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Mandschifèru

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Ein reicher, mächtiger Kaiser, der gern alte gediente Soldaten in seinem Heere sah, ließ mit vielen anderen seiner Soldaten, die ihre Zeit ausgedient hatten, auch einen gewissen Mandschifèru rufen, der ihm seiner treuen Dienste und tapferen Taten wegen besonders lieb war. Er stellte demselben vor, da er jetzt viele Rekruten bekomme, die er zu tüchtigen Kriegern abzurichten wünsche, so liege ihm alles daran, daß er bewährte, alte Soldaten besitze, welchen er dieses schwierige Geschäft wohl vertrauen könne. Vor allem setze er in dieser Angelegenheit Vertrauen auf seinen vielbewährten Mandschifèru, den er daher dringend bitte, in seinen Diensten zu bleiben. Nachdem Mandschifèru seines Kaisers Rede wohl vernommen hatte, verneigte er sich, indem er sich des vielen Wohlwollens, das er von seinem Herrscher erfahren hatte, bedankte, und sprach: »Du weißt, mein Kaiser, wie lange ich dir treu gedient habe und daß ich Tag und Nacht bereit gewesen bin, wenn es zu tun gab. Nun aber bin ich des Waffenwerks müde und wünsche heimzugehen, um mir dort Haus und Hof zu kaufen und an der Seite eines guten Weibes mein Leben zuzubringen.« Der listige Fuchs meinte es aber in seinem Herzen nicht so, denn er war zu lange Soldat gewesen und hatte zuviel Lust an dem sorglosen Leben eines solchen, als daß es ihm in den Sinn gekommen wäre, in Zukunft ein stilles häusliches Leben zu führen; seine Rede lief vielmehr nur darauf hinaus, ein Geschenk vom Kaiser zu bekommen, damit er sich in den Wirtshäusern nach Wohlgefallen gütlich tun könnte. Das waren die schönsten häuslichen Freuden, die er kannte. Mandschifèru hatte auch seinen Plan gut angelegt, denn er brachte es wirklich mit seiner angeblichen Weigerung dahin, daß er vom Kaiser hundert Dukaten bekam gegen das Versprechen, seine Dienste nicht zu verlassen.
Ohne Verzug begab er sich jetzt mit seinen Goldstücken ins nächste beste Wirtshaus, rief auch einige Kameraden dahin und verließ weder Tisch noch Glas mehr, als bis alle hundert Dukaten verjubelt und noch ein gutes Teil Schulden dazugemacht waren.
Am anderen Tage ging er wieder zum Kaiser und stellte demselben vor, wie sehr ihn sein gestriger Entschluß reue und wie er es doch nicht über sich bringen könne, länger ein so bewegtes Soldatenleben zu führen, wobei er nicht einmal für seine alten gebrechlichen Tage einen Notpfennig zu erübrigen vermöchte; denn das ganze großmütige Geschenk, welches er gestern von seinem gnädigen Kaiser erhalten habe, sei daraufgegangen, ja, habe nicht einmal ausgereicht, um die Schulden zu bezahlen, die er in früheren Tagen habe machen müssen, um seinem Kaiser anständig dienen zu können. Mit solchen Worten betrog der Schalk den Kaiser wiederum, so daß er ihm noch zweihundert Dukaten schenkte, nur damit der tapfere Mann in seinen Diensten bliebe. Aber auch diese gingen zu den ersten hin, nachdem er sich noch mehr seiner Kameraden zur Gesellschaft genommen hatte.
Am dritten Tage ging er wieder zum Kaiser, um noch einmal seine Schelmerei an dessen Gnade zu versuchen, erreichte jedoch seinen Zweck nicht, sondern wurde für seine Unverschämtheit tüchtig durchgeprügelt und die Treppe hinuntergeworfen. Über diese Behandlung entrüstet, zog Mandschifèru fort und gedachte in den entfernteren Teilen des Reiches Abenteuer aufzusuchen, wozu er auch zwei Rekruten, mit denen er bei seinen letzten Gelagen Brüderschaft gemacht hatte, überredete.
