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(1)
Wo war’s, wo war’s nicht, es war auf der Welt ein verwitweter König, der hatte drei Töchter. Die älteste hiess Örzsi, die mittelste Ilona, die jüngste aber Enzella.
Doch in derselben Stadt wohnte eine verwitwete Königin. Die ruhte nicht, ihm wieder und immer wieder sagen zu lassen, dass er sie heiraten solle, dann würde er sehen, wie gut er’s dann hätte, dass er bei ihr ausruhen solle, dass sie ihn ehren würde usw; doch der König wollte durchaus nichts von dieser Heirat wissen.
Die verwitwete Königin war ganz versessen aufs heiraten; so oft liess sie es ihm sagen, so lange redete sie, bis der verwitwete König sich drein ergab: er heiratete sie.
Die drei Mädchen wussten: »na, wenn unser lieber Vater heiratet, dann ist’s vorbei mit der Ruhe, dann ist unseres Bleibens daheim nicht mehr!« So wurde es auch. Als der Frau erst ein bischen die Augen aufgingen, da war kein Bleiben mehr für die Mädchen: sie schlug und stiess sie, hetzte sie wie das Vieh.
Die armen Mädchen konnten das nicht ertragen, der Teufel wäre dessen auch überdrüssig geworden; sie besprachen sich, dass sie von Hause fortlaufen wollten. Nicht lange danach zogen sie in die Welt hinaus.
Sie gehen, wandern und wandern, kommen an eines Meeres Ufer. Gerade bei diesem Meer endete ihres Vaters Reich. Spät am Abend war’s schon; sie wussten nicht, wohin, kein Nachtlager, kein Bett, nichts. Da begannen sie laut zu weinen.
Wo sie sassen, gerade gegenüber war ein kleines Haus, in dem brannte ein Lichtchen. Dort wohnte ein Teufelsweib; die hörte der Mädchen Weinen, eilte ins Haus, holte unter dem Bette den Meerüberschreitenden Schuh hervor, zog ihn auf ihren Fuss, dann trat sie hinüber zu ihnen. Sie grüsste sie. »Schönen guten Abend!«
»Grüss Gott!« erwiderten die Mädchen.
»Meine Töchter, ich sehe, dass ihr heimatlos seid; kommt zu mir; dort habt ihr alles, was ihr braucht. Ich gebe euch ein gutes Bett, ihr ruht euch aus; ihr werdet schon sehen, wie gut ihr’s haben werdet.«
Die Mädchen glaubten ihren Worten und gingen mit ihr.
Sie hatte zu Hause auch drei Töchter; die jüngste hiess Katiza. Sie gab diesen fremden Mädchen ein Nachtlager, und sie legten sich auch schlafen.
Es war schon recht spät, als das Teufelsweib ihren Töchtern sagte: »Die werden gut! bald schneide ich ihnen die Köpfe ab, salze sie, brate sie; die werden meinen Freundinnen aber gut schmecken!«
Von den drei fremden Mädchen war die jüngste, Enzella, noch wach; die hörte die Rede, und sie begann zu stöhnen, wie wenn sie im Schlaf stöhne, damit sie nicht merkten, dass sie wach sei und etwas höre. Die Frau sah daraus, dass Enzella wach war, und flüsterte den Mädchen zu: »Na dann später, in der Morgendämmerung, bis dahin will ich auch einmal rum schlafen.«
Darauf wartete Enzella nur! Als jetzt die Teufelin tüchtig schnarchte, stahl sie sich aus ihrem Bett heraus, kroch unter das Bett, band den Meerüberschreitenden Schuh an ihren Fuss, dann ging sie zu ihren Geschwistern hin. Sie weckte sie auf und sagte ihnen: »Jetzt legt euch auf den Platz der Hexentöchter und sie auf euren Platz; denn das böse alte Weib will euch töten; wisst ihr das?« Damit vertauschte sie sie. Doch sie bedachte die Sache und weckte ihre eigenen Geschwister noch einmal: »kommt mit mir,« sagte sie »das wird sicherer sein!« doch der Hexe Töchter waren schon auf ihrem Platz. Dann gingen sie.
Als sie schon jenseit des Meeres waren, kurz darauf ging das Weib zu den beiden Betten, schnitt ihren beiden Töchtern den Hals durch. Doch wie sie sie näher anschaute, da sah sie, was sie gemacht hatte. Sie suchte die drei Mädchen, fand sie nicht, suchte umher nach dem Meerüberschreitenden Schuh, doch den fand sie auch nicht. Hu, wurde sie da fürchterlich zornig!
