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Ivan Pechvogel

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Es lebte einst ein armer Bauer, der hieß Iwan Pechvogel. Für sein Geld fehlte ihm der Beutel, um den zu kaufen, fehlte ihm das Geld; was er verdiente, das verlor er, und was er nicht verdiente, das stahl man ihm – verdiente er nicht, war ja nichts zu erhalten. Da wanderte er fort, um wider sein Pech einen Rat zu erbitten. Der Zar aber antwortete ihm: »Wenn du selbst nichts verdienen kannst, wie soll ich dir da einen Rat geben?« Der Zar hatte jedoch eine Tochter, und die sprach: »Väterchen! Warum könnt Ihr diesem Bauern keinen Rat geben? Was bin ich? nur ein Frauenzimmer, und doch könnte ich’s.« Da fragte sie der Zar: »Was würdest du ihm denn raten?« Die Tochter erwiderte: »Mag er heiraten, vielleicht bekommt er eine Frau, die Glück hat; kriegt er aber eine Frau, die kein Glück hat, werden die Kinder Glück haben, und er wird doch im Wohlstand leben können.« Da ward der Vater zornig und gab die Tochter dem Bauern zur Frau und ließ überall den Befehl verkünden, daß niemand die beiden über Nacht in sein Haus einlassen dürfe.
Iwan Pechvogel ging mit der Zarentochter durch die Stadt und sagte: »Gräm dich nicht, Zarentochter, ist das Häuschen auch klein, ist der Winkel doch mein.« Sie kamen hin; da stand ein Hüttchen ohne Fenster, an einer Stelle fehlte gar ein Stück der Wand, und einen Ofen gab es erst recht nicht. Die Zarentochter verhängte und verstopfte mit ihren Kopftüchern und Brusttüchern die ärgsten Ritzen, und indem sie immerfort nachlegten, wärmten sie sich am Feuer. In dieser Nacht stickte die Zarentochter ein breites Tuch und sandte Iwan aus, es zu verkaufen: »Handle mit dem ersten Händler, laß es nicht dem zweiten Händler, verkauf es nur dem dritten Händler.«
Iwan lief fort mit dem Tuch. Der eine Händler bot hundert Rubel, der zweite zweihundert, der dritte dreihundert. Für dreihundert Rubel verkaufte Iwan das Tuch. Dann handelte er ein, was er für seine Hütte brauchte, und eilte zurück. Als er an einen Kreuzweg kam, sprang Jaryschko hervor, runzelte die Stirn und sah ihn starr an. »Bauer, gib das Geld her! Gibst du’s im guten, sag ich dir einen Spruch; gibst du’s nicht im guten, nehm ich’s im bösen und sag dir gar nichts.« Der Bauer wand sich, sträubte sich, aber gab das Geld endlich her. Jaryschko sagte ihm darauf den Spruch: »Ohne Gottes Willen geht kein Haar von deinem Haupte verloren.«
Iwan lief zu seiner Frau und erzählte ihr sein Erlebnis. Sie meinte dazu: »Es ist schon wahr, daß du kein Glück hast, und ich hab auch keins: zwei Pechvögel haben sich gefunden.«
Die zweite Nacht kam heran, und die Zarentochter stickte abermals ein Tuch. Sie schickte Iwan aus und sagte: »Handle mit dem ersten Händler, laß es nicht dem zweiten Händler, verkauf es nur dem dritten Händler.« Iwan lief fort mit dem Tuch; der eine bot ihm hundert Rubel, der zweite zweihundert, der dritte dreihundert; er ließ es für dreihundert Rubel. Auf dem Kreuzwege lauerte ihm wieder Jaryschko auf, runzelte die Stirn und sah ihn starr an. »Bauer, gib das Geld her! Gibst du’s im guten, sag ich dir einen Spruch; gibst du’s nicht im guten, nehm ich’s im bösen und sag dir gar nichts.« Der Bauer wand sich, sträubte sich, aber gab das Geld endlich her. Jaryschko sagte ihm darauf den Spruch: »Wirst du erhöht, so erniedrige dich nicht.« Er lief heim und erzählte seiner Frau, was ihm widerfahren war. Sie antwortete darauf: »Du bist wahrlich ein Pechvogel, und ich bin unglücklich.«
In der dritten Nacht stickte sie das dritte Tuch, legte noch fünfzig Rubel dazu und sagte: »Mußt du auch wieder über den Kreuzweg, so kauf doch wenigstens fürs Haus reichlicher ein.« Iwan lief mit dem Tuche fort. Der eine Händler bot ihm hundert Rubel, der zweite zweihundert, der dritte dreihundert; für dreihundert ließ ihm Iwan das Tuch. Auf dem Kreuzwege lauerte ihm Jaryschko auf, runzelte die Stirn und sah ihn starr an. »Bauer, gib das Geld her! Gibst du’s im guten, sag ich dir einen Spruch; gibst du’s nicht im guten, nehm ich’s im bösen und sag dir gar nichts.« Der Bauer wand sich, sträubte sich, aber gab das Geld schließlich her. »Na, zieh auch noch die fünfzig Rubel heraus!« sagte Jaryschko. Der Bauer wand sich, sträubte sich und gab auch die noch her. Jaryschko sagte ihm darauf den Spruch: »Hol aus, aber schlag nicht zu.« Iwan lief heim; der Weg führte aber an einem steilen Berg entlang; da stolperte Iwan, fiel hin und ließ den Brotlaib fallen, den er in den Händen trug. Das Brot kollerte den Berg hinunter; ein Hund lief unten vorbei, packte das Brot und schleppte es davon. Iwan dachte bei sich: »Wie soll ich mit leeren Händen der Zarentochter unter die Augen kommen?« Er eilte zum Hafen, und gerade waren Schiffe zum Auslaufen bereit; da ließ er sich als Matrose anheuern und fuhr übers Meer.
