Den andern Morgen stand er frühzeitig auf, ging in die Stadt und war sehr erfreut, als er wirklich eine Ente auf dem Teiche erblickte. Er begann sie zu locken und fing sie bald, trug sie nach Hause und gab sie der Fetinia. Die alte Frau befühlte die Ente und sagte, daß sie ein Ei habe. Da freuten sich beide sehr, setzten die Ente in einen großen Napf und bedeckten sie mit einem Siebe. Nach einer Stunde sahen sie nach, und bemerkten, daß die Ente ein goldenes Ei gelegt hatte. Dann ließen sie sie auf der Diele ein Wenig herumlaufen, und der Greis nahm das Ei, und trug es in die Stadt, um es zu verkaufen. Er verkaufte das Ei für hundert Rubel, nahm das Geld, ging auf den Markt, kaufte allerhand Zugemüse und kehrte nach Hause zurück. Den andern Tag legte die Ente eben so ein Ei, und Abrosim verkaufte auch dieses, und auf diese Weise legte die Ente alle Tage ein goldenes Ei, und in kurzer Zeit wurde der Greis sehr reich. Er baute sich ein großes Haus und eine Menge Buden, und kaufte allerhand Waaren und fing an zu handeln.
Seine Frau Fetinia unterhielt ein verbotenes Verhältnis mit einem jungen Kaufmannsdiener und liebte ihn; aber dieser Kaufmannsdiener liebte sie nicht, sondern zog nur Geld von ihr. Einstmals als Abrosim ausgegangen war, neue Waaren zu kaufen, kam der Kaufmannsdiener zu Fetinia und unterhielt sich mit ihr. Da erblickte er die Ente, welche die goldenen Eier legte. Er fing sie, fand Vergnügen an ihr und bemerkte, daß unter den Flügeln mit goldenen Buchstaben geschrieben stand: »Wer diese Ente aufißt, der wird ein Zar werden.« Davon sagte aber der Kaufmannsdiener Fetinien nichts, sondern er bat sie, daß sie aus Liebe zu ihm die Ente braten sollte. Doch Fetinia antwortete ihm, sie könne und dürfe sie nicht abschlachten, weil ihr Glück von derselben abhange. Aber der Kaufmannsdiener bat sie noch dringender, daß sie aus Liebe zu ihm sie schlachten und braten möchte. Fetinia überlegte es lange und wagte aus Furcht vor ihrem Manne nicht, es zu thun. Endlich aber, verlockt von den Schmeicheleien des Kaufmannsdieners, schlachtete sie die Ente und setzte sie in den Ofen. Der Kaufmannsdiener ging fort und versprach bald wieder zu kommen, und Fetinia ging auch in die Stadt. Um diese Zeit kam Iwanuschka, ihr Sohn, nach Hause und hatte großen Hunger. Er suchte überall etwas, ihn zu stillen und fand im Ofen die gebratene Ente nahm sie heraus und aß sie bis auf die Knochen. Dann ging er wieder in seinen Laden. Da kam der Kaufmannsdiener zurück, rufte Fetinien zu sich, und gebot ihr, als sie kam, die gebratene Ente herauszunehmen. Fetinia eilte zu dem Ofen, und als sie sah, daß die Ente nicht mehr da war, erschrak sie sehr, und sagte dem Kaufmannsdiener, die Ente sei aus dem Ofen verschwunden. Da wurde der Kaufmannsdiener zornig auf sie, und sagte zu ihr: »Du hast gewiß die Ente selbst aufgegessen!« schalt sie aus und ging aus dem Hause fort. Abends kamen Abrosim und sein Sohn Iwanuschka nach Hause. Da bemerkte Abrosim, daß die Ente nicht da war, und fragte Fetinia, wo sie hingekommen sei. Fetinia aber gab ihm zur Antwort, daß sie nichts davon wisse. Iwanuschka sagte zu seinem Vater: »Mein Vater und Wohlthäter, vorhin kam ich nach Hause, um zu Mittage zu essen, und meine Mutter war nicht daheim; da sah ich in den Ofen und bemerkte eine gebratene Ente, nahm sie heraus und aß sie auf bis auf die Knochen; doch weiß ich nicht, ob es die unsrige oder eine fremde war.« Da gerieth Abrosim in heftigen Zorn gegen seine Frau, und schlug sie halbtodt, und seinen Sohn Iwanuschka jagte er aus dem Hause.
