Da er nun nahe daran war, die Säcke dieses Lebens abzuschütteln, so rief er seine Söhne, Oratiello und Pippo, und sagte zu ihnen: „Ich werde jetzt von den Rechnungsführern gerufen, um die Schuld, die die Natur an mich zu fordern hat, zu bezahlen, und glaubt mir, wenn ihr Christen seid, dass es mir großes Vergnügen machen würde, diesen Elendshaufen, diese Wehschlucht zu verlassen, ließe ich euch nicht zurück, ein Paar erbärmlicher Gesellen, so dick wie St. Clara auf den fünf Straßen von Melito, ohne einen einzigen Stich an euch, so rein wie ein Barbierbecken, so glatt wie die Oberfläche eines Springbrunnens, so trocken wie ein Pflaumenstein; die ihr nicht so viel habt, um eine Fliege zu fangen, und lieft ihr hundert Meilen, nicht ein Staubkörnchen würde euch entfallen, da mein Unstern mich hinsetzte, wo nichts gutes zu bekommen war, und dass sie mich gerade wie ich bin, in den Büchern eintragen; denn ich habe immer mich beholfen und bestrebt, und bin ohne Licht zu Bett gegangen. – Dem ungeachtet will ich aber doch, da ich nun sterben muss, euch Zeichen meiner Liebe hinterlassen. Darum nimm du, Oratiello, mein Erstgeborner, das Sieb, das an der Mauer hängt, damit kannst du dir dein Brot erwerben, und du, der du der Jüngste bist, nimm die Katze und erinnere dich deines Papa’s.“ – Als er das gesagt hatte, fing er an zu winseln, und nach einer Weile sprach er: „Gott sei mit Euch! es wird Nacht.“ Oratiello ließ den Vater durch die Armenpfleger gegraben, nahm das Sieb und siebte hier und dort herum, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, je mehr er siebte, desto mehr verdiente er. Pippo, die Katze nehmend, rief: „Nun seh‘ mir Einer, welches hübsche Vermächtnis mir mein Vater hinterlassen hat. Ich bin kaum im Stande mir selbst durchzuhelfen, und muss nun für Zwei sorgen. – Was nützt mir die erbärmliche Erbschaft? ich bin überzeugt, dass ich ohne dieselbe viel weiter käme.“
Die Katze die dieses Selbstgespräch mit anhörte, sagte zu ihm: „Du quälst dich ohne Grund, du hast mehr Glück als Verstand, aber du kennst dein Glück nicht; ich bin im Stande, dich reich zu machen, wenn ich darauf ausgehe.“ Als Pippo das vernahm, bedankte er sich bei der Katze, streichelte ihr drei oder vier Mal den Rücken und empfahl sich ihr auf das Wärmste.
Die Katze hatte nun Mitleid mit dem unglücklichen Gagliuso, und jeden Morgen, wenn die sonne mit dem Lichtköder die goldene Angel auswarf und nach dem Schatten der Nacht fischte, begab sie sich entweder an das Ufer von Chiaja oder nach dem Fischfelsen (Petra de lo Pesce) und einen guten Steinbutt oder einen andern feinen Fisch fangend, sackte sie ihn ein, brachte ihn zu dem Könige und sagte: „Mein Gebieter, Herr von Gagliuso, Euer Hoheit untertänigster Sklave, sendet euch ehrfurchtsvoll diesen Fisch und spricht: Für einen so großen Herrn ein kleines Geschenk.“
Der könig erwidert mit freudigem Antlitz, wie er es immer denen zu zeigen pflegte, die ihm etwas brachten. „Sage diesem Herrn, den ich nicht kenne, ich lasse ihm herzlich danken.“
Ein anderes Mal lief die Katze dahin, wo man Vögel jagte in Sümpfen oder Feldern, und wenn die Jäger ein Rebhuhn oder eine Schnepfe heruntergebracht hatten, so raffte sie’s auf und brachte es dem König mit derselben Botschaft. Dies tat sie so lange, bis er eines Morgens zu ihr sagte: „Ich fühle mich diesem Lord Gagliuso so verbunden, dass ich lebhaft wünsche, seine Bekanntschaft zu machen, um ihm die vielen Höflichkeiten zu erwidern.“ –
