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Märchenbasar

Hans Bär

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In einem alten Fichtenwalde wohnte einmal vor vielen, vielen Jahren ein armer Köhler mit seiner Frau, die ihm erst vor kurzem ein gesundes Knäblein geschenkt hatte, das in der Taufe den Namen Hans empfing. Dieser entwickelte bald nach seiner Geburt eine solche Körperstärke, dass er drei kleine Hündchen, die die Eltern ihm als Spielkameraden beigegeben hatten, der Reihe nach mit seinen Händchen zu Tode drückte.
Darüber schalten sie wohl den Knaben; in ihrem Herzen aber freuten sie sich über die so wunderbaren Anlagen ihres Söhnleins, und gedachten noch einmal etwas Großes aus ihm zu ziehen. Doch nicht lange sollten sie solche Freude genießen. Es hauste nämlich in diesem selbigen Walde ein ungeheurer Bär; dem hatten die Jäger seine Jungen abgenommen, worüber er sehr betrübt war, und Tag und Nacht vor Schmerz im Walde umherheulte.
So kam er einst auch vor das Haus des Köhlers, wo der kleine Hans an der Ecke saß und spielte. Als der Bär ihn gewahrte, ward er noch lebhafter gemahnt an seine eigenen Kindlein zu denken, und, um Rache zu nehmen an den bösen Menschen, die sie ihm geraubt hatten, fuhr er auf den kleinen Hans zu, um ihn zu fressen. Hans aber riss ein Bäumchen aus der Erde, und schlug so tapfer auf den großen Bären los, dass dieser, erstaunt über die Kraft und den Mut des Kindes, bald ganz andern Sinnes ward und bei sich selber dachte: „Den Jungen sollst du mit in deine Höhle nehmen, und ihn säugen mit deiner Milch, und ihn so stark machen, wie es wohl sonst deine eigenen Bärlein geworden wären, damit er dich wieder pflegen und schützen kann, wenn du einmal alt und schwach geworden bist.“ Solches dachte die alte Bärenmutter in ihrem Sinn, nahm dann trotz seines Schreiens und Sträubens den kleinen Hans gar sanft zwischen ihre Vordertatzen und trabte mit ihm waldeinwärts ihrer Höhle zu.
Kaum war sie daselbst angekommen, so legte sie auch zugleich ihr neues Pflegesöhnlein auf das weiche Lager, das sie vorher ihren eigenen Kindern bereitet hatte, schüttelte ihm die Streu zurechte und brummte ihn gar freundlich an, dass Hänschen sich allmählich beruhigte und endlich vor Ermattung und Müdigkeit einschlief. Als er am Morgen die Augen aufschlug, sah er den alten Bären vor seinem Lager sitzen, der ihm mit seinen Tatzen eine Menge schöner, roter Erdbeeren darreichte, die er in den Frühstunden im Walde gepflückt hatte; dann bot er ihm seine Brust und säugte ihn mit seiner Milch, so dass Hänschen gar vergnügt ward, und dem alten Bär, bald auf dem breiten Rücken klopfte, in bald in seinem zottigen Pelz zauste, dass es eine Lust war.
Der Bär ging wieder aus der Höhle, wälzte, bevor er wegging, einen ungeheuren Stein vor die Öffnung, dass Tor und Tür versperrt war.
