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Märchenbasar

Gottes Lohn

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Es waren einmal ein paar sehr reiche Leute, die hatten keine Kinder gehabt und waren nun ziemlich alt. Da sie nun keine Kinder hatten, beschlossen sie, zu einem Propheten zu gehen und ihn zu befragen, ob sie nie in ihrem Leben Kinder haben würden, und wenn er sagen sollte, es sei vorbei und Friede, wollten sie ihr Vermögen ordnen, wie es am besten sein würde. Sie spannten zwei Pferde: schwarz wie die Raben, feurig wie das Feuer, vor den Wagen und machten sich auf den Weg und erreichten den Propheten. Dieser hieß sie bis am Morgen warten, er werde in der Nacht in den Sternen lesen. Am Morgen prophezeite er, es stehe in den Sternen, sie würden über ein Jahr einen Sohn bekommen, aber dem Sohne habe Gott bestimmt, er solle nie heiraten.
Nach einem Jahre hatten sie einen über alles schönen Knaben. Als er größer wurde, ging er in die Schule und lernte und lernte, bis er mehr wußte als der Lehrer. Da bat er seinen Vater, er möchte ihm einen hohen Turm bauen, so hoch, daß niemand zu ihm komme als der Wind, damit er ungestört lernen könne ohne andere Gedanken. So verging ein Jahr nach dem andern, bis für den Jüngling die Zeit zum Heiraten kam, aber er sah nicht nach den Mädchen.
In einem fremden Lande lebte ein Mann, der ebenso reich war wie dieser. Der hatte eine schöne Tochter zum Verheiraten und ließ sagen, daß er sie dem Burschen zur Frau geben möchte; der wollte aber aus seinem Turm nicht herauskommen. Sein Vater sandte die Antwort, es stehe in den Sternen, sein Sohn werde nicht heiraten. Es werde sich anders nicht machen lassen, wie Gott es angeordnet. Jetzt mischte sich auch sein Onkel, der Bruder seines Vaters, in diese Angelegenheit und sagte: »Du Bruder, wir müssen wenigstens versuchen. Ich rufe das ganze Dorf in den Wald, die Geiger und die Wirte mit einem Faß Wein, zu einem Fest. Es werden viele schöne Mädchen kommen und wird eine feine Sache werden, ihr sollt auch kommen, vielleicht findet sich der Junge ein Mädchen, das ihm gefällt.« Gut.
Am Sonntag geschah, was die Brüder verabredet, der Sohn war auch mitgekommen, aber er sah kein Mädchen an, Gott behüte, wenn sich ihm eine näherte, hielt er die Hand vor die Augen, auch dies Fest hatte nichts genützt. Eines Tages kam der Bruder, um Abschied zu nehmen, er hatte ein Schiff mit Getreide gerüstet für ein fremdes Land. Damit er aus einem Kreuzer zwei mache. Da rüstete auch der Vater für den Sohn eines, damit auch er lerne, wie ein Mensch aus einem Kreuzer zwei machen könne. Nun, der Jüngling zog ab. Als sie im fremden Lande ankamen, hing der Onkel einen Zettel ans Schiff, auf dem geschrieben stand: Ein Viertel Frucht zu fünf Groschen. Der Jüngling schrieb einen andern Zettel: zu zehn Groschen das Viertel. Die Leute kamen alle zum Alten kaufen, in kurzer Zeit war sein Schiff leer, er wandte es um und fuhr nach Hause. Der Junge mußte bleiben, zu ihm war niemand gekommen. Aber jetzt, da keine billige Frucht mehr war, kamen die Leute auch zu ihm und kauften alle Tage, bis auch sein Schiff leer war. Jetzt hatte er noch einmal so viel Geld im Beutel als sein Onkel, aber er fuhr nicht nach Hause. Er nahm sich einen Menschen, der ihn durch die Stadt führen sollte, durch alle Gassen. Wenn er nach Hause käme, sollte er sagen können: »Meine Augen haben gesehen, wo ich überall gewesen.« Mitten in der Stadt, in der vornehmsten Gasse, stand ein schönes Haus, dort wohnte ein reicher Mann, der hatte viel, viel Geld, neben dem Haus befanden sich zwei Säulen, zwischen diesen stand ein Sarg, darüber hing ein Lädchen. Der Jüngling fragte seinen Führer, was dies bedeute, der erzählte es ihm: »Es war einmal ein armer Kaufmann, der nahm Geld vom reichen Mann zu Leihen, als er es genommen, starb er. Und da er gestorben war, konnte er das Geld nicht mehr zurückzahlen. Darum erlaubte der Reiche nicht, daß er begraben werde, er liegt in dem Sarg; in das über ihm hängende Lädchen werfen die Leute aus Mitleid hie und da einen Kreuzer, wenn so viel drinnen ist, wie die Schuld beträgt, dann will er ihn begraben.« Unsern Jüngling schauderte es, er trat in das Haus des Reichen und fragte, wieviel sei der Tote noch schuldig. »Wart, wir wollen nachsehen.« Er brachte das Lädchen herein und begann das Geld, das darinnen war, zu zählen. Es fehlten noch 3000 Gulden. Dieser hatte noch Geld im Beutel, er hatte seine Frucht gut verkauft. Er zählte 3000 Gulden auf den Tisch, dann ging er und bereitete alles für ein Begräbnis; er hatte alles so schön und fein für den Armen bestellt, ohne Gedanken an einen Lohn. Aber Gott ist groß und kann vieles machen.