Sie ging hin zum Meeresufer, dort fing sie an aus voller Kehle zu brüllen: »Wart nur, Königstochter Enzella! Der Hund fresse deinen Leib, die Erde trinke dein Blut! Du tötetest meine zwei Töchter! Du stahlst meinen Meerüberschreitenden Schuh! Warte nur!« Dabei drohte sie mit ihren alten, dürren Fingern.
Doch Enzella und die ihren, wohin sind sie wohl gegangen?
Daheim waren sie bei ihrem Vater. Daheim erzählten sie ihre Erlebnisse von Anfang bis zu Ende; dann erzählten sie auch, was die drei Töchter des Teufelweibes hatten: die eine hatte drei goldene Tauben, die zweite drei goldene Kohlköpfe, die dritte ein solches goldenes Musikwerk, dass es aller Welt schlimm ergeht, wenn es ertönt.
Ihr Vater war gerade ganz schrecklich krank; aber reden konnte er noch. Er sagte zu seiner Tochter Enzella: »Meine liebe Tochter, hole mir jene drei goldenen Kohlköpfe! Vielleicht wird mir davon besser.« Enzella widersprach nicht den Worten ihres Vaters, machte sich bereit, holte den Meerüberschreitenden Schuh hervor, war eins-zwei dort angelangt.
Es war schon Abend. Sie kroch unter das Bett. Als sie nach dem Kohl langen wollte – denn unter dem Bett bewahrte ihn das alte Weib – da begann der Kohl zu sausen. Von dem Sausen erwachte das Teufelsweib. Sie sprach zu ihrer Tochter:
»Hörst du, Tochter, sie stehlen den Kohl: er saust laut!«
»Ach was stehlen, ach was stehlen, Mutter! Wer sollte denn hier sein? Das bildest du dir sicher nur ein!« Na, die Frau beruhigte sich dabei, dass sie sich’s nur eingebildet habe.
Das passte Enzella; sie nahm den Kohl unter den Arm, dann schritt sie nur zweimal aus mit dem weitschreitenden Schuh, und schon war sie daheim. Sie bereiteten den Kohl, richteten ihn fein an, doch dem König wurde nicht besser davon.
Der König liess Enzella wieder zu sich rufen. »Hör, meine Tochter! von dem Goldkohl ist mir nicht besser geworden; probiere es noch einmal: bringe das goldene Musikwerk, vielleicht hilft mir das!«
Enzella war bereit; mit einem Fuss war sie hier, mit dem andern schon dort. Sie kroch wieder unter das Bett. Als jene fest schliefen, fasste sie nach dem Musikwerk, doch das begann so laut zu tönen, dass die Frau und ihre Tochter erwachten. Doch jetzt hatte Enzella das Musikwerk schon ergriffen. Wie sehr es auch tönte, das war ihr gleich, sie schritt eins aus mit dem Meerüberschreitenden Schuh, da war sie jenseit von allem. Nur noch am andern Ufer hörte sie, wie ihr die Hexe nachschrie: »Warte nur, Enzella! Meine zwei Töchter hast du getötet, meinen Meerüberschreitenden Schuh, meinen Goldkohl, mein goldenes Musikwerk hast du gestohlen! Warte nur!« Doch es kümmerte sie nicht, dass sie schrie.
Doch dem alten König taugte das goldene Musikwerk nichts, denn es wurde schlimmer davon.
»Bring die drei Goldtauben, meine Tochter; die will ich auch noch probieren, ob das vielleicht was nützt!« sprach der alte König aufs neue.
Das brauchte man Enzella nicht zweimal zu sagen; im selben Augenblick stand sie schon beim Haus des Teufelsweibes. Die Tauben waren auf dem Boden. Enzella ging gerade darauf los. Wie sie die Tauben greifen wollte, begannen sie zu flattern, mit den Flügeln zu schlagen, Enzella konnte sie nicht fangen. Das hörte dort unten das Weib, sie merkte, dass Enzella wieder dort herumsuchte nach den Tauben. Sie ging hinauf, ergriff Enzella. Sie sperrte sie in einen Stall und hiess ihre Tochter geschwind ein Feuer machen, Enzella solle braten!
