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Märchenbasar

Nabala

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Es waren einmal zwei Brüder; der ältere hieß Nabala, der andere Kalelo und ihre Schwester wurde Bembuang genannt. Nabala war mit Mekonda verheiratet, die sieben Brüder hatte und sämtlich Aralung hießen.
Nabala sagte eines Tages zu seinem jüngeren Bruder und sieben Schwägern: »Wir wollen eine Seereise machen, und heute in acht Tagen wollen wir abreisen.« Sein Bruder antwortete ihm: »Herrlich, wir sollen eine Seereise machen und haben noch nicht einmal ein Fahrzeug!« Nabala erwiderte: »Was soll’s denn? Wenn neun Mann einen Baumstamm behauen, sollte dann nicht in acht Tagen daraus ein Fahrzeug werden können?« Und er sprach weiter: »Morgen wollen wir einen Baum umhauen.«
Nabala stand noch vor Tagesanbruch auf, setzte sich auf die Treppe und sagte zu seinem Bruder und den Schwägern: »Schleift die Äxte und macht die Beile scharf.« Sogleich begannen der Bruder und die Schwäger mit der Arbeit. Als sie damit fertig waren, sagte Kalelo, der unten an der Treppe stand: »Die Äxte sind geschliffen, die Beile scharf; wir brauchen uns bloß noch auf den Weg zu machen.«
Kalelo und die sieben Aralung gingen nun fort, um einen Baum zu fällen. Unterwegs kroch eine Schlange quer über ihren Weg. Als sie dies gesehen hatten, kehrte Kalelo um, um seinem Bruder davon zu erzählen, denn dies mußte doch eine Vorbedeutung haben. Als Kalelo die Treppe hinaufstieg, fragte ihn Nabala:

»Nach dem Erlebnis werde ich fragen,
Die Geschichte sollst du mir nun sagen;
Was ist dir widerfahren, o mein Kalelo?«

Der Bruder antwortete:

»Willst du nach dem Erlebnis fragen,
Nun, die Geschichte will ich dir schon sagen:
Eine Schlange kroch mir über den Weg.«

Als Nabala das vernommen hatte, neigte er den Kopf zur Seite und sagte:

»Das habe ich mir wohl gedacht,
Und diesen Sinn hab‘ ich mir d’raus gemacht:
Die Vorbedeutung wird schon gut sein, mein Kalelo.«

Da zog Kalelo wieder in den Wald und suchte einen Baum. Als sie einen passenden Baum gefunden hatten, wollten sie ihn umhauen. Doch schon beim ersten Schlag seufzte ein Lenduvogel und flog vom Baum auf. Kalelo begab sich daher wieder zu seinem Bruder, um ihm die Geschichte zu erzählen. Und als Nabala ihn kommen sah, fragte er wieder:

»Nach dem Erlebnis werde ich fragen,
Die Geschichte sollst du mir nun sagen;
Was ist dir widerfahren, o mein Kalelo?«

Kalelo erwiderte:

»Willst du nach dem Erlebnis fragen,
Nun, die Geschichte will ich dir schon sagen:
Der Lendu seufzte und flog vom Baum.«

Als Nabala dies hörte, meinte er: »Kalelo, wenn es wirklich ein Vorzeichen sein soll, dann hat es nur eine glückverheißende Bedeutung.« Ihre Schwester Bembuang hatte alles mit angehört; so kam sie denn aus dem Hause heraus und sprach:

»Wollt ihr nun meine Meinung befragen?
Darf ich euch meine Ansicht sagen?
Dann geht und sucht einen andern Kahn!«

Nabala entgegnete jedoch darauf:

»Bembuang! Vorzeichen, die kümmern uns nicht;
Vorzeichen, die führen stets hinters Licht,
Und darum wende ich ihnen den Rücken.«

