Als aber eine Zeit vergangen war, bekam der König Krieg mit einem andern König und zog in die Schlacht. Nun, meinte die Königinn, könnte sie thun, Was sie wollte, schlug die Königstochter, ließ sie hungern und stieß sie in alle Ecken herum. Zuletzt war Alles zu gut für die Königstochter, und sie mußte endlich die Küche hüten. So trieb sie nun mit den Kühen hinaus und weidete sie in dem Wald und auf dem Berg. Essen bekam sie nur wenig, oder gar nicht; sie ward bleich und hager und war fast immer betrübt und weinte. Unter der Heerde, die sie weidete, war auch ein großer blauer Stier, der sich immer so sauber und blank hielt, der kam oft zu der Königstochter und ließ sich von ihr den Kopf krauen. Einmal, als sie da saß und so betrübt war und weinte, kam er auch zu ihr und fragte sie, warum sie immer so traurig wäre. Sie antwortete ihm aber nicht, sondern fuhr fort zu weinen. »Ja, ich weiß wohl, Was Dir fehlt«, sagte der Stier: »wenn Du es mir auch nicht sagen willst; Du weinst, weil die Königinn immer so schlimm gegen Dich ist und Dich beinahe todthungern lässt. Aber für Essen und Trinken sollst Du nicht sorgen: In meinem linken Ohr liegt ein Tuch, wenn Du das herausnimmst, und es ausbreitest, bekommst Du sowohl zu essen, als zu trinken, Was Du nur verlangst.« Das that sie, sie nahm das Tuch heraus und breitete es auf den Rasen hin, und da deckte es sich mit den schönsten Gerichten, die man sich nur wünschen kann, und Wein und Meth und Honigkuchen war auch da. Sie kam nun bald wieder zu Kräften und ward so voll und roth und weiß, daß die Königinn und ihre holzdürre Tochter grün und gelb vor lauter Ärger wurden. Die Königinn konnte gar nicht begreifen, wie ihre Stieftochter bei so schlechter Kost ein so gutes Aussehen bekommen konnte; darum sagte sie zu einer von ihren Dirnen, sie sollte ihr im Walde nachgehen und zusehen, wie das zusammenhinge; denn sie glaubte, daß irgend einer von den Dienstleuten ihr Etwas zu essen gäbe. Die Dirne ging ihr nun im Walde nach und beobachtete sie, und da sah sie denn, daß die Stieftochter das Tuch aus dem Ohr des blauen Stiers nahm und es auf dem Rasen ausbreitete, worauf es sich mit den schönsten Gerichten deckte, wovon dann die Tochter aß und sich gütlich that. Das erzählte die Dirne zu Hause der Königinn. – Jetzt kehrte der König heim und hatte den Sieg über den andern König davon getragen, gegen den er zu Felde gezogen war. Da war nun große Freude im ganzen Schloß, doch Niemand freute sich mehr, als des Königs Tochter. Die Königinn aber stellte sich krank an und gab dem Doctor viel Geld, damit er sagen solle, sie könne nicht wieder gesund werden, wenn sie nicht das Fleisch von dem blauen Stier zu essen bekäme. Sowohl die Königstochter, als die Leute im Schloß fragten den Doctor, ob nicht etwas Andres helfen könne, und baten für den Stier, denn sie hielten alle so viel von ihm und sagten, einen solchen Stier gäb’s nicht mehr im ganzen Königreich; aber nein, er sollte und mußte geschlachtet werden, es war kein andrer Rath. Als die Königstochter das hörte, ward sie sehr betrübt und ging hinunter in den Stall zu dem Stier. Der stand auch da und ließ den Kopf hangen und sah so betrübt aus, daß sie anfing, darüber zu weinen. »Warum weinst Du?« fragte der Stier. Da erzählte sie ihm, der König wäre zu Hause gekommen, und die Königinn hätte sich krank angestellt und den Doctor dahin vermocht, zu sagen, sie könne nicht wieder gesund werden, wenn sie nicht das Fleisch von dem blauen Stier zu essen bekäme, und nun sollte er geschlachtet werden. Der Stier aber sagte: »Wenn sie erst mich getödtet haben, dann werden sie Dich auch bald tödten; wenn Du aber so willst, wie ich, so machen wir uns beide noch diese Nacht davon.« Die Königstochter meinte zwar, es wäre schlimm, ihren Vater zu verlassen, aber schlimmer doch wär‘ es noch, im Hause bei der Königinn zu bleiben, und versprach darum dem Stier, mit ihm zu reisen.