So geschah es auch. Katiza, die übrig gebliebene Tochter der alten Hexe, heizte ein. Enzella dauerte sie, aber sie musste tun, was die Mutter befohlen hatte. Sie geht zu Enzella, dass sie sich in den Karren vor dem Backofen setze, doch Enzella antwortet ihr: »Ich weiss nicht, wie man sich da hineinsetzt; zeig du es mir!« Katiza setzt sich hinein, zeigt ihr, wie man es machen muss. Da plötzlich schiebt Enzella sie in den Ofen. Katiza wurde gebraten, Enzella tischte sie auf; ins Bett legte sie ein aus Lumpen gemachtes Mädchen, wie wenn Katiza im Bett läge. Dann ging sie hinauf auf den Boden, griff die drei Goldtauben, nahm sie mit.
Das Teufelsweib war just eben heimgekehrt, sah, dass statt ihrer Tochter im Bett ein Lumpenmädchen war und ihre Tochter dort gebraten auf dem Tisch angerichtet stand. Also kann man sich wohl denken, wie giftig sie war. Sie ging hin zum Meeresufer, von dort schrie sie Enzella zu:
»Warte nur, Enzella! Der Hund fresse deinen Leib, die Erde trinke dein Blut! Meine zwei Töchter hast du getötet, meinen Meerüberschreitenden Schuh, meinen Goldkohl, mein goldenes Musikwerk, meine Goldtauben hast du gestohlen, meine Tochter hast du mit mir gegessen, wart nur!«
Enzella hörte nicht darauf, ging heim. Doch mit ihrem Vater war’s jetzt zu Ende; er starb. Was sollte sie jetzt zu Hause, wenn ihr Vater auch tot war? Sie raffte sich auf, zog in die Welt hinaus, einen Dienst zu suchen.
Unterwegs traf sie einen Hund, der auf der einen Seite lag. Sprach der Hund:
»Dreh mich auf die andere Seite und hilf mir! Für die gute Tat erwarte Gutes!«
Enzella drehte ihn um. Danach sah sie einen Bären am Wege, der bat sie um etwas zu essen. Sie gab es ihm. Schliesslich traf sie eine Katze, die bat auch um Essen, der gab sie auch; doch die Katze schmiegte sich an sie und ging mit ihr.
So gingen sie zusammen, wanderten, langten bei einem Hause an. Dort grüsste Enzella sittsam: »Gelobt sei Jesus Christ, Gott gebe einen guten Abend!« Doch die Frau empfing sie also: »Hol dich der Kuckuck, was willst du?«
Enzella sagte, was ihr Begehren sei. Die Alte dingte sie. Bei ihr hatte das Jahr drei Tage; aber in der Zeit erprobte sie jeden, den sie aufnahm, auf allerlei Weise.
Am ersten Tag bekam Enzella die Aufgabe: die Alte schüttete vor ihr einen Scheffel Hirse und einen Scheffel Asche aus, mengte das zusammen; Enzella sollte die Hirse auslösen, kochen und auch noch abkühlen bis zum Abend. Dann ging die Alte fort. Doch sie befahl ihr, sie sollte sie nachher mit »hol dich der Kuckuck!« begrüssen.
Die arme Enzella war bestürzt; wie konnte sie den Befehl ausführen? Aber wie sie dort nachsann, kam die Katze daher: »Liebe Herrin, fürchte nichts! Ich werde dir schon helfen, und alles wird zur Zeit fertig sein!« Sie machten sich beide daran, und abends wurde auch alles fertig. Kommt die Frau heim:
»Lumpig-schlumpig, ruppig-struppig! öffne die Tür, Enzella! Ist das Essen fertig?«
»Hol dich der Kuckuck! Fertig!« sagte Enzella.
»Na, dann ist’s gut!« Sie ass den ganzen Hirsebrei auf.
Anderntags schüttete sie wieder einen Scheffel Hirse aus, aber jetzt mengte sie ihn mit anderthalb Scheffel Asche. Das sollte sie auch so zubereiten. Die Katze half Enzella; es wurde aufs beste fertig, bis die Frau nach Hause kam.
Am dritten Tag mischte die Alte anderthalb Scheffel Hirse mit zwei Scheffel Asche. Als sie mit der Katze die Hirse und Asche rein auseinandergelesen hatte, sprach die Katze zu Enzella:
»Höre! Wenn sie dir als Lohn Gold oder Silber bietet, nimm es nicht! Sie hat eine hühnerdreckige Lade, in der sind viele schöne Kleider, die bitte dir aus; doch nimm nichts anderes an, verstehst du?«
Enzella freute sich, dass die Katze sie so unterwies, und versprach, also zu tun.