Und als sie einige Zeit gefahren waren, hielten sie an. Die Schiffsherrn riefen einen Freiwilligen aus der Zahl der Matrosen auf und sprachen: »Wer ins Meer hinuntersteigt, der soll die Hälfte des Schiffs mit allem Gut erhalten; ist aber keiner von euch dazu bereit, so werft das Los, wer gehn soll.« Iwan jedoch überlegte bei sich: »Mir hat Jaryschko doch gesagt: ‚Ohne Gottes Willen geht kein Haar von deinem Haupt verloren.‘ Werd ich dann im Meer ertrinken, wenn Gott es nicht so bestimmt hat?« Da machte Iwan mit dem Schiffsherrn einen Vertrag, steckte eine Kopie davon zu sich, sprang ins Wasser und sank unter.
Ein Mann packte ihn und schleppte ihn durchs Wasser. Er schleppte ihn lange Zeit und brachte ihn in eine Stadt. Dort war aber kein Wasser mehr. Die Tore wurden geöffnet, und sie gingen in die Stadt hinein. Da sprach der Mann: »Unser Zar und die Zarin streiten miteinander; der eine sagt: ‚Schweißstahl und Damaszenerstahl sind teurer als Gold und Silber‘, aber der andre sagt: ‚Gold und Silber sind teurer als Schweißstahl und Damaszenerstahl.‘ Und man muß so verfahren: dem einen recht geben und den andern nicht kränken.«
Er führte Iwan in die Gemächer und führte ihn in die Zimmer; hell leuchtete es auf, wo der Zar und die Zarin saßen. Man setzte Iwan an einen Tisch zu dem Zaren und zu der Zarin. Er gedachte aber des Wortes, das ihm Jaryschko gesagt hatte: ‚Wirst du erhöht, so erniedrige dich nicht.‘ Wozu sollte er sein Licht unter den Scheffel stellen? Er setzte sich an den Tisch. Der Zar und die Zarin fragten ihn: »Du bist uns, russischer Gesell, gerade recht gekommen, um einen Streit zu schlichten. Wie steht es bei euch: sind Schweißstahl und Damaszenerstahl teurer als Gold und Silber, oder sind Gold und Silber teurer als Schweißstahl und Damaszenerstahl?« – »Bei uns in Rußland ist es so: wenn’s keinen Krieg gibt, gilt der Stahl nichts, und Gold und Silber sind teurer. Kaum fängt aber ein Krieg an, so ist der Stahl teurer als Gold und Silber; dann kauft man Speere und Waffen und gibt dafür Gold und Silber hin.« Dem Zaren und der Zarin, beiden war es recht. Sie schenkten ihm jeder ein kleines Fläschchen. Iwan aber dachte bei sich: »Solche Fläschchen kosten bei uns nur fünf Kopeken.« Dann übergab man ihn wieder dem, der ihn hergeführt hatte, und der führte ihn zur Stadt hinaus durch das Tor, schleppte ihn durchs Wasser bis zum Schiff und ließ ihn hinauf.