So zog denn Kalelo wiederum aus, und sie setzten die Arbeit munter fort. Und sieh‘ da! Als der Baum umfiel, bogen sich seine sämtlichen Äste nach unten. Deshalb begab sich Kalelo wieder zum Nabala, der ihn wie vordem ausfragte. Kalelo antwortete: »Die Äste des Baumes bogen sich sämtlich nach unten.« Nabala sprach:

»Kalelo, soll dies ein Vorzeichen sein,
So setzet nur fort das Hauen fein.
Die Vorbedeutung ist ja vortrefflich.«

Sie behauten darauf den Baumstamm, bis sie ihn umdrehen konnten, und kehrten dann aus dem Walde nach Hause heim. Am andern Morgen gingen sie wieder in den Wald, um ihre Arbeit zu beenden. Da erblickten sie eine weiße Taube, die ein Raubvogel getötet hatte und die in den halbfertigen Kahn gefallen war. Diesmal gingen sie aber nicht erst heim, um dem Nabala das Erlebnis mitzuteilen, sondern fuhren in ihrer Arbeit fort. Noch am selben Tage konnte der Kahn zum Hause hinuntergetragen werden. Als sie ihn vor dem Hause niedersetzten, kam Nabala die Treppe herunter, um sich das Werk anzuschauen und nach ihren Erlebnissen zu fragen. Kalelo erzählte ihm: »Ich fand im Boote eine weiße Taube, die ein Raubvogel getötet hatte.«
Sie vollendeten dann emsig den Kahn, und am sechsten Tage stand er fertig da. Nun verabredeten sie sich: »Laßt uns geschwind die Reise antreten, da das Boot fertig ist.« Nabala wollte noch nicht, doch die sieben Aralung sagten: »Wir segeln los.« Als Nabala einsah, daß er seine Schwäger nicht überreden konnte, setzte er die Stunde der Abfahrt fest:

»Bei Tagesanbruch schiebt den Kahn ins Meer,
Beladet ihn, macht ihn schwer,
Dann wollen wir fortsegeln.«

Und in aller Frühe schoben sie das Boot ins Wasser und beluden es mit mancherlei Dingen. Während sie nun draußen beschäftigt waren, rief Nabala seinen Diener herbei und sagte:

»Du niedriger Sklave, du ärmliche Knechtsseele, dich rufe ich:
Rasple mir Nüsse, das Haar damit zu fetten,
Schabe mir Nüsse, das Haar damit zu glätten.
Mit deinen Nägeln sollst du raspeln, die Finger beim Schaben rühren!
Schau dich um nach Limonen, mit denen das Fleisch man würzet.
Hast alles beschafft du, will erst das Bad ich verspüren.«

Darauf luden Nabala und Mekonda einander zum Baden ein; und als sie ans Wasser gekommen waren, sagte Nabala zu seiner Frau:

»Jetzt wollen wir uns baden, zusammen wollen wir baden,
Dort, wo der Fluß sich verzweigt, dort, wo das Wasser sich teilt;
Einer um den andern soll mit der Raspelnuß das Haar sich fetten,
Wechselweise mit dem Steine die Glieder sich glätten
Und mit der Lili-Pflanze alsdann in wohligen Geruch sich versetzen.«

Mekonda aber entgegnete:

»Dort, wo der Fluß sich verzweigt, will ich nicht baden, auch nicht im sich teilenden Wasser,
Anders schwimmt der Schmutz stromabwärts und mit ihm der Unrat,
Lagert sich ab an den Ufern, bleibt liegen an den Gestaden;
Damit die Wellen ihn nicht fassen, die Wogen ihn mitnehmen,
Will im Brunnen ich baden, im tiefen und stillen Wasser,
Dann erst soll einer um den andern mit Raspelnuß die Haare sich fetten,
Wechselweise mit dem Steine die Glieder sich glätten
Und mit der Lili-Pflanze alsdann in wohligen Geruch sich versetzen, die Limonen schneiden, mein Nabala!«