Abends kam die Alte heim. »Lumpig-schlumpig, ruppig-struppig! öffne die Tür, Enzella! Ist das Essen fertig?«
Enzella öffnete und grüsste: »Hol dich der Kuckuck! Fertig!« Die Frau ass wieder den ganzen Hirsebrei auf.
In der Frühe sprach die Frau: »Also was soll ich dir zahlen? Ich gebe dir Gold und Silber, soviel du tragen kannst!«
Enzella wollte das nicht; sie begehrte nur die hühnerdreckige Lade. Die Frau wollte sie ihr um keinen Preis geben. Doch Enzella bestand darauf, dass ihr anderes nichts nütze sei; da bekam sie es mit Müh und Not.
Wo sollte sie jetzt hingehen? Sie ging heim. Zu Hause wurde sie Magd bei der Stiefmutter.
Als sie dort diente, da gingen ihre Stiefmutter und deren Tochter eines Sonntags in die Kirche, und ihr trugen sie das Kochen auf. Doch sie war nicht dumm, ging zu ihrer Lade; dann, als jene schon fort waren, nahm sie ihr Silberkleid heraus, ging auch in die Kirche, wo sie sie weidlich beschauten, denn so etwas hatten sie dort noch niemals gesehen.
Als die Messe zu Ende war, eilte sie geschwind heim, damit sie nichts merken sollten.
Als die Stiefmutter mit ihrer Tochter ihr in den Weg kam, sagten sie ihr: »Was wir aber in der Kirche gesehen haben! Das hast du nicht gesehen!«
Sprach Enzella: »Warum nicht gar! Ich sah es!«
»Von wo aus denn?«
»Nun, vom Türpfosten aus!«
In ihrem Neid liess die Frau sogleich den Türpfosten umstürzen.
Am zweiten Sonntag ging die Stiefmutter wieder zur Kirche, nahm auch ihre Tochter mit. Enzella zog das Goldgewand an, ging auch.
Als die Stiefmutter und ihre Tochter heimkamen, fingen sie wieder an: »Was wir aber gesehen haben! Das hast du nicht gesehen!«
Enzella sagte wieder, sie habe es doch gesehen.
»Woher, du!?«
»Nun, von der Brunnensäule!«
Die Frau lief nur, liess die Brunnensäule umstürzen. Jetzt war sie aber neidisch!
Am dritten Sonntag ging Enzella im Demantgewand zur Messe. Die Stiefmutter und ihre Tochter prahlten wieder mit dem, was sie gesehen hatten. Doch Enzella sagte, dass sie das auch gesehen hätte, und zwar vom Schornstein aus. Die Frau liess auch den niederreissen.
Ja, nun hatte aber am zweiten Sonntag auch ein Prinz Enzella gesehen, und er gewann sie lieb. Er liess am dritten Sonntag vor der Kirche Pech giessen, damit jene Schöne darin kleben bleiben sollte. Doch nur Enzellas Schuh blieb dort. Der Prinz liess den Mädchen der ganzen Stadt den Schuh anproben, doch er passte keiner einzigen auf den Fuss.
Die Königin, Enzellas Stiefmutter, wollte den Prinzen gern für ihre eigene Tochter, sie schnitzelte ein Stück vom Fuss ihrer Tochter ab; das Blut schoss nur so hervor, doch auch jetzt war er noch zu gross für den Schuh! Damit der Prinz Enzella nicht finden sollte, hatte sie sie im Keller unter einen Trog gesteckt.
Als der Prinz nun alle Hoffnung aufgegeben hatte, die Herrin des Schuhes zu finden, sprach zu ihm sein Reitknecht: »Hier ist noch ein schönes Mädchen gewesen; das sehe ich nicht. Wo mag das sein?«
Der Prinz liess auf der Stelle eine Kerze anzünden, sie stiegen hinunter in den Keller, fragten: »Ist hier irgend jemand?«
Enzella antwortete: »Ich bin’s, Enzella, unter dem Trog!«
Sogleich zogen sie sie hervor. Sie war sehr schön und gefiel dem Prinzen gleich. Sie probierten ihr den Schuh an, und siehe, er sass wie angegossen auf ihrem Fuss.
Da sprach der Prinz: »Mein schönes Herzlieb, du warst in der Kirche! Ich führe dich von hinnen; du gefällst mir; ich bin dein, du bist mein, nur Spaten und Grabscheit sollen uns scheiden!«
Die Stiefmutter dort drinnen frass der Neid fast auf. Dann wurden sie getraut, hielten Hochzeit, sie k… Talg, damit illuminierten sie. Wenn sie nicht gestorben sind, leben sie jetzt noch.
