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Hans Meernixensohn

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In Furreby bei Skagerak wohnte einmal ein Schmied, der Rasmus Matzen hieß. Er hatte nur ein kärgliches Auskommen; er war noch ein junger Mann, und ein hübscher, starker Bursche war er auch; aber er hatte sich früh verheiratet und hatte viele kleine Kinder, und es war dort am Orte mit seinem Handwerk nicht viel zu verdienen. Er war ein fleißiger und strebsamer Mann; wenn er keine Arbeit in der Schmiede hatte, fuhr er aufs Meer hinaus, um zu fischen, oder er war draußen am Strande, um Wrackgut zu bergen.
Da ereignete es sich einstmals, als er bei gutem Wetter auf den Fischfang gefahren war, allein in einem kleinen Boot, um Dorsche zu angeln, daß er an dem Tage nicht heimkam, und auch am folgenden nicht; alle glaubten daher, daß er draußen auf der See umgekommen sei. Aber am dritten Tage kam Rasmus ans Land und hatte das Boot voller Dorsche, so groß und so fett, daß man nie ihres Gleichen gesehn hatte. Ihm fehlte nichts, und er klagte weder über Hunger noch Durst. Er sei in einen Nebel hinein gerathen, sagte er, so daß er nicht eher wieder habe ans Land finden können. Was er aber nicht sagte, war, wo er die ganze Zeit über gewesen sei; das kam erst sechs Jahre nachher an den Tag; da sahen die Leute ein, daß er draußen auf der See von einer Meernixe erhascht worden und während der drei Tage seiner Abwesenheit ihr Gast gewesen war. Seit der Zeit fuhr der Schmied nie mehr auf den Fischfang aus; aber das hatte er auch nicht nöthig: das Meer schenkte ihm ohnedies reichen Erwerb; denn so oft er an den Strand kam, traf es sich immer, daß Wrackgut herangespült wurde, allerlei gute Dinge, und in den Zeiten nahm jeder, was er fand, und durfte es behalten; so daß der Schmied Tag für Tag wohlhabender ward.
Als sieben Jahre verstrichen waren, seit der Schmied aufs Meer gefahren war, kam eines Morgens, da er in der Schmiede stand und einen Pflug ausbesserte, ein hübscher junger Bursche zu ihm herein und sagte: »Guten Tag, Vater! Meine Mutter, die Meernixe, läßt dich grüßen; nun hätte sie mich sechs Jahre gehabt, und nun könntest du mich eben so lange füttern.« Es war ein seltsamer Junge von sechs Jahren; er sah aus, als zähle er achtzehn, und war noch viel größer und stärker, als sonst Knaben in diesem Alter zu sein pflegen. »Willst du einen Bissen Brod haben?« frug der Schmied. »O ja,« sagte Hans, denn so hieß er. Da bat der Schmied seine Frau, ihm ein Stück Brod zu schneiden. Das that sie; der Knabe steckte es auf einmal in den Mund und kam dann wieder zu seinem Vater in die Schmiede hinaus. »Hast du satt zu essen bekommen?« frug der Schmied. »Nein,« sagte Hans, »es war ja nur ein Anbiß.« Da ging der Schmied hinein und nahm ein ganzes Roggenbrod, spaltete es der Länge nach, so daß die obere und die untere Hälfte je ein Stück bildeten, strich Butter und Käse darauf, und gab es Hans. Kurz darauf kam der Junge wieder in die Schmiede hinaus. »Nun, hast du jetzt satt zu essen bekommen?« frug der Schmied. »Nein,« sagte Hans, »satt bin ich noch lange nicht; ich will mich lieber nach einer besseren Koststelle umsehen; denn ich merke schon, daß ich hier nicht satt werden kann.« Er wollte gleich fort, so bald der Vater ihm nur einen Stock angefertigt hätte, wie er ihn haben wollte. »Er muß von Eisen sein,« sagte Hans, »und so, daß er halten kann.« Der Schmied gab ihm daher eine Eisenstange, so dick wie ein gewöhnlicher Knotenstock; aber die nahm Hans und wickelte sie um seinen Finger: die tauge nichts. Da schleppte der Schmied eine heran, so dick wie eine Wagenleiste; aber als Hans sie ans Knie drückte, zerbrach sie wie ein Strohhalm. Da mußte der Schmied alles Eisen, das er hatte, zusammenschweißen, und Hans mußte es halten, während jener ihm einen Stock schmiedete, der schwerer als der Amboß war. Als Hans diesen erhalten hatte, sagte er: »Nun sollst du bedankt sein, Vater! nun habe ich mein Erbtheil bekommen;« und damit schritt er landeinwärts von dannen. Und der Schmied war herzlich froh, diesen Sohn los zu werden, ehe derselbe ihn bettelarm äße.
