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Märchenbasar

Marko, der Reiche

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Es war einmal ein Mann, der hieß Marko der Reiche, und er besaß viele Güter. Söhne hatte er nicht, nur eine Tochter, aber Geld hatte er so viel, daß er’s nicht zu zählen vermochte. Er konnte es im Umkreise von fünfundzwanzig Werst um seinen Hof einen Zoll hoch aufschütten. Und allerhand Fabriken besaß er auch.
Einst hatte er sich zum Schlafen niedergelegt und hörte im Traum eine Stimme, die zu ihm sprach: »Mach dich bereit, reicher Marko, denn zu dieser und dieser Stunde werden der Herrgott selber und der heilige Nikolaus zu dir zu Gast kommen.« Er stand am Morgen auf, bedachte seinen Traum und erzählte ihn Frau und Tochter. Auf fünfundzwanzig Werst legte er mit allerlei Tuch den Weg aus, auf dem der liebe Gott zu ihm kommen mußte. Da näherten sich zwei alte Bettler dem Hofe. Ihre Bastschuhe waren voll Schmutz, die Kleider waren abgerissen, und sie schleppten sich über das rote Tuch zum Tor, wo Marko der Reiche auf einem Stuhle saß und den Herrgott erwartete. Die Bettler traten heran und grüßten Marko den Reichen: »Friede sei mit dir, reicher Marko! Erlaub uns zu übernachten.« Marko aber ward böse auf sie, und er schimpfte sie fürchterlich aus. »Ach«, sagte er, »euch hat der Teufel hergeführt mit euren dreckigen Füßen und diesen Bastschuhen. Ich erwarte den Herrgott, ihr aber ladet hier euren Schmutz ab. Marsch, durch die Hinterpforte, schlaft dort in der Gesindestube!« Sie gingen hin und legten sich nieder.
Die Mitternacht kam heran; die Bettler lagen auf dem Ofen, und mit ihnen schlief dort auch eine Viehmagd. Plötzlich kommt etwas ans Fenster und spricht mit menschlicher Stimme. Ein Gebet wird gesprochen, und jene geben ihr Amen dazu. »Hat sich der Herrgott hier zur Ruhe gelegt?« fragt es; »ja«, antworteten sie, »was willst du?« – »Herr, in diesem und diesem Dorf hat ein Weib einen Knaben geboren. Mit welchem Glück, Herr, willst du ihn begnaden?« – »Mit Markos des Reichen Vermögen«, antwortete Gott, »der Knabe wird heranwachsen und den ganzen Reichtum besitzen.« Die Bettler gingen mitten in der Nacht fort. Am Morgen stand die Viehmagd auf und berichtete Marko: »Warte nicht länger auf den Herrgott, Marko; er hat diese Nacht in der Gesindestube geschlafen.« – »Wie ist das möglich?« – »Zwei alte Leute sind doch gekommen, einer war der Herrgott, der andere der heilige Nikolaus.« – »Wo sind sie?« – »Sie gingen fort, weiß nicht wohin.« – »Woher weißt du aber, daß es Gott gewesen ist?« – »Um Mitternacht«, erwiderte sie, »kam etwas unter das Fenster, sprach mit menschlicher Stimme ein Gebet, und jene gaben ihr Amen dazu. ‚Nächtigt hier der Herr?‘ fragte es. ‚Ja, was willst du?‘ – ‚Herr, in diesem und diesem Dorf hat ein Weib einen Knaben geboren. Mit welchem Glück, o Herr, willst du ihn begnaden?‘ – ‚Mit Markos des Reichen Vermögen‘, sagte er. ‚Der Knabe wird heranwachsen und den ganzen Reichtum besitzen.’«
Marko der Reiche ließ zwei Pferde anspannen und fuhr geradeswegs in jenes Dorf. Er kam an und machte das Weib ausfindig. Sie lebten dort in großer Armut, und Kinder hatten sie viele. Marko sagte zu ihnen: »Verkauft mir diesen Knaben!« Sie wollten aber nicht. Da begann er auf sie einzureden: »Warum wollt ihr ihn nicht verkaufen? Ihr wißt, wie groß mein Reichtum ist, und Söhne hab ich nicht. Ich werd ihn speisen und tränken wie ein eigenes Kind, euch aber bleiben noch genug. Was ihr nur wollt, geb ich für ihn.« Da waren die Eltern einverstanden und verkauften den Knaben und übergaben ihn Marko. Es war aber zur Winterszeit, und Marko legte das Kind in seinen Wagen und fuhr davon. Er kam in den Wald und sagte: »Kutscher, trag den Knaben in den Wald und wirf ihn in den Schnee. So wird ihm Markos des Reichen Hab und Gut wohl zuteil!« Der Kutscher trug den Knaben fort und warf ihn in den Schnee. Aber es begann sogleich ein warmer Wind zu wehen, ringsum taute der Schnee um den Knaben, und er lag da und machte sich nichts daraus, denn ihm war warm. Marko jedoch fuhr heim.