Doch in derselben Stadt wohnte eine verwitwete Königin. Die ruhte nicht, ihm wieder und immer wieder sagen zu lassen, dass er sie heiraten solle, dann würde er sehen, wie gut er’s dann hätte, dass er bei ihr ausruhen solle, dass sie ihn ehren würde usw; doch der König wollte durchaus nichts von dieser Heirat wissen.
Die verwitwete Königin war ganz versessen aufs heiraten; so oft liess sie es ihm sagen, so lange redete sie, bis der verwitwete König sich drein ergab: er heiratete sie.
Die drei Mädchen wussten: »na, wenn unser lieber Vater heiratet, dann ist’s vorbei mit der Ruhe, dann ist unseres Bleibens daheim nicht mehr!« So wurde es auch. Als der Frau erst ein bischen die Augen aufgingen, da war kein Bleiben mehr für die Mädchen: sie schlug und stiess sie, hetzte sie wie das Vieh.
Die armen Mädchen konnten das nicht ertragen, der Teufel wäre dessen auch überdrüssig geworden; sie besprachen sich, dass sie von Hause fortlaufen wollten. Nicht lange danach zogen sie in die Welt hinaus.
Sie gehen, wandern und wandern, kommen an eines Meeres Ufer. Gerade bei diesem Meer endete ihres Vaters Reich. Spät am Abend war’s schon; sie wussten nicht, wohin, kein Nachtlager, kein Bett, nichts. Da begannen sie laut zu weinen.
Wo sie sassen, gerade gegenüber war ein kleines Haus, in dem brannte ein Lichtchen. Dort wohnte ein Teufelsweib; die hörte der Mädchen Weinen, eilte ins Haus, holte unter dem Bette den Meerüberschreitenden Schuh hervor, zog ihn auf ihren Fuss, dann trat sie hinüber zu ihnen. Sie grüsste sie. »Schönen guten Abend!«
»Grüss Gott!« erwiderten die Mädchen.
»Meine Töchter, ich sehe, dass ihr heimatlos seid; kommt zu mir; dort habt ihr alles, was ihr braucht. Ich gebe euch ein gutes Bett, ihr ruht euch aus; ihr werdet schon sehen, wie gut ihr’s haben werdet.«
Die Mädchen glaubten ihren Worten und gingen mit ihr.
Sie hatte zu Hause auch drei Töchter; die jüngste hiess Katiza. Sie gab diesen fremden Mädchen ein Nachtlager, und sie legten sich auch schlafen.
Es war schon recht spät, als das Teufelsweib ihren Töchtern sagte: »Die werden gut! bald schneide ich ihnen die Köpfe ab, salze sie, brate sie; die werden meinen Freundinnen aber gut schmecken!«
Von den drei fremden Mädchen war die jüngste, Enzella, noch wach; die hörte die Rede, und sie begann zu stöhnen, wie wenn sie im Schlaf stöhne, damit sie nicht merkten, dass sie wach sei und etwas höre. Die Frau sah daraus, dass Enzella wach war, und flüsterte den Mädchen zu: »Na dann später, in der Morgendämmerung, bis dahin will ich auch einmal rum schlafen.«
Darauf wartete Enzella nur! Als jetzt die Teufelin tüchtig schnarchte, stahl sie sich aus ihrem Bett heraus, kroch unter das Bett, band den Meerüberschreitenden Schuh an ihren Fuss, dann ging sie zu ihren Geschwistern hin. Sie weckte sie auf und sagte ihnen: »Jetzt legt euch auf den Platz der Hexentöchter und sie auf euren Platz; denn das böse alte Weib will euch töten; wisst ihr das?« Damit vertauschte sie sie. Doch sie bedachte die Sache und weckte ihre eigenen Geschwister noch einmal: »kommt mit mir,« sagte sie »das wird sicherer sein!« doch der Hexe Töchter waren schon auf ihrem Platz. Dann gingen sie.
Als sie schon jenseit des Meeres waren, kurz darauf ging das Weib zu den beiden Betten, schnitt ihren beiden Töchtern den Hals durch. Doch wie sie sie näher anschaute, da sah sie, was sie gemacht hatte. Sie suchte die drei Mädchen, fand sie nicht, suchte umher nach dem Meerüberschreitenden Schuh, doch den fand sie auch nicht. Hu, wurde sie da fürchterlich zornig!