Hans kam nun zu einem Edelhofe, und es traf sich, daß der Gutsherr selbst draußen vor dem Hofe stand. »Wohin willst du?« fragte der Gutsherr. »Ich sehe mich nach einem Dienste um,« sagte Hans, »wo man starke Knechte gebrauchen kann und genug zu essen für sie hat.« – »Ja,« sagte der Gutsherr, »ich pflege zu dieser Jahreszeit vierundzwanzig Knechte zu haben: aber jetzt habe ich nur zwölf, so daß ich dich wohl brauchen kann.« – »Das kannst du vortrefflich,« sagte Hans, »und ich werde reichlich die Arbeit der zwölf Knechte thun; aber ich will auch eben so viel zu essen haben wie die zwölf.« Darüber einigten sie sich also, und der Gutsherr führte Hans in die Leutestube und sagte den Mägden, der neue Knecht solle eben so viel zu essen haben wie alle die zwölf andern. Das ließ sich nicht gut anders machen, als daß er einen Hafen für sich allein bekam, er konnte dann ja mit dem Kochlöffel die Speise in sich hinein schöpfen.
Es war gegen Abend, als Hans dort ankam; er beschickte daher an diesem Tage nichts anders, als daß er sein Abendessen, einen tüchtigen Zwölf-Männer- Hafen Buchwaizengrütze, verspeiste; den leerte er bis zum Grunde, und nun sei er ziemlich satt, so daß er fest liegen könne, sagte er, und ging hin und legte sich aufs Ohr. Er schlief gut und lange, und alle Leute auf dem Hofe waren aufgestanden und bei ihrer Arbeit, während Hans noch dalag und wie ein Mehlsack schlief. Der Gutsherr war auch schon auf den Beinen; er war neugierig, zu sehen, wie der neue Knecht, der für zwölf essen und arbeiten sollte, sich anlassen würde. Aber kein Hans ließ sich blicken, und die Sonne stand doch schon hoch am Himmel. Da ging der Gutsherr selbst in die Kammer und rief: »Du mußt aufstehen, Hans! Du verschläfst dich.« Hans erwachte und rieb sich die Augen. »Ja, das ist wahr,« sagte er, »ich muß aufstehen und frühstücken.« Er zog sich also an und kam in die Leutestube und erhielt seinen Zwölf-Männer-Hafen Biersuppe und schlang sie hinab, und dann frug er nach seiner Arbeit.
Ja, heut solle er dreschen; die andern zwölf Knechte seien schon eifrig bei der Arbeit. Es waren zwölf Tennen da, und die zwölf Knechte draschen auf sechs derselben, zwei auf jeder Tenne. Aber Hans sollte ja allein ausdreschen, was auf den sechs Tennen liegen konnte. Hans ging also in die Dreschtenne und nahm einen Flegel zur Hand; er sah, wie die anderen es machten, und machte es eben so; aber mit dem ersten Schlage schlug er den Flegel in Stücke. Es hingen mehrere Dreschflegel an der Wand, und Hans nahm den einen nach dem andern; aber es ging nicht besser: sie zersplitterten alle bei dem ersten Schlage. Da mußte er sich nach einem anderen Werkzeug umsehen, und er fand ein paar große Balken, welche dort lagen, und gewahrte ein Pferdefell, das an der Scheunenthür aufgespannt war. Daraus machte er sich einen Flegel zurecht: aus dem Fell drehte er sich eine Fessel, den einen Balken verwandte er als Handhabe und den anderen als Schlägel; das ging ja recht gut an. Aber die Tenne war zu niedrig, es war kein Platz, den Flegel zu schwingen, und der Raum war zu enge, er schlug mit diesem Werkzeug rechts und links gegen die Wände. Er wußte jedoch für das eine wie für das andere Rath; zuerst hob er das ganze Dach von der Scheune und setzte es daneben aufs Feld. Und dann war ja eine Durchfahrt in der Scheune von einem Ende zum andern; dorthin wälzte er alle Garben, deren er habhaft werden konnte, und dann drasch er drauf los; und es läßt sich denken, daß die Körner bei diesen Schlägen aus den Aehren flogen. Er warf das eine ausgedroschene Bund nach dem andern hinaus, und es war ihm einerlei, was er in die Hände bekam, so daß er vor Mittag alles Korn des Gutsherrn durch einander gedroschen hatte, Roggen und Waizen und Buchwaizen und Hafer, alles auf einen Haufen. Als er nun mit dem Dreschen fertig war, ging er hin und hob das Dach wieder auf die Scheune, wie man einen Deckel auf eine Schachtel setzt; und dann ging er hinein und meldete dem Gutsherrn, daß er jetzt damit fertig sei.