Sie waren noch nicht weit gekommen, als sie in einem großen Wald auf einer Wiese ein Schloß stehen sahen, von schönen Gärten umgeben. Es schien aber unbewohnt, denn die Treppen, die in sein Inneres führten, waren mit Gras bewachsen. Sie gingen darauf zu und fragten einen Schäfer, der hier seine Herde weidete, wem das Schloß gehöre und warum es nicht bewohnt sei. Die Antwort war, es gehöre dem Kaiser, sei aber unbewohnt, weil böse Geister drin hausten, die nachts ihr Unwesen trieben. »Ha! Ha!« sagte Mandschifèru, »das ist etwas für uns. Kommt, Kameraden, wir wollen einmal sehen, was für Geister hier hofhalten und ob nicht Keller und Küche etwas haben, daran sich tapfere, lustige Gesellen wie wir ergötzen können!« Damit grüßten sie den Schäfer und gingen dem Schlosse näher, dessen unheimlicher Zauber schon lange Zeit jede Menschenseele entfernt gehalten hatte. Mandschifèru voran traten sie ein und durchstöberten das ganze Schloß, ohne etwas Verdächtiges oder Zauberhaftes darin zu finden. Es war im Gegenteil alles prächtig, so daß ihre Augen kaum den hellen Schein der silbernen und goldenen Wände ertragen konnten. In einem goldenen Saal, welchen Mandschifèru für den schönsten erklärt hatte, streckten sich alle drei auf den prachtvollsten Teppichen und Polstern nieder, um auszuruhen. »Nun wäre es nicht schlecht«, meinte der Anführer der Abenteurer, »wenn wir so einen Tisch vor uns sähen, schön gedeckt und mit einem tüchtigen Stück Rinderbraten, auch sonstigen dergleichen Dingen, wobei besonders des Weins nicht vergessen wäre!« Kaum waren diese Worte ausgesprochen, so stieg ein prachtvoll gedeckter Tisch mit dampfenden Braten und duftenden Weinen aus dem Marmorboden auf und stellte sich gerade vor die drei Gesellen hin. So sehr diese auch über das Wunder staunten, so erwarteten sie alle doch keine weitere, förmliche Einladung zum Essen, sondern setzten sich sofort zum Wundertische, brauchten keck Löffel, Messer und Gabel und dazwischen die Gläser. Da sich jedes abgeschnittene Stück Fleisch oder Brot und namentlich jeder Schluck Wein sogleich wieder ersetzten, sooft sie auch weggenommen wurden, so wichen Hunger und Durst bald dem Rausch und endlich dem Schlaf, und der herannahende Abend fand alle drei tüchtig schnarchend auf dem Boden liegen.
Sie merkten auch gar nicht, daß es im Schlosse nach und nach laut wurde, zuerst nur wie ein ferner Sturm, dann aber immer stärker, bis endlich auch ein wirklicher Sturm losbrach, welcher Türen und Fenster auf- und zuschlug, ja, schwarze Wolken durch die Säle jagte, in denen es von riesenmäßigen Fledermäusen und Nachtvögeln wimmelte. Aus den Ecken der Räume reckten sich dürre Finger, Klauen und haarige Schwimmpfoten hervor, dazwischen ließen sich bald auch die glotzenden Augen übermäßig großer Frösche, Eidechsen und Kröten sehen, dann wieder ganze Knäuel von giftigen Schlangen und von widrigen Ratten und Mäusen, die aus dem Boden herausplatzten, welcher nach und nach uneben und wie mit bösartigen Geschwüren übersät worden war. Endlich trieben sich feurige Wildschweine und glühende Totengerippe mit fürchterlichem Lärmen durch die Zimmer, gebärdeten sich wie toll, warfen die drei Schlafenden hin und her und traten auf ihnen herum, so daß sie bald erwachten. Die beiden jungen Soldaten gerieten in solche Furcht, daß sie zuerst an Flucht dachten, bald aber, als sie dies für unmöglich erkannten, die Augen verhüllten und sich platt wieder auf die Erde fallen ließen. Mandschifèru hingegen zog mannhaft sein Schwert und hieb darein, daß gar nicht zu beschreiben ist, welch ein Geschneidsel von Hörnern, Schwänzen, Ohren, Augen, Zungen, Fingern, Klauen usf. in einer Lache von Blut und bösem Geifer auf dem Boden herumschwamm. Nachdem er sich so bis Mitternacht mit den zauberhaften Ungeheuern des Schlosses herumgehauen hatte, nahmen dieselben die Flucht, schrien ihm aber zu, daß sie morgen Abend wieder, furchtbarer und in noch größerer Anzahl erscheinen würden, wo sie dann auch alle Qualen und Martern der Hölle mitbringen wollten.
