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Märchenbasar

Märchen vom Zaren Saltan, von seinem Sohn, dem berühmten, mächtigen Recken Fürst Gwidon Saltanowitsch, und von der wunderschönen Schwanenprinzessin

1
(1)
Saßen spät drei junge Mädchen,
schnurrend ging ihr Spinnerädchen,
redet eine von den drein:
»Ach, könnt ich doch Zarin sein!
Für die ganze weite Welt
hätt ich selbst ein Fest bestellt!«
Sprach die zweite von den drein:
»Schwester, könnt ich Zarin sein,
aller Welt mit eigner Hand
webt ich feine Leinewand!«
Sprach die Jüngste von den drein:
»Kam ein Zar, um mich zu frein,
schenkt ich ihm auf seinen Thron
einen rechten Heldensohn!«
Kaum der Wunsch gesprochen ward,
als die Türe leise knarrt:
Zu den Mädchen, zu den drein,
tritt der Zar des Landes ein.
Draußen stand er bei dem Reden,
hört‘ die Wünsche einer jeden,
was die Jüngste grad gesagt,
hat am meisten ihm behagt.
Sagt der Zar: »Gruß dir, der Schönen,
dich will ich zur Zarin nehmen.
Und bis zum September schon
schenk mir einen Heldensohn!
Aber ihr, ihr beiden andern,
macht euch auf, mit uns zu wandern,
bei der Schwester sollt ihr bleiben,
was ihr wünscht, das sollt ihr treiben:
Eine soll als Köchin leben
und die andre Leinwand weben.«

Die drei Mädchen, wie sie waren,
folgten zum Palast dem Zaren.
Gleich am Abend ward die Braut
ihm als Zarin angetraut.
Zar Saltan im Kreis der Gäste
mit der Zarin saß beim Feste;
drauf die Ehrengäste schreiten
und das Hochzeitsbett bereiten,
fein geschnitzt aus Elfenbein;
und man ließ das Paar allein.
Weberin und Köchin einen
sich, ihr Schicksal zu beweinen;
und es einen sich die beiden,
ihre Herrin zu beneiden;
doch das junge Zarenpaar
machte sein Versprechen wahr:
Eh die Hochzeitsnacht vergangen,
war der Heldensohn empfangen.

Zu derselben Zeit gab’s Krieg.
Zar Saltan sein Roß bestieg,
bat die Zarin, sich zu wahren
ihm zuliebe vor Gefahren. –
Und indes er ferne weilt,
stark von Kampf zu Kampfe eilt
mit den rauhen Kriegsgenossen,
ist die Kindesfrist verflossen,
und Gott schenkt ihm einen Sohn,
ellenlang geboren schon.
Ihren Sprößling pflegt die Zarin,
wie ihr Junges pflegt die Aarin;
einen Boten, einen raschen,
schickt sie, froh zu überraschen
ihren Zaren. Doch die beiden
Schwestern, die ihr Glück beneiden,
mit der Base Babariche
sinnen sie auf arge Schliche,
fangen ab den ersten Boten,
den die Zarin selbst entboten,
senden einen andern fort
mit der Botschaft Wort für Wort:
»Deine Zarin hat geboren,
doch Gott weiß, was dir erkoren,
’s ist kein Sproß für deinen Thron,
keine Tochter und kein Sohn –
’s ist nicht Frosch und ist nicht Maus:
sieht fast wie ein Untier aus.«

Wie die Botschaft ihm gekommen
und der Zar den Sinn vernommen,
ward er zornig, und es drohten
seine Worte Tod dem Boten.
Doch das Töten unterblieb,
und der Zar zur Antwort schrieb:
»Schweigt jetzt still von der Geschichte,
bis ich selber seh und richte.«

Mit der Schrift, auf schnellem Roß,
kehrt der Bote heim zum Schloß.
Doch der bösen Schwestern Neid
schuf der Zarin neues Leid:
Mit der Base Babariche
sannen sie auf arge Schliche,
machten erst den Boten trunken,
bis er tief in Schlaf versunken;
nähten in sein Brustgewand
einen Brief von ihrer Hand.
Als der Bote dann erwacht,
ward die Botschaft überbracht:
»Zar Saltan an die Bojaren:
Was geschehn, hab ich erfahren,
drum die Zarin und ihr Kind
sollt ihr beide, wie sie sind,
alsofort ins Meer versenken,
sie im Wasser still ertränken.«
Trauernd folgten die Bojaren
dem gefälschten Brief des Zaren,
drangen, zu der Zarin Schmach,
nächtlich in ihr Schlafgemach,
lasen ihr mit lauter Stimme,
was der Zar in seinem Grimme
anbefohlen. In ein Faß
wurden ohne Unterlaß
Kind und Mutter eingesteckt,
und das Faß ward zugedeckt,
dicht verstopft mit Werg und Teer
und gerollt ins blaue Meer.