Der Gutsherr verlor bei dieser Meldung fast die Nase aus dem Gesichte; er kam mit hinaus, um zu sehen, ob es wahr sei. Ja, es verhielt sich wirklich so; er war freilich nur schlecht zufrieden mit dem Mischkorn, das er aus seiner ganzen Ernte erhalten hatte; als er aber den Flegel sah, dessen Hans sich bedient, und erfuhr, wie er sich Platz geschafft hatte, um denselben zu schwingen, ward ihm so angst vor dem starken Knechte, daß er nichts anders zu sagen wagte, als: es sei gut, daß alles ausgedroschen sei; aber das Korn müsse doch auch geworfelt werden. Hans frug, was das heiße? Es wurde ihm also erklärt, daß das Korn für sich, und die Spreu für sich gesondert sein müsse. Das war freilich nicht der Fall, denn Korn und Spreu lagen ja in einem Haufen ganz bis zum Dache aufgethürmt. Hans begann ein wenig daran zu rütteln und es in den Händen zu sichten; aber er merkte bald, das habe keine rechte Art. Er war indes nicht verlegen; er machte beide Scheunenthore auf und dann legte er sich an dem einen Ende nieder und blies, so daß alle Spreu hinausflog und wie eine Sandbank am Ende der Scheune lag und alles Korn so rein war, wie dies Gemisch werden konnte. Dann meldete er dem Gutsherrn, daß er jetzt damit fertig sei. Der Gutsherr sagte, es sei gut, er habe heute nichts mehr für ihn zu thun. Hans ging in die Leutestube und erhielt so viel, wie er in seinen Schlund stopfen konnte, und dann hielt er ein Mittagsschläfchen, das bis zur Zeit des Abendessens währte.
Aber der Gutsherr war ganz unglücklich und klagte seiner Frau seine Noth: sie müsse ihm ein Mittel ersinnen helfen, um den starken Knecht los zu werden; ihm den Dienst zu kündigen, getraue er sich nicht. Sie ließ den Verwalter rufen, und es wurde bestimmt, daß am nächsten Tag alle Knechte in den Wald sollten, um Holz zu fällen, und dann sollten sie unter einander ausmachen, daß der, welcher mit seinem Fuder zuletzt nach Haus käme, gehenkt werden solle; sie könnten es dann wohl so einrichten, daß Hans sein Leben verwirke, denn die andern würden früh zu Gange sein, während Hans sich gewiß verschlafen würde. Abends saßen also die Knechte beisammen und plauderten davon, daß sie morgen frühzeitig in den Wald müßten; sie hätten eine schwere Tagesarbeit und einen weiten Weg vor sich, und zur Aufmunterung kamen sie daher überein, daß der von ihnen, welcher mit seinem Fuder zuletzt nach Haus käme, sein Leben am Galgen verlieren sollte; und dagegen hatte Hans nichts einzuwenden.