Desselbigen Weges reisten zwei befreundete Kaufleute; sie brachten Marko dem Reichen entliehenes Geld zurück und wollten neue Ware einkaufen. Da hörten sie im Walde einen Säugling weinen. Sie hielten an und horchten. Dann liefen sie hin und meinten: »Sicherlich hat ein Mädchen ihr Kind ausgesetzt!« Sie kommen hin und sehen: ringsum ist Gras gewachsen und Blumen blühen, und dabei liegt der Schnee knietief. Sie verwunderten sich darob und sprachen: »Das ist ein heiliges Kind«, und nahmen es zu sich in den Wagen. Sie fuhren ihres Weges und plauderten miteinander. Der eine der beiden Freunde war sehr angesehen und reich, der andere aber arm. Der Reiche hatte auch keine Kinder, der Arme aber wohl. Da bat der Reiche den Armen: »Laß mir den Knaben!« Jener aber wollte nicht und weigerte sich. »Nun, dann mag er uns beiden gehören.« Und weiter sagten sie zueinander: »Man muß ihn wärmer anziehen und zu Marko dem Reichen nicht hineintragen; denn bringen wir ihn ins Haus, so wird er ihn uns fortnehmen, weil er auch keine Söhne hat.« Sie langten bei Marko an und blieben über Nacht. Marko empfing sie und ließ den Samowar aufstellen; dann tranken sie Tee. Dazwischen aber ging bald der eine, bald der andere hinaus, denn sie befürchteten, daß der Knabe im Wagen bei der Winterszeit erfrieren könnte. Marko der Reiche fing an sie auszufragen: »Warum geht ihr sooft hinaus auf den Hof, Freunde? Habt ihr vielleicht auf dem Wagen teure Ware? Ihr kennt mich aber doch, seid nicht zum erstenmal hier: bei uns sind immer Wächter auf dem Hof. Und wenn ihr auf dem Wagen auch einiges Geld habt, niemand wird es nehmen. Sagt mir doch, was ihr da habt.« Sie wollten zwar nicht mit der Sprache heraus, er setzte ihnen aber zu. Da bedachten sie sich und bedachten sich lange und sagten endlich: »An dem und dem Ort haben wir einen Knaben gefunden; es lag knietiefer Schnee, aber um ihn herum wuchs Gras und blühten Blumen. Wir nahmen ihn mit, er liegt auf dem Wagen.« Marko der Reiche erriet, wer das sei, und fragte: »Wo habt ihr ihn gefunden?« – »Dort und dort«, sagten sie. Marko dachte bei sich: »Er ist es gewiß!«, und dann sprach er: »Ihr Herren Kaufleute, überlaßt ihn mir! Ich habe keine Söhne und brauche den Knaben.« Sie wollten ihn aber nicht hergeben. Da sagte er zu ihnen: »Wenn ihr ihn mir nicht überlaßt, nehm ich euer Geld fort und lad euch keine Waren auf; gebt ihr ihn aber her, so schenk ich euch die ganze Schuld und belad euren Wagen reich mit Ware.« Da überließen sie ihm den Knaben.