Glänzt der Himmel sternenhelle,
rauscht im Meer die dunkle Welle;
Wolken ziehn am Himmel schwer,
und das Faß schwimmt auf dem Meer.
Klagt die Zarin in dem Faß,
jammert ohne Unterlaß;
doch ihr Kind wächst wunderbar,
nicht bloß täglich, stündlich gar.
Und indes die Mutter klagt,
singt das Kind im Faß und sagt:
»Ach, du Welle, Meereswelle,
wie du plätscherst frei und helle,
keinen Zwang noch Fesseln fühlend,
bald das Meergestein umspülend,
bald ans hohe Ufer schlagend,
mastenhohe Schiffe tragend –
oh, erlös uns unsrer Bande,
trag uns hin zum festen Lande!«
Und die Welle hört das Wort,
trägt das Faß zum Ufer fort,
läßt es sanft am Strande nieder,
gleitet dann zum Meere wieder.

Kind und Mutter sind gerettet,
sind auf festem Land gebettet.
Aber wer macht jetzt die zwei
aus der Haft des Fasses frei?
Auf den Füßen steht das Kind,
mit dem Köpfchen preßt es lind
an den Boden ihrer Tonne:
»Mach ein Fenster für die Sonne!«
sprach er, brach den Boden aus
und verließ das enge Haus.

Frei sind Sohn und Mutter beide,
sehn sich um in großer Freude.
Steigt vom Strand ein Hügel auf,
eine Eiche steht darauf.
Denkt der Sohn: Ein Abendbrot
tut uns jetzt vor allem not!
»Doch wo find ich Speise?« spricht er,
einen Zweig vom Baume bricht er,
biegt den Zweig zu einem Bogen,
hat die Schnur schnell abgezogen
seinem Kreuz, mit fester Hand
sie dem Bogen aufgespannt,
kleine Zweiglein dann in Eile
zugespitzt als scharfe Pfeile –
und er sucht am Dünenhügel
an der Bucht nach Seegeflügel.

Kaum jedoch kam er ans Meer,
hört er: Jemand stöhnt gar sehr …
Sieht: Ein Schwan im Schaume bebt,
über ihm ein Geier schwebt;
und der Schwan schaut bang unsäglich,
windet sich und zittert kläglich,
wild gespreizt hat – welch ein Graun! –
schon der Geier seine Klaun …
Doch von dem gespannten Bogen
plötzlich kommt ein Pfeil geflogen
in des Geiers Hals – sein Blut
färbt mit Purpur rings die Flut,
und in Todesqual und Grimme
schreit er wie mit Menschenstimme.
Und der Schwan mit Schlagen, Beißen
sucht ihn in die Flut zu reißen,
sicher ihn zu töten. Drauf
tut der Schwan den Schnabel auf,
russisch und mit Menschenton
spricht er zu dem Zarensohn:
»Zarensohn! Mich zu erlösen,
kamst du, von der Macht des Bösen;
kannst du jetzt um meinetwillen
auch nicht deinen Hunger stillen,
ging verloren auch dein Pfeil,
Glück wird dir dafür und Heil!
Keinen Schwan hast du befreit –
eine stolze Königsmaid!
Und der Geier, der als Ziel
deines sichern Schusses fiel,
war ein Zaubrer – reicher Lohn
soll dir werden, Zarensohn!
Deinem Dienst will ich mich weihn,
überall dir nahe sein,
was du wünschest, will ich tun,
doch jetzt geh, dich auszuruhn!«

Sprach’s der Schwan und war entflohn.
Und die Zarin und der Sohn
schliefen ein mit leerem Magen.
Aber kaum begann’s zu tagen,
war der Sohn bereits erwacht.
Staunend sieht er, über Nacht
auf dem weiten öden Strand
eine große Stadt erstand,
um das weite Häusermeer
laufen weiße Mauern her,
goldne Kuppeln sieht er blitzen,
Klöster, Kirchen, Turmesspitzen.
Weckt der Sohn die Mutter – oh,
wie wird sie des Anblicks froh!
»Komm und laß der Stadt uns nahn«,
ruft er, »Wunder tut mein Schwan.«
Und sie gehn mit schnellen Schritten,
haben kaum das Tor durchschritten,
hören sie von allen Seiten
feierliches Glockenläuten;
mit Gesang auf allen Wegen
wallt das Volk dem Paar entgegen;
durch die festgeschmückten Scharen
goldne Hofkarossen fahren,
und das Volk von nah und fern
ruft hurra dem neuen Herrn!
Und man setzt dem Zarensohne
auf das Haupt die Fürstenkrone,
da die Mutter eingewilligt
und des Volkes Wahl gebilligt,
herrscht im Land der Zarensohn,
und man nennt ihn Fürst Gwidon.

Weht der Wind vom Meere her,
treibt ein Schifflein auf dem Meer,
das, die Segel ausgebreitet,
leicht und schnell die Flut durchgleitet.
Plötzlich ruft das Schiffsvolk laut:
»Welch ein Wunder! Kommt und schaut!
Auf dem alten Inselland
eine neue Stadt erstand.
Stolz gebaut mit Türmen, Zinnen,
goldne Kuppeln blitzen drinnen.«
Ein Kanonenschuß vom Walle
grüßt das Schiff. Zur Fürstenhalte
führt man bald die fremden Gäste
und bewirtet sie aufs beste.
Fürst Gwidon hebt an zu fragen,
welcher Wind sie hergetragen,
was der Reise Zweck und Ziel
und noch andrer Fragen viel.
Sprachen sie: »Mit Pelzwerkwaren
haben wir die Welt durchfahren,
führten Fuchs und Zobel aus,
und jetzt kehren wir nach Haus.
Ostwärts führt uns unsre Bahn,
um beim Inselland Bujan
in das Reich Saltans zu fahren,
des berühmten, mächt’gen Zaren.«
Sprach der Fürst: »Ein guter Stern
führe euch, ihr lieben Herrn,
durch den weiten Ozean
bis zum mächt’gen Zar Saltan;
sollt ihm meinen Gruß bestellen.«
Weiter zogen die Gesellen.
Doch das Herz von Kummer schwer,
ging der Fürst zum blauen Meer.
Siehe – durch die blauen Wogen
kommt der weiße Schwan gezogen.
»Sei gegrüßt, mein Fürst! Warum
wandelst du so trüb und stumm?
Sprich, was ist dir angetan?«
So den Fürsten fragt der Schwan.
Trüb der Fürst dem Schwan entgegnet:
»Ist kein Unglück mir begegnet,
und doch traurig ist mein Sinn,