Als der Tote zur Ruhe gekommen, bat er, Gott möge ihm die Kraft geben, daß er dem guten Jüngling helfen könne zu dem größten Glück, welches der irdische Mensch erhofft. Als die Leute die Mär hörten, es habe ein fremder Jüngling die Schuld des armen Mannes bezahlt und ihn schon begraben, schämten sie sich, weil es niemandem in den Sinn gekommen, zusammenzulegen und die Schuld zu bezahlen und den Armen zu begraben, bis ein Fremder gekommen und es allein getan. Diese Sache werde sich nun in die ganze Welt verbreiten, und sie würden alle zum Gespött. Aber sie kamen zusammen und beschlossen, jeder solle etwas geben, um dem Fremden seine Auslagen doppelt zurückzugeben. So machten sie es. Aber der Jüngling ließ das Geld unangerührt auf dem Tische liegen und ging weg, die Leute hinter ihm, sie gäben ihm noch, was er wünsche, nur solle er auch die Schuld annehmen. Er wollte nicht. Als die Leute sahen, daß sie nichts mit ihm anfangen könnten, gingen sie zum Kaiser und baten ihn, er möchte versuchen, ihn zu erweichen. Der Kaiser rief ihn an seinen Hof und sagte ihm, er solle sich im ganzen Hause, Hof und Garten umsehen und auswählen; was ihm gefalle, dürfe er verlangen, nur solle er auch die Schuld annehmen. Der Jüngling ging durch die Zimmer, durch den Hof, fand aber nichts, das ihm begehrenswert vorkam; so kam er auch in den Garten. Da sah er ein schönes Mädchen, leuchtend wie die Sonne, angebunden mit einer goldenen Kette. »Was ist mit dir, du Mädchen?« – »Was sollt‘ es sein? Sieh, der Kaiser hat mich aus meinem Land gestohlen, ich bin die Tochter vom roten Kaiser aus der Stadt Bologaster, die auf einem Strohhalm hängt und sich an einem Haar hält.« – »Willst du mit mir kommen, ich will dein Herr sein, du sollt meine Herrin sein.« – »Ich will, ich bin satt dieser Kette.« Der Jüngling ging zum Kaiser und verlangte das Mädchen an goldener Kette angebunden. Jetzt war unter allen Leuten große Freude. Sie hielten Hochzeit, dann führte er seine junge Frau an der Hand zum Schiff, die Leute brachten ihm das Geld nach. Er bestieg mit ihr das Schiff und gab diesem mit dem Fuß einen Stoß, daß es gleich das Ufer verließ, die Leute standen mit dem Gelde, ehe sie sich recht bewußt wurden, allein und schrien ihm nach.
Als die Jungen zu Hause ankamen, war eine Freude, und alle verwunderten sich, daß er doch geheiratet, trotzdem aus den Sternen prophezeit war, es wäre ihm nicht beschieden, daß er einst heiraten werde. Eines Tages fing die junge Frau an, von ihrer Heimat zu sprechen, sie sollten nun auch ihre Eltern besuchen. Gut, sie rüsteten das Schiff und brachen auf, zuvor schickten sie Nachricht in ihr Land, sie sei frei von der Kette und käme mit ihrem Mann in die Heimat. Da rüstete auch der rote Kaiser ein Schiff und schickte es ihnen entgegen mit Generälen, Musik und allerlei. Aber ein General hatte das Mädchen des Kaisers auch geliebt. Der Teufel fuhr in ihn, er nahm eine Säge und zersägte ein Brett am Schiff, wenn des Kaisers Schwiegersohn darauf trete, sollte er ins Wasser fallen und ertrinken. Gut. So war es. – Aber der Mensch denkt, doch ohne den Willen Gottes kann er dennoch nichts vollbringen. Als das junge Paar von seinem Schiff auf das andere trat, krachte es, »pock«, und der junge Mann fiel ins Wasser, und im Wasser war er, was die junge Frau auch schrie und jammerte.