Am nächsten Morgen waren daher alle zwölf Knechte lange vor Sonnenaufgang auf den Beinen; sie nahmen alle die besten Pferde und Wagen, welche da waren, und fuhren in den Wald. Aber Hans hatte noch lange nicht ausgeschlafen, und der Gutsherr dachte: »Laß ihn nur liegen!« Endlich kam Hans doch auf den Gedanken, daß es an der Zeit für ihn sei, sein Frühstück zu erhalten, und er stand auf und zog sich an. Er ließ sich gute Weile bei der Biersuppe, und dann ging er hinaus, um sein Fuhrwerk in Ordnung zu bringen. Die andern hatten alles genommen, was brauchbar war, so daß Hans Mühe hatte, vier ungleiche Räder zusammen zu bringen und an einem alten Wagengestell zu befestigen, und es waren keine anderen Pferde für ihn da, als ein Paar alte Schindmähren. Die spannte er vor, und fuhr dann nach dem Walde zu; er wußte nicht, wo derselbe lag, aber er folgte der Spur der anderen Wagen, und so gelangte er richtig an den Wald. Als er an das Waldheck kam, hatte er das Malheur, dasselbe zu zerbrechen. Da nahm er einen großen Stein, der auf dem Felde lag, der war sieben Ellen lang und sieben Ellen breit, und den legte er mitten vor die Hecköffnung. Dann kam er zu den andern. Die lachten spöttisch über ihn; denn sie hatten sich seit dem lichten Morgen geplackt, so viel sie vermochten, und hatten einander geholfen, Holz zu fällen und es aufzuladen, und all ihre Wagen, bis auf einen einzigen, waren schon vollgeladen. Hans ergriff eine Holzaxt und wollte einen Baum fällen; aber er hatte kein Glück damit, denn die Schneide verbog sich und der Stiel zerbrach bei dem ersten Schlage. Da ließ er die Axt liegen, schlang seine Arme um einen Baum, den er eben umspannen konnte, und riß ihn mit der Wurzel heraus. Den warf er auf den Wagen, und dann einen zweiten und dritten, und so weiter, während alle anderen Knechte ganz ihrer Arbeit vergaßen, um mit offenen Mäulern dies Holzfällen anzusehen. Aber auf einmal fuhr Eile in sie: der letzte Wagen wurde beladen, und dann peitschten sie auf die Pferde los; es war doch möglich, daß sie zuerst mit ihren Fuhrwerken nach Haus kommen konnten. Sie ließen es Hansens eigene Sorge sein, wie er sein Holz nach Hause schaffen wollte. Hans spannte seine Schindmähren vor, aber sie konnten die Last nicht von der Stelle ziehen. Da ward er dessen müde, spannte die Gäule wieder aus, schnürte einen Strick um den Wagen und sämmtliche Bäume, nahm das Ganze auf den Nacken und machte sich auf den Heimweg. Die Pferde führte er am Zügel hinter sich her. Als er zum Waldheck kam, hielt dort die ganze Wagenreihe und konnte wegen des Steines, der vor der Oeffnung lag, nicht weiter kommen. »Wie?« sagte Hans, »können zwölf Knechte nicht den Stein wegrücken?« Da nahm er denselben und schleuderte ihn beiseite, und dann ging er weiter mit seiner Last auf dem Rücken und den Pferden hinterdrein, und kam lange vor irgend einem der andern nach dem Hofe. Dort stand der Gutsherr und guckte und guckte; er war sehr neugierig, zu erfahren, wie es ablaufen, wer zuerst und wer zuletzt kommen würde. Da erblickte er Hans, der mit dem Fuder auf dem Nacken und den Thieren hinterdrein anmarschirt kam. Da ward er so erschrocken, daß er nicht wußte, was er anders thun solle, als daß er das Thor zuwarf und den Riegel vorschob. Als Hans an das Thor kam, legte er das Holz auf die Erde und pochte an; allein niemand kam und machte auf. Da nahm Hans erst die Baumklötze und schmiß sie über die Scheune in den Hof hinein, und dann warf er den Wagen hinterdrein, so daß jedes Rad nach einer anderen Richtung lief. Als der Gutsherr das sah, dachte er: »Jetzt kommen die Gäule wohl desselbigen Weges, wenn ich nicht aufmache,« und er machte das Thor auf. »Guten Tag, Herr!« sagte Hans, dann zog er die Pferde in den Stall und ging selbst in die Leutestube, um einen kleinen Imbiß zu thun. Endlich kamen auch die anderen Knechte mit ihren Fudern. Als sie hereinkamen, sagte Hans: »Erinnert ihr euch der Abrede, die wir gestern Abend trafen? Wer von euch ist es nun, der gehenkt werden soll?« – Ach, sagten sie, das sei ja nur Spaß gewesen; das Geschwätz habe nichts zu bedeuten. »Nun, mir kann’s gleich sein,« sagte Hans, und das war alles, was dabei herauskam.