zu dem Vater zieht mich’s hin!«
Drauf der Schwan: »Wünschst du nichts mehr!
Folg dem Schiffe übers Meer,
fliege hin zu deinem Glücke,
nimm Gestalt an einer Mücke!«
Und der Schwan bewegt die Schwingen,
daß die Wellen hochauf springen,
übers Ufer springen sie,
Fürst Gwidon verschlingen sie,
der ins Meer bis übers Ohr kommt
und als Mücke dann hervorkommt.
Und die Mücke schwirrt einher,
fliegt zum Schiffe übers Meer,
sucht in einer Spalte dort
einen sichern Zufluchtsort.

Lustig weht und pfeift der Wind,
und das Schifflein fliegt geschwind,
fliegt vom Inselland Bujan
zu dem Reich des Zarn Saltan.
Und das heißersehnte Land
taucht empor am Himmelsrand.
Schon am Ufer sind die Gäste,
Zar Saltan lädt sie zum Feste,
und es fliegt die Mücke klein
ihnen nach ins Schloß hinein.
Auf dem goldnen Herrscherthrone
sitzt Saltan mit goldner Krone.
Finster seine Augen blitzen.
Weberin und Köchin sitzen
ihm zu Füßen, und als Dritte
Babariche in der Mitte.
Sehen scharf auf sein Gesicht,
hören eifrig, was er spricht,
da der Zar das Wort genommen:
»Liebe Gäste, seid willkommen!
Sagt mir doch, wo kommt ihr her?
Wart ihr lange auf dem Meer?
Und jenseits des Meers, wie war es,
saht ihr dort viel Wunderbares?«
Und der Schiffsherr sprach zum Zaren:
»Haben alle Welt umfahren,
jenseits auch der Meeresflut
ist es schön und lebt sich’s gut;
doch das größte Wunder sahn
wir im blauen Ozean!
Ragte aus den Fluten weiland
nackt und kalt ein Felseneiland;
nichts wuchs da als eine Eiche –
jetzt steht eine wunderreiche
große, schöne Stadt am Meer,
Gärten liegen ringsumher;
im Palast, auf goldnem Thron
sitzt der Herrscher, Fürst Gwidon,
der uns auftrug, als wir gingen,
seine Grüße dir zu bringen.«
Staunend sprach der mächt’ge Zar
zu den Schiffern: »Sprecht ihr wahr,
will ich, läßt mich Gott am Leben,
selbst zum Fürsten mich begeben.«
Weberin und Köchin sinnen,
zu verhindern das Beginnen
Zar Saltans; mit Babariche
sinnen sie auf arge Schliche,
eine von dem Schwesternpaar
spöttisch ruft: »Warum nicht gar!
Nachzulaufen solchem Plunder!
Ich weiß ein viel größres Wunder:
Fern am grünen Waldessaum,
unter einem Tannenbaum,
sitzt ein Eichhorn, singt und knackt
Nüsse zu des Liedchens Takt,
Nüsse, gar nicht zu bezahlen:
Ganz von Golde sind die Schalen.
Jeder Kern ist ein Smaragd –
’s ist ein Wunder, wie gesagt!

Zar Saltan erstaunte höchlich,
daß ein solches Wunder möglich;
doch die Mücke, zornerpicht,
in das Aug die Muhme sticht,
daß sie sich vor Schmerzen windet
und am rechten Aug erblindet.
Diener, Base, Schwestern sprangen
auf, das kleine Tier zu fangen:
»Warte du, wir wollen dich!«
Doch die Mücke rettet sich
schnell durchs Fenster, fliegt hinaus
übers blaue Meer nach Haus.