Als Iwan das Schiff betrat, ward er zum Herrn über die eine Hälfte des Schiffes. Und wieder fuhren sie über das Meer und kamen zu einem fremden Zaren. Die Schiffsleute gingen an Land, um sich beim Zaren zu melden und die Pässe visieren zu lassen, und brachten Geschenke mit, soviel wie jeder konnte: der eine für hundert Rubel, der andere vielleicht gar für tausend. Iwan aber brachte dem Zaren das Fläschchen und schenkte es ihm. Der Zar nahm die Kaufleute wohl auf, bewirtete sie und setzte sie alle in ein Gemach, Iwan aber in ein anderes, das vornehmer war. Die Gäste speisten und wurden fröhlich, aber das eine wurmte sie: »Wir haben Geschenke gebracht, der eine für hundert, der andere für tausend Rubel, Iwan aber nur für zehn Kopeken; doch ihn hat der Zar höher gesetzt als alle andern.« Die Speisenträger hinterbrachten das dem Zaren. Da nahm der Zar das Fläschchen und trug es dorthin, wo die Kaufleute saßen. »Ihr schätzt Iwans Geschenk für nichts; seht aber, was das für ein Geschenk ist!« Er schüttelte das Fläschchen, der Korken sprang heraus, und zwei Kugeln rollten hervor und schütteten so viel Silber aus, daß man’s nicht zusammenscharren konnte. Der Zar schenkte Iwan für das Fläschchen drei vollbeladene Schiffe mit Besatzung. Iwan fuhr von dort heim mit drei Schiffen und einem halben.
Er kam an und ging im Hafen vor Anker; als es aber gegen Abend dunkel wurde, wanderte er fort, sein Hüttchen zu suchen. Doch an der alten Stelle stand ein steinernes Haus. Iwan pochte an die Tür; eine Frau trat heraus und fragte: »Was wollt Ihr?« – »Ich bin ein Fremder und möchte übernachten.« – »Tretet nur ein, das Haus ist ein Gasthof; davon haben wir unsern Verdienst und unser Brot.« Iwan ging hinein ins Haus. Die Frau stellte ihm Essen hin und brachte ihm alles, worum er auch bat; er aß sich satt, und dann bereitete sie ihm in dem Zimmer das Nachtlager und ging selber in ein anderes. Iwan sagte darauf: »Ich möchte eine Kerze haben, ohne Licht kann ich nicht schlafen.« Die Wirtin antwortete: »Brauchst du’s, so zünde dir auch zwei Kerzen an; je größer der Verbrauch, um so größer der Gewinn.« Sie steckte Licht an und verschwand im andern Zimmer. Iwan lag eine Stunde auf seinem Lager und ging dann in das Zimmer der Wirtin. Dort sah er sie schlafen, zu beiden Seiten aber lagen zwei junge Männer, und sie ruhte in der Mitte. »Ach, sie schläft mit zwei Buhlen«, dachte Iwan. Er zog seinen Säbel und wollte ihnen allen die Köpfe abhauen. Da fiel ihm aber ein: »Mir hat Jaryschko doch den Spruch gesagt: ‚Hol aus, aber schlag nicht zu.’« Er weckte die Wirtin und fragte sie: »Wer sind diese beiden?« – »Das sind meine Söhne; ich war einmal verheiratet, aber mein Mann ist übers Meer entflohen; die beiden ließ er noch im Mutterleib zurück. Seid aber Ihr nicht am Ende mein Mann?« Da antwortete Iwan: »Ich bin Euer Mann.« Und sie weckten die Söhne, um den Vater zu begrüßen. Sie umarmten den Vater und fielen vor ihm auf die Knie nieder. Und dann wohnten sie fortan beisammen.
Es war aber zum Zaren die Nachricht gedrungen, daß sein Schwiegersohn mit drei Schiffen und einem halben angelangt sei. Der Zar sandte Boten aus und ließ ihn zu sich zu Gast bitten. Iwan ging mit seiner Frau und den Kindern hin und nahm als Geschenk das zweite Gläschen mit. Der Zar nahm Iwan auf, wie es sich gehört. Iwan blieb einige Zeit zu Gast, dann trat er vor den Zaren und gab ihm das Gläschen als Geschenk. Doch dem Zaren gefiel das nicht: »So reich ist er zurückgekehrt und bringt mir ein Geschenk für fünf Kopeken!«
Iwan ging nach Hause, der Zar aber warf ihm das Gläschen an den Rücken. Der Korken sprang heraus, zwei Kugeln rollten hervor und schütteten so viel Gold und Silber aus, daß man’s nicht zusammenscharren konnte. Da schrie der Zar: »Kehr um, Iwan! Du sollst über das Reich herrschen, du bist reicher geworden als ich!« Iwan kehrte um, und der Zar vertraute ihm das ganze Reich an.

[Rußland: August von Löwis of Menar: Russische Volksmärchen]

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