Sie blieben beide lange im Wasser, und der Tag ging schon zur Neige, als sie sich auf den Heimweg machten. Als sie zu Hause ankamen, war der Tisch schon gedeckt, und einer lud den andern zum Essen ein. Nabala sagte zu Mekonda:

»Laßt uns noch einmal gemeinsam speisen,
Noch einmal jetzt die Mahlzeit teilen.
Noch einmal uns am hartgebackenen Sago erfreuen.«

Und als sie mit dem Essen fertig waren, sagte Nabala wieder zu Mekonda:

»Laßt uns noch einmal den Betel genießen,
Gemeinsam hier die Sirih kauen,
Noch einmal hier die Pinang beißen, meine Mekonda!«

Dann fuhr er weiter fort:

»Packe die Kisten aus, liebe Mekonda, laß die Hüte heraus,
Auf der Fahrt werden wir ihrer benötigen.
Und bleibst du zurück, während ich auf der Fahrt mich befinde,
Bist du vereinsamt, wo ich auf dem Meer mich herumtreibe,
Sichere unseren Hof mit den unentfalteten Blättern der Kokos,
Daß kein Feind ihn betritt, zerstört werden sie nach meiner Heimkehr.
Blas nicht die Flöte am Abend,
Auch am Tage heiße sie schweigen,
Es möchte ansonst die Brust mir zerreißen,
Das Herz mir sprengen vor Sehnsucht.«

Darauf ging Nabala die Treppe hinunter; noch einmal warnte ihn die Hauseidechse durch ihr Rufen; er bekümmerte sich jedoch nicht darum und stieg herab. Während er auf der Treppe war, zerbrach eine Sprosse; trotzdem hielten ihn alle diese bösen Vorzeichen nicht zurück, sondern er begab sich an Bord; auch Mekonda vermochte nicht, ihn von seinem Vorhaben abzubringen.
Kaum war er an Bord, da fiel ein Blutregen, auch zerbrach der Mast; trotzdem lichteten sie den Anker und fuhren von bannen.
Als sie auf dem Meere waren, überraschte sie ein gewaltiger, tobender, tosender Sturm, so daß sie kein Land sichteten. Darob bekamen die sieben Aralung Lust, sich des Nabala zu entledigen, und wendeten alle Überredungskunst auf, daß er sich schlafen legte, solange noch genug Segelwind vorhanden war. Er antwortete: »Geht nur schlafen, ich steuere das Fahrzeug und halte Wache.« Und schließlich übermannte sie der Schlaf, und Nabala steuerte allein das Schiff.
Acht Monate lang trieben sie sich auf dem Meere umher, und Nabala hatte noch nicht einmal die Augen zum Schlafen zugemacht. Als gar ein Jahr verstrichen war, da zwangen ihn die sieben Aralung zum Schlafe; er legte sich nieder, und Kalelo übernahm das Steuer.
Während Nabala in tiefem Schlaf versunken war, überfielen die sieben Aralung den Kalelo und warfen ihn ins Meer. Es war sein Glück, daß er sich an das Steuerruder anklammern konnte. So kam er nicht um.
Darauf versuchten sie Nabala beiseite zu schaffen; sie konnten ihn jedoch nicht einmal verwunden. Neun Tage lang versuchten sie es vergeblich, ihm etwas zuleide zu tun; er schlief geruhig weiter, mochten sie ihn angreifen und nach ihm hauen so viel sie wollten.
Erst nach zehn Tagen erhob sich Nabala wieder. Er ging nach hinten, setzte sich hin und sagte zu den Sieben, die ihn zu ermorden trachteten: »Wenn ihr mich denn durchaus umbringen wollt, dann bedient euch meines Dolches; eher vermöcht ihr mich nicht zu töten.« Da nahmen sie den Dolch des Nabala und durchstachen sein Herz. So kam er um.
Als Nabala tot war, kletterte Kalelo wieder an Bord und sagte: »Ihr habt meinen älteren Bruder umgebracht, nicht wahr?«
Da schlossen die Sieben auch um ihn einen Kreis und wollten ihn töten; sie vermochten jedoch nicht, ihn zu fangen. Und zum Schlusse war Kalelo ihnen allen zusammen doch überlegen, und er erschlug sie der Reihe nach. Darauf hob er seinen Bruder auf, trug ihn in die Kajüte und warf die übrigen über Bord. Dann fuhr er heim.
Daß Nabala getötet wurde, spürte Mekonda während des Schlafes im Traume. Noch früh am Morgen bat sie ihre Schwägerin Bembuang zu sich und sagte:

»Sei doch lieb und gehe hinaus und lasse dir weissagen,
Geh‘ ins Dorf hinab, das Orakel befragen:
Welche Bedeutung hatte der Traum, was sollte das Gesicht mir künden?
Wird Nabala nimmermehr zu mir den Rückweg finden?«

Bembuang befragte wirklich das Orakel, und es kündete ihr, daß Nabala nicht mehr unter den Lebenden weilte. Sie ging heim und sagte:

»Auf dein Geheiß hin ging ich und ließ mir weissagen,
Weil du es wolltest, tat ich das Orakel befragen.
Wahr ist, was der Traum hat verraten
Und der Schlaf dir tat offenbaren:
Tot ist mein Bruder, tot!«

Bald hernach sichtete Kalelo die Heimat. Als er näher kam, erkannte Mekonda die Segel und sagte:

»Täuschen sich nicht meine Augen,
Irret jetzt sich nicht mein Blick,
Nähert nun sich dort das Segel,
Ist’s das Segel, Segel von Nabala,
Segel deines älteren Bruders, meine Bembuang!«

Als das Boot landete, erkannte man, daß Kalelo gekommen war, und nur er allein. Mekonda und Bembuang begaben sich an den Strand, um ihm entgegenzugehen. Sie gingen an Bord und fragten nun Kalelo:

»Nach deinem Bruder, Kalelo, will ich dich fragen,
Von ihm, dem Älteren an Jahren, sollst du mir sagen;
Wo blieb er, dein älterer Bruder?«

Kalelo antwortete:

»Fragt ihr mich jetzt, ihr Weiber, nach meinem älteren Bruder,
Soll ich erzählen von ihm, der älter an Jahren;
Wo draußen die Inseln liegen,
In der Tiefe des Meeres ist er geblieben,
Blieb, um die Inseln zu zählen,
Ja, alle Inseln zu zählen.«

Sie schenkten Kalelo jedoch keinen Glauben und fragten ihn zum andern Male. Da konnte er das Geheimnis nicht länger verschweigen und sagte:

»Wollt ihr nun doch im Fragen verharren:
Hört an, im Meere blieb er dort drüben,
In der Tiefe ist er geblieben;
Er blieb, weil sie ihn töteten,
Er blieb, da sie ihn mordeten;
Nur das Haar wurd‘ ihm abgeschnitten,
Der Schmuck seines Hauptes geschoren,
Kalelo hat es ihm geschnitten,
Mit dem Dolche hat er es geschoren.
Die Sirih-Dose nahm es auf,
Die Pinang-Dose bewahrt es auf,
Die Dose, darinnen der Kamm liegt,
Inmitten dessen er zu stecken pflegt,
Und liegt tief unten im Schiffe.«

Als Mekonda dies hörte, sagte sie:

»Nun will ich schlafen ein ganzes Jahr,
Ein ganzes Jahr lang will ich schlafen.
Ruhen soll nun die Pinangdose auf meinem Schoße,
Unter einer Decke will ich mich strecken mit der Dose.«

Während sie schlief, träumte sie von ihrem Gatten Nabala:

»Jetzt gehe heim, und bist du im Hause,
Fege und schmücke es prächtig,
Türme und schüttle die Kissen, und sorge
Für einen weißen, mit Wasser gefüllten Napf.
Am dritten Tage darnach bei ihm erschein‘,
Dann werde ich wieder lebendig sein.«

Und sieh‘ da! Am dritten Tage sah man Nabala da sitzen! Als sie ihn auf dem Schiffe erstochen und über Bord geworfen hatten, hatte ihn ein Nautilus aufgefangen und ans Land getragen.

