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Märchenbasar

Massafadiga

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Einst hatte ein Bauer einen grossen, starken Sohn, der aber unendlich faul war und daher von den andern Burschen des Dorfes den Spitznamen »Massafadiga« (Faulhanns) erhalten hatte.
»Höre«, sagte ihm einst sein Vater, »ich werde alt und schwach und kann nicht mehr so viel verdienen, um ausser mir noch so einen grossen, gefrässigen Tölpel zu erhalten; du musst aus dem Hause und in Arbeit gehen.«
Der Sohn, der wusste, dass sein Vater nicht gern zweimal sprach, packte, wenn auch ungern, den nächsten Morgen seine sieben Sachen zusammen, und da eben ein Riese im nahen Gebirge einen Knecht suchte, so trat er in dessen Dienste, jedoch fest entschlossen, eben so wenig zu arbeiten, wie zu Hause.
»Komm mit mir zum Brunnen und hilf mir Wasser tragen«, sagte einst der Riese, nahm das krumme Tragholz mit zwei grossen kupfernen Kesseln über die Achsel und ging. Massafadiga folgte ihm mit einer kleinen Erdhaue. Beim Brunnen angelangt merkte der Riese erst, dass Massafadiga die Haue statt der Kessel bei sich hatte und fragte ihn: »Was willst du mit der Haue machen?« »Wozu«, antwortete ihm Massafadiga, »die tägliche Plackerei mit dem Wassertragen? Ich will lieber gleich den ganzen Brunnen hinauf zum Hause tragen.«
»Was?« rief der erschrockene Riese aus, »ich bin doch ein Riese, aber das wäre ich nicht im Stande.« – »Hm«, meinte Massafadiga, »ich bin kein Riese, aber das ist für mich blos Kleinigkeit.«
Beschämt und ärgerlich schwieg sein Herr, aber kaum zu Hause angelangt, hielt er Rath mit seinem Weib. »Wenn ich nur den Knecht wieder aus dem Hause hätte«, sagte er, »der Kerl bringt mich in der ganzen Nachbarschaft um meinen Ruf. Mit Bösem gehts nicht, denn er ist im Stande und erschlägt uns beide, also was zu machen?«
»Weisst du was«, sagte die Riesin, »seine Schlafstube ist gerade unter der Felsenwand. Nachts, wenn er schläft, werfen wir einige Felsenblöcke herunter, die zerschmettern das Dach und alles, was darunter ist.« Massafadiga, der die Eheleute behorcht hatte, legte sich aber nicht ins Bett, sondern vor die Thüre, und als Nachts die Felstrümmer brechend das Dach durchschlugen, rief er wie ganz erzürnt: »Herr, schafft doch die kleinen Buben weg, die mit Steinchen herabwerfen, man kann ja nicht ordentlich schlafen!«
Das Dach war zerschlagen, die Bettstätte zerschmettert, aber den gefürchteten Knecht war der Riese nicht los. Da beschloss er, ihn mit auf die Jagd zu nehmen. Oben im Hochwalde hatte der Riese in einer Schlucht eine alte Hütte, in welcher er das Geräthe für Jagd und Vogelfang aufbewahrte. Dort stellte er den unbewaffneten Knecht auf, während er selbst ein paar grosse Bären auf die Hütte zutrieb. Der Knecht aber war auf das Dach gekrochen, und als die Bären in blinder Flucht sich in die höhlenartige Hütte verrannten, sprang er flugs herab und verriegelte von aussen die Thür. Gleich darauf kam auch der Riese in der Hoffnung, den Knecht von den Bären zerrissen zu finden. Ganz erstaunt fragte er ihn: Hast du hier keine Bären laufen gesehen?« »Ja wohl«, antwortete Massafadiga ganz unbefangen, »ich habe sie bei den Ohren gepackt und einstweilen in die Hütte gesperrt.«
»Sei doch so gut«, sagte der Riese, »gehe hinein und schlage sie todt.« »Das wäre doch zu viel«, meinte Massafadiga, »ich habe sie euch gefangen, nun tödten und sie nach Hause tragen möget ihr selbst, wenn ihr ein Riese seid.« Der Riese trat hierauf ans Fenster, erschoss die Bären und schleppte sie keuchend nach Hause.
Da aber hielten die Eheleute wieder Rath und es ward beschlossen, einen ungeheuren Nussbaum zu fällen, den der Riese beim Sturz so wenden sollte, dass er den Knecht zerschmettere.
Als sie beim Baume angelangt waren, begehrte der Riese die Hacke, und da Massafadiga sie nicht mit hatte, so schmähte er ihn. »Herr!« sagte dieser, »die Hacke hat die Frau in der Küche, aber ich werde sie gleich holen.« Und da lief er zur Riesin und sagte: »Frau, ihr sollt mir die Schlüssel zum Gelde geben.« Die Riesin aber traute ihm nicht, sondern trat auf einen Vorsprung vor dem Hause und rief zu ihrem Manne auf die Wiese hinab: »Du, Mann! soll ich sie ihm geben?« »Nun ja«, rief der Riese in der Meinung zurück, der Knecht habe die Hacke verlangt; worauf ihm die Riesin die Schlüssel gab. Er steckte das Geld zu sich und lief mit möglichster Eile in den Wald.
Lange war er schon gelaufen, da traf er einen Hirten, diesem kaufte er für ein Goldstück das schlechteste der Schafe ab, tödtete es und warf die Eingeweide auf den Weg. »Hier habt ihr«, sagte er zum Hirten, »Haut und Fleisch von dem Schafe und noch ein Goldstück, aber thut mir den Gefallen: Wenn ein Riese gelaufen kommt und nach mir fragt, so zeigt ihm die Eingeweide auf dem Wege und sagt zu ihm: O Herr! den könnt ihr schwerlich mehr einholen, der hat sich mit meinem Messer den Bauch aufgeschnitten und seine Eingeweide weggeworfen, um schneller laufen zu können.« Als dem Riesen das Warten beim Nussbaum zu lange geworden war, ging er selbst ins Haus hinauf und erfuhr, was vorgefallen war. So geschwind er konnte, eilte er dem Flüchtigen nach. Da stiess er zu seinem Unglück auf den nämlichen Hirten, und als er dessen Erzählung vernommen und die weggeworfenen Eingeweide sah, entschloss er sich zur nämlichen Operation, fand sich aber im Laufen nicht erleichtert. Er stürzte bald zu Boden und gab den Geist auf.

[Italien: Georg Widter/Adam Wolf: Volksmärchen aus Venetien]

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