Sie ging hin zum Meeresufer, dort fing sie an aus voller Kehle zu brüllen: »Wart nur, Königstochter Enzella! Der Hund fresse deinen Leib, die Erde trinke dein Blut! Du tötetest meine zwei Töchter! Du stahlst meinen Meerüberschreitenden Schuh! Warte nur!« Dabei drohte sie mit ihren alten, dürren Fingern.
Doch Enzella und die ihren, wohin sind sie wohl gegangen?
Daheim waren sie bei ihrem Vater. Daheim erzählten sie ihre Erlebnisse von Anfang bis zu Ende; dann erzählten sie auch, was die drei Töchter des Teufelweibes hatten: die eine hatte drei goldene Tauben, die zweite drei goldene Kohlköpfe, die dritte ein solches goldenes Musikwerk, dass es aller Welt schlimm ergeht, wenn es ertönt.
Ihr Vater war gerade ganz schrecklich krank; aber reden konnte er noch. Er sagte zu seiner Tochter Enzella: »Meine liebe Tochter, hole mir jene drei goldenen Kohlköpfe! Vielleicht wird mir davon besser.« Enzella widersprach nicht den Worten ihres Vaters, machte sich bereit, holte den Meerüberschreitenden Schuh hervor, war eins-zwei dort angelangt.
Es war schon Abend. Sie kroch unter das Bett. Als sie nach dem Kohl langen wollte – denn unter dem Bett bewahrte ihn das alte Weib – da begann der Kohl zu sausen. Von dem Sausen erwachte das Teufelsweib. Sie sprach zu ihrer Tochter:
»Hörst du, Tochter, sie stehlen den Kohl: er saust laut!«
»Ach was stehlen, ach was stehlen, Mutter! Wer sollte denn hier sein? Das bildest du dir sicher nur ein!« Na, die Frau beruhigte sich dabei, dass sie sich’s nur eingebildet habe.
Das passte Enzella; sie nahm den Kohl unter den Arm, dann schritt sie nur zweimal aus mit dem weitschreitenden Schuh, und schon war sie daheim. Sie bereiteten den Kohl, richteten ihn fein an, doch dem König wurde nicht besser davon.
Der König liess Enzella wieder zu sich rufen. »Hör, meine Tochter! von dem Goldkohl ist mir nicht besser geworden; probiere es noch einmal: bringe das goldene Musikwerk, vielleicht hilft mir das!«
Enzella war bereit; mit einem Fuss war sie hier, mit dem andern schon dort. Sie kroch wieder unter das Bett. Als jene fest schliefen, fasste sie nach dem Musikwerk, doch das begann so laut zu tönen, dass die Frau und ihre Tochter erwachten. Doch jetzt hatte Enzella das Musikwerk schon ergriffen. Wie sehr es auch tönte, das war ihr gleich, sie schritt eins aus mit dem Meerüberschreitenden Schuh, da war sie jenseit von allem. Nur noch am andern Ufer hörte sie, wie ihr die Hexe nachschrie: »Warte nur, Enzella! Meine zwei Töchter hast du getötet, meinen Meerüberschreitenden Schuh, meinen Goldkohl, mein goldenes Musikwerk hast du gestohlen! Warte nur!« Doch es kümmerte sie nicht, dass sie schrie.
Doch dem alten König taugte das goldene Musikwerk nichts, denn es wurde schlimmer davon.
»Bring die drei Goldtauben, meine Tochter; die will ich auch noch probieren, ob das vielleicht was nützt!« sprach der alte König aufs neue.
Das brauchte man Enzella nicht zweimal zu sagen; im selben Augenblick stand sie schon beim Haus des Teufelsweibes. Die Tauben waren auf dem Boden. Enzella ging gerade darauf los. Wie sie die Tauben greifen wollte, begannen sie zu flattern, mit den Flügeln zu schlagen, Enzella konnte sie nicht fangen. Das hörte dort unten das Weib, sie merkte, dass Enzella wieder dort herumsuchte nach den Tauben. Sie ging hinauf, ergriff Enzella. Sie sperrte sie in einen Stall und hiess ihre Tochter geschwind ein Feuer machen, Enzella solle braten!
So geschah es auch. Katiza, die übrig gebliebene Tochter der alten Hexe, heizte ein. Enzella dauerte sie, aber sie musste tun, was die Mutter befohlen hatte. Sie geht zu Enzella, dass sie sich in den Karren vor dem Backofen setze, doch Enzella antwortet ihr: »Ich weiss nicht, wie man sich da hineinsetzt; zeig du es mir!« Katiza setzt sich hinein, zeigt ihr, wie man es machen muss. Da plötzlich schiebt Enzella sie in den Ofen. Katiza wurde gebraten, Enzella tischte sie auf; ins Bett legte sie ein aus Lumpen gemachtes Mädchen, wie wenn Katiza im Bett läge. Dann ging sie hinauf auf den Boden, griff die drei Goldtauben, nahm sie mit.
