Mike Fink, der berühmte Schiffer und noch berühmtere Scharfschütze, fuhr mit einer Ladung Salz flussabwärts.
„Kapitän“, sagte eines Tages der Schiffsjunge, „ das Fleisch ist alle. Was soll ich heute zu Mittag kochen?“
„Wart ein Weilchen“, rief ihm Fink zu, „ ich werde mir etwas ausdenken.“ Auf der Wiese am Fluß weidete eine große Herde Schafe, die von einem Schäferhund bewacht wurde. Mike Fink steuerte das Boot zum Ufer. Er öffnete eine Kiste, holte daraus eine Schachtel mit Schnupftabak hervor und steckte sie in die Tasche. Dann stieg er ans Ufer, warf dem Schäferhund ein Stück Brot zu und lief zu den Schafen. Danach rief er dem Schiffsjungen zu, er solle schnell in die nahe Farm laufen und dem Farmer bestellen, dass er sofort zum Fluß kommen müsse. „ Sag ihm“, rief er dem Schiffsjungen noch nach, „ dass alle seine Schafe verenden werden, wenn er nicht gleich da ist.“
Nach einer Weile kam der Schiffsjunge zurückgelaufen, ihm auf den Fersen ein dicker Farmer. „ Da schaut Euch die Bescherung an“, sagte Mike Fink und zeigte auf die Herde. Die Schafe niesten, prusteten, wischten sich die Mäuler im Gras und taumelten wie betrunken. „ Da bin ich aber baff!“ wunderte sich der Farmer, „ noch heute früh waren alle in bester Ordnung. Was mögen sie jetzt nur haben?“
„ Ihr wisst es nicht?“ Und Ihr seid ein Farmer?“ rief Fink mitleidig aus. „ Habt ihr denn noch niemals von der Rinderpest gehört?“ Der Farmer erschrak: „ Ihr glaubt wirklich meine Schafe hätten die Rinderpest?“
„ Ich glaube es nicht nur, ich weiß es. Die Rinderpest erkennt man doch auf den ersten Blick. Die Seuche hat alle Weideplätze oben am Fluß heimgesucht, unzählige Schafe und Kühe liegen in der Prärie, alle viere von sich gestreckt. Zwei Farmer haben über diesem Unglück schon den Verstand verloren.“
„ Und gibt es gegen diese schreckliche Krankheit denn keine Arznei?“ stotterte der dicke Farmer. Mike Fink seufzte: „ Da gibt es nur eine einzige Arznei, nämlich die angesteckten Schafe zu erschießen, damit sich die Seuche nicht auf die ganze Herde verbreitet.“ „Aber wie kann ein Mensch alle fünf angesteckte Schafe von einer großen Herde abteilen und sie erschießen?“ Es gibt nur einen Mann in der Gegend, der das zuwege bringt, und der bin ich, Mike Fink.“ Der Farmer lachte übers ganze Gesicht: „ Nun, das ist etwas anderes, da sag ich kein weiteres Wort, wenn Mike Fink hier ist, bin ich ohne Furcht. Hättet Ihr also die Liebenswürdigkeit mir zu helfen, die kranken Schafe zu erschießen und zu vergraben?“ Aber Mike Fink ließ sich bitten.
„ Ich weiß nicht, Farmer, wäre es nicht besser, Ihr beratet Euch noch mit den übrigen Farmern in der Umgebung? Vielleicht irre ich mich. Und dann, wenn wir die Schafe vergraben, könnte sie der Schakal in der Nacht ausgraben und die Seuche auf die ganze Herde übertragen.“ Der Farmer wollte nun Fink überreden, er solle die erschossenen Schafe in den Fluß werfen. „ Gott behüte!“ wehrte sich Mike Fink, „ das Wasser verbreitet die Ansteckung so leicht, dass in einer Woche die ganze Gegend von der Rinderpest befallen wäre.“
„ Und wie, wenn Ihr die paar Schafe auf Euer Schiff nehmt und sie dann an einem öden Platz vergrabt, wo es keine Schafe gibt?“ versuchte der Farmer Fink zu überreden. “ Das wäre vielleicht möglich – vielleicht sage ich“, sprach Mike Fink nachdenklich, „ aber umsonst könnt Ihr das nicht von mir verlangen.“ „ Ich will es ja nicht umsonst von Euch“, sagte der Farmer freudig, Ihr bekommt ein Fässchen Pfirsichschnaps, wenn Ihr mir aus dem Schlamassel helft.“
Mike Fink willigte großmütig ein und zog seine Pistole aus der Tasche. Zum Abendessen gab es Lammbraten und duftenden Pfirsichschnaps. Und der Mond blinzelte schelmisch auf Mike Fink, den berühmten Schiffer, und den noch berühmteren Scharfschützen herab.
Quelle:
Nordamerika