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Märchenbasar

König Iltiß

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Einst wurden die Frösche mit ihrer alten Verfassung unzufrieden; sie quakten und quakten so lange, bis sie endlich unter Quaken den langbeinigen Storch zu ihrem König wählten. Als dies die Hühner und Hennen sahen, wollten sie hinter den Fröschen nicht zurückbleiben; sie meinten, es wäre gut, wenn sie auch ihren König hätten. Sie hielten daher einen allgemeinen Landtag und begannen sich zu berathen. Alle waren bisher eines Sinnes gewesen. Als es aber dazu kam, wer König sein solle, begannen sie zu zanken und zu hadern; denn Niemand wollte dulden, daß der Andere über ihn herrsche, sondern Jeder hätte selbst gern über die Andern geherrscht. Es stellten sich die Hähne zum Kampfe, und hackten mit den Schnäbeln auf einander los, daß die Federn von einander stoben und ihre Kämme bluteten. Endlich rieth ihnen ein alter weiser Hahn, es wäre das Beste, wenn sie den König Iltiß zu ihrem König nähmen; der sei ein gewaltiger Herr mit starken Zähnen, den Jeder fürchten, und der gewiß Ruhe und Ordnung herstellen werde. Der Rath gefiel den Hähnen, und sie sandten sogleich an den Iltiß, um mit ihm einen Vertrag zu schließen. Als der Iltiß ihr Begehren vernommen, zeigte er sich sehr freundlich und bereitwillig; er versprach ihnen auch, sie vor dem Hühnergeier, der ihre Kinder forttrage, vor dem Marder, der ihre Eier austrinke, und vor dem Spatzen, der ihnen die Körner vor der Nase wegstehle, zu schützen, und verhieß ihnen, die schönen, großen Hähne zu seinen Kammerherren zu machen, und zu andern Würden zu erheben. Allen gefiel, was er versprach, den Hennen und den Hähnen, und so setzten sie den Iltiß feierlich auf den Thron, und waren froh, daß sie einen so mächtigen und gütigen König hätten.
Es währte nicht lange, so gelüstete den Iltiß nach einem Huhn. Um die Gemüther nicht gleich durch offenbare Gewalt zu erbittern, beschloß er, unter irgend einem tauglichen Vorwande ein Huhn todt zu beißen, und dessen Blut auszusaugen. Er ließ daher einen schönen fetten Hahn vor sich rufen, und fragte ihn, ob er was rieche. Der Hahn war eine gute ehrliche Haut, und sagte aufrichtig: »Verzeiht, Herr König, ich riech‘ etwas, das entsetzlich stinkt.« Es war dies der Gestank, den die Iltisse gewöhnlich verbreiteten. »Du unverschämter Wicht,« fuhr der Iltiß auf, »das wagst Du Deinem König ins Gesicht zu sagen?« und schnapps! biß er ihm den Kopf ab, und sog ihm das Blut aus. Dann ließ er einen zweiten Hahn rufen, und fragte ihn gleichfalls, ob er was rieche. Der Hahn, der seines Cameraden Leib ohne Kopf daliegen und des Iltiß Maul von Blut triefen sah, merkte, daß es übel mit ihm stehe. Er begann vor Angst am ganzen Leibe zu zittern, und vermochte kein Wort über die Lippen zu bringen. »Warum zitterst Du?« fragte ihn der Iltiß streng. »Mir scheint, Du hast kein gutes Gewissen. Sprich, was riechst Du?« Der Hahn raffte alle seine Kraft zusammen, verneigte sich tief, und sagte mit feiner, süßer Stimme: »Herr König, ich riech‘ etwas, das wunderlich duftet.« – »Tückischer Verräther,« rief der Iltiß zornig, »Du willst Deine Erbärmlichkeit mit Schmeicheleien beschönigen?« und schnapps! biß er ihm den Kopf ab, und sog ihm das Blut aus. Der Iltiß hatte zwar schon zur Genüge, allein das Spiel mit den Hähnen machte ihm Vergnügen; drum ließ er noch einen dritten Hahn vor sich rufen, und fragte ihn ebenfalls, was er rieche. Der aber war pfiffig; er sah zwar die zwei Leichname ohne Kopf und bemerkte Blut an des Iltiß Barte, doch that er nichts dergleichen. Er verneigte sich einige Mal nach Gebühr und erwiederte dem Iltiß vorsichtig: »Verzeiht, Herr König, das Wetter ist schlecht, ich hab‘ einen furchtbaren Schnupfen.« Der Iltiß, der sah, wie klug sich der Hahn aus der Schlinge ziehe, und dem gerade nichts Anderes einfiel, was er gegen ihn vorbringen könnte, lächelte huldreich, und entließ ihn in Gnaden.

[Tschechien: Joseph Wenzig: Westslawischer Märchenschatz]

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