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Es war einmal ein Padischah und der hatte einen Sohn von unvergleichlicher Schönheit. Wer ihn nur sah, wurde von seiner Schönheit gleichsam verwirrt; sein Vater, der Padischah, hatte ihn auch so lieb, dass er keine halbe Stunde ohne ihn sein konnte. Eines Tages wird der Padischah krank, legt sich zu Bette, und wie viel Arzeneien ihm die Ärzte und Hodschas auch geben, so können sie ihn auf keine Weise hellen. Es ereilte ihn sein Los und er starb. Obwohl ihn das ganze Seraj bitterlich beweinte, half es nichts, der Tote kam nimmer zur Leben; man baute daher eine Türbe und setzte den Leichnam dort bei. Der Schehzade war am Todestage seines Vaters ganz ausser sich, trauerte lange um ihn und da er schon zwanzig-fünfundzwanzig Jahre alt war, so versammelten sich die Wezire und setzten den Jüngling auf den Thron.
Die Zeit vergeht, die Zeit verflieht, der Jüngling regiert und verspürt eines Tages Langeweile, darum begibt er sich mit seinem Lala auf Reisen. Sie setzen sich, mit leichtem Gepäcke ausgerüstet, zu Pferde und sind bald ein gutes Stück vom Seraj entfernt, haben bald einige Tagreisen zurückgelegt. Wie sie auf einer Ebene so wandern, kommen sie eines Tages an eine Quelle. Schöne Bäume verbargen die rieselnden Wasser; umher war alles mit grünenden Matten und angenehm duftenden Blumen bedeckt; inmitten rieselte plätschernd ein eiskalter Quell. Es war alles einem künstlich bereiteten Garten gleich, erfrischend und belebend. Als der Padischah, der seit dem Tode seines Vaters in einem fort nur trauerte und seufzte, dies sah, sagte er zum Lala: »Dieser Ort gefällt mir sehr; lässt uns ein wenig niederlassen, damit ich mich labe und zugleich ausruhe.« Der Lala ermuntert ihn noch, dass eine solche Gegend den Gram mindert. Daher setzen sie sich, trinken Kaffee und zünden ihre Tschibuk an. Während der ganzen Zeit hören sie den Gesang der auf den Bäumen nistenden Nachtigallen, so dass sie gar nicht Lust haben diesen Ort zu verlassen, und der junge Padischah spricht: »Ich habe diesen Ort sehr lieb gewonnen, man findet nicht seines gleichen; ich möchte hier einige Tage verweilen.« Der Lala erwidert, dass es hier zwar recht schön sei, es ist aber doch nur in der Wüste und übernachts könnten sie allein nicht hier bleiben. »Für heute mag es genug sein; nach einigen Tagen kommen wir wieder her.« Doch der Schah will sich nicht trennen und bittet den Lala, sie mögen wenigstens die eine Nacht hier verbringen. Was kann der Lala tun? Er willigt ein und sie bleiben dort.
Nachdem sie eine Zeitlang dort gesessen waren, steht der Schah auf und geht ein wenig auf und ab. »Inschallah,« sagt er, »ich werde einen Kiosk hieher bauen lassen und werde die Sommertage hier verbringen.« Indem sie so sprechen, sehen sie von weitem einen Alten mit einem Kruge in der Hand kommen; bei der Quelle angekommen füllt er seinen Krug aus der Quelle. Der Schah war neugierig und redete ihn an: »Ei Väterchen, wer bist du und woher kommst du?« Der Alte antwortet: »Eine halbe Stunde von hier ist ein Kiosk, der einem Mädchen, namens Hyazinthen-Blümlein gehört; auch diese Quelle gehört ihr. Jedes Jahr einmal kommt sie her und weilt drei Tage hier. Vierzig Dews bewachen sie. Wie hattet ihr den Mut, hieher zu kommen? Entfernet euch schnell, bevor man euch bemerkt, sonst werdet ihr getötet. Als guter Freund sage ich euch, eilet und entfernet euch.« Dem Padischah wird Angst, doch ist er auch neugierig, darum fragt er den Alten, wer das Mädchen sei, dass sie an einem solchen Orte wohne und von vierzig Dews bewacht werde, und ob man das Mädchen nicht zu Gesichte bekommen könnte. Der Alte lächelt drauf und sagt: »Ich bedaure euch sehr, ihr Gesellen, macht euch eilends fort von hier.