Fürst Gwidon geht spähend wieder
an dem Strande auf und nieder.
Siehe! Durch die dunkeln Wogen
kommt der weiße Schwan gezogen.
»Sei gegrüßt, mein Fürst! Warum
wandelst du so trüb und stumm?
Sprich, was ist dir angetan?«
So den Fürsten fragt der Schwan.
Und der Fürst zur Antwort sagt:
»Nur ein Wunsch ist’s, der mich plagt,
eines großen Wunders gern
macht ich mich durch dich zum Herrn:
Fern am grünen Waldessaum,
unter einem Tannenbaum,
sitzt ein Eichhorn, singt und knackt
Nüsse zu des Liedchens Takt.
Nüsse, gar nicht zu bezahlen:
Ganz von Golde sind die Schalen,
jeder Kern ist ein Smaragd –
wenn es wahr ist, was man sagt.«
Drauf der Schwan: »Ist es nichts weiter,
was dich plagt, mein Fürst, sei heiter!
Jene Wundermär ist richtig,
doch dein Gram darob ist nichtig,
denn das Wunder kommt von mir,
und in Freuden schenk ich’s dir!«
Voll von seinem neuen Glück,
kehrt der Fürst zum Schloß zurück:
Auf des Hofes breitem Raum
steht ein schöner Tannenbaum;
sieht der Fürst das Eichhorn sitzen,
sieht die goldnen Nüsse blitzen,
sieht es vor sich auf zwei Seiten
Gold und Edelsteine breiten,
hört es dabei pfeifen, singen,
und des Eichhorns Lieder klingen
weit im Hofe auf und nieder,
laut vor allem Volke wider.
Hoch erstaunte Fürst Gwidon,
und er rief im Jubelton:
»Dank dir, Schwan, du machst mich reich!«
Und er ließ dem Eichhorn gleich
ein kristallnes Haus bereiten,
stellt davor zu beiden Seiten
Wachen; und ein Schreiber muß
schriftlich zählen jede Nuß,
daß des Eichhorns Ruhm und Ehre
und des Fürsten Schatz sich mehre.

Weht der Wind vom Meere her,
treibt ein Schifflein auf dem Meer,
das, die Segel ausgebreitet,
leicht und schnell die Flut durchgleitet,
zu der steilen Insel schwimmt es,
seinen Lauf zum Hafen nimmt es,
als der Schuß vom Wall erschallt,
macht das Schiff im Hafen halt;
ladet man die Schiffer alle
gastlich ein zur Fürstenhalle.
Als das reiche Mahl geendet,
sich der Fürst zum Schiffsherrn wendet:
Fragt nach Herkunft, Reiseziel,
tut noch andrer Fragen viel.

Und er hört zur Antwort sagen:
»Weit hat uns das Meer verschlagen,
haben alle Welt durchwandelt,
Hengste gar vom Don gehandelt;
jetzt zur Heimkehr ist es Zeit,
unser Weg führt uns noch weit:
Nach dem Inselland Bujan
in das Reich des Zarn Saltan …«
Sprach der Fürst: »Ein guter Stern
führe euch, ihr lieben Herrn,
durch den weiten Ozean
in das Reich des Zarn Saltan;
seid ihr glücklich heimgefahren,
grüßt von mir den mächt’gen Zaren!«

Schifften sich die Gäste ein.
ging der Fürst zum Meer allein:
Siehe! Durch die blauen Wogen
kommt der weiße Schwan gezogen.
Spricht der Fürst: »Mich zieht mein Sinn
wiederum zur Ferne hin!«
Wieder ließ der Schwan die Wellen
an dem Fürsten hochauf schnellen,
der ins Meer bis übers Ohr kommt
und als Fliege dann hervorkommt.
Auf dem Schiff bot ihm ein Spalt
einen sichern Aufenthalt.

Lustig pfeift und weht der Wind,
und das Schifflein fliegt geschwind
nach dem Inselland Bujan,
nach dem Reich des Zarn Saltan;
und das heißersehnte Land
taucht empor am Himmelsrand.
Schon am Ufer sind die Gäste,
Zar Saltan lädt sie zum Feste.
Und es fliegt die Fliege klein
ihnen nach ins Schloß hinein.

Auf dem goldnen Herrscherthrone
sitzt Saltan mit goldner Krone.
Finster seine Augen blitzen.
Weberin und Köchin sitzen
ihm zu Füßen, und als Dritte
Babariche in der Mitte;
sehen scharf auf sein Gesicht,
merken eifrig, was er spricht,
da der Zar das Wort genommen:
»Liebe Gäste, seid willkommen!
Sagt mir doch, wo kommt ihr her?
Wart ihr lange auf dem Meer?
Und jenseits des Meers, wie war es,
saht ihr dort viel Wunderbares?«
Und der Schiffsherr sprach zum Zaren:
»Haben alle Welt umfahren,
jenseits auch der Meeresflut
ist es schön und lebt sich’s gut:
Doch das größte Wunder sahn
wir im blauen Ozean:
Eine Insel steigt dort auf,
eine Stadt dehnt sich darauf,
stolz gebaut mit Türmen, Zinnen,
goldne Kuppeln blitzen drinnen.
Vor dem Schloß auf weitem Raum
steht ein hoher Tannenbaum;
im kristallnen Häuschen drunter
sitzt ein Eichhorn, zahm und munter,
und dies Eichhorn singt und knackt
Nüsse zu des Liedchens Takt,
Nüsse, gar nicht zu bezahlen,
ganz von Golde sind die Schalen,
jeder Kern ist ein Smaragd.
Krieger, Diener halten Wacht.
Ein besondrer Schreiber muß
schriftlich zählen jede Nuß,
die es knackt, und von dem Heere
wird ihm kriegerische Ehre.