Als es Abend geworden war, und alle die Andern sich zur Ruhe begeben hatten, schlich die Königstochter sich hinunter in den Stall; da nahm der Stier sie auf den Rücken und machte sich mit ihr davon, so schnell er nur konnte. Als darnach am Morgen die Leute aufstanden und den Stier schlachten wollten, war dieser fort; und als der König aufgestanden war und nach seiner Tochter fragte, da war die auch fort. Der König schickte Boten aus nach allen Enden der Welt, sie aufzusuchen, und ließ ihr nachläuten mit allen Glocken; aber es konnte Niemand eine Spur von ihr entdecken. – Inzwischen trabte der Stier mit der Königstochter fort durch viele fremde Länder, und endlich kamen sie zu einem großen kupfernen Wald, wo sowohl die Bäume, als die Zweige und Blätter und Blüthen von lauter Kupfer waren.
Ehe sie aber weiter reisten, sagte der Stier zu der Königstochter: »Wenn wir nun in den Wald kommen, mußt Du Dich wohl in Acht nehmen, daß Du auch nicht ein Blättchen anrührst, sonst ist’s aus mir Dir und mit mir; denn es wohnt hier ein Troll mit drei Köpfen, welchem dieser Wald gehört.« Nein, den Kukuk! sie wollte sich wohl in Acht nehmen und ja Nichts anrühren. Darauf gingen sie sehr vorsichtig in den Wald; die Prinzessinn schmiegte und biegte sich und hielt die Zweige mit den Händen zurück; aber der Wald war so dicht, daß es fast nicht möglich war, hindurch zu kommen, und wie sehr sie sich auch in Acht nahm, versah sie’s doch, daß sie ein Blatt abriß und es in der Hand behielt.
»O weh! Was machst Du da?« sagte der Stier: »jetzt muß ich mich schlagen auf Leben und Tod; aber verwahre nur gut das Blatt.« Sie hatten bald darauf das Ende des Waldes erreicht. Da kam ein großer Troll dahergeschnoben, der hatte drei Köpfe. »Wer hat meinen Wald angerührt?« rief er. »Das ist eben so gut mein Wald, als Deiner«, sagte der Stier. »Das wollen wir erst ausmachen!« schrie der Troll. »Laß uns das!« sagte der Stier. Beide rannten nun an einander, und der Stier stieß und schlug aus allen Kräften; aber der Troll schlug nicht schlechter, und es dauerte einen ganzen Tag, eh‘ der Stier ihn bezwingen konnte. Da war er aber auch so mit Wunden bedeckt und so erschöpft, daß er nicht mehr von der Stelle zu gehen vermochte. Sie mußten sich nun den ganzen Tag ausruhen; darauf sagte der Stier zu der Königstochter, sie solle das Salbenhorn nehmen, das an dem Gürtel des Trollen hing, und ihn mit der Salbe überall bestreichen. Als sie das gethan hatte, ward der Stier sogleich wieder frisch und gesund, und am folgenden Tage setzten sie ihre Reise fort. Sie reisten nun manchen lieben Tag, und endlich kamen sie zu einem silbernen Wald; hier waren sowohl die Bäume, als die Zweige und die Blätter und Blüthen von lauter Silber.
Ehe sie aber ihre Reise weiter fortsetzten, sagte der Stier zu der Königstochter: »Wenn wir nun in den Wald kommen, mußt Du Dich ja sehr in Acht nehmen; Du darfst durchaus Nichts anrühren, und auch nicht so Viel, als nur ein Blättchen, abreißen; sonst ist es aus mit Dir und mit mir; denn hier wohnt ein Troll mit sechs Köpfen, welchem dieser Wald gehört, und mit dem, glaub‘ ich, werd‘ ich’s nicht aufnehmen können.«
Nein, sagte die Königstochter, sie wollte sich sehr in Acht nehmen und auch nicht das Geringste anrühren. Als sie aber in den Wald kamen, war er wieder so dicht und so eng, daß sie beinahe nicht vorwärts kommen konnten. Die Königstochter war so vorsichtig, wie nur möglich, und bog die Zweige, die ihr im Wege saßen, mit den Händen zur Seite; aber jeden Augenblick schlugen ihr die Zweige in die Augen, und wie sie’s auch anfangen mochte, so riß sie doch wieder ein Blatt ab.