Darauf antwortete die Katze: „Herr von Gagliuso wünscht sich sehnlichst, sein Leben und sein Blut für euer Hoheit Krone zu wagen, und wird unfehlbar morgen früh, sobald die Sonne die Stoppeln des Lustfeldes angezündet hat, kommen, euch seine Aufwartung zu machen.“
Am nächsten Morgen ging die Katze wiederum zum Könige und sagte: „Majestät! Herr von Gagliuso lässt sich entschuldigen, seine Kämmerlinge sind heute Nacht davon gelaufen und haben ihm nicht einmal ein Hemd gelassen.“ Als der König das hörte, ließ er sogleich eine Menge Kleider und Wäsche aus seiner Gardarobe nehmen und sandte sie dem Gagliuso. Ehe zwei Stunden vergingen, begab sich dieser, von der Katze begleitet, nach dem Palaste, wo er eine Menge Komplimente vom Könige empfing, der ihn an seiner Seite sitzen ließ und ihn so prächtig traktierte, dass ihr euch darüber wundern würdet.
Während sie aßen, wandte sich Gagliuso von Zeit zu Zeit zu der Katze und sagte zu ihr: „Mein Schätzchen, lass diese vier Finger dir empfohlen sein, damit sie nicht auf den unrechten Weg kommen,“ und die Katze pflegte zu antworten: „Seid ruhig, seid ruhig, sprecht nicht von solchen erbärmlichen dingen.“ – Da der König zu wissen wünschte, wovon die Rede sei, so antwortete die Katze, dass er eine kleine Zitrone verlange, und der König ließ sogleich einen ganzen Korb voll aus dem Garten holen. – Gagliuso fing wieder von Neuem so an und die Katze hieß ihn wieder schweigen, der König fragte wieder, wovon die Rede sei, und die Katze hatte eine andere Entschuldigung für Gagliusos Unwissenheit bei der Hand.
Nachdem sie nun eine gute Weile gegessen und geplaudert hatten, beurlaubte sich Gagliuso und die Katze blieb bei dem Könige, die Vorzüge, den Verstand und den Geist Gagliuso’s, vor Allem aber seine großen Reichtümer in den römischen und lombardischen Ebenen, die ihn wohl berechtigten in eine Königsfamilie hinein zu heiraten, über die Maßen zu preisen. – Der König fragte, wie hoch sich wohl sein Vermögen beliefe, und die Katze erwiderte, Niemand könne die Mobilien, Immobilien und das Hausgeräte dieses ungeheuer reichen Mannes, der selber nicht wisse, was er besäße zählen. Wünsche aber der König Erkundigungen darüber einzuziehen, so möge er nur Leute mit ihr aus dem Königreiche senden, und sie würde ihm beweisen, dass ihr Herr, was den Reichtum beträfe, in der ganzen Welt seines Gleichen suche.
Der König rief einige zuverlässige Leute und trug ihnen auf, die Sache genau zu erforschen. Diese folgten der Katze, welche, sobald sie über die Grenze des Königsreichs war, von Zeit zu Zeit, unter dem Vorwande, Erfrischungen zu besorgen, vorauszulaufen pflegte. Wo sie nun eine Herde Schafe, Kühe, Pferde oder Ferkel antraf, rief sie dem Hirten und dem Hirtenjungen zu: „Nehmt euch in Acht! es kommt ein Trupp Räuber, um Alles fortzuschleppen. Wünscht ihr euch nun der Wut derselben zu entziehen und euer Besitztum verschont zu sehen, so sagte, es gehöre dem Herrn von Gagliuso, und kein Haar wird euch gekrümmt werden.“ Dasselbe sagte sie auf allen Meierhöfen, die sie unterwegs antraf, so dass des Königs Leute, wohin sie auch kamen, überall die Geigen gestimmt fanden, denn Alles gehörte dem Herrn von Gagliuso. – Am Ende wurden sie des Fragens überdrüssig, gingen deshalb zurück zu dem König und erzählten ihm Berge und Seen von Reichtümern des Herrn Gagliuso. – Als dieser es hörte, versprach er der Katze ein gutes Trinkgeld, wenn sie die Heirat zu Stande brächte. Die Katze, die den Kuppler zwischen ihnen spielte, gelang es auch endlich, die Sache in Richtigkeit zu bringen. Gagliuso kam und der König gab ihm seine Tochter und eine reiche Mitgift.