Marko nahm ihn zu sich und zog ihn auf. Er fütterte ihn wohl, aber hatte nur Böses wider ihn im Sinn. Er zog ihn auf, bis er groß war, und dachte stets daran, wie er ihn verderben könnte. Der Knabe war in allen Dingen geschickt und voll Eifer; für alles hatte er ein Auge, als wenn er ein Aufseher wäre. Marko der Reiche rief einmal seinen angenommenen Sohn zu sich und sagte zu ihm: »Mein Pflegesohn, du wirst einmal der Herr sein über meinen Besitz. Geh also hin, ich schicke dich hinter dreimal neun Länder in das (dreimal) zehnte Reich. Dort wohnt der heidnische Drache. Geh hin und frag ihn, wieviel Geld ich habe: selbst kann ich’s nicht mehr zusammenzählen.« (Wer es aber auch sein mag, der dorthin geht, zurück kommt er nicht: der Drache frißt einen jeden.)
Der Knabe machte sich auf und ging zu Fuß hin. War es lange, war es bald, war es weit, war es nah, da kam er an das Meer; auf dem Meer aber war ein Fährmann, der setzte die Leute über, ohne Lohn zu nehmen. Der Knabe kam zu ihm und bat: »Lieber Fährmann, setz mich über auf die andere Seite!« – »Wohin willst du denn?« – »Dort und dorthin, zum heidnischen Drachen.« – »Ach, lieber Bruder, solch einen Fährgast such ich schon lange! Erinnere den Drachen an mich, wenn du bei ihm bist. Ich fahre schon dreißig Jahre ohne Lohn über das Meer, hab schon kein Fleisch mehr an den Händen, nichts als Knochen sind sie, und über die Knochen fließt mir das Blut in Strömen. Frag einmal, wer mich ablösen wird.« – »Schon gut, ich werd ihn fragen.« Er fuhr über und ging davon seines Weges. An der breiten Straße stand eine Säule; da waren Goldmünzen aufgeschichtet und reichten von der Erde bis zum Himmel. Er kam heran und besah sich’s; das Gold aber sprach mit menschlicher Stimme: »Wohin führt dich Gott, guter Gesell?« – »Zu dem und dem Ort, zum heidnischen Drachen. Marko der Reiche will wissen, wieviel Gold er hat.« – »Erinnere den Drachen an mich; frag, wem ich gehören soll.« – »Schon gut.«
Er ging weiter und weiter und kam zu einem Hause, zum heidnischen Drachen. Der Drache war aber gerade nicht daheim, sondern in die weite Welt hinausgeflogen, um Menschen lebendig zu verschlingen; er lebte allein mit seiner Mutter. Als der Knabe in das Zimmer trat, sprach er ein Gebet und grüßte dann die Alte. Als die ihn erblickte, rief sie: »Was ist denn das? Früher war bei uns von Russengeruch nichts zu spüren und nichts zu sehen, jetzt aber schmeckt man das Russenfleisch schon auf den Lippen, und es drängt sich einem vor die Augen! Wie steht’s denn, guter Gesell, fliehst du ein Abenteuer oder suchst du ein Abenteuer?« – »Ich fliehe kein Abenteuer, Großmütterchen, sondern suche ein Abenteuer!« – »Wohin gehst du denn?« – »Zum heidnischen Drachen.« – »Was willst du von ihm?« – »Marko der Reiche hat mich zu ihm gesandt, ihn zu fragen, wieviel Geld Marko besitze.« Die Mutter des Drachen antwortete: »Ach, mein Freund, er wird dich fressen! Dazu hat Marko der Reiche dich auch hergesandt. Wenn ich ihn nicht frage aus Mitleid mit dir, so frißt er dich sicher!« Der Knabe fiel auf die Knie und bat zu Füßen der Alten: »Liebes Großmütterchen, laß mich nicht eines bittern Todes sterben! Ich bin wider Willen hierher gesandt!« – »Nun, mein Freund, ich will dich nicht ins Unglück stoßen: ich selber werd ihn fragen.« – »Dann frag ihn, bitte, auch nach diesem: ich fuhr über das Meer, und der Fährmann setzt schon dreißig Jahre über; wer wird ihn ablösen?« – »Ich werd ihn danach fragen.« – »Und dann, Großmütterchen, frag noch nach diesem: ich ging über Weg und Steg, da stand eine Säule von Gold und reichte von der Erde bis zum Himmel. Wem wird sie gehören?« – »Schon recht«, sagte die Alte, »nur weiß ich nicht, guter Gesell, wo ich dich verstecken soll, damit er dich nicht findet.« Schließlich legte sie ihn unter das Federbett.