Aus den Schalen prägt man Geld
und verteilt es in der Welt.
Mit den bunten Edelsteinen
füllt man Kisten dort und Scheunen.
Hütten gibt’s dort nicht zu sehn,
weit und breit Paläste stehn,
in der Burg, auf goldnem Thron
herrscht der mächt’ge Fürst Gwidon,
der uns auftrug, als wir gingen,
seine Grüße dir zu bringen.«
Staunend sprach der mächt’ge Zar
zu den Schiffern: »Sprecht ihr wahr,
will ich, läßt mich Gott am Leben,
selbst zum Fürsten mich begeben.«
Weberin und Köchin sinnen,
zu verhindern das Beginnen
Zar Saltans, mit Barbariche
sinnen sie auf arge Schliche.
Spricht die Weberin zum Zar:
»Nun, was ist da wunderbar,
daß ein Eichhorn Nüsse nagt,
ganz von Gold und von Smaragd!
Ob auch wahr sei, was er spricht,
Wunderbares ist es nicht!
Ich will dir ein Wunder sagen:
Hoch im Meer die Wellen schlagen,
brausen, zischen, stürmen, toben,
wälzen schäumend sich nach oben
auf den nackten, öden Strand,
überschwemmen rings das Land
Plötzlich, flammend wie Gewitter,
springen dreiunddreißig Ritter
aus der Flut, in blankem Stahl,
junge Riesen allzumal,
hochgemut, von stolzer Schöne,
auserwählte Heldensöhne,
ein gewalt’ger Reckenchor,
und es führt sie Tschernomor.
Solch ein Wunder läßt sich hören,
daß es wahr ist, will ich schwören.«
Und die Gäste schweigen still,
da sich niemand zanken will.
Zar Saltan erstaunte höchlich,
daß ein solches Wunder möglich;
doch die Fliege zornerpicht
in das Aug die Muhme sticht,
daß sie sich vor Schmerzen windet
und am linken Aug erblindet.
Diener, Base, Schwester sprangen
auf, das kleine Tier zu fangen:
»Warte nur, wir wollen dich!«
Doch Gwidon im Nu entwich
durch das Fenster, flog hinaus
übers blaue Meer nach Haus.

Und am Meeresstrande wieder
geht er spähend auf und nieder.
Siehe! Durch die dunklen Wogen
kommt der weiße Schwan gezogen:
»Sei gegrüßt, mein Fürst! Warum
wandelst du so trüb und stumm?
Sprich, was ist dir angetan?«
So den Fürsten fragt der Schwan.
Und der Fürst zur Antwort sagt:
»Höre, was mein Herz zernagt:
Eines großen Wunders gern
macht ich mich durch dich zum Herrn!«
»Willst du mir das Wunder sagen?«
»Hoch im Meer die Wellen schlagen,
brausen, zischen, stürmen, toben,
wälzen schäumend sich nach oben
auf den nackten, öden Strand,
überschwemmen rings das Land –
Plötzlich, flammend wie Gewitter,
springen dreiunddreißig Ritter
aus der Flut, in blankem Stahl,
junge Riesen allzumal,
hochgemut, von stolzer Schöne,
auserwählte Heldensöhne,
ein gewalt’ger Reckenchor,
und es führt sie Tschernomor.«
Und der Schwan zur Antwort sagt:
»Das ist alles, was dich plagt?
Jene Wundermär ist richtig,
doch dein Gram darob ist nichtig,
denn die Ritter alle sind
meine Brüder, und geschwind
kommen sie, wenn ich es will.
Geh nur heim und warte still.«

Ging der Fürst getröstet wieder
in sein Schloß. Vom Turme nieder
schaut er: Sieht das Meer sich bäumen,
übers nackte Ufer schäumen;
plötzlich, flammend wie Gewitter,
springen dreiunddreißig Ritter
aus der Flut, in blankem Stahl,
junge Riesen allzumal;
paarweis zieht die stolze Schar.
Glänzend in schneeweißem Haar
schreitet Tschernomor voran,
führt sie zu der Stadt hinan.
Und vom Turm, auf schnellen Füßen,
seine Gäste zu begrüßen,
eilt Gwidon, das Volk ihm nach,
und der Führer also sprach:
»Auf Befehl des Schwans erschienen
sind wir, Fürst, um dir zu dienen,
deine stolze Stadt zu wahren
und zu schützen vor Gefahren.
Jeden Tag um diese Stunde
steigen wir vom Meeresgrunde
künftig auf an dieser Stelle
und umschreiten deine Wälle.
Laß uns nun zurück zum Meer,
denn die Erdenluft ist schwer,
drückt uns hart, sooft wir landen.«
Sprach’s, und allesamt verschwanden.

Weht der Wind vom Meere her,
treibt ein Schifflein auf dem Meer,
das, die Segel ausgebreitet,
leicht und schnell die Flut durchgleitet.
Zu der steilen Insel schwimmt es,
seinen Lauf zum Hafen nimmt es.
Als der Schuß vom Wall erschallt,
macht das Schiff im Hafen halt;
ladet man die Schiffer alle
gastlich ein zur Fürstenhalle.
Als das reiche Mahl geendet,
sich der Fürst zum Schiffsherrn wendet:
Fragt nach Herkunft, Reiseziel,
tut noch andrer Fragen viel.
Und er hört zur Antwort sagen:
»Weit hat uns das Meer verschlagen,
haben alle Welt durchwandelt,
Silber, Gold und Stahl verhandelt;
jetzt zur Heimkehr ist es Zeit,
denn uns führt der Weg noch weit:
nach dem Inselland Bujan
in das Reich des Zarn Saltan …«
Sprach der Fürst: »Ein guter Stern
führe euch, ihr lieben Herrn,
durch den weiten Ozean
zum berühmten Zar Saltan;
seid ihr glücklich heimgefahren,
grüßt von mir den mächt’gen Zaren!«

Schifften sich die Gäste ein.
Ging der Fürst zum Meer allein:
Siehe! Durch die blauen Wogen
kommt der weiße Schwan gezogen.