»O weh! Was hast Du gemacht!« rief der Stier: »Nun muß ich mich wieder schlagen auf Leben und Tod; denn der Troll, welcher hier wohnt, hat sechs Köpfe und ist noch einmal so groß, als der vorige; verwahre aber nur vorsichtig das Blatt.«
Es dauerte nicht lange, so kam der Troll an. »Wer hat meinen Wald angerührt?« rief er. »Das ist eben so gut mein Wald, als Deiner«, sagte der Stier. »Das wollen wir erst ausmachen!« schrie der Troll. »Laß uns das!« sagte der Stier, fuhr auf den Trollen zu, bohrte ihm die Augen aus und rannte ihm die Hörner mitten durch den Leib, so daß die Gedärme dabei hingen; aber der Troll wehrte sich dessen ungeachtet tapfer, und es dauerte drei ganze Tage, eh‘ der Stier ihm den Garaus machte. Da war er aber auch so elend und hinfällig, daß er sich kaum noch rühren konnte, und über und über war er mit Wunden bedeckt, aus welchen das Blut herausfloß. Da sagte er zu der Königstochter, sie solle das Salbenhorn nehmen, das an dem Gürtel des Trollen hing, und ihn überall mit der Salbe bestreichen. Das that sie denn auch, und darauf heilten die Wunden sogleich wieder zu. Aber so matt war der Stier, daß sie eine ganze Woche lang sich ausruhen mußten, eh‘ er im Stande war, weiter zu gehen.
Endlich machten sie sich wieder auf den Weg; aber der Stier war immer noch sehr schwach, und es ging daher im Anfang nur langsam. Um ihn zu schonen, sagte die Königstochter, sie wäre jung und leicht zu Fuß, sie könnte ja gern gehen; aber das litt der Stier durchaus nicht, sie mußte sich wieder auf ihn setzen. Nun reisten sie eine lange lange Zeit und kamen durch viele Länder, und die Königstochter wußte gar nicht mehr, wo sie in der Welt waren. Aber endlich und zuletzt kamen sie zu einem goldnen Wald, der war so schön, daß das Gold davon heruntertröpfelte; denn sowohl die Bäume, als die Zweige und die Blätter und Blüthen waren von purem Golde. Hier ging es nun wieder eben so, wie in dem kupfernen und dem silbernen Wald. Der Stier sagte zu der Königstochter, daß sie durchaus kein Blatt anrühren dürfe; denn hier wohne ein Troll mit neun Köpfen, dem der Wald gehöre, der wäre noch weit größer und stärker, als die beiden andern zusammen, und den glaubte er nun ganz und gar nicht bezwingen zu können. – Nein, sie wollte sich wohl in Acht nehmen und durchaus Nichts anrühren, darauf könne er sich verlassen. Als sie aber in den Wald kamen, war dieser noch weit dichter und enger, als der silberne, und je weiter sie hineinkamen, desto schlimmer ward es: der Wald wurde immer dichter und enger, und zuletzt schien ganz und gar kein Durchkommen mehr. Die Königstochter schmiegte und biegte sich und bog die Zweige mit den Händen zurück; aber jeden Augenblick schlugen sie ihr in die Augen, so daß sie zuletzt nicht mehr vor sich sehen konnte, und eh‘ sie sich recht besann, hatte sie einen goldnen Apfel in der Hand. Nun wurde sie entsetzlich bange und fing an zu weinen und wollte den Apfel wieder wegwerfen; aber der Stier sagte, sie solle ihn nur behalten und ihn wohl verwahren, und tröstete sie, so gut er konnte, meinte aber doch, es würde ein harter Kampf werden, und wußte nicht, ob’s diesmal so gut ablaufen würde.
Es dauerte nicht lange, so kam der Troll mit den neun Köpfen an. »Wer hat meinen Wald angerührt?« rief er. »Das ist eben so gut mein Wald, als Deiner«, sagte der Stier. »Das wollen wir erst ausmachen!« schrie der Troll. »Laß uns das!« sagte der Stier, und damit rannten sie an einander, daß es ganz entsetzlich war, und die Königstochter fiel beinahe in Ohnmacht. Der Stier bohrte dem Trollen die Augen aus dem Kopf und rannte ihm die Hörner durch den Leib, so daß die Eingeweide herausfielen; aber der Troll kämpfte dessen ungeachtet gleich tapfer; denn sobald der Stier einen Kopf getödtet hatte, bliesen die andern sogleich wieder Leben hinein, und es dauerte wohl eine ganze Woche lang, eh‘ es dem Stier gelang, den Trollen gänzlich zu tödten. Aber da war er auch so elend und hinfällig, daß er sich nicht rühren konnte, und nicht einmal war er im Stande, zu sagen, die Königstochter solle das Salbenhorn von dem Gürtel des Trollen nehmen und ihn mit der Salbe bestreichen; aber sie that es schon von selbst, und da ward es wieder besser mit dem Stier; aber wohl über drei Wochen mußten sie hier verweilen, eh‘ er wieder so viel Kräfte gesammelt hatte, um die Reise fortsetzen zu können.
Endlich ging es wieder so allmählich vorwärts; denn der Stier sagte, sie müßten noch etwas weiter. Als sie nun eine Zeit gereist und über viele mit dichten Wäldern bewachsene Berge gekommen waren, gelangten sie endlich zu einem Felsen. »Siehst Du Etwas?« fragte der Stier. »Nein, ich sehe Nichts, als den Himmel und die wilde Felsgegend«, versetzte die Königstochter. Als sie aber tiefer ins Gebirge kamen, wurde die Gegend ebener, so daß sie eine weitere Aussicht hatten. »Siehst Du jetzt Etwas?« fragte der Stier. »Ja, ich sehe ein kleines Schloß weit in der Ferne«, sagte die Prinzessinn. »Nun das Schloß ist eben nicht so klein«, sagte der Stier. Endlich kamen sie zu einem großen Gehäge mit einer schroffen Felswand. »Siehst Du jetzt Etwas?« fragte der Stier wieder. »Ja, nun sehe ich ganz nahebei das Schloß; jetzt ist es weit größer, als vorher«, sagte die Königstochter. »Da sollst Du hin!« sagte der Stier: »Gleich unten beim Schloß ist ein Schweinstall, wenn Du da hineinkommst, so findest Du dort einen hölzernen Rock, den mußt Du anziehen und damit ins Schloß gehen und sagen, Du heißest Kari Trästak, und um einen Dienst bitten. Jetzt aber sollst Du Dein Messer nehmen und mir damit den Kopf abschneiden; alsdann streife mir das Fell ab und lege darein das kupferne Blatt, das silberne Blatt und den goldnen Apfel, und verwahre Alles unten bei der Felswand. Am Berge steht ein Stock, und wenn Du dann von mir nachher Etwas willst, so klopfe bloß mit dem Stock an die Felswand.«
Anfangs konnte die Prinzessinn sich durchaus nicht dazu entschließen, dem Stier den Kopf abzuschneiden. Wie dieser ihr aber sagte, das sei der einzige Dank, den er für Das, was er für sie gethan, von ihr fordre, da konnte sie denn nicht anders: sie nahm das Messer und schnitt ihm, so weh es ihr auch that, damit den Kopf vom Rumpf, streifte ihm das Fell ab, legte darein das kupferne Blatt, das silberne und den goldnen Apfel, und verwahrte dann Alles unten bei der Felswand.
Als das geschehen war, ging sie weinend und voll großer Betrübnis in den Schweinstall; da zog sie den hölzernen Rock an und begab sich damit zum Königsschloß. Sie trat zuerst in die Küche ein, und bat um einen Dienst und sagte, sie heiße Kari Trästak. Ja, sagte der Koch, einen Dienst könne sie bekommen, wenn sie im Schloß aufwaschen und rein machen wolle, denn Die, welche das früher gethan hätte, sei davon gelaufen; »aber wenn Du eine Zeitlang hier gewesen bist, wirst Du’s auch wohl überdrüssig und läufst auch davon«, sagte er. Nein, das wollte sie gewiß nicht.
Sie blieb nun auf dem Schloß und verrichtete ihr Geschäft ordentlich und pünktlich. Eines Sonntags, als man Fremde erwartete, bat Kari um Erlaubniß, dem Prinzen das Waschwasser hinaufbringen zu dürfen; aber die Andern lachten über sie und sagten: »Was willst Du bei dem Prinzen? Glaubst Du, der Prinz will Etwas von Dir wissen, so wie Du aussiehst?« Aber sie gab sich nicht zufrieden, sondern bat so lange, bis man es ihr erlaubte. Als sie nun die Treppe hinaufstieg, machte sie ein solches Geräusch mit ihrem hölzernen Rock, daß der Prinz herauskam und fragte: »Was bist Du für Eine?« – »O, ich wollte nur das Waschwasser zum Prinzen hinauftragen«, sagte sie. »Glaubst Du, ich will das Wasser haben, das Du mir bringst?« sagte der Prinz und goß es ihr über den Kopf. Sie mußte nun unverrichteter Sache wieder abziehen, bat aber um Erlaubniß, in die Kirche zu gehen, und das konnte man ihr denn nicht abschlagen. Erst aber ging sie zu dem Berg und klopfte mit dem Stock an die Felswand, so wie der Stier ihr gesagt hatte. Sogleich öffnete sich diese, und es trat ein Mann heraus, der fragte sie, Was sie wolle. Die Königstochter sagte, sie hätte Erlaubniß bekommen, in die Kirche zu gehen und den Prediger zu hören, aber sie hätte keine Kleider anzuziehen. Da gab der Mann ihr ein Kleid, das war so blank, wie der kupferne Wald; und Pferd und Sattel erhielt sie auch. Als sie nun in die Kirche kam, war sie so schön und stattlich, daß Alle sich darüber verwunderten und gar nicht begreifen konnten, Wer sie sei. Fast Keiner hörte auf Das, was der Prediger sagte, weil Alle nur sie betrachteten. Der Prinz selbst war so in sie verliebt, daß er kein Auge von ihr abwandte.
Als sie nun aus der Kirche gehen wollte, kam der Prinz ihr nach und machte die Kirchenthür hinter ihr zu, und da geschah es, daß er den einen von ihren Handschuhen in der Hand behielt. Als sie darnach ihr Pferd bestieg, trat der Prinz auf sie zu und fragte sie, wo sie her wäre. »Ich bin aus dem Waschland«, sagte Kari, und indem der Prinz den Handschuh hervorzog, um ihr denselben zu überreichen, sprach sie:
»Hinter mir dunkel, und vor mir hell!
Auf daß der junge Prinz nicht sieht,
Wohin mich trägt mein Roß so schnell!«
Der Prinz hatte noch nie einen so schönen Handschuh gesehen, und er reiste weit umher und fragte nach dem Lande, aus welchem die vornehme Dame sei, die ihren Handschuh im Stich gelassen hatte; aber Niemand konnte ihm sagen, wo es lag.
Am nächsten Sonntag sollte Einer hinaufgehen zum Prinzen und ihm ein Handtuch bringen. »Ach, darf ich nicht hinaufgehen?« sagte Kari. »Warum nicht gar!« sagten die Andern, die in der Küche waren: »Du weißt wohl noch, wie es Dir das letzte Mal ging.« Kari gab sich aber nicht zufrieden, sondern bat so lange, bis man es ihr erlaubte, und darnach lief sie die Treppe hinauf in ihrem hölzernen Rock, daß es nur so rasselte. Der Prinz kam auf den Lärm heraus, und als er Kari erblickte, riß er ihr das Tuch aus der Hand und warf es ihr an den Kopf. »Pack Dich, Du abscheuliches Trollmensch!« sagte er: »Glaubst Du, ich will mich in einem Handtuch abtrocknen, das Du mit Deinen schmutzigen Fingern angefasst hast?«
Darnach begab der Prinz sich in die Kirche, und Kari bat um Erlaubniß, auch dahin zu gehen. Die Andern sagten aber, Was sie in der Kirche wolle, da sie nichts Anders anzuziehen habe, als ihren hölzernen Rock, der so schmutzig wäre und so abscheulich aussähe. Aber Kari sagte, der Prediger däuchte ihr ein so wackerer Mann in seiner Rede, und sie hätte davon so großen Nutzen. Da ließ man sie denn hingehen. Erst aber ging sie zu dem Berg und klopfte mit dem Stock daran. Sogleich trat wieder der Mann heraus und gab ihr ein Kleid, das war noch weit schöner und prächtiger, als das erste; es war überall mit Silber besetzt, so daß es glänzte, wie der silberne Wald; und ein schönes Pferd mit silbergestickter Decke und silbernem Gebiß erhielt sie auch.
Als sie zur Kirche kam, und die Kirchleute, die vor der Thür standen, sie sahen, waren alle höchlich verwundert und konnten gar nicht begreifen, Wer sie sei, und der Prinz trat sogleich hinzu, um ihr das Pferd zu halten, während sie abstieg. Aber sie sprang schnell herunter und sagte, es wäre nicht nöthig; denn ihr Pferd wäre so wohl abgerichtet, daß es still stände, wenn sie es beföhle, und auf ihren Wink ginge und käme. Darauf gingen Alle in die Kirche; aber fast Keiner hörte auf Das, was der Prediger sagte, weil Alle nur sie betrachteten. Der Prinz aber entbrannte diesmal noch weit mehr von Liebe, als das vorige Mal. – Als nun der Gottesdienst vorbei war, und sie aus der Thür ging und ihr Pferd besteigen wollte, da trat der Prinz wieder auf sie zu und fragte sie, wo sie her wäre. »Ich bin aus dem Handtuchlande«, sagte die Königstochter, und im selben Augenblick ließ sie ihre Reitgerte fallen. Als nun der Prinz sich bückte, um sie aufzunehmen, sprach sie:
»Hinter mir dunkel, und vor mir hell!
Auf daß der junge Prinz nicht sieht,
Wohin mich trägt mein Roß so schnell!«
Fort war sie, und Niemand wußte, wo sie gestoben oder geflogen war. Der Prinz reiste nun wieder weit umher und fragte nach dem Handtuchlande; aber es konnte ihm Keiner sagen, wo es lag, und er mußte unverrichteter Sache wieder heimkehren.
Am nächsten Sonntag sollte Einer einen Kamm zu dem Prinzen hinaufbringen. Kari bat wieder um Erlaubniß, damit hinaufzugehen; aber die Andern erinnerten sie daran, wie es ihr das letzte Mal gegangen war, und schalten sie, daß sie sich vor dem Prinzen wollte sehen lassen, so schwarz und häßlich, wie sie aussähe in ihrem hölzernen Rock. Aber sie hörte nicht auf, zu bitten, bis man sie endlich gehen ließ. Als sie die Treppe hinaufrasselte, kam schnell der Prinz heraus, riß ihr den Kamm aus der Hand und warf ihn ihr an den Kopf, indem er sagte, sie solle sich sogleich packen. Darnach begab der Prinz sich in die Kirche, und Kari bat um Erlaubniß, auch dahin zu gehen. Sie fragten sie wieder, Was sie da wolle, da sie ja so schwarz und häßlich wäre, und nicht einmal Kleider hätte, sich vor den Leuten sehen zu lassen. »Wenn der Prinz, oder sonst Jemand Dich bemerkt«, sagten sie: »dann wird es sowohl Dir, als uns schlecht gehen.« Aber Kari meinte, sie hätten wohl nach etwas ganz Anderm zu sehen, als nach ihr, und hörte nicht auf, zu bitten, bis man sie zuletzt gehen ließ.
Nun ging es wieder eben so, wie die beiden vorigen Male; Kari ging zu dem Berg und klopfte daran mit dem Stock. Da kam wieder der Mann heraus und gab ihr ein Kleid, das war noch weit prächtiger, als das vorige; denn es war von purem Golde und mit vielen Diamanten besetzt; und ein Pferd mit golddurchwirkter Decke und goldenem Gebiß erhielt sie auch.
Als die Königstochter zur Kirche kam, standen der Prediger und die Kirchleute noch vor der Thür und warteten auf sie. Der Prinz wollte ihr das Pferd halten; aber sie sprang schnell herunter und sagte: »Es ist nicht nöthig; denn mein Pferd ist so gut abgerichtet, daß es von selber still steht, wenn ich es befehle.« Hierauf gingen Alle in die Kirche, und der Prediger stieg auf die Kanzel. Aber Keiner hörte auf Das, was er sagte, weil Alle nur sie betrachteten und sich den Kopf darum zerbrachen, wo sie doch wohl her sein möchte. Der Prinz aber entbrannte jetzt noch mehr von Liebe, als das vorige Mal; er hörte und sah nichts Anders, als nur sie.
Wie der Gottesdienst beendigt war, und die Königstochter aus der Kirche gehen wollte, hatte der Prinz eine Bütte voll Theer in der Vorhalle hingegossen, damit er ihr behülflich sein könne, wenn sie hinüber wollte; aber sie bekümmerte sich nicht darum, sondern setzte den Fuß mitten in den Theer und sprang hinüber; aber da blieb der eine von ihren goldnen Schuhen am Boden sitzen. Als sie ihr Pferd bestiegen hatte, trat der Prinz wieder auf sie zu und fragte sie, wo sie her wäre. »Ich bin aus dem Kammlande«, sagte Kari. Als ihr aber der Prinz den goldnen Schuh reichen wollte, sprach sie:
»Hinter mir dunkel, und vor mir hell!
Auf daß der junge Prinz nicht sieht,
Wohin mich trägt mein Roß so schnell!«
Der Prinz wußte nun wieder nicht, wo sie geblieben war, und reiste eine lange Zeit in der Welt herum und fragte nach dem Kammlande; da ihm aber Niemand sagen konnte, wo es lag, ließ er bekannt machen, daß Diejenige, welcher der goldne Schuh passe, seine Gemahlin werden solle. Es fanden sich nun Schöne und Häßliche ein von allen Enden der Welt; aber Keine hatte einen so kleinen Fuß, daß ihr der goldne Schuh paßte. Endlich kam auch die böse Stiefmutter der Kari Trästak mit ihrer Tochter an, und der letztern paßte der Schuh. Aber sie war so häßlich und sah so recht vergrätzt aus, daß der Prinz nur ungern sein Wort hielt. Es wurde jedoch zur Hochzeit angerichtet, und die Tochter ward aufgeputzt wie eine Braut. Als aber der Prinz mit ihr zur Kirche ritt, saß da ein kleiner Vogel in einem Baum, der sang:
»Ein Stück von der Ferse,
Ein Stück von der Zeh!
Kari’s Schuh ist voll Blut,
Das thut der Braut so weh.«
Und als sie zusahen, da hatte der Vogel recht gesungen; denn das Blut sickerte aus dem Schuh heraus. Nun mußten alle Dienstdirnen und alle Frauensleute, die auf dem Schloß waren, den Schuh anprobiren; aber es war keine einzige darunter, die ihn anbekommen konnte. »Wo ist denn aber Kari Trästak?« fragte endlich der Prinz, da alle Andern den Schuh anprobirt hatten; denn er verstand sich gut auf Vogelgesang, und wußte wohl, wie’s geklungen hatte. »Ach, die!« sagten die Andern: »mit ihr kann’s nichts nützen; denn sie hat Beine, so groß wie Pferdefüße.« – »Kann sein!« sagte der Prinz: »aber da alle Andern den Schuh anprobirt haben, so soll sie ihn auch anprobiren. – Kari!« rief er zur Thür hinaus, und Kari die Treppe herauf in ihrem hölzernen Rock, daß es nur so rasselte. »Nun sollst Du auch den Schuh anprobiren und Prinzessinn werden!« sagten die andern Dirnen und lachten und hatten sie zum besten. Kari aber nahm den Schuh, steckte den Fuß hinein wie gar Nichts, warf ihren Holzrock ab und stand nun da in ihrem goldnen Kleid, daß es nur so glitzerte; und an dem andern Fuß trug sie den andern goldnen Schuh. Als der Prinz sie nun wieder erkannte, war er über alle Maßen froh, lief auf sie zu, umarmte und küßte sie. Und als er nun erfuhr, daß sie eine Königstochter war, da freute er sich noch mehr, und darauf wurde die Hochzeit gehalten.
Un ssnipp, ssnapp, ssnuut!
So is dat Leuschen uut.
[Norwegen: P. [C.] Asbjørnsen/Jörgen Moe: Norwegische Volksmärchen]