Der Drache kam und schnüffelte überall herum. Er war hungrig hergeflogen, hatte niemand verschlungen; und er fragte: »Mütterchen, irgend jemand ist bei dir: es riecht nach Russenfleisch.« – »Du bist über die weite Welt geflogen, hast dich mit Russengeruch dort vollgesogen! Willst du Tee trinken, mein Söhnchen?« – »Gut, Mütterchen«, sagte er. Sie gab ihm aber Tropfen, die trunken machten, und die taten ihre Schuldigkeit. Er wurde ganz berauscht und fragte: »Mütterchen, hast du nicht noch mehr?« Sie gab ihm noch ein Gläschen, und da packte es ihn ordentlich. Dann fing die Mutter an ihn auszuforschen: »Hör, Söhnchen, was ich dich fragen will.« – »Was denn, Mütterchen?« – »Dort über jenes Meer setzt ein Fährmann schon dreißig Jahre über, wer wird ihn ablösen?« – »Warum mußt du das wissen, Mütterchen?« – »Ach, nur so, ich möcht es gern erfahren.« – »Marko der Reiche wird ihn ablösen.« – »Dann sag mir noch, Söhnchen: wieviel Geld hat Marko der Reiche?« – »Warum mußt du das wissen, Mütterchen?« – »Ich möcht es gern erfahren.« – »Selbst ich vermag es nicht zusammenzuzählen. Er kann mit dem Gelde von seinem Hause auf fünfundzwanzig Werst weit in alle vier Himmelsrichtungen die Erde bedecken.« – »Dann sag mir aber noch, Söhnchen: auf dem und dem Wege steht eine Säule von Goldmünzen und reicht von der Erde bis zum Himmel. Wem wird dieser Schatz zu eigen werden?« Der Drache lächelte und sagte: »Nun, Mütterchen, dieses Geld wird schon jemand erhalten … Marko der Reiche hat ein Pflegekind, dem wird der Schatz zuteil werden.« So sprach er und flog wieder davon, Gott weiß wohin. Die Alte deckte das Federbett auf und ließ den Knaben aufstehn. »Hast du gehört, was der Drache gesagt hat?« – »Ja, Großmütterchen, ich hab es gehört.« – »Nun, so geh nach Hause.«
Und er ging heimwärts und kam zu der Säule. Die fragte ihn: »Knabe, hast du meinetwegen gefragt?« – »Ja.« – »Wem werd ich gehören?« – »Dem Pflegesohn Marko des Reichen.« Da machte die Säule trrr! und fiel in einen Haufen zusammen. »Jetzt bin ich dein Eigentum geworden«, sagte sie. Er nahm den Schatz aber nicht mit, wühlte nur mit den Armen in ihm herum und ließ ihn liegen bis zu gelegener Zeit. Dann ging er weiter und kam zum Meer. Der Fährmann war da und fragte: »Hast du vom Drachen erfahren, guter Gesell, wer mich ablösen würde?« – »Ja.« – »Wer ist es denn?« – »Marko der Reiche.« Und er kam zu Marko dem Reichen. Marko verlor fast die Besinnung, als er gesund daherkam. Er fragte: »Bist du dorthin gegangen?« – »Ja, Väterchen.« – »Hast du den heidnischen Drachen gefunden? Hast du gefragt, wieviel Geld ich besitze?« – »Ja, ich fragte ihn.« – »Ist es viel?« – »Ja, in alle vier Richtungen könnt Ihr fünfundzwanzig Werst das Geld einen Zoll hoch aufschütten.« – »Nun, das ist schon wahr.«
Die nächste Nacht schliefen sie noch daheim, dann machten sie sich aber auf in ein anderes Land, Ware zu erhandeln. Sie kauften, was sie brauchten. Marko verlud die Ware auf die Wolga und schickte den Pflegesohn mit heim. Er schrieb einen Brief, versiegelte ihn und sagte: »Hier hast du einen Brief an Frau und Tochter; grüß sie von mir, hörst du!« Der Knabe wickelte den Brief in ein Tuch, verwahrte ihn auf der Brust und fuhr die Wolga hinab. Sie legten am Ufer an und begannen ihr Mittag zu bereiten. Der Knabe stieg mit seinen Leuten aus und ging am Ufer die Wolga entlang spazieren. Ein Greis hütete dort seine Herde und rief ihm zu: »Komm her zu mir, guter Gesell!« Er kam heran. »Jetzt nimm heraus, was du dort auf der Brust trägst!« – »Väterchen hat in die Heimat einen Brief geschrieben.« – »Gib ihn mir nur zu lesen!« – »Ja, wie wäre das möglich? Wer wird ihn wieder zusiegeln?« – »Ich werd ihn schon versiegeln.« Der Knabe zog den Brief hervor und gab ihn dem Alten. Der nahm ihn, zerriß ihn in kleine Stücke und schrieb einen neuen, wickelte ihn in das Tuch und gab ihn dem Knaben. »Geh mit Gott!« sagte er dazu.