Spricht der Fürst: »Mich zieht mein Sinn
wiederum zur Ferne hin!«
Wieder ließ der Schwan die Wellen
an dem Fürsten hochauf schnellen,
der ins Meer bis übers Ohr kommt
und als Wespe dann hervorkommt.
Und die Wespe summt und streicht,
hat das Schifflein bald erreicht,
sucht in einer Spalte dort
einen sichern Zufluchtsort.

Lustig pfeift und weht der Wind,
und das Schifflein fliegt geschwind
nach dem Inselland Bujan,
nach dem Reich des Zarn Saltan.
Und das heißersehnte Land
taucht empor am Himmelsrand.
Schon am Ufer sind die Gäste,
Zar Saltan lädt sie zum Feste.
Und es fliegt die Wespe klein
ihnen nach ins Schloß hinein.
Auf dem goldnen Herrscherthrone
sitzt Saltan mit goldner Krone.
Finster seine Augen blitzen.
Weberin und Köchin sitzen
ihm zu Füßen, und als Dritte
Babariche in der Mitte.
Und vieräugig, wie sie waren,
sehn die dreie auf den Zaren,
der alsbald das Wort genommen:
»Liebe Gäste, seid willkommen!
Sagt mir doch, wo kommt ihr her?
Wart ihr lange auf dem Meer?
Und jenseits des Meers, wie war es,
saht ihr dort viel Wunderbares?«

Solche Antwort ward dem Zaren:
»Haben alle Welt umfahren,
jenseits auch der Meeresflut
ist es schön und lebt sich’s gut.
Doch das größte Wunder sahn
wir im blauen Ozean:
Eine Insel steigt dort auf,
eine Stadt dehnt sich darauf;
Meereswellen stürmen, toben,
wälzen schäumend sich nach oben
auf den nackten, öden Strand,
überschwemmen rings das Land –
Plötzlich, flammend wie Gewitter,
springen dreiunddreißig Ritter
aus der Flut, in blankem Stahl,
junge Riesen allzumal,
hochgemut, von stolzer Schöne,
auserwählte Heldensöhne,
ein gewalt’ger Reckenchor,
und es führt sie Tschernomor.
Täglich zu bestimmter Stunde
steigen sie vom Meeresgrunde
auf, die stolze Stadt zu wahren
und zu schützen vor Gefahren.
Keine Wächterschar gleicht diesen
auserkornen Heldenriesen.
In der Stadt auf goldnem Thron
herrscht der mächt’ge Fürst Gwidon,
der uns auftrug, als wir gingen,
seine Grüße dir zu bringen.«
Staunend sprach der mächt’ge Zar
zu den Schiffern: »Ist das wahr,
will ich, läßt mich Gott am Leben,
mich zum Fürsten selbst begeben.«
Weberin und Köchin wagen
dieses Mal kein Wort zu sagen.
Mit verschmitztem Angesicht
lächelnd Babariche spricht:
»Ob es falsch ist oder wahr,
doch was ist da wunderbar,
daß in Waffen und in Wehre
Menschen steigen aus dem Meere,
besser als von solchen Helden
will ich dir ein Wunder melden:
Lebt ein Zarentöchterlein
überm Meer, so schön und fein,
daß sie tags das Licht verdunkelt,
nächtens wie die Sonne funkelt,
glänzt ein Mond in ihrem Haar,
auf der Stirn ein Sternklein klar.
Majestätisch ist die Frau,
schreitet stolz, gleich einem Pfau,
und ihr Stimmchen klingt so hell
wie im Wald ein Rieselquell.
Solche Wundermär wie meine
gibt es sonst auf Erden keine!«
Und die Gäste schweigen still,
da sich niemand zanken will.
Zar Saltan erstaunte höchlich,
daß ein solches Wunder möglich.
Fürst Gwidon war ungehalten,
doch es jammert ihn der Alten;
mit Gebrumm und mit Gesumm
fliegt er lang um sie herum,
fliegt ihr mitten auf die Nase,
sticht sie – eine große Blase
schwoll empor –, und alles schrie:
»Fangt die Wespe, tötet sie!
Warte du, wir wollen dich!«
Doch Gwidon im Nu entwich
durch das Fenster, flog hinaus
übers blaue Meer nach Haus.