So waren sie denn alle wieder beisammen und wohnten, die Brüder und ihre Frauen, gemeinsam im alten Hause, das schon ziemlich baufällig war. Nabala sprach daher zum Kalelo: »Wir wollen uns ein neues Haus bauen.« Und in kurzer Zeit hatten sie es geschafft und stand ein anderes an der Stelle. Als das Haus fertig war, nisteten sich dort neun Kaliawo- Vögel ein, die sprachen:

»Verkehrt, Nabala, verkehrt ist dein Haus,
Und nicht gut deine Wohnung.
Nabala, tatest du uns fragen,
Dürften wir dir unsere Meinung sagen:
Dann baue das Haus an den Weg,
Errichte, wo hin und her man läuft, die Pfähle.
Erst dann sei es das Haus des Nabala,
Das Heim des Kalelo.
Dann erst fröhne den Wünschen,
Erfüll‘ die Begierden,
Das Begehren deiner Gemahlin,
Erfüll‘ die Sehnsucht deiner Schwester:
Hol‘ ihnen das Schermesser,
Die Klinge aus fremdem Land.«

Nabala entgegnete:

Es gibt einen Spruch von meinen Ahnen,
Es sind ihre Worte, die mich nun mahnen:
Niemand wird es je finden,
Keiner wird es ergründen,
Keinem ist Kunde gegeben,
Daß er zu finden es wird vermögen.

Doch Bembuang sagte:

»Bruder, den Kopf wende um,
Nach rückwärts schaue dich um:
Was erklingt dort hinterm Rücken
Und tönt hinter deinem Rücken?«

Nabala erwiderte:

»Schweig‘ stille doch, schweig‘ stille,
Sei leise doch, sei stille;
Es gibt noch ein Verbot der Ahnen,
Noch andere Worte vermahnen,
Und sind Worte eines Mannes, der weissagt.«

Und Kalelo fügte hinzu:

»Bruder, darf ich so sprechen, wie es das Herz mir bewegt,
Darf ich dir sagen, was in das Gemüt mir gelegt,
Dir meine Gedanken verklaren,
Dann laß hinweg uns fahren.
Holz wollen wir suchen, ein Fahrzeug, ein Schiff zu erbauen.
Darauf wollen von der Reise wir reden,
Erzählen, daß wir nun werden aussegeln.
Mit verschiedenen Hüten wollen wir prunken,
Die mannigfaltigsten Bedeckungen uns wünschen,
Verabschieden dann die Gemahlin,
Lebewohl der Schwester sagen;
Und dann wollen wir segeln, ja segeln,
Deinen Wünschen zu fröhnen,
Deine Sehnsucht zu erfüllen, liebe Bembuang.«

Und wieder sprach Bembuang:

»Willst reden du von der Reise,
Prahlen nun über die Reise:
Bruder, so fahre doch los, mit der Wasserhose als Fahrzeug,
Ja, mit der Wasserhose als Schiff.«

Als Mekonda jedoch diese Worte von der Bembuang vernahm, da sagte sie:

»Sprich also nicht, du red’st von einem verbotenen Fahrzeug,
Von einem Schiff, das man nicht nennt;
Ging es nach mir, wie mir es ums Herz ist,
Und was im Gemüt sich mir regt:
Wollt ihr nun wirklich reisen,
Dann nehmt den Mond zum Schiffe,
Der Mond sei euer Fahrzeug,
Als Segel hißt eine Wolke,
Die Gestirne seien eure Paddeln
Und der Pohiama euer Steuer.
Dann erst unternehmt eure Reise,
Führt eure Meerfahrt aus.
Dann erst ist’s Zeit, den Sirih hervorzuholen,
Dann erst ist’s Zeit, die Betelnüsse zu knacken, mein Nabala!«