Der kleine Iwanuschka begab sich auf den Weg und ging, ohne zu wissen, wohin? gerade nach dem Orte, wo ihn seine Augen hinführten. Er ging zehn Tage und zehn Nächte, und kam in ein Reich, und als er in die Thorpforten trat, erblickte er eine große Menge Volk. Dieses Volk hielt einen Rath, denn ihr Zar war gestorben, und sie wußten nicht, wen sie zu ihrem Zaren wählen sollten. Da faßten sie unter einander den Entschluß, den, der zuerst zu ihnen durch die Stadtpforten käme, zu ihrem Zaren zu machen. Um diese Zeit begab sich’s, daß Iwanuschka durch die Stadtpforten eintrat. Da schrie das ganze Volk: »Hier kommt unser Zar!« Und die Aeltesten faßten Iwanuschka unter den Armen, führten ihn in die zarischen Gemächer, kleideten ihn in zarische Kleider, setzten ihn auf den zarischen Thron, beugten sich alle vor ihm als vor ihrem wirklichen Zaren, und verlangten von ihm verschiedene Aufträge. Da dachte Iwanuschka, er sehe sich im Traume als Zaren, und nicht im Wachen. Aber als et sich gesammelt hatte, sah er, daß er wirklich Zar sei. Da freute er sich von ganzem Herzen und fing an, das Volk zu beherrschen, und setzte viele Beamte ein. Nach kurzer Zeit wählte er Einen, Luga, mit Namen, berief ihn zu sich, und sprach folgende Worte: »Mein treuer Diener und guter Ritter Luga, leiste mir einen Dienst, reise in mein Vaterland und begib dich gerade zu dem König, grüße ihn von mir, und bitte ihn, daß er dir den Kaufmann Abrosim, der sich vergangen hat, mit seiner Frau ausliefert, und wenn er dir sie übergeben hat, so bringe sie hierher zu mir; wenn er dir sie aber nicht überliefern will, so drohe ihm, daß ich sein Reich mit Feuer verheeren und ihn selbst zum Gefangenen machen würde.«
Als der Diener Luga in das Vaterland des Iwanuschka gekommen war, ging er zu dem Zaren und bat ihn um Abrosim, der sich vergangen, und um Fetinia. Der Zar wußte, daß Abrosim ein reicher Kaufmann in seiner Stadt war, und wollte ihn nicht gern ausliefern; aber er überlegte dann, daß das Reich Iwanuschka’s sehr mächtig und volkreich sei, und, deßhalb sich fürchtend, entließ er den Abrosim und die Fetinia. Luga aber empfing sie von dem Zaren, und begab sich in sein Reich. Als er sie zu dem Zaren Iwanuschka brachte, da sagte dieser zu seinem Vater Abrosim: »Ja, mein Vater, du hast mich aus deinem Hause vertrieben, und ich nehme dich dafür zu mir; lebt beide, du mit der Mutter, bis an’s Ende eurer Tage bei mir.« Abrosim und Fetinia freuten sich sehr, daß ihr Sohn Zar geworden sei, und sie lebten bei ihrem Sohne viele Jahre, und sie starben hernach.
Iwanuschka saß auf dem Throne dreißig Jahre in guter Gesundheit und Glückseligkeit. Alle seine Unterthanen liebten ihn aufrichtig bis zur letzten Stunde seines Lebens.
Anton Gotthelf Dietrich (Russische Volksmärchen)