Der Pflegesohn fuhr in seine Heimat, lud die Waren aus dem Lastschiff aus und stapelte sie an dem Ort auf, wo sie hingehörten. Dann zog er den Brief hervor und sagte: »Hier, Mütterchen, der Vater hat Euch einen Brief geschickt.« Sie öffnete den Brief und fing an zu lesen. Da stand mit Markos des Reichen Hand geschrieben, daß man, ohne ihn abzuwarten, den Pflegesohn mit der Tochter trauen solle. Die Mutter rief die Tochter und sagte: »Der Vater hat einen Brief geschickt.« Die Tochter hatte Lesen und Schreiben gelernt, da las sie denn und sagte: »Wenn Väterchen das befohlen hat, so muß es geschehen.« Gleich ging es zur Hochzeit; da brauchte nicht Bier gebraut, noch Schnaps gebrannt zu werden, alles war schon bereit. Man führte das Paar in die Kirche, traute es und brachte es ins Brautbett.
Und gerade zu der Zeit langte Marko der Reiche an. »Frau, wo ist der Pflegesohn?« – »Wir haben die beiden eben zum Schlafen in die Vorratskammer gebracht!« – »Was soll das heißen?« – »Ich hab ihn mit unserer Tochter verheiratet.« Da konnte Marko seinen Grimm nicht zurückhalten, er spuckte der Frau ins Gesicht und schrie: »Was hast du dummes Weibsbild angerichtet?!« Sie zog den Brief hervor und gab ihn Marko. Er schaute hin: es war seine Hand. Aber in dem ersten Brief, den der alte Hirte zerrissen hatte, war geschrieben gewesen, man solle den Pflegesohn nächtlicherweile in die Talgfabrik schicken und alle Kessel mit kochendem Fett vollaufen lassen und sie aufdecken, und daß man den Knaben nachts zur Aufsicht über die Arbeiter ausschicken solle. Er war aber noch nie in der Talgfabrik gewesen, und wenn er dort hingehn würde, müßte er ertrinken, dachte Marko, weil jener ja nicht wußte, wo der Durchgang war. Das alles aber hatte der heilige Nikolaus als Hirte so gefügt.
Darauf holte man das junge Paar vom Lager und fing an zu schmausen. Und der Pflegesohn sagte zum Schwiegervater: »Väterchen, du nennst viel Geld dein eigen, mir aber hat Gott noch mehr gegeben!« Marko der Reiche war habgierig. »Wo ist es denn?« fragte er. Sie spannten drei Paar Pferde an und fuhren davon und kamen an das Meer, wo der Fährmann sie übersetzte. Sie schütteten den Schatz ein und fuhren zurück zur Fähre. Sie setzten über, und der Schwiegersohn lud das Geld aus, Marko aber blieb und mußte den Fährmann ablösen, und nun setzte er dort Leute über. Hier starb er, sein ganzer Reichtum aber wurde seinem Schwiegersohn zuteil, der schaltete darüber und lebte lange in Frieden, mehrte Glück und Freude und wehrte dem Leide.

[Rußland: August von Löwis of Menar: Russische Volksmärchen]

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