Schon wurde es Tag, und weit und breit war von den Geistern und ihrem gräßlichen Spuk nichts mehr zu hören und zu sehen. Allein Mandschifèrus Kampflust hatte sich noch nicht gelegt, sondern er hieb noch sämtliche Stühle und Tische zusammen, die ihm in den Weg kamen, und ruhte nicht, als bis er allen den prachtvollen Teppichen und Polstern die Eingeweide kostbarer Federn herausgehauen und gerissen hatte. Endlich stieß er auch auf seine vor Furcht fast erstarrten Kameraden, auf die er alsbald mit der flachen Klinge losschlug, indem er schrie: »Ihr feiges Lumpenpack, ihr Schurken, packt euch hinaus aus dem Palaste, den ich mit meinem Schwert erobert habe! Geht, oder ich werf‘ euch zum Fenster hinaus!« Die Geängstigten ließen sich dies nicht zweimal sagen, sondern eilten hinauszukommen, froh, daß sie dem nächtlichen Spuk und dem Schwert Mandschifèrus entgangen waren.
Dieser suchte sich indessen wieder einen Platz zur Ruhe, tat wieder wie gestern seine Wünsche um eine wohlbesetzte Tafel, die ihm auch alsbald von unsichtbaren Händen erfüllt wurden. Er setzte sich dazu mit der innigsten Gemütsruhe und dem Vorsatze, nun ebensolange zu essen und zu trinken, wie er diese Nacht gekämpft hatte. Da ersteres indessen rascher zum Ziel führte als letzteres, so stellte sich bald der Schlaf ein, dem er sich ohne Weigern in die Arme warf. Nachdem er auch diesen sattsam genossen hatte, ging er in die Gärten vor dem Schloß, um sich in den schönen Abendlüften unter den Düften der herrlichsten Blumen und beim Rauschen der kühlen Springbrunnen zu ergehen.
Wenngleich Mandschifèru für häusliches Glück nicht eben allzuwarm fühlte, so war er doch den Weibern nicht abhold, wie sich dies auch einem Helden nicht geziemt hätte, ja, er liebte sogar Lust und Scherz mit schönen Mädchen. Darum kam ihm jetzt in den Sinn, wenn er nur ein Mädchen hier hätte, mit dem er die Freuden dieser herrlichen Einsamkeit teilen könnte. Der Wein brachte ihm diesen Wunsch vom Herzen auf die Zunge, und ehe er sichs versah, stand vor ihm eine so überaus schöne Jungfrau, daß er sich vor Entzücken kaum halten konnte. Er stürzte ihr sofort zu Füßen, umfaßte ihre Knie und küßte ihr die Hände, dann sprang er auf und wollte sie umarmen, sie wehrte ihn aber sanft ab, indem sie sprach: »Ich liebe dich längst, Mandschifèru, doch ist es noch nicht Zeit, daß ich dir ganz angehöre, wie ich möchte. Zuerst mußt du den Zauber zerreißen, in welchem ein abscheuliches Geistervolk dieses Schloß mit seinen Bewohnern, und darunter auch mich Ärmste, die Tochter des Kaisers, gefangenhält. Daß du dieses Werk vollbringen wirst, weiß ich, aber sieh dich vor, daß dir der Siegespreis nicht entrissen wird; denn wenn du ihn errungen haben wirst, so wird doch mein Vater deiner Dienste nicht achten und dich schmählich davonjagen. Er wird dir meine Hand, die nur dir gehört, versagen.«
Damit verschwand die schöne Prinzessin, und Mandschifèru war vor freudiger Verwunderung einem Trunkenen gleich. Voll Begier, mit den bösen Geistern zu kämpfen, ging er unverzüglich in die Säle des Palastes zurück, wo auch in der Tat der Lärm schon begonnen hatte, da die Unholde sich frühzeitig anschickten, die Drohung auszuführen, mit der sie gestern geschieden waren. Je später und dunkler es wurde, um so stärker mehrte sich das Heer von scheußlichen Mißgestalten, die aus dem Gewühl höllischer Tiere hervordrängten, versehen mit fürchterlichen Marterwerkzeugen, deren Beschreibung jeder Zunge zu schwer wäre. Aber je toller und furchtbarer sie ihr Unwesen trieben, um so wütender hieb Mandschifèru mit flacher und schneidender Klinge um sich, so daß der vereinte böse Wille der ganzen Höllenbrut, die ihn hier zu verderben suchte, nicht imstande war, ihm auch nur ein Haar zu krümmen. Wie gestern flogen die Ungetüme jeder Art wund und voll Schrecken durcheinander, und Mandschifèru ruhte nicht eher, als bis er sie auf die letzte Klaue vernichtet hatte, was freilich bis tief in die Nacht hinein dauerte, da es ihrer entsetzlich viele waren.