« Doch der Schah gibt nicht nach. Der Alte sieht die grosse Schönheit des Jünglings und denkt bei sich, dass es auf dieser Welt keinen schöneren Menschen geben könne, als diesen Jüngling; dass er eben so schön sei, wie ihre Hyazinthe, als wenn sie eines Apfels zwei Hälften waren. Darum spricht er zum Jüngling: »Nun Junge, eine Stunde weit von hier, hinter dem Rücken eines grossen Berges, wohnt die Mutter der vierzig Dews, die das Mädchen bewachen. Geh hin und erbitte sie; sie wird dich dann verbergen und auch sagen, wie du Hyazinthe sehen kannst.«
Nachdem er dies gesagt, machte sich der Schah mit seinem Lala auf den Weg und sie erreichten bald den Berg; kaum waren sie hinübergelangt, was bot sich ihren Augen da? Eine Dew-Mutter sass dort, so gross wie eine Minare; das eine Bein hatte sie auf einen Berg, das andere auf einen anderen hingestreckt; ihre Brüste hatte sie wie Öhlschläuche auf den Nacken geworfen; im Munde kaute sie ein Stück Harz, gross wie ein Pack; das Schmatzen dabei war eine halbe Stunde weit hörbar; ihr Atem ging wie der Sturmwind und wirbelte Sand und Erde auf; ihre Arme waren acht Ellen lang und als sie die Nahenden in einer Entfernung von tausend Fuss erblickte, packte sie sie und setzte sie wie einen Krugdeckel neben sich.
Die beiden fangen aus Angst, da sie so etwas noch nie gesehen hatten, ganz verwirrt so zu sprechen an: »Ach Mütterchen!« und umarmen ihre Brüste. Das Weib sagte hierauf: »Ei Burschen, wie Wanzen hätte ich euch zerknickt; doch zu eurem Glück habt ihr mich Mütterchen genannt und umarmt. Wer hat euch hergesandt?« Die beiden können ihre Angst nicht verbergen und sagen: »O Mütterchen, unser Weg führte hier an einer Quelle vorbei. Ein Alter von den Leuten Hyazinthen-Blümleins kam hin um Wasser und als er uns erblickte, sagte er, wenn wir dem Tode entgehen wollen, sollen wir hieher zu dir kommen. O Mütterchen, wie sieht Hyazinthen-Blümlein aus? Seit ich ihren Namen gehört habe, lässt es mir keine Ruhe und ich möchte sie um alles gerne sehen.«
Das Weib spricht zum Schah: »Hyazinthen-Blümlein ist wunderschön; ihresgleichen gibt es nicht auf der Welt. Schon viele wollten sie sehen, doch niemandem ist es gelungen. Schon viele sind um sie gestorben. Ich habe vierzig Söhne; die bewachen Tag und Nacht ihren Kiosk. Nicht einmal einem Vogel erlauben sie vorbei zu fliegen. Schlaget sie euch aus dem Kopfe, es ist alles umsonst; sonst müsstet ihr sterben und es wäre schade um euch.« Der Schah aber fleht weiter: »O Mütterchen, tue uns ein Gutes, ich werde es dir vergelten« und bittet so lange, bis das Herz des Weibes erweicht. Die Dew-Mutter verwandelt mit einem Schlage den Lala in einen Besen, den Schah in einen Tabaksbeutel, steckt ihn in den Gürtel und ist mit drei Schritten bei dem Kiosk des Mädchens. Hier nimmt sie aus ihrer Tasche eine Handvoll Sand, streut ihn aus und sagt zum wieder verzauberten Schah: »Also gehe nun und fürchte nichts Die Dews schlafen jetzt alle. Gehe gerade in das Gemach, wo das Mädchen liegt und auch schläft. Du darfst aber nichts tun, sonder ziehe ihr den Ring vom Finger und bringe ihn her.«
Der Schah fasst Mut, tritt in das Gemach, wo das Mädchen schläft. Was für ein Anblick bot sich da seinen Augen! Die schönsten Worte sind nichts dagegen. Ihre Glieder glänzen wie der Türkis, und sie gleicht einer im Bette liegenden Huri; das Auge ist geblendet von ihrem Anblicke. Wie der Jüngling sie erblickt, kommt er ganz ausser sich; doch der Worte der Dew-Mutter gedenkend, zieht er ihr den Ring vom Finger und bringt ihn eilends der Dew-Mutter. Die tut wieder drei Schritte, verwandelt den Jüngling in einen Krug und stellt ihn neben sich.
Morgens, wie das Mädchen aus ihrem Schlafe erwacht, bemerkt sie, dass der Ring von ihrem Finger verschwunden ist: »Wo mag ich ihn hingetan hahen? Oder ist er vielleicht hinabgefallen,« sagt sie und lässt ihn überall suchen; sie eilt in den Garten hinab, sucht ihn auch dort, findet ihn aber nicht. Sofort lässt sie die Dews rufen und fragt sie; doch die wissen auch nichts; abends waren sie eingeschlafen, vielleicht hat ihn jemand indessen gestohlen. Das Mädchen ist sehr erzürnt darüber, schilt sie; sie zerstreuen sich in alle Gegenden, um ihn zu suchen, finden ihn aber nicht. Da gehen sie auch zu ihrer Mutter und fragen sie; die aber spricht: »Seid ihr wohl bei Sinnen? Kann wohl irgend jemand hieherkommen, solange wir hir sind? Wer weiss, vielleicht hat ihn das leichtsinnige Mädchen wo fallen lassen,« und damit jagt sie ihre Söhne fort.
Den nächsten Abend verlässt den Schah wieder die Geduld, er bittet die Dew-Mutter wieder, er möchte das Mädchen nochmal sehen. Das Weib nimmt ihn, trägt ihn wieder zum Kiosk, streut Sand aus und sagt ihm: »Wohlan, geh wieder zum Mädchen hinauf. Doch hüte dich was anderes zu tun, als was ich dir sage. Nimm ihr ein Gehänge aus dem Ohre und komm zurück.« Der Schah, der den Weg schon kennt, geht stracks in das Zimmer des Mädchens, nimmt ihr aus einem Ohre das Gehänge heraus und eilt, so schwer es ihm auch fällt, sich vom Mädchen zu trennen, zurück zur Dew-Mutter. Das Weib verwandelt ihn wieder in einen Krug und stellt ihn, zu Hause angekommen, nieder.
Das Mädchen wacht Morgens auf und wie sie so sitzt, bemerkt sie, das ihr ein Ohrgehänge fehlt. Es ärgert sie, dass es ihr schon zweimal so ergangen ist, sie lässt den Alten rufen, der die Ursache wohl weiss und so spricht: »O mein Töchterchen, kein Vogel fliegt hier vorbei, keine Karawane zieht diesen Weg, keine Schlange schleicht auf ihrem Bauche hier herum; es ist unmöglich, was du sagst. Wer weiss, ob es nicht in das Gras gefallen ist, während du im Garten wandeltest. Ich werde es suchen, so viel als möglich, und wenn es wirklich irgendwohin gefallen ist, finde ich’s, hab‘ keine Furcht.«
Mit solchen Reden beruhigte er das Mädchen. Das Mädchen aber spricht für sich: »Das sind leere Reden. Gewiss muss jemand in mein Gemach gekommen sein, der das getan hat.« Dann fährt sie die Dews an, wenn diese Nacht wieder etwas geschehen werde, sie wisse, was sie zu tun habe. Den ganzen Tag hindurch bis Abend weiss sie vor lauter Ärger nichts anzufangen.
Doch wir wollen unsere Rede kürzer fassen und des Schah Geschichte fortsetzen. Als es Abend wurde, trägt die Dew-Mutter auf sein vieles Flehen den Schah wieder hin und sagt ihm, wenn er in das Gemach des Mädchens trete, solle er ihr beide Wangen küssen und so zurückeilen. Der Jüngling eilt mit Freuden dem Kiosk zu, doch das Mädchen kann, da sie sich den ganzen Tag geärgert hat, nicht einschlafen und schaut noch umher. Wie der Jüngling eintritt und sie ihn erblickt, kommt sie vor Entzücken über seine Schönheit ganz ausser sich. Der Jüngling aber, in der Meinung, dass sie schläft, küsst ihr schnell beide Wangen; da umarmt ihn das Mädchen und sagt: »Herzallerliebster, teurer Schatz! Wie kommst du hieher? Fürchte nichts mehr, ich bin dein. Ich habe gefunden, was ich bis jetzt gesucht habe.« Der Schah kann sich vor lauter Glück kaum besinnen und fällt, von der Schönheit des Mädchens erschüttert, in Ohnmacht. Das Mädchen besprengt ihn mit Rosen- und Ambrawasser, bringt ihn so zu sich und dann sehen sie einander bis Morgen in die Augen, dass ihnen zuletzt die Sinne verschwinden.
Morgens sagt das Mädchen.: »O mein Schah, von nun ab bin ich dein und du bist mein. Nimmer trenn‘ ich mich von dir, doch auch von diesem Orte nicht. Wenn du mich liebst, bleibst du hier bei mir.« Der Schah antwortet: »O Sultana, ich bin der Padischah jener Stadt; als ich eines Tags reisend in diese Gegend kam, gewann ich die Quelle lieb und nahm mir vor, dort für meinen Sommeraufenthalt einen Kiosk bauen zu lassen« und damit erzählt er alles, was seitdem mit ihm geschehen war. Das Mädchen spricht: »Wenn es so steht, so gehen wir in deine Stadt, feiern unsere Hochzeit; dann werden wir einmal dort, einmal hier wohnen.« Dann lässt sie die Dews rufen und sie gehen zusammen zur Dew-Mutter; dort sagt sie ihr: »O Mutter, wir haben einander gefunden: nun gehen wir von dannen. Allah behüte dich!« Die Dew-Mutter spricht: »Geht heil und gesund von dannen; doch sendet mir täglich vierzig Schafe, sonst wird’s euch nicht wohl ergehen.« Der Schah antwortet drauf: »O Mütterchen, du hast mir so viel des Guten getan, wie würde ich dein vergessen; ich sende dir täglich die vierzig Schafe, doch deine Söhne sollen auch fortan diese Stelle bewachen.«
Da brechen sie auf und kommen in die Stadt des Schah, Das ganze Seraj zieht ihnen entgegen; der Schah lässt den Oberwezir rufen und verlobt sich das Mädchen Dann feiern sie vierzig Tage und vierzig Nächte lang Hochzeit, am einundvierzigsten vermählen sie sich und verbringen ihr Leben glücklich bis an ihr seliges Ende, bald in der Stadt, bald in Hyazinthen-Blümleins Kiosk. Der Dew-Mutter aber senden sie täglich die vierzig Schafe.
Die Zeit vergeht, die Zeit verflieht, der Jüngling regiert und verspürt eines Tages Langeweile, darum begibt er sich mit seinem Lala auf Reisen. Sie setzen sich, mit leichtem Gepäcke ausgerüstet, zu Pferde und sind bald ein gutes Stück vom Seraj entfernt, haben bald einige Tagreisen zurückgelegt. Wie sie auf einer Ebene so wandern, kommen sie eines Tages an eine Quelle. Schöne Bäume verbargen die rieselnden Wasser; umher war alles mit grünenden Matten und angenehm duftenden Blumen bedeckt; inmitten rieselte plätschernd ein eiskalter Quell. Es war alles einem künstlich bereiteten Garten gleich, erfrischend und belebend. Als der Padischah, der seit dem Tode seines Vaters in einem fort nur trauerte und seufzte, dies sah, sagte er zum Lala: »Dieser Ort gefällt mir sehr; lässt uns ein wenig niederlassen, damit ich mich labe und zugleich ausruhe.« Der Lala ermuntert ihn noch, dass eine solche Gegend den Gram mindert. Daher setzen sie sich, trinken Kaffee und zünden ihre Tschibuk an. Während der ganzen Zeit hören sie den Gesang der auf den Bäumen nistenden Nachtigallen, so dass sie gar nicht Lust haben diesen Ort zu verlassen, und der junge Padischah spricht: »Ich habe diesen Ort sehr lieb gewonnen, man findet nicht seines gleichen; ich möchte hier einige Tage verweilen.« Der Lala erwidert, dass es hier zwar recht schön sei, es ist aber doch nur in der Wüste und übernachts könnten sie allein nicht hier bleiben. »Für heute mag es genug sein; nach einigen Tagen kommen wir wieder her.« Doch der Schah will sich nicht trennen und bittet den Lala, sie mögen wenigstens die eine Nacht hier verbringen. Was kann der Lala tun? Er willigt ein und sie bleiben dort.
Nachdem sie eine Zeitlang dort gesessen waren, steht der Schah auf und geht ein wenig auf und ab. »Inschallah,« sagt er, »ich werde einen Kiosk hieher bauen lassen und werde die Sommertage hier verbringen.« Indem sie so sprechen, sehen sie von weitem einen Alten mit einem Kruge in der Hand kommen; bei der Quelle angekommen füllt er seinen Krug aus der Quelle. Der Schah war neugierig und redete ihn an: »Ei Väterchen, wer bist du und woher kommst du?« Der Alte antwortet: »Eine halbe Stunde von hier ist ein Kiosk, der einem Mädchen, namens Hyazinthen-Blümlein gehört; auch diese Quelle gehört ihr. Jedes Jahr einmal kommt sie her und weilt drei Tage hier. Vierzig Dews bewachen sie. Wie hattet ihr den Mut, hieher zu kommen? Entfernet euch schnell, bevor man euch bemerkt, sonst werdet ihr getötet. Als guter Freund sage ich euch, eilet und entfernet euch.« Dem Padischah wird Angst, doch ist er auch neugierig, darum fragt er den Alten, wer das Mädchen sei, dass sie an einem solchen Orte wohne und von vierzig Dews bewacht werde, und ob man das Mädchen nicht zu Gesichte bekommen könnte. Der Alte lächelt drauf und sagt: »Ich bedaure euch sehr, ihr Gesellen, macht euch eilends fort von hier.« Doch der Schah gibt nicht nach. Der Alte sieht die grosse Schönheit des Jünglings und denkt bei sich, dass es auf dieser Welt keinen schöneren Menschen geben könne, als diesen Jüngling; dass er eben so schön sei, wie ihre Hyazinthe, als wenn sie eines Apfels zwei Hälften waren. Darum spricht er zum Jüngling: »Nun Junge, eine Stunde weit von hier, hinter dem Rücken eines grossen Berges, wohnt die Mutter der vierzig Dews, die das Mädchen bewachen. Geh hin und erbitte sie; sie wird dich dann verbergen und auch sagen, wie du Hyazinthe sehen kannst.«
Nachdem er dies gesagt, machte sich der Schah mit seinem Lala auf den Weg und sie erreichten bald den Berg; kaum waren sie hinübergelangt, was bot sich ihren Augen da? Eine Dew-Mutter sass dort, so gross wie eine Minare; das eine Bein hatte sie auf einen Berg, das andere auf einen anderen hingestreckt; ihre Brüste hatte sie wie Öhlschläuche auf den Nacken geworfen; im Munde kaute sie ein Stück Harz, gross wie ein Pack; das Schmatzen dabei war eine halbe Stunde weit hörbar; ihr Atem ging wie der Sturmwind und wirbelte Sand und Erde auf; ihre Arme waren acht Ellen lang und als sie die Nahenden in einer Entfernung von tausend Fuss erblickte, packte sie sie und setzte sie wie einen Krugdeckel neben sich.
Die beiden fangen aus Angst, da sie so etwas noch nie gesehen hatten, ganz verwirrt so zu sprechen an: »Ach Mütterchen!« und umarmen ihre Brüste. Das Weib sagte hierauf: »Ei Burschen, wie Wanzen hätte ich euch zerknickt; doch zu eurem Glück habt ihr mich Mütterchen genannt und umarmt. Wer hat euch hergesandt?« Die beiden können ihre Angst nicht verbergen und sagen: »O Mütterchen, unser Weg führte hier an einer Quelle vorbei. Ein Alter von den Leuten Hyazinthen-Blümleins kam hin um Wasser und als er uns erblickte, sagte er, wenn wir dem Tode entgehen wollen, sollen wir hieher zu dir kommen. O Mütterchen, wie sieht Hyazinthen-Blümlein aus? Seit ich ihren Namen gehört habe, lässt es mir keine Ruhe und ich möchte sie um alles gerne sehen.«
Das Weib spricht zum Schah: »Hyazinthen-Blümlein ist wunderschön; ihresgleichen gibt es nicht auf der Welt. Schon viele wollten sie sehen, doch niemandem ist es gelungen. Schon viele sind um sie gestorben. Ich habe vierzig Söhne; die bewachen Tag und Nacht ihren Kiosk. Nicht einmal einem Vogel erlauben sie vorbei zu fliegen. Schlaget sie euch aus dem Kopfe, es ist alles umsonst; sonst müsstet ihr sterben und es wäre schade um euch.« Der Schah aber fleht weiter: »O Mütterchen, tue uns ein Gutes, ich werde es dir vergelten« und bittet so lange, bis das Herz des Weibes erweicht. Die Dew-Mutter verwandelt mit einem Schlage den Lala in einen Besen, den Schah in einen Tabaksbeutel, steckt ihn in den Gürtel und ist mit drei Schritten bei dem Kiosk des Mädchens. Hier nimmt sie aus ihrer Tasche eine Handvoll Sand, streut ihn aus und sagt zum wieder verzauberten Schah: »Also gehe nun und fürchte nichts Die Dews schlafen jetzt alle. Gehe gerade in das Gemach, wo das Mädchen liegt und auch schläft. Du darfst aber nichts tun, sonder ziehe ihr den Ring vom Finger und bringe ihn her.«
Der Schah fasst Mut, tritt in das Gemach, wo das Mädchen schläft. Was für ein Anblick bot sich da seinen Augen! Die schönsten Worte sind nichts dagegen. Ihre Glieder glänzen wie der Türkis, und sie gleicht einer im Bette liegenden Huri; das Auge ist geblendet von ihrem Anblicke. Wie der Jüngling sie erblickt, kommt er ganz ausser sich; doch der Worte der Dew-Mutter gedenkend, zieht er ihr den Ring vom Finger und bringt ihn eilends der Dew-Mutter. Die tut wieder drei Schritte, verwandelt den Jüngling in einen Krug und stellt ihn neben sich.
Morgens, wie das Mädchen aus ihrem Schlafe erwacht, bemerkt sie, dass der Ring von ihrem Finger verschwunden ist: »Wo mag ich ihn hingetan hahen? Oder ist er vielleicht hinabgefallen,« sagt sie und lässt ihn überall suchen; sie eilt in den Garten hinab, sucht ihn auch dort, findet ihn aber nicht. Sofort lässt sie die Dews rufen und fragt sie; doch die wissen auch nichts; abends waren sie eingeschlafen, vielleicht hat ihn jemand indessen gestohlen. Das Mädchen ist sehr erzürnt darüber, schilt sie; sie zerstreuen sich in alle Gegenden, um ihn zu suchen, finden ihn aber nicht. Da gehen sie auch zu ihrer Mutter und fragen sie; die aber spricht: »Seid ihr wohl bei Sinnen? Kann wohl irgend jemand hieherkommen, solange wir hir sind? Wer weiss, vielleicht hat ihn das leichtsinnige Mädchen wo fallen lassen,« und damit jagt sie ihre Söhne fort.
Den nächsten Abend verlässt den Schah wieder die Geduld, er bittet die Dew-Mutter wieder, er möchte das Mädchen nochmal sehen. Das Weib nimmt ihn, trägt ihn wieder zum Kiosk, streut Sand aus und sagt ihm: »Wohlan, geh wieder zum Mädchen hinauf. Doch hüte dich was anderes zu tun, als was ich dir sage. Nimm ihr ein Gehänge aus dem Ohre und komm zurück.« Der Schah, der den Weg schon kennt, geht stracks in das Zimmer des Mädchens, nimmt ihr aus einem Ohre das Gehänge heraus und eilt, so schwer es ihm auch fällt, sich vom Mädchen zu trennen, zurück zur Dew-Mutter. Das Weib verwandelt ihn wieder in einen Krug und stellt ihn, zu Hause angekommen, nieder.
Das Mädchen wacht Morgens auf und wie sie so sitzt, bemerkt sie, das ihr ein Ohrgehänge fehlt. Es ärgert sie, dass es ihr schon zweimal so ergangen ist, sie lässt den Alten rufen, der die Ursache wohl weiss und so spricht: »O mein Töchterchen, kein Vogel fliegt hier vorbei, keine Karawane zieht diesen Weg, keine Schlange schleicht auf ihrem Bauche hier herum; es ist unmöglich, was du sagst. Wer weiss, ob es nicht in das Gras gefallen ist, während du im Garten wandeltest. Ich werde es suchen, so viel als möglich, und wenn es wirklich irgendwohin gefallen ist, finde ich’s, hab‘ keine Furcht.«
Mit solchen Reden beruhigte er das Mädchen. Das Mädchen aber spricht für sich: »Das sind leere Reden. Gewiss muss jemand in mein Gemach gekommen sein, der das getan hat.« Dann fährt sie die Dews an, wenn diese Nacht wieder etwas geschehen werde, sie wisse, was sie zu tun habe. Den ganzen Tag hindurch bis Abend weiss sie vor lauter Ärger nichts anzufangen.
Doch wir wollen unsere Rede kürzer fassen und des Schah Geschichte fortsetzen. Als es Abend wurde, trägt die Dew-Mutter auf sein vieles Flehen den Schah wieder hin und sagt ihm, wenn er in das Gemach des Mädchens trete, solle er ihr beide Wangen küssen und so zurückeilen. Der Jüngling eilt mit Freuden dem Kiosk zu, doch das Mädchen kann, da sie sich den ganzen Tag geärgert hat, nicht einschlafen und schaut noch umher. Wie der Jüngling eintritt und sie ihn erblickt, kommt sie vor Entzücken über seine Schönheit ganz ausser sich. Der Jüngling aber, in der Meinung, dass sie schläft, küsst ihr schnell beide Wangen; da umarmt ihn das Mädchen und sagt: »Herzallerliebster, teurer Schatz! Wie kommst du hieher? Fürchte nichts mehr, ich bin dein. Ich habe gefunden, was ich bis jetzt gesucht habe.« Der Schah kann sich vor lauter Glück kaum besinnen und fällt, von der Schönheit des Mädchens erschüttert, in Ohnmacht. Das Mädchen besprengt ihn mit Rosen- und Ambrawasser, bringt ihn so zu sich und dann sehen sie einander bis Morgen in die Augen, dass ihnen zuletzt die Sinne verschwinden.
Morgens sagt das Mädchen.: »O mein Schah, von nun ab bin ich dein und du bist mein. Nimmer trenn‘ ich mich von dir, doch auch von diesem Orte nicht. Wenn du mich liebst, bleibst du hier bei mir.« Der Schah antwortet: »O Sultana, ich bin der Padischah jener Stadt; als ich eines Tags reisend in diese Gegend kam, gewann ich die Quelle lieb und nahm mir vor, dort für meinen Sommeraufenthalt einen Kiosk bauen zu lassen« und damit erzählt er alles, was seitdem mit ihm geschehen war. Das Mädchen spricht: »Wenn es so steht, so gehen wir in deine Stadt, feiern unsere Hochzeit; dann werden wir einmal dort, einmal hier wohnen.« Dann lässt sie die Dews rufen und sie gehen zusammen zur Dew-Mutter; dort sagt sie ihr: »O Mutter, wir haben einander gefunden: nun gehen wir von dannen. Allah behüte dich!« Die Dew-Mutter spricht: »Geht heil und gesund von dannen; doch sendet mir täglich vierzig Schafe, sonst wird’s euch nicht wohl ergehen.« Der Schah antwortet drauf: »O Mütterchen, du hast mir so viel des Guten getan, wie würde ich dein vergessen; ich sende dir täglich die vierzig Schafe, doch deine Söhne sollen auch fortan diese Stelle bewachen.«
Da brechen sie auf und kommen in die Stadt des Schah, Das ganze Seraj zieht ihnen entgegen; der Schah lässt den Oberwezir rufen und verlobt sich das Mädchen Dann feiern sie vierzig Tage und vierzig Nächte lang Hochzeit, am einundvierzigsten vermählen sie sich und verbringen ihr Leben glücklich bis an ihr seliges Ende, bald in der Stadt, bald in Hyazinthen-Blümleins Kiosk. Der Dew-Mutter aber senden sie täglich die vierzig Schafe.
[Asien: Türkei. Märchen der Welt]