Am Ende des Festmonats wünschte Gagliuso seine Frau auf seine Güter zu führen. Der König begleitet ihn bis an die Grenze und er ging nach der Lombardei, wo er auf den Rat der Katze Güter kaufte und ein Baron wurde.
Als Gagliuso sich nun so außerordentlich reich sah, dankte er der Katze über allen Ausdruck, und sagte, dass er ihren guten Diensten sein Leben und seine Größe verdanke; und das die Gescheitheit einer Katze mehr für ihn getan habe, als die Geschicklichkeit seines Vaters. Sie könne, fuhr er fort, mit seinem Leben und seinem Eigentum schalten und walten, wie ihr gefalle, und er verspräche ihr, dass, wenn sie stürbe, was aber auch nach seinem Wunsche erst in hundert Jahren geschehen möge, so wolle er sie einbalsamieren, in einen goldenen Sarg legen und auf sein Zimmer bringen lassen, damit ihm ihr Andenken beständig vor den Augen sei.
Die Katze hörte diese verschwenderische Versprechung und stellte sich in den nächsten Tagen tot, indem sie sich der Länge nach im Garten ausstreckte. Gagliuso’s Frau gewahrte es und rief: „Welch ein Unglück, die Katze ist tot, mein Gemahl!“ „Sterbe der Teufel mit ihr,“ sagte Gagliuso, „besser sie, als wir.“ – „Was sollen wir mit ihr anfangen?“ fragte die Frau. – „Nimm sie bei den Beinen und wirf sie fort,“ sagte er.
Die Katze, die diese böse antwort hörte, als sie sie am Wenigsten vermutete, rief: – „Das ist wohl die Belohnung dafür, dass ich die Fliege von euch abgewehrt habe? Das ist wohl der Dank, dass ich euch von Lumpen befreit habe? Das ist die Vergeltung, dass ich euch schön gekleidet und fütterte, als ihr ein armer, verhungerter, erbärmlicher schlotterhosiger Schuft war’t?“
„Das kommt davon, wenn man einem Esel den Kopf wäscht. Verflucht sei Alles, was ich für euch tat, ihr seid nicht wert, dass ich Euch in’s Gesicht speie. – Einen schönen goldnen Sarg habt ihr mir machen lassen; ein schönes Leichenbegräbnis wolltet ihr mir ausrichten! Geht nur! dienen, arbeiten, sich abquälen, schwitzen, um solchen Lohn dafür zu haben! – Wehe dem, der eine gute Tat in Hoffnung auf Vergeltung tut. Wie richtig sagt nicht der Philosoph – wer als ein Esel schlafen geht, steht als ein Esel wieder auf. – Wer am Meisen tut, hat am Wenigsten zu erwarten. Aber guter Worte und schlechte Taten täuschen sowohl Weise als Narren.“
Als sie diese sagte, schlug sie ihren Mantel um sich und machte sich auf den Weg; was Gagliuso ihr auch sagen mochte mit der äußersten Demut, nichts war im Stande sie zu besänftigen. Sie wollte nicht umkehren, sondern rannte immer weiter, ohne sich umzusehen und rief: „Gott behüte Euch vor einem arm gewordenen Reichen, und vor einem reich gewordenen Armen.“
Neapolitanisches Märchen