Ein Jäger, der auf der Heimkehr von der Jagd an dem Schloß vorbeikam und das Geheul und das Gewinsel der übel zugerichteten Geister vernahm, trat näher herbei, und als er das Stöhnen der Sterbenden gehört und den Gestank der zerhauenen Leiber gerochen hatte, eilte er mit der Nachricht von diesem Ereignis zum Kaiser, der sofort, um Näheres zu erfahren, einen Mohren nach dem Schlosse schickte. Dieser traf den Helden noch in seiner Kampfwut, indem er wie gestern Tische, Kästen, Stühle, Polster, Teppiche usw. zusammenhieb, alles in der Meinung, daß sie auch zu den bösen Geistern gehörten. Als der Tobende nun gar einen Schwarzen hereintreten sah, eilte er auf ihn zu und schlug ihm mit einem Hieb den Kopf herunter, samt der Hand, mit welcher der Unglückliche die Gewalt der Klinge abwehren wollte. Hierüber sehr zufrieden, fuhr er in seiner blinden Zerstörungswut so rastlos fort, daß ihn noch zwei Mohren antrafen, die der Kaiser, weil der erste nicht wiederkam, nachgesandt hatte. Es ging ihnen um nichts besser als dem ersten, denn Mandschifèru ließ auch ihre Köpfe in den Blutsee kollern, den er in den Räumen des Schlosses angerichtet hatte.
Endlich erschien der Kaiser selbst mit seinen Hauptleuten und einer Menge Kriegsvolk, um sich selbst von den Vorfallen im Zauberschloß zu überzeugen. Mandschifèru hielt sie aber in seinem Grimm ebenfalls für Spukbilder und trieb sie unaufhaltsam wieder zu den Pforten des Schlosses hinaus, von dem sie, ihr Herrscher an der Spitze, Besitz genommen hatten. Als nichts mehr zu tun war, steckte der Unbesiegbare sein Schwert in die Scheide, um Atem zu schöpfen.
Diesen Augenblick benutzten der Kaiser und sein Gefolge, um mit ihm durchs Fenster zu unterhandeln und ihm insbesondere darzutun, daß sie keine bösen Geister seien, sondern er, der Kaiser, sein Herr und der rechtmäßige Besitzer dieses Schlosses, die andern aber seine Soldaten und Hauptleute. Mandschifèru kam dadurch endlich zur Besinnung und ließ daher den Kaiser ein, welcher nun nicht ermangelte, sogleich Besitz von seinem Eigentum zu nehmen, das Verdienst Mandschifèrus hoch erhob, ihn aber in Gnaden entließ, ohne seinen gerechten Ansprüchen auf die verdiente Belohnung Gehör zu schenken.
Mandschifèru, welcher als ein wohlgedienter Soldat den Gehorsam zum mindesten so hoch hielt wie die Tapferkeit, zog nun schweigend fort, kehrte sich aber vor dem Schlosse noch einmal um, schauend, ob sich denn nicht wenigstens die schöne Prinzessin werde erblicken lassen. Sie stand auch wirklich im Augenblick vor ihm, sprach aber nur die Worte: »In drei Tagen werde ich dir, mein Mandschifèru, folgen!« und verschwand dann wieder so schnell, wie sie erschienen war. Traurig zog nun der Held weiter, und als er nach einiger Zeit an eine Schenke kam, sprach er, so schlecht und schmutzig sie auch aussah, darin vor, um sich mit einem Trunke zu laben und die ihm widerfahrene Unbill zu vergessen. Nachdem er eine gehörige Zahl von Gläsern geleert hatte, kam auch der alte, gute Mut wieder in seine Seele. Die Wirtin dieser Schenke war eine Zauberin und wünschte den Helden, den sie wohl kannte und von dessen großen Taten im Zauberschlosse sie genaue Kunde hatte, für ihre Tochter zu gewinnen, obgleich sie wußte, daß für ihn eigentlich die schöne Prinzessin bestimmt sei, des Kaisers Tochter, die er mit dem Schlosse von den Geistern befreit hatte. Um zu ihrem Zwecke zu gelangen, beschloß sie, ihre Zauberkunst zu gebrauchen, indem sie ihm eine verzauberte Nadel in den Kopf steckte, die ihn in tiefen Zauberschlaf senkte. Sie konnte dies um so leichter, als Mandschifèru schon längst über den Durst Wein getrunken hatte, den sie natürlich nicht versagte.