Das Teufelsweib war just eben heimgekehrt, sah, dass statt ihrer Tochter im Bett ein Lumpenmädchen war und ihre Tochter dort gebraten auf dem Tisch angerichtet stand. Also kann man sich wohl denken, wie giftig sie war. Sie ging hin zum Meeresufer, von dort schrie sie Enzella zu:
»Warte nur, Enzella! Der Hund fresse deinen Leib, die Erde trinke dein Blut! Meine zwei Töchter hast du getötet, meinen Meerüberschreitenden Schuh, meinen Goldkohl, mein goldenes Musikwerk, meine Goldtauben hast du gestohlen, meine Tochter hast du mit mir gegessen, wart nur!«
Enzella hörte nicht darauf, ging heim. Doch mit ihrem Vater war’s jetzt zu Ende; er starb. Was sollte sie jetzt zu Hause, wenn ihr Vater auch tot war? Sie raffte sich auf, zog in die Welt hinaus, einen Dienst zu suchen.
Unterwegs traf sie einen Hund, der auf der einen Seite lag. Sprach der Hund:
»Dreh mich auf die andere Seite und hilf mir! Für die gute Tat erwarte Gutes!«
Enzella drehte ihn um. Danach sah sie einen Bären am Wege, der bat sie um etwas zu essen. Sie gab es ihm. Schliesslich traf sie eine Katze, die bat auch um Essen, der gab sie auch; doch die Katze schmiegte sich an sie und ging mit ihr.
So gingen sie zusammen, wanderten, langten bei einem Hause an. Dort grüsste Enzella sittsam: »Gelobt sei Jesus Christ, Gott gebe einen guten Abend!« Doch die Frau empfing sie also: »Hol dich der Kuckuck, was willst du?«
Enzella sagte, was ihr Begehren sei. Die Alte dingte sie. Bei ihr hatte das Jahr drei Tage; aber in der Zeit erprobte sie jeden, den sie aufnahm, auf allerlei Weise.
Am ersten Tag bekam Enzella die Aufgabe: die Alte schüttete vor ihr einen Scheffel Hirse und einen Scheffel Asche aus, mengte das zusammen; Enzella sollte die Hirse auslösen, kochen und auch noch abkühlen bis zum Abend. Dann ging die Alte fort. Doch sie befahl ihr, sie sollte sie nachher mit »hol dich der Kuckuck!« begrüssen.
Die arme Enzella war bestürzt; wie konnte sie den Befehl ausführen? Aber wie sie dort nachsann, kam die Katze daher: »Liebe Herrin, fürchte nichts! Ich werde dir schon helfen, und alles wird zur Zeit fertig sein!« Sie machten sich beide daran, und abends wurde auch alles fertig. Kommt die Frau heim:
»Lumpig-schlumpig, ruppig-struppig! öffne die Tür, Enzella! Ist das Essen fertig?«
»Hol dich der Kuckuck! Fertig!« sagte Enzella.
»Na, dann ist’s gut!« Sie ass den ganzen Hirsebrei auf.
Anderntags schüttete sie wieder einen Scheffel Hirse aus, aber jetzt mengte sie ihn mit anderthalb Scheffel Asche. Das sollte sie auch so zubereiten. Die Katze half Enzella; es wurde aufs beste fertig, bis die Frau nach Hause kam.
Am dritten Tag mischte die Alte anderthalb Scheffel Hirse mit zwei Scheffel Asche. Als sie mit der Katze die Hirse und Asche rein auseinandergelesen hatte, sprach die Katze zu Enzella:
»Höre! Wenn sie dir als Lohn Gold oder Silber bietet, nimm es nicht! Sie hat eine hühnerdreckige Lade, in der sind viele schöne Kleider, die bitte dir aus; doch nimm nichts anderes an, verstehst du?«
Enzella freute sich, dass die Katze sie so unterwies, und versprach, also zu tun.
Abends kam die Alte heim. »Lumpig-schlumpig, ruppig-struppig! öffne die Tür, Enzella! Ist das Essen fertig?«
Enzella öffnete und grüsste: »Hol dich der Kuckuck! Fertig!« Die Frau ass wieder den ganzen Hirsebrei auf.