Nun lassen wir sie in ihrer Trauer und sehen nach dem Manne. Als er in das Wasser gefallen, stand ein Rabe auf einer Weide und sah es. Gleich bückte er sich ins Wasser und zog den Ertrunkenen heraus, legte ihn unter die Weide und leckte ihn, bis er die Augen aufschlug, dann sagte der Rabe: »Jetzt geh in die Stadt zu deinem Schwiegervater, aber nicht geh gleich hinein, höre zuerst, was die Leute reden. Am ersten Abend, wenn du wieder mit deiner Frau vereinigt bist, geh ein wenig hinaus, ich werde dir am Fenster klopfen.« Der Rabe schlug die Flügel und flog fort. Der Mann machte sich auf den Weg und erreichte die Stadt und näherte sich dem Hause seines Schwiegervaters. Da sah er, daß drei Ärzte herauskamen, hinter ihnen der Koch weinend. Er fragte ihn, warum er weine. »Wie soll ich nicht weinen, ich mache immer gutes Essen, aber des Kaisers Tochter will gar nichts essen. Jetzt haben die Ärzte gesagt, wenn ich morgen nicht eine Speise koche, die sie ißt, hauen sie mir den Kopf ab.« – »Laß nur sein, ich weiß eine sehr gute Speise, wenn sie die nicht ißt, dann sollen sie mir den Kopf abhauen. Aber, was reden die Leute noch?« – »Sie erzählen, der Schwiegersohn des Kaisers sei ins Wasser gefallen und ertrunken. Jetzt wolle sie ein General, aber sie brauche ihn nicht, ihr Vater rede ihr zu, denn sie könne ja nicht immer eine Witwe bleiben.«
Am andern Tage machte er das Essen nicht anders als wie alle Speisen sind, aber er legte auf den Teller sein Tüchel, mit Gold gesäumt, seinen Namen und ihren Namen mit Gold eingenäht. In die Suppe legte er den Ring mit ihrem Namen. Als sie diese beiden Zeichen sah, die niemand senden konnte als er, kam es ihr so gut, daß sie anfing zu essen und fast alles aß. Als der Kaiser sah, daß seine Tochter gesund geworden und nicht mehr trauerte, fing er wieder von der Hochzeit an. Da sie nun wußte, ihr Mann sei in der Nähe und würde sie nicht lassen, sagte sie: »Gut, machen wir Hochzeit.« Der Kaiser schickte Einladungen in alle Städte, an alle Kaiser, sie sollten zur Hochzeit kommen. Sie kamen alle, nur der eine nicht, welcher die Tochter gestohlen und sie an goldener Kette gehalten hatte. Als des Kaisers Schwiegersohn dieses gehört, zog er sich kaiserliche Kleider an und kam in seine Stelle. Es erkannte ihn niemand außer seiner Frau. Als alle versammelt waren, fing der Pfarrer an zu fragen, zuerst den Bräutigam General: »Nimmst du dir diese Frau aus freiem Willen?« – »Aus freiem Willen, Herr Pfarrer.« Als er aber die Braut fragte, bewegte diese die Hand, holte aus und gab dem Bräutigam eine Ohrfeige, daß er dachte, die Augen sprängen ihm aus dem Kopf. Alle erschraken, einer urteilte so, der andere anders. Nur einmal fing der zuletzt gekommene Mann so zu reden an: »Hört, Brüder! Ich hatte mir ein neues Lädchen gekauft und verlor den Schlüssel. Ich schickte um den Schlosser, er möchte mir einen neuen Schlüssel machen. Er machte ihn mir, und als er ihn mir brachte, fand ich den alten. Welchen würdet ihr jetzt behalten haben? Welcher wird der bessere sein, der, den ich mit der Lade neu gekauft oder der, welchen der Schlosser gemacht?« Alle sagten: »Der erste.« – »Nun seht ihr, so mache ich’s auch. Diese Frau hatte einen Mann verloren und sollte jetzt einen andern nehmen, da fand sich der erste wieder. Dieser Bräutigam war schuld, durch seine Tat fiel er ins Wasser, aber durch Gottes Willen lebt er noch. Seht ihr guten Leute, ich bin nicht ein Kaiser, habe nur kaiserliche Kleider an.«
Kaum hatte er diese Worte gesagt, floh der Bräutigam, gelb wie Wachs im Gesicht, durch die Türe, aber die Wächter fingen ihn, banden ihn auf ein blindes Pferd mit dem Gesicht dem Schwanz zugekehrt und ließen es laufen. Aber alle, welche versammelt waren auf der Hochzeit, blieben zusammen vergnügt bis abends. Als alle fort waren, klopfte es ans Fenster, der junge Mann dachte sogleich an den Raben und ging hinaus. Als er hinauskam, nahm ihn der Rabe unter die Flügel und flog schnell wie der Gedanke mit ihm bis an den Rand der Welt und wieder zurück. Als er wieder zu Hause angelangt, ließ er ihn nieder und sagte: »Mein Sohn, wisse, ich bin der tote Mann, dem du die Schuld bezahlt und ihn so schön begraben, daß ich zur Ruhe gekommen. Wegen dieser Wohltat, die du mir getan, bat ich Gott, er möchte, was dir schon bestimmt, anders richten, du solltest dir auch, wie alle Menschen, ein schönes Mädchen nehmen, das deiner wert sei, dies war für die ersten 1000. Für das zweite 1000 bewahrte ich dich vor dem Tode im Wasser, für das dritte habe ich dich durch die Welt getragen, und weil du mich begraben, will ich Gott bitten, du möchtest mit Gott bleiben in Frieden und Gesundheit.« Bis der Rabe diese Worte gesagt, hatte er sich in den Wolken verloren.

Iuon Vuga, Rucar
[Rumänien: Pauline Schullerus: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal]

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