Am dritten Tage, nachdem er das Schloß verlassen hatte, erschien die Prinzessin in der Schenke, um ihn zur Hochzeit aufzusuchen. Als sie aber sah, daß es unmöglich war, den Bezauberten aus dem tiefen Schlaf zu rütteln und ihr auch die arglistige Wirtin sagte, daß er schon seit drei Tagen so betrunken hier liege, entfernte sie sich, indem sie versprach, morgen wiederzukommen. Dies tat sie auch, aber mit keinem besseren Erfolg. Mandschifèrus Schlaf blieb immer gleich fest.
Als die Kaiserstocher am dritten Tage wiedergekommen war und den Geliebten immer in demselben bewußtlosen Zustand fand, weinte sie und ging betrübt aus der Schenke fort. Hierüber hatte die Zauberin eine große Freude und zog eilig die Nadel aus dem Kopfe Mandschifèrus, gab ihm auch wieder zu trnken, soviel nur seine durstige Kehle verlangte, denn so gedachte sie den alten Soldaten am besten für sich und ihre Tochter zu gewinnen. Hierin täuschte sie sich aber, denn als er tüchtig voll war, wurde er streitsüchtig, prügelte die anderen Gäste, warf alles, Wirtin und Tochter mit eingerechnet, zum Hause hinaus und blieb so lange unangefochtener Herr der Schenke, bis auch nicht ein Tropfen mehr im Keller zu finden war. Darauf zog er fröhlich weiter, um sein Leben durch mutige Taten und Abenteuer zu fristen.
Am andern Tag, als er eben über ein Feld hinstreifte, rannte ihm ein sehr schönes Windspiel in den Weg, welches, als er es zu sich rief, ihm sogleich folgte und ganz vertraut mit ihm tat. Das war ihm sehr angenehm, da ihn seine große Einsamkeit schon verdrossen hatte. Beide schlossen sogleich innige Freundschaft miteinander, wozu Mandschifèru um so mehr Ursache hatte, da sich das Windspiel als ein vortrefflicher Solofänger erwies und hinfort beide von der gemachten Beute bequem leben konnten.
Nun begab es sich einmal, daß Mandschifèru in einem Wirtshaus einkehrte, wo er die Wirtsleute wohl durchprügelte, weil sie ihm ohne Bezahlung nichts zu trinken geben wollten. Unter anderen Gästen war hier auch ein Prinz eingekehrt, welcher eben vom Hofe kam. Er hatte sich dort in die schöne Prinzessin verliebt, war aber vom Kaiser mit der Weisung abgewiesen worden, wer die Prinzessin erlangen wolle, müsse zuvor wieder ein Windspiel zur Stelle schaffen, das der Kaiser so lieb habe wie seine Tochter und das ihm auf eine unbegreifliche Weise abhandengekommen sei.
Als dieser Prinz zu den Füßen Mandschifèrus das Windspiel sah, erkannte er es aus der Beschreibung, die ihm davon gegeben worden war, sogleich als das des Kaisers. Er machte sich deshalb an Mandschifèru, der aber wenig auf ihn hörte, bis der Prinz zu trinken bringen ließ. Darauf wurde er freundlich, und bald lag er betrunken unter dem Tisch; denn der Prinz hatte der Wirtin heimlich befohlen, Honig und Pfeffer in den Wein zu mischen, und die Wirtin hatte das aus Grimm über die rohe Behandlung, die ihr von Mandschifèru bei seinem Eintritt in die Schenke widerfahren war, gerne getan. Der Prinz selber trank nur sehr wenig, was jenem um so mehr entging, als er sich stets getreu und fest in seinen Diensten wie beim Glas erwies.