In der Frühe sprach die Frau: »Also was soll ich dir zahlen? Ich gebe dir Gold und Silber, soviel du tragen kannst!«
Enzella wollte das nicht; sie begehrte nur die hühnerdreckige Lade. Die Frau wollte sie ihr um keinen Preis geben. Doch Enzella bestand darauf, dass ihr anderes nichts nütze sei; da bekam sie es mit Müh und Not.
Wo sollte sie jetzt hingehen? Sie ging heim. Zu Hause wurde sie Magd bei der Stiefmutter.
Als sie dort diente, da gingen ihre Stiefmutter und deren Tochter eines Sonntags in die Kirche, und ihr trugen sie das Kochen auf. Doch sie war nicht dumm, ging zu ihrer Lade; dann, als jene schon fort waren, nahm sie ihr Silberkleid heraus, ging auch in die Kirche, wo sie sie weidlich beschauten, denn so etwas hatten sie dort noch niemals gesehen.
Als die Messe zu Ende war, eilte sie geschwind heim, damit sie nichts merken sollten.
Als die Stiefmutter mit ihrer Tochter ihr in den Weg kam, sagten sie ihr: »Was wir aber in der Kirche gesehen haben! Das hast du nicht gesehen!«
Sprach Enzella: »Warum nicht gar! Ich sah es!«
»Von wo aus denn?«
»Nun, vom Türpfosten aus!«
In ihrem Neid liess die Frau sogleich den Türpfosten umstürzen.
Am zweiten Sonntag ging die Stiefmutter wieder zur Kirche, nahm auch ihre Tochter mit. Enzella zog das Goldgewand an, ging auch.
Als die Stiefmutter und ihre Tochter heimkamen, fingen sie wieder an: »Was wir aber gesehen haben! Das hast du nicht gesehen!«
Enzella sagte wieder, sie habe es doch gesehen.
»Woher, du!?«
»Nun, von der Brunnensäule!«
Die Frau lief nur, liess die Brunnensäule umstürzen. Jetzt war sie aber neidisch!
Am dritten Sonntag ging Enzella im Demantgewand zur Messe. Die Stiefmutter und ihre Tochter prahlten wieder mit dem, was sie gesehen hatten. Doch Enzella sagte, dass sie das auch gesehen hätte, und zwar vom Schornstein aus. Die Frau liess auch den niederreissen.
Ja, nun hatte aber am zweiten Sonntag auch ein Prinz Enzella gesehen, und er gewann sie lieb. Er liess am dritten Sonntag vor der Kirche Pech giessen, damit jene Schöne darin kleben bleiben sollte. Doch nur Enzellas Schuh blieb dort. Der Prinz liess den Mädchen der ganzen Stadt den Schuh anproben, doch er passte keiner einzigen auf den Fuss.
Die Königin, Enzellas Stiefmutter, wollte den Prinzen gern für ihre eigene Tochter, sie schnitzelte ein Stück vom Fuss ihrer Tochter ab; das Blut schoss nur so hervor, doch auch jetzt war er noch zu gross für den Schuh! Damit der Prinz Enzella nicht finden sollte, hatte sie sie im Keller unter einen Trog gesteckt.
Als der Prinz nun alle Hoffnung aufgegeben hatte, die Herrin des Schuhes zu finden, sprach zu ihm sein Reitknecht: »Hier ist noch ein schönes Mädchen gewesen; das sehe ich nicht. Wo mag das sein?«
Der Prinz liess auf der Stelle eine Kerze anzünden, sie stiegen hinunter in den Keller, fragten: »Ist hier irgend jemand?«
Enzella antwortete: »Ich bin’s, Enzella, unter dem Trog!«
Sogleich zogen sie sie hervor. Sie war sehr schön und gefiel dem Prinzen gleich. Sie probierten ihr den Schuh an, und siehe, er sass wie angegossen auf ihrem Fuss.
Da sprach der Prinz: »Mein schönes Herzlieb, du warst in der Kirche! Ich führe dich von hinnen; du gefällst mir; ich bin dein, du bist mein, nur Spaten und Grabscheit sollen uns scheiden!«
Die Stiefmutter dort drinnen frass der Neid fast auf. Dann wurden sie getraut, hielten Hochzeit, sie k… Talg, damit illuminierten sie. Wenn sie nicht gestorben sind, leben sie jetzt noch.
[Ungarn: Elisabet Róna-Sklarek: Ungarische Volksmärchen]