Aber der Gutsherr und seine Frau und der Verwalter hatten viel mit einander zu zischeln über den schrecklichen Knecht: sie müßten doch sehen, ihn auf die eine oder andere Art loszuwerden. Das werde sich schon machen lassen, sagte der Verwalter; morgen solle der Brunnen gereinigt werden; da könnten sie sich seiner wohl entledigen: sie wollten ihn in den Brunnen hinablocken und dann einen großen Mühlstein auf ihn wälzen; der würde ihm schon den Rest geben. Sie könnten dann zugleich den Brunnen zuschütten; dann ersparten sie die Kosten für sein Begräbniß. Der Gutsherr und seine Frau meinten, das sei ein vortrefflicher Rath, und sie freuten sich im voraus, daß sie Hans nun los werden würden.
Aber Hans hatte ein zähes Leben, wie wir gleich erfahren werden. Er schlief bis spät am Morgen, wie er es zu thun pflegte, und da er nicht erwachen wollte, mußte der Gutsherr selbst hinübergehen und ihm zurufen: »Du mußt aufstehen, Hans! du verschläfst dich.« Hans erwachte und rieb sich die Augen. »Ja, das ist wahr,« sagte er, »ich muß aufstehen und frühstücken.« Er stand also auf und zog sich an, und das Frühstück stand und wartete auf ihn. Als er alles hinabgeschlungen hatte, frug er, was er heute zu thun habe. Er solle den anderen Knechten behilflich sein, den Brunnen zu reinigen. Nun ja, das sei schon recht; er ging also hinaus, und die anderen Knechte standen und warteten auf ihn. Da sagte Hans ihnen, sie möchten wählen, was sie am liebsten wollten: entweder in den Brunnen hinabsteigen und die Eimer füllen, damit er sie hinaufziehe, oder ob sie dieselben hinaufziehen wollten, während er allein in den Brunnen stiege. Sie antworteten, sie blieben wohl besser oben, da nicht für so viele Platz im Brunnen sei. Hans stieg also hinab und begann dort reinzumachen; aber nun hatten die Knechte ja verabredet, was sie thun wollten, und plötzlich nahm jeder von ihnen einen Stein von einem Haufen Feldsteine, die im Hofe lagen, so groß wie sie sie schleppen konnten, und warfen sie auf ihn hinab, denn sie dachten wohl, daß sie ihn damit todtschlagen könnten; aber Hans kehrte sich nicht weiter daran, als daß er zu ihnen hinaufschrie, sie möchten die Hühner vom Brunnen wegjagen, denn sie scharrten Sand auf ihn herab. Da merkten sie wohl, daß sie Hans mit kleinen Steinen nicht todtschlagen könnten; aber dafür sei Rath, meinten sie: sie hätten ja noch den großen. Und nun packten alle zwölf mit Rollen und Stangen an und schoben den großen Mühlstein an den Rand des Brunnens. Mit knapper Noth wälzten sie denselben hinab, und zweifelten nicht, daß er nun genug bekommen habe. Aber der Stein fiel so glücklich, daß Hans gerade seinen Kopf durch das Loch bekam, das sich in der Mitte des Mühlsteins befand, und derselbe saß wie eine Priesterkrause um seinen Hals. Da wollte Hans nicht länger drunten sein; er stieg mit dem Mühlstein um den Hals aus dem Brunnen herauf und geradesweges zum Gutsherrn hinein und beschwerte sich, daß die anderen Knechte Possen mit ihm trieben; er wolle nicht ihr Pastor sein, dafür habe er zu wenig gelernt. Und damit bückte er das Haupt und schüttelte den Stein ab, so daß er dem Gutsherrn die eine Zehe zermalmte.
Der humpelte zu seiner Frau hinein, und ließ den Verwalter holen: er müsse durchaus Rath schaffen, daß sie den fürchterlichen Menschen los würden, der alles verwüste; was er bis jetzt ausgeheckt, habe nichts genützt, und jetzt sei guter Rath theuer. »Nein, es giebt noch ein Mittel,« sagte der Verwalter. »Der Herr kann ihn ja heute Abend hinschicken, um im Teufelsmoor-See zu fischen. Von dort kommt er nimmer lebendig zurück, dorthin läßt ja der alte Erich nachts nie jemand kommen.« Ja, das sei ein guter Rath, meinten der Gutsherr und seine Frau; und dann humpelte der Gutsherr wieder zu Hans hinaus und sagte ihm, er werde seine Knechte schon bestrafen, weil sie Possen hätten mit ihm treiben wollen. Jetzt könne Hans mittlerweile eine kleine Arbeit verrichten, bei welcher er vor den Lümmeln sicher sei. Er möge heute Nacht auf den See hinausfahren und fischen; dann solle ihm für morgen jede Arbeit erlassen sein. »Gut,« sagte Hans, »damit bin ich wohl zufrieden; aber ich muß einen Imbiß mithaben: einen Backofen voll Brod, ein Viertel Butter, eine Tonne Bier und ein Anker Branntwein; weniger kann es doch nicht sein.« Das könne er gern bekommen, sagte der Gutsherr, und Hans ließ sich also das Ganze zusammen binden, hängte es an seinem guten Stock über den Nacken und stapfte hinunter zum Teufelsmoor-See.
Dort stieg er ins Boot und ruderte auf den See hinaus und machte alles zum Fischfang bereit. Als er nun mitten draußen auf dem See lag und es schon spät am Abend war, wollte er erst eine kleine Mahlzeit halten, ehe er an die Arbeit ginge. Aber als er am besten Schmausen ist, taucht der alte Erich aus dem See empor, packt ihn im Nacken, reißt ihn aus dem Boote und zieht ihn zum Grunde hinab. Es war nur ein Glück, daß Hans an diesem Tage seinen Spazierstock mitgenommen hatte, und gerade noch Zeit fand, ihn in dem Augenblick zu ergreifen, als er die Krallen des alten Erich in seinem Nacken fühlte; und als sie nun unten anlangen, sagt er: »Halt! warte erst ein wenig! Hier ist fester Grund;« und dann packt er den alten Erich mit der einen Hand im Nacken, und hämmert mit der andern auf sein Rückentheil los, daß er ihn so platt wie einen Eierkuchen klopft. Da beginnt der alte Erich zu jammern und zu wehklagen: er möge ihn doch endlich loslassen, dann wolle er nie mehr in den See kommen. »Nein, lieber Freund!« sagte Hans, »du kommst nicht frei, ehe du mir versprichst, alle Fische aus dem See vor morgen früh auf den Hof des Gutsherrn zu schaffen.« Das versprach der alte Erich mit Freuden, wenn Hans ihn nur loslassen wolle. Da ruderte Hans ans Land, verzehrte den Rest seines Nachtmahls und ging dann nach Hause und legte sich aufs Ohr.
Morgens, als der Gutsherr aufsteht und die Hausthüre öffnet, rollen die Fische auf die Vordiele zu ihm herein, und der ganze Hof ist bis ans Dach von ihnen voll. Da läuft er wieder zu seiner Frau hinein – denn ihm selber fiel nie etwas ein – und sagt: »Was sollen wir nun mit ihm anfangen? Der alte Erich hat ihn nicht geholt. Ich bin überzeugt, alle Fische sind aus dem See herausgefischt, denn der ganze Hof ist bis ans Dach von ihnen voll.« – »Das ist doch toll,« sagt sie, »du mußt sehen, ob du ihn bewegen kannst, nach der Hölle zu reisen und Zinsen einzufordern.« Der Gutsherr mußte also nach den Schlafkammern hinüber, um mit Hans zu reden; er konnte sich kaum die Mauern entlang unter dem Dachfirste hinschieben vor all dem Fischsegen, den Hans auf den Hof geschafft hatte. Dann sagte er zu Hans, er solle wegen des guten Fischfanges bedankt sein, und jetzt habe er einen Auftrag für ihn, mit dem er nur einen zuverlässigen Diener betrauen könne; er solle nämlich nach der Hölle reisen und Zinsen für drei Jahre einfordern. Es sei Geld, welches er dort zu gute habe, sagte der Gutsherr. »Das will ich gerne thun,« sagte Hans; »aber welchen Weg muß ich nach der Hölle einschlagen?« Da stand der Gutsherr und wußte nicht, was er sagen solle; er mußte zu seiner Frau hinein, um es zu erfahren. »Ach, du bist ein Pinsel,« sagte sie; »heiße ihn doch geradeaus gehen, südwärts durch den Wald! Ob er dorthin kommt oder nicht, jedenfalls sind wir ihn los.« Der Gutsherr ging wieder zu Hans hinaus: »Der Weg führt geradeaus, immer südwärts durch den Wald,« sagte er. Nun verlangte Hans Reisezehrung: zwei Backofen voll Brod, zwei Viertel Butter, zwei Tonnen Bier und zwei Anker Branntwein. Das erhielt er mit Freuden, es ward in ein Bündel geschnürt, und er nahm es, an seinen guten Spazierstock gehängt, auf den Nacken, und stapfte von dannen nach Süden zu.