Wie nun Mandschifèru in tiefem Schlaf unter dem Tische lag, band der Prinz das Windspiel los und zog es mit sich fort. So brachte er es dem Kaiser, der darüber eine große Freude bezeugte und sogleich die Verlobung zwischen seiner Tochter und dem glücklichen Finder des unschätzbaren Windspiels vor sich gehen ließ, zur großen Betrübnis der Prinzessin. Diese wußte nichts anderes zu machen, als heimlich in allen Wirtshäusern der Hauptstadt, groß und klein, Befehl zu geben, daß jeder Fremde, der einkehrte, in das Schloß des Kaisers gewiesen werden solle. So hatte sie allein noch Hoffnung, ihren geliebten Mandschifèru wiederzufinden, und wirklich, sie täuschte sich nicht. Denn der Held hatte von den Festlichkeiten gehört, welche zur Hochzeit der Prinzessin in der Hauptstadt vorbereitet wurden, wobei er, wenn nichts anderes, doch seine Lust zu finden hoffte, weil ihm überhaupt das Herumziehen ohne sein Windspiel zur Last war. Als er die Hauptstadt erreicht hatte, trat er sofort in eine Schenke, wo er aber vom Wirt alsbald in das Schloß gewiesen wurde. Hierauf hörte jedoch Mandschifèru nicht, sondern machte sich hinter einem Tische fest und fing an zu trinken. Der Wirt, welcher fürchtete, gestraft zu werden, wenn trotz des Befehls der kaiserlichen Prinzessin nicht alle Fremden ins Schloß kämen, schickte nun auf die Polizei, welche Mandschifèru mit Gewalt hinbringen sollte. Als aber die Diener derselben erschienen, machte sich der Held über sie her und warf den einen zur Tür, den andern zum Fenster hinaus, und so nach der Reihe alle, die an ihn wollten. Erzürnt über solche Schmach, riefen die Diener der Gerechtigkeit die Patrouille herbei, und es kamen auch hundert Mann tapferer, kaiserlicher Soldaten, um den widerspenstigen Ruhestörer ins Gefängnis abzuführen. Es ging aber dieser Schar nicht besser, denn Mandschifèru warf alle die Gelbschnäbel, wie er des Kaisers Soldaten nannte, ebenfalls zum Hause hinaus. Dies machte ein großes Aufsehen, und die Sache kam vor den Kaiser, welcher nun zweihundert Mann absandte. Hierüber kam aber Mandschifèru, wie damals im Zauberschloß, in eine solche Wut, daß er, nachdem er alle die zweihundert aus der Schenke getrieben und zusammengehauen hatte, Wirt und Wirtin auch aus ihrem Eigentum trieb und dann alles, was zerstörbar war, Tische, Stühle, Bänke, Kästen, Fenster, ja die Fässer im Keller, zusammenschlug.
Die Sache machte natürlich in der Hauptstadt großes Aufsehen, und als die Prinzessin davon hörte, erkannte sie, daß dies niemand anders sein könne als ihr geliebter Mandschifèru. Sie eilte alsbald nach der Schenke und rief ihn beim Namen, worauf er ruhig wurde und in ihre Arme stürzte. Dagegen wollte der Prinz, der mit dem Kaiser die Prinzessin begleitet hatte, Einwendungen machen, allein Mandschifèru fing an ihn zu schelten, ging ihm endlich zu Leib und prügelte ihn tüchtig durch, indem er schrie: »Du betrügerischer Schelm, hast mir mein Windspiel gestohlen, als du mich betrunken machtest; da hast du deinen Lohn für Pfeffer und Honig im Wein.«
Als der Kaiser und die Prinzessin sahen, daß eigentlich Mandschifèru das Windspiel gefunden hatte und daß der Prinz nur durch Betrug zu demselben gekommen war, so entließen sie den falschen Bräutigam, Mandschifèru hingegen wurde nach Fug und Recht der Mann der schönen Prinzessin und Nachfolger des Kaisers, als dieser bald darauf starb. So war denn alles zum Vorteil Mandschifèrus abgelaufen, wie ers auch durch seine Tapferkeit verdiente.

[Rumänien: Arthur und Albert Schott: Rumänische Volkserzählungen aus dem Banat]

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