Und am Meeresstrande wieder
geht er spähend auf und nieder:
Siehe! Durch die dunklen Wogen
kommt der weiße Schwan gezogen:
»Sei gegrüßt, mein Fürst! Warum
wandelst du so trüb und stumm?
Sprich, was ist dir angetan?«
So den Fürsten fragt der Schwan.
Und der Fürst zur Antwort sagt:
»Höre, was mein Herz zernagt:
Alle Menschen frein, ich sehe,
daß nur ich noch ledig gehe …«
»Wen hast du dir denn erkoren?«
fragt der Schwan. – »Mir kam zu Ohren,
daß ein Zarentöchterlein
lebt, so wunderschön und fein,
daß sie tags das Licht verdunkelt,
nächtens wie die Sonne funkelt,
glänzt ein Mond in ihrem Haar,
auf der Stirn ein Sternlein klar,
majestätisch ist die Frau,
schreitet stolz, gleich einem Pfau,
und ihr Stimmchen tönt so hell
wie im Wald ein Rieselquell.
Aber ist es wahr auch, sage?«
Voller Angst stellt er die Frage.
Sinnend schweigt der weiße Schwan,
und dann hebt er also an :
»Ehestand hat schwere Pflicht,
eine Gattin kann man nicht
von der Hand wie Handschuh streifen
und nach einer andern greifen.
Drum erwäg es erst vernünftig,
daß du nichts bereuest künftig.«
»Möge Gott mein Zeuge sein,
daß es Zeit für mich, zu frein«,
sprach der Fürst. »Schon Rat gepflogen
hab ich, alles wohl erwogen,
und so stark treibt mich mein Sinn
zu der Zarentochter hin:
Sie zu sehn, zu Fuße gerne
ging‘ ich bis zur weitsten Ferne!«
Seufzt der Schwan tief auf und spricht:
»Weit zu gehen brauchst du nicht,
sieh, dein Schicksal ist dir nah,
bin die Zarentochter ja!«
Sprach’s und schwang sich aus den Wogen,
kam zum Uferland geflogen,
ins Gebüsch sank er geschwind
und erschien als Zarenkind.
Glänzt ein Mond in ihrem Haar,
an der Stirn ein Sternlein klar,
majestätisch ist die Frau,
stolz geht sie, gleich wie ein Pfau,
und ihr Stimmchen klingt so hell
wie im Wald ein Rieselquell.
Fürst Gwidon in Wonne schaut
seine königliche Braut,
küßt sie, und mit frohem Sinn
führt er sie zur Mutter hin,
der zu Füßen sinkt der Sohn,
spricht in flehentlichem Ton:
»Mütterchen, der Wunsch mich quälte,
daß ich mir ein Weib erwählte,
diese hab ich nun geminnt
mir zum Weib und dir zum Kind.
Liebend kam sie mir entgegen,
und nichts fehlt uns als dein Segen!«
Und gerührt die Mutter stand,
nahm ein Heil’genbild zur Hand,
ein geweihtes, wunderbares,
hielt es übers Haupt des Paares,
weinte, schluchzte laut vor Freude,
segnete die Kinder beide.
Was in Liebe sich gefunden,
ward in Liebe bald verbunden.
Und sie lebten wohlgemut,
wartend auf die junge Brut.

Weht ein Wind vom Meere her,
treibt ein Schifflein auf dem Meer,
das, die Segel ausgebreitet,
leicht und schnell die Flut durchgleitet,
zu der steilen Insel schwimmt es,
seinen Lauf zum Hafen nimmt es.
Als der Schuß vom Wall erschallt,
macht das Schiff im Hafen halt.
Ladet man die Schiffer alle
gastlich ein zur Fürstenhalle,
Als das reiche Mahl geendet,
sich der Fürst zum Schiffsherrn wendet:
Fragt nach Herkunft, Reiseziel,
stellt noch andrer Fragen viel.
Und er hört zur Antwort sagen:
»Weit hat uns das Meer verschlagen.
Haben alle Welt durchfahren,
handeln mit verbotnen Waren.
Jetzt zur Heimkehr ist es Zeit,
denn uns führt der Weg noch weit:
nach dem Inselland Bujan
in das Reich des Zarn Saltan.«
Sprach der Fürst: »Ein guter Stern
führe euch, ihr lieben Herrn,
durch den weiten Ozean
zum berühmten Zarn Saltan!
Seid ihr glücklich heimgefahren,
grüßt von mir den mächt’gen Zaren,
und erinnert ihn, zu kommen,
wie er oft sich vorgenommen.«
Und das Schifflein zog hinaus.
Doch der Fürst blieb heut zu Haus.