So ging eine Zeitlang fort, morgens ging der Bär aus, und mittags kam er wieder nach Hause, wo er dann immer eine schöne Beere oder Blume, für sein Pflegesöhnlein mitbrachte, und nachdem er eine Weile mit ihm gespielt hatte, trabte er wieder gegen Abend im Wald umher; wälzte aber zu Hänschens großem Verdruss stets den bösen Stein vor die Öffnung der Höhle. Nach und nach war Hänschen nun immer größer und stärker geworden, wozu der Genuss der kräftigen Bärenmilch wahrlich nicht wenig beigetragen hatte; und je stärker und größer er ward, desto verdrießlicher wurde ihm der große Stein, der ihm den Weg zu dem schönen, grünen Wald versperrte; und als eines Morgens der alte Bär, wie gewöhnlich waldeinwärts getrabt war, um sich eine süße Portion oder ein fettes Häschen zur Frühkost zu suchen, da setzte Hänschen mit aller Macht den Rücken gegen den Stein, brachte ihn aber trotz seines Stampfens und Keuchens nur ein Kleines von der Stelle; und als nun der alte Bär nach Hause kam, und es gewahrte, dass der Stein verschoben war, da sah er Hänschen gar grimmig an und legte noch mehr Steine vor die Tür, als er das nächste Mal die Höhle verließ. So musste Hänschen sich denn fürs erste in Geduld fassen; denn teils reichten seine Kräfte noch nicht hin, die Steine gänzlich von der Öffnung hinwegzuschieben, teils fürchtete er sich gar sehr vor dem Zorne des Bären, wenn dieser sähe, dass Hänschen trotz aller Pflege einen zweiten Versuch zum Entfliehen gemacht hatte. Als er aber endlich merkte, dass er groß und stark genug sei, um die Steine alle hinwegstoßen zu können, da hielt er es nicht länger aus: mit aller Macht stemmte er sich, als der Bär seine gewöhnliche Nachmittagsreise angetreten hatte, wieder einmal gegen die Steine – und wer beschreibt die Freude! Knicks, knacks! ging es, und rechts und links fielen und brachen die großen Steine auseinander. Da stand er nun in Gottes Natur, in die er sich so lange hineingesehnt hatte, und um ihn rauschten die hohen, grünen Bäume und über ihm sangen die muntren Waldvögelein ihre hellen Lieder; dass ihm gar froh und leicht ums Herz gewesen wäre, wenn er sich nicht gefürchtet hätte, der Bär möchte ihn wieder in die Höhle zurückbringen. Deshalb lief er, so schnell ihn die Füße nur tragen wollten, immer der Nase nach vorwärts, bis er endlich an eine alte Köhlerhütte kam.
Indessen war es Abend geworden, und der Köhler ruhte mit seiner Frau schon aus nach der Arbeit des Tages; und deshalb klopfte Hans, da er immer noch eine große Furcht vor dem Bären hatte, gar gewaltig an die Haustür, und als die guten Leute ihm endlich aufgemacht hatten und nach seinem Begehr fragten, bat er sie inständig, ihn doch als Knecht in ihre Dienste zu nehmen; und erzählte ihnen die Geschichte, so weit er selber darum wusste. Der Köhler und seine Frau betrachteten ihn mit scharfen Augen, und erkannten gar bald ein schwarzes Wärzchen, das Hans an der linken Schulter hatte, dass der Schutzflehende niemand anders sei, als ihr eigenes Söhnlein, das sie vor vielen Jahren auf so wunderbare Weise verloren hatten.
Wer war vergnügter, als Hans, dass er so unvermutet seine lieben Eltern wiedergefunden hatte! Wer war vergnügter, als der Köhler und seine Frau, als sie so unvermittelt ihren Sohn wiederfanden, der noch dazu aus einem kleinen Hänschen jetzt ein großer Hans geworden war. – Als er nun eine geraume Zeit bei ihnen verweilt, und ihnen oft genug seine wunderbare Geschichte vorrerzählt hatte, so sehnte er sich endlich in die Fremde, und kündigte eines Tages einen Eltern an, dass er große Lust hege, sich einmal auf Wanderschaft zu begeben; da diese nichts dawider hatten, so schnürte er eines Morgens sein Bündlein und ging davon. Da er sich nun genugsam im Lande umgesehen hatte, so ward er des längern Wanders müde; und als er einst einen großen, stattlichen Bauernhof sah, so bedachte er sich nicht lange, sondern kehrte alsobald ein und bot dem Hausherrn gute Dienste an. Dieser aber, als er sah, dass es groß und stattlich war, fragte ihn nach seinem Namen und nahm ihn als Knecht in sein Haus.