Als Hans durch den Wald kam, waren mehrere Wege da, und er war in Zweifel, welcher der rechte sei. Da setzte er sich nieder und schnürte sein Eßbündel auf. Er hatte sein Messer zu Hause vergessen, aber glücklicherweise stand ein Pflug dort, von dem nahm Hans das Eisen ab und schnitt sein Brod damit. Als er dort sitzt und einen kleinen Imbiß nimmt, kommt ein Mann vorüber geritten. »Woher bist du?« fragt Hans. »Aus der Hölle,« antwortet der Mann. »Dann halt an und warte ein bischen!« sagte Hans; aber der Mann hat Eile, er will nicht warten. Da läuft Hans ihm nach und packt das Pferd am Schwanze, so daß es auf den Hinterbeinen stand, und der Mann über den Hals desselben in einen Graben flog. »Warte doch ein bischen!« sagte Hans, »ich gehe denselben Weg.« Dann schnürte er seinen Brodbeutel zu und legte ihn auf das Pferd; dann nahm er dasselbe am Zügel und sagte zu dem Manne: »Nun können wir beide zu Fuße marschiren.« Während sie des Weges dahin gingen, erzählte Hans, welchen Auftrag er habe und welchen Spaß er mit dem alten Erich gehabt habe. Der andere sprach nicht viel, aber er kannte gut den Weg, so daß es nicht lange dauerte, bis sie ans Höllenthor kamen. Allein dort verschwanden Roß und Reiter, und Hans stand allein draußen vor dem Thore. »Sie werden schon kommen und dir aufmachen,« dachte er; aber niemand kam. Da pochte er an das Thor; aber es kam noch niemand. Da wurde Hans des Wartens müde und hämmerte mit seinem Stock ans Thor, bis er dasselbe zertrümmert hatte und hinein kam. Da schoß ihm ein ganzer Schwarm kleiner Teufel entgegen und frug, was er wolle. Ja, er solle von seinem Herrn grüßen und die Zinsen für drei Jahre einfordern. Da brüllten sie ihn an und wollten ihn packen und wegschleppen; aber als er ihnen einige Hiebe mit seinem Spazierstock gab, ließen sie ihn wieder los, brüllten noch lauter als zuvor und rannten zum alten Erich hinein, der nach dem Traktement, das ihm im See zu Theil geworden war, noch im Bette lag. Sie sagten, es sei ein Bote von dem Gutsherrn auf dem Teufelsmoorhofe gekommen, um die Zinsen für drei Jahre einzufordern; er habe mit seinem vermaledeiten eisernen Stocke das Thor zertrümmert und ihnen Arme und Beine jämmerlich zerschlagen.
»Gebt ihm die Zinsen für drei, meinethalb für zehn Jahre!« sagte der alte Erich, »laßt ihn nur nicht zu mir herein kommen!« Da kamen alle kleinen Teufel mit so viel Silber und Gold angeschleppt, daß es schrecklich war. Hans füllte seinen Brodbeutel mit Gold- und Silbergeld; er hängte ihn auf den Rücken und dann stapfte er nach dem Edelhofe zurück. Dort erschrak man über die Maßen, als man ihn wieder erblickte. Aber jetzt war Hans auch seines Dienstes satt. Von all dem Gold und Silber, das er aus der Hölle geholt, ließ er den Gutsherrn die Hälfte behalten, und der war herzensfroh, sowohl über das viele Geld, das er bekam, wie darüber, daß er Hans los wurde; und die Hälfte brachte er seinem Vater, dem Schmiede in Furreby, nach Haus. Aber zugleich sagte Hans auch diesem Lebewohl; er sei jetzt des Lebens auf dem Lande und der Menschen überdrüßig und satt, sagte er, und wolle am liebsten wieder heim zu seiner Mutter. Und seitdem hat keiner je Hans Meernixensohn wiedergesehn.

[Dänemark: Svend Grundtvig: Dänische Volksmärchen]

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