Lustig pfeift und weht der Wind,
und das Schifflein fliegt geschwind
nach dem Inselland Bujan,
nach dem Reich des Zarn Saltan.
Und das heißersehnte Land
taucht empor am Himmelsrand.
Schon am Ufer sind die Gäste,
Zar Saltan lädt sie zum Feste.
Auf dem goldnen Herrscherthrone
sitzt Saltan mit goldner Krone.
Finster seine Augen blitzen.
Weberin und Köchin sitzen
ihm zu Füßen, und als Dritte
Babariche in der Mitte.
Und vieräugig, wie sie waren,
sahn die dreie auf zum Zaren,
der alsbald das Wort genommen:
»Liebe Gäste, seid willkommen!
Sagt mir doch, wo kommt ihr her?
Wart ihr lange auf dem Meer?
Und jenseits des Meers, wie war es,
saht ihr dort viel Wunderbares?«
Solche Antwort ward dem Zaren:
»Haben alle Welt umfahren,
jenseits auch der Meeresflut
Ist es schön und lebt sich’s gut;
doch die größten Wunder sahn
wir im blauen Ozean:
Eine Insel steigt dort auf,
eine Stadt dehnt sich darauf,
stolz gebaut mit Türmen, Zinnen,
goldne Kuppeln blitzen drinnen.
Vor dem Schloß auf weitem Raum
steht ein hoher Tannenbaum;
im kristallnen Häuschen drunter
sitzt ein Eichhorn zahm und munter,
und dies Eichhorn singt und knackt
Nüsse zu des Liedchens Takt,
Nüsse, gar nicht zu bezahlen,
ganz von Golde sind die Schalen,
jeder Kern ist ein Smaragd;
treulich wird das Tier bewacht.
Noch von Wundern kann ich sagen:
Hoch im Meer die Wellen schlagen,
brausen, zischen, stürmen, toben,
wälzen schäumend sich nach oben
auf den nackten, öden Strand,
überschwemmen rings das Land –
Plötzlich, flammend wie Gewitter,
springen dreiunddreißig Ritter
aus der Flut, in blankem Stahl,
junge Riesen allzumal,
hochgemut, von stolzer Schöne,
auserwählte Heldensöhne,
ein gewalt’ger Reckenchor,
und es führt sie Tschernornor.
Keine Kriegerschar gleicht diesen
auserkornen Heldenriesen!
Und der Herrscher jener Stadt
solch ein schönes Frauchen hat,
daß sie tags das Licht verdunkelt,
nächtens wie die Sonne funkelt,
glänzt ein Mond in ihrem Haar,
an der Stirn ein Sternlein klar.
In dem goldenen Palaste
lud uns Fürst Gwidon zu Gaste
und befahl uns, als wir gingen,
seine Grüße dir zu bringen,
dich zu mahnen, bald zu kommen,
wie du oft dir vorgenommen.«

Neu erwacht des Zars Gelüsten.
Eilig läßt er Schiffe rüsten.
Weberin und Köchin sinnen,
zu verhindern das Beginnen;
mit der Base Babariche
denken sie an neue Schliche –
doch Saltan will sie nicht hören:
»Wollt ihr mich schon wieder stören?
Bin ich Zar noch, bin ich Kind?
Rüstet euch zur Fahrt geschwind,
heut noch fahr ich.« Und er machte
so die Tür zu, daß es krachte.

Sitzt am Fenster Fürst Gwidon,
blickt in Schweigen lange schon
nieder auf das blaue Meer.
Trübt kein Sturm die Fläche mehr,
und es späht der Fürst und sieht,
fern dort eine Flotte zieht –
durch den blauen Ozean
schwimmt das Schiff des Zarn Saltan.
Fürst Gwidon mit einem Satze
springt in Freuden auf vom Platze,
springt hinunter von den Stufen,
Mutter und Gemahl zu rufen:
»Seht des Vaters Schiff, dort schwimmt es!
Seinen Weg zum Hafen nimmt es!«
Kommt der Stadt die Flotte nah.
Fürst Gwidon durchs Fernrohr sah –
sieht er seinen Vater stehn,
vom Verdeck durchs Fernrohr sehn.
Auch das böse Schwesternpaar
und die Base mit ihm war.
Alle drei in Staunen stehen
und das fremde Land besehen.
Plötzlich von Kanonen dröhnt es,
und von Glockenläuten tönt es,
Fürst Gwidon kommt selbst gegangen,
um den Zaren zu empfangen
samt den Fraun, die ihn begleiten;
feierlichen Zuges schreiten
freudevollen Angesichts
sie zur Stadt – Gwidon sagt nichts.

Nach dem goldenen Palaste
führt er allesamt zu Gaste;
sieh: Vor des Palastes Gitter
stehen dreiunddreißig Ritter,
riesenhaft von Wuchs, verwegen,
auserkorne stolze Degen,
ein gewalt’ger Reckenchor,
und es führt sie Tschernomor.
Kommt der Zar zum Hofesraum,
unterm hohen Tannenbaum
sitzt das Eichhorn, singt und knackt
Nüsse zu des Liedchens Takt.
Goldne Nüsse, drin die Kerne
Edelsteine; nah und ferne
liegen auf dem Hof die Schalen
und von eitel Golde strahlen.
Aber starr die Gäste stehn,
wie sie jetzt die Fürstin sehn!
Glänzt ein Mond in ihrem Haar,
an der Stirn ein Sternlein klar,
stolz geht sie, gleich wie ein Pfau,
führt am Arme eine Frau …
»Ist es Wahrheit, ist es Wahn!«
ruft in Staunen Zar Saltan,
als er seine Zarin sieht,
die er schluchzend an sich zieht.
Nun erkannt er auch Gwidon,
herzte, küßte seinen Sohn
und das schöne Weib nicht minder.
Fröhlich führten ihn die Kinder
nun zu Tische in den Saal –
hei, gab das ein frohes Mahl!
Doch die bösen Schwestern schlichen
sich hinweg mit Babarichen,
suchten schnell sich zu verstecken,
kaum noch kann man sie entdecken.
Und sie beichten voller Reue
ihre Untat nach der Reihe;
doch der Zar, der wohlgemut,
schickt sie heim mit Hab und Gut.
Der Tag verging, und halb betrunken
ist Saltan ins Bett gesunken .. .
Ich war dort, trank Met und Bier,
naß ward nur der Schnauzbart mir.

Quelle:
(Alexander Sergejewitsch Puschkin)

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