Zu derselbigen Zeit waren die Früchte gereift in den Obstgärten; daher ward Hans am andern Morgen in den Garten geschickt, um seines Herrn Obstbäume zu schütteln. Als er aber sein Schütteln anfing, da brach er von den Bäumen die Zweige samt den Früchten herunter, und als sein Herr bald nachher in den Garten trat, um die Arbeit seines neuen Knechts nachzusehen, da sprach der Hans gutherzig zu ihm: „Herr, Eure Obstbäume müssen wohl gar alt uns spröde sein, und da ich die Früchte schütteln muss, brachen alle Zweige mit herunter!“ …Der Herr aber gab ihm böse Worte, dass er ihm seine schönen Bäume verdorben habe; dann schickte er ihn in den Wald, um Holz zu fällen und gab ihm eine gute Axt mit auf den Weg. Hans aber warf die Axt bei Seite und suchte sich eine starke eiserne Kette. Als er diese gefunden hatte, ging er, wie ihm befohlen war, in den Wald, befestigte bald an diesen, bald an jenen seine Kette, und riss so einen nach dem andern mit der Wurzel aus, bis gegen Abend sein Herr mit den andern zu Wagen angefahren kamen, um das gefällte Holz nach Hause zu holen. – Als sie aber sahen, dass der halbe Wald mit der Wurzel aus der Erde gerissen sei, wollten sie schier nicht ihren Augen trauen und fragten einer um den andern: „So sprich uns doch, Hans, wer hat dir solche Leibeskraft gegeben, dass du an einem Tage schaffest, was unserer nicht in hundert Tagen zu tun vermöchte!“ –
Hans, der bei all seiner Stärke doch sehr gutherzig und gefällig von Natur war, befriedigte allen ihre Neugier, und erzählte seine Geschichte wahrheitsgemäß; dann lud er zwei der dicksten Eichenbäume auf seine Schultern, und ging allmählich damit nach Hause. die andern aber standen noch lange im Walde und suchten vergeblich die ausgerissenen Bäume auf ihre Karren und Wagen zu laden. Bald war die Geschichte weit und breit bekannt, und weil Hans von einem Bären gesäugt und gezogen und dadurch auch die Stärke eines Bären erhalten hatte, so ward er allenthalben nur Hans Bär genannt. Den Hofherrn und seine Knechte war über eine so unmäßige Leibesstärke ein gewaltiges Fürchten angekommen, weshalb sie den starken Hans auf alle mögliche Weise loszuwerden suchten, was ihnen aber durchaus nicht gelingen wollte. – Da hielten sie heimlich einen bösen Rat und besprachen sich, wie sie den guten Hans Bär ums Leben bringen wollten, damit er ihnen durch seine Stärke nicht noch einmal großes Leids zu fügte. – Nachdem sie sich also beraten, trat der Herr des Hauses zu und sprach: „Siehe, meine Muhme hat mir vertrauet, dass ihr Vater in dem Brunnen auf meinem Hof einen Schatz begraben habe, und da durch die Hitze das Wasser ausgetrocknet ist, so steige du hinab und grabe danach, ob du ihn finden mögest!“
Hans tat wie befohlen. Kaum aber ward er hinabgestiegen, so kam der Herr mit seinen andern Knechten, und warfen die Steine in den Brunnen hinab, indem sie glaubten, ihn so leichtiglich aus dem Wege zu räumen, Hans merkte nun freileich ihre böse Absicht gar wohl, da ihm ihre Steinwürfe aber keine Schmerzen verursachten, so ließ er sie ruhig gewährten. Doch als sie nach und nach wohl hundert Steine hinabgeworfen hatten, da riss ihn plötzlich die Geduld. „So jagd mir doch noch die Hühner vom Brunnen“, rief er ihnen von unten zu, „dass sie mir nicht also den Sand in die Augen streuen, oder ich werde euch nie und nimmer den Schatz aus dem Brunnen herausgraben!“ – Als der Herr und seine Knechte solche Reden hörten, erschraken sie sehr; nachdem sie sich aber etwas von ihrem Schrecken erholt hatte, wälzten sie einen großen Mühlstein zum Brunnen und stürzten ihn hinab. – Nun glaubten sie doch sicher, , sich den gefährlichen Hans vom Leibe geschafft zu haben; aber Hans Bär fing den Mühlstein auf und steckte seinen Kopf durch das Loch, dass ihm wie ein Kragen um den Hals hing, und als sie in den Brunnen hinabsahen, um sich seines Todes zu versichern, da rief er ihnen lachend zu: „Was wollt ihr mich gar zum Pfaffen machen, dass ihr mir so einen gewaltigen Priesterkragen um den Hals hänget! Doch jetzt lasst’s zu Ende sein mit der Narretei, und zieht mich heraus!“