Und Mekonda fuhr weiter fort:

»Und nun bitte ich euch, ein Geschenk von mir mitzunehmen,
Eine Gabe zu überbringen;
Reicht ein Geschenk dem Stamme,
Bringt eine Gabe der Wurzel;
Gebt ein Geschenk dem König von Holland,
Dem Hause der Großen Gesellschaft.
Und so der Holländer sich verneigt
Und der Weiße die Gaben prüfet;
Dann sprecht: Es ist ein Geschenk von Mekonda.
Dann erst geht auf die Reise,
Führt eure Seefahrt aus.«

Als das Fahrzeug klar war und sie die Reise antreten wollten, sprach Bembuang:

»Dürft‘ ich dir sagen, mein Bruder, was jetzt mein Herz empfindet,
Dürft‘ ich dir sagen, was nun das Herz zu mir spricht,
Dreh‘ um dein Schiff, fahre rückwärts,
Zieh‘ auf den Strand dein Schiff, bringe es heim,
Denn ich fürchte mich vor dem Meere
Und ich bange vor der weiten, wogenden See. –
Schau dort drüben! Segel verschließen die Kimmung,
Segel verdunkeln das Meer.
Wer soll dir die Frau verteidigen,
Wer deine Schwester beschützen?
Wer soll uns Weiber beschirmen?
Wohin soll ich fliehen, lieber Bruder?
Es nahen ja die Schiffe der Feinde!«

Nabala hörte alles gelassen mit an und sagte dann zu seiner Schwester:

»Ich ziehe mich nun zurück und will schlafen,
Schlafen will ich und ausruhen;
Niemand soll mich wecken, unter keiner Bedingung,
Auf keinen Fall will ich geweckt oder gestört werden,
Denn schlafen will ich und ausruhen!
Bange doch nicht, liebe Bembuang,
Und fürchte dich nicht mehr,
Vertreibe die Furcht dir aus dem Herzen
Und die Angst aus deinem Gemüte:
Du bist im Recht, es sind die Schiffe der Angreifer,
Die Fahrzeuge der Feinde.
Begib dich nur jetzt zu den Weibern,
Hinauf ins Gemach der Prinzessin,
Und schau nach den Segeln,
Acht‘ auf den Kurs der Kähne
Und sieh‘, wohin sie sich wenden,
Nach welchem Strande sie steuern,
Ob nicht vielleicht an unsrem Gestade sie landen.«

Und Mekonda setzte hinzu:

»Ich rufe jetzt meinen Sklaven, den Hüter der Ordnung,
Meinen Diener, den Ausrufer, und werd‘ ihm befehlen:
Geh‘ hinaus an den Strand,
Auf den Weg dich mache nach dem Gestade,
Erkundige dich dort nach den Schiffen
Und laß belehren dich über die Fahrzeuge:
Sind es Schiffe der Angreifer,
Sind es Schiffe der Feinde?
Stellen sie Weibern nach,
Und begehren sie der Prinzessin?«

Der Diener ging nach dem Strande hinab, um Erkundigungen einzuziehen. Und als er die Schiffsleute befragte, in welcher Absicht sie gekommen waren, antwortete sie ihm:

»Du fragst hier nach den Schiffen
Und willst wissen, weshalb wir kommen mit den Fahrzeugen:
Raubschiffe führen wir und stellen nach den Weibern,
Die Prinzessin zu besitzen, führt uns hierher.
Schau dich um nach tapferen Männern!«

Da kämpften Nabala und Kalelo gegen die Räuber und erschlugen fast alle. Nur wenige entrannen und kehrten zurück, die die Nachricht in die Heimat bringen konnten. Erst darnach unternahmen Nabala und Kalelo ihre Reise. Doