morgens beim ersten Hahnenschrei in den Stall ging, waren die Tiere abermals verschwunden. So sehr er auch suchte, er konnte das Federvieh nirgends finden.
Traurig kehrte er in die Stube zurück und berichtete seiner Frau von dem erneuten Unglück.

Es wurde Abend. Ein fröhliches Schnattern ertönte. Die Gänse kehrten wieder zu ihrer Schlafstelle zurück, wo sie die Nacht verbrachten.
Am nächsten Tag das gleiche Spiel. Erneut suchte der Bauer seine Tiere auf dem ganzen Hof und konnte der Bäuerin nur mitteilen, dass sie auch an diesem Morgen ausgerückt waren. Das Ehepaar stellte sich die Fragen: Wo verbringen die Gänse den Tag?
Da kam der Frau eine Idee. Sie wollte die nächste Nacht Wache vor dem Gänsestall halten.

Wie jeden Abend kehrte das Federvieh auf den Hof zurück und als die Sonne ihre ersten Strahlen auf die Erde schickte, kamen die Gänse aus dem Stall und flogen gen Norden. So schnell sie konnte, folgte die Bäuerin ihnen und stellte fest, dass sie gar nicht weit zogen und hinter den drei großen Bäumen, dort, wo der Acker sehr steinig war, sich bereits wieder niederließen.
Weil der Boden an dieser Stelle unfruchtbar war, hatte der Bauer hier nie etwas angebaut. Eine Zeitlang beobachtete die Frau die Gänse, wie sie fröhlich herumflatterten. Doch plötzlich waren sie nicht mehr zu sehen. Die Bäuerin schlich näher und sah, dass sich die Vögel eng um einen Platz versammelt hatten.
Was sie dann entdeckte, war kaum zu glauben. Die Gänse hatten eine geheime Quelle gefunden und tranken laut schnatternd das kühle Wasser, das aus dem Boden sprudelte. Die Frau trat näher und die Tiere machten der Bäuerin Platz, damit sie sich ebenfalls an dem Quellwasser erfrischen konnte. Es schmeckte köstlich und prickelte angenehm auf der Zunge, als ob es Wein wär.
Als die Bäuerin genug getrunken hatte, lief sie zurück zum Hof, um ihren Mann von dem Fund zu erzählen. Aufgeregt rannte sie in die Schlafstube, denn ihr Mann schlief noch. Es war ja früher Morgen. Sie rief ganz laut: „Die Gänse sind fort!“
Vom Bett her kam ein Knurren. „Das weiß ich doch, Frau! Warum weckst du mich?“
„Aber ich weiß, wo sie sind! Die Tiere haben sich auf dem steinigen Acker bei den drei großen Bäumen niedergelassen. Und du glaubst nicht, was sie dort gefunden haben.“
„Na, das wirst du mir ja gleich erzählen.“ Das Bett quietschte laut, als sich der Bauer endlich aufsetzte.
„Die Vögel haben dort eine Wasserquelle entdeckt. Daraus sprudelt frisches, kühles Wasser, welches so köstlich ist, dass es die Lebensgeister erweckt.“
Da der Bauer nicht der Klügste war, dauerte es eine Weile, bis er begriff, was ihm seine Frau gerade berichtet hatte. Dann aber sprang er aus dem Bett, streifte eilig seine Hose über und lief barfuß der Bäuerin nach, die bereits auf dem Weg zur Quelle war. Und wirklich, schon von weitem war das laute Geschnatter der Gänse zu hören und ein leises Plätschern.
Ungläubig bückte sich der Bauer und schöpfte eine Handvoll Wasser. Es schmeckte dem Mann so gut, dass er immer wieder davon tank. Auch dachte er, es wäre Wein und sagte zu seiner Bäuerin: „ Der Trunk schmeckt so gut, als hätt ich Gänsewein auf der Zunge und so entstand der Ausdruck Gänsewein.
„Du hast Recht“, meinte seine Gattin und stellte unerwartet fest, dass aus der Quelle nur so viel Wasser sprudelte, wie der Bauer entnahm. Es gab keinen Bach, wo das herausquellende Nass ablaufen konnte. Daher hatte das Ehepaar die Quelle auch nie entdecken können.
Keinen anderen als die beiden Bauersleute ließen die Gänse an das Wasser heran. Sie waren die besten Wächter der Quelle. Der Bauer gab dem Platz den Namen „Gänse fort“. Da der Mann allerdings des Schreibens kaum mächtig war, schrieb er auf das Hinweisschild „Gänsefurth“.
Später baute man um die Quelle einen Ort, den man „Gänsefurth“ nannte. Die Tiere passen noch heute auf die Quelle auf.

 Quelle: Friedrich Buchmann

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