Und somit schleuderte er den Mühlstein aus dem Brunnen hervor, dass einer der bösen Knechte darunter begraben wurde. Die andern aber fürchteten sich heftig, und zogen ihn alsobald heraus; der Herr aber sah, dass sie viel zu schwach seien, um einem so starken Manne das Leben zu nehmen, und bot ihm schweres Gold, wenn er sich wegen ihres bösen Willens nicht an ihnen rächen, sondern sein Bündel schnüren, und das Haus verlassen wolle. – Und Hans, der sich noch weiter in der Welt umsehen wollte, nahm das Geld, schnürte sein Bündel und ging davon. Als er nun einige Tage marschiert hatte, so hörte er weit und weit gar viel Geredes von der Schönheit der Königstochter; zugleich aber vernahm er, wie ein ungeschlachteter Riese sie zu seinem Ehgemahl begehre, und wie darüber der König, ihr Vater, gar sehr in Angst und Nöten sei, so dass er jedem, der den Riesen erlege, die Hälfte seines Reiches und seine Tochter zur Gemahlin versprochen habe. Hans wurde immer neugieriger, die schöne Prinzessin zu sehen. Denn je näher er der Königsstadt kam, desto mehr, hörte er von ihrer unvergleichlichen Schönheit und Herzensgüte reden. Endlich war die Stadt erreicht. – Da saß die schöne Königstochter, und schaute aus dem Erkerfenster ihres Schlosses, und weinte gar bittere Tränen, dass ein so abscheulicher Riese sie als Ehgemahl hinwegführen sollte. Hans war so von ihrem Anblick bezaubert, dass er sogleich bei sich entschloss, den Kampf mit dem Riesen zu bestehn, der schon drei schöne und tapfere Ritter erschlagen hatte, die um die Königsbraut mit ihm zu fechten wagten. Daher ging er alsobald zu einem Wafenschmied, und kaufte sich für das Gold, dass er von seinem früheren Herrn empfangen hatte, einen schönen Helm, einen blanken Eisenrock, vor allen Dingen aber, ein scharfes Schwert. So ausgerüstet trat er vor den König, und bat ihn um Erlaubnis, mit dem Riesen zu kämpfen. Dieser gab ihm seinen Segen und versprach ihm seine Tochter und sein halbes Reich, falls er den Riesen erlegen sollte.

Als Hans aber hinweggegangen war, da warf sich der gute König auf seine Knie und betete für seine Seele; denn er glaubte sicherlich, dass auch er, wie die andern drei, seinen Todesstreich empfangen würde. Hans suchte in dessen den Riesen auf, um ihn zum Zweikampf herauszufordern. Als der ihn kommen sah, glaubte er wieder gar leichtes Spiel zu haben. Deshalb lehnte er sich gemächlich an einen Baumstamm und höhnte ihm entgegen: „Männlein, versuche doch einmal, bevor du deinen schrecklichen Sarras gegen mich ziehst, wie hoch du mein Schwertlein da von der Erde heben mögest!“
Und somit schnallte er sich sein ungeheures Schlachtschwert von der Hüfte und warf es auf den Grund. Als der Riese solches tat, dass Hans, wie die drei andern, es gar nicht vom Boden aufheben können. – Hans aber hub mit einer Hand das Schwert hoch über seinen Kopf und schleuderte es weit von sich weg, dass es bis an den Griff in die harte Erde hinabfuhr. Da dachte der Riese bei sich selber: Der ist wohl noch stärker als du und redete ihm zu und sprach: „Ich sehe nun gar wohl, dass ich dir Unrecht getan habe, und dass du ein nicht gemeiner Kämpfer bist; deshalb lasst uns Frieden schließen miteinander; den zwei so wackre Streiter sollten billig als Freunde auseinander scheiden. Siehe, ich gebe dir soviel Geld und Goldeswert, als du nur immer auf drei Wagen hinwegzuführen vermagst.
Du aber ziehe deine Wege, und lass mir die schöne Königstochter; denn ich liebe sie mehr, als alles Gold und Edelsteine der Erde!“
Hans aber liebte die schöne Königstochter selber mehr, denn alles Gold und Edelsteine der Erde, ja mehr, denn sein eignes Leben, und hörte nicht darauf, was der Riese sprach, sondern zog alsbald sein Schwert, und der Riese musste nun das seinige aus der Erde herausziehen, wohin Hans es geschleudert hatte. Hu, wie da die Schwerter aneinander schmetterten, dass die hellen Funken heraussprangen! Doch nicht lange, da trennte Hans mit einem gewaltigen Hiebe den Kopf des Riesen vom Rumpfe, dass von seinem schwarzen Blute, rings die grüne Erde bespritzt ward. Darauf nahm er das abgeschlagene Haupt des Riesen, als Zeichen seines Sieges mit sich und ging wieder auf das Schloss des Königs, um ihm die frohe Botschaft von dem Tod seines Feindes zu melden und ihn an sein gegebenes Versprechen zu erinnern. – Als der König ihn so in sein Gemach treten sah, so ging er ihm entgegen und umarmte ihn und freute sich mit ihm seines Sieges; dann sprach er zu ihm: „Komm mit mir, mein Sohn, dass ich dich zu der Prinzessin, meiner Tochter, führe und dir die Hälfte meines Reichs abtrete.“ Und als sie nun zu der schönen Königstochter kamen, da freute auch sie sich über den Tod des Riesen und über den schönen Mann, den ihr der König als künftigen Gemahl zuführte. Denn obgleich Hans Bär von großer Leibesstärke war, so war seine Schönheit doch nicht geringer, denn seine Stärke. Daher freute sich die Prinzessin gar sehr eines so schönen Bräutigams, und reichte ihm bald vor dem Altare Herz und Hand. – Kurz danach starb der alte König, und nachdem sie ihn feierlich begraben, und Hans nun auch die Hälfte seines Reichs von seinem Schwiegervater ererbt hatte, fuhr alsbald mit seiner Gemahlin nach seiner Heimat, um seine Eltern und Geschwister mit sich nach seiner Residenz zu nehmen. Wie diese erstaunten, als die große, goldne Kutsche vor die niedrige Tür der Köhlerhütte rollte und stille hielt. Und als sie nun vollends in dem König ihren lieben Sohn Hans erkannten, der ihnen die schöne Prinzessin als ihre Schwiegertochter zuführte, da war gar des Staunens und Freude kein Ende! Hans aber fuhr mit einen Eltern und Geschwistern und seinem ganzen Gefolge nach der Bärenhöhle, zu seiner alten Pflegemutter. Und als sie nun nicht mehr weit davon entfernt waren, da fingen sie alle an, sich zu fürchten und baten den König umzukehren. Doch er beruhigte sie, und ging, da sie alsbald vor der Höhle angekommen waren, ohne alle Begleitung hinein. – Doch wie erschrak er! – Da lag der gute Bär gar kümmerlich auf seinem Lager hingestreckt und wollte sterben. Denn da er so krank und schwach war, dass er sich selbst keine Speise mehr aus dem Walde holen konnte, so wäre er beinahe den Hungertod gestorben, wenn König Hans nicht noch zur rechten Zeit darüber zugekommen wäre. – Als der Bär seinen Pflegesohn erkannte, wollte er sich aufrichten, um ihm entgegen zu kriechen; doch seine Kräfte versagten ihm und er fiel wieder auf sein Lager zurück. Hans aber rief seinen Dienern zu, ihm Speise und Trank zu bringen; dann setzte er sich zu seinem Bären auf die Streu und streichelte ihn mit seinen Händen und pflegte ihn auf alle Weise. – Und der Bär leckte mit seiner rauen Zunge die Hände des Königs, und sah ihn gar freundlich an, als wollte er sagen: „So kommst du doch endlich noch, um mir den letzten Dienst zu erweisen, ich habe dich doch nicht umsonst gesäugt und gepflegt.“ Nach und nach waren alle in die Höhle getreten, und die Königin legte den Kopf des alten Bären auf ihren Schoß, indem sie ihn mit ihren schönen Händen streichelte und sich, wie ihr Gemahl, auf alle mögliche Weise um ihn beschäftigte. – Doch alles umsonst! Der gute Bär war zu alt und zu schwach, um noch länger leben zu können. – Nachdem er noch einen dankbaren Blick auf den König und seine schöne Gemahlin geworfen hatte, streckte er seine Glieder aus und verschied. Der König weinte um seine alte Pflegemutter, und alle waren gar sehr betrübt über den Tod des guten Tieres und standen noch lange an seinem Lager.
Dann begruben sie ihn unter dem Stamm einer alten Eiche, und fuhren alle nach der Königsstadt zurück, wo Hans der Bär, der König, noch viele Jahre mit seiner schönen Gemahlin glücklich und in Frieden regierte.

 
Quelle: Ein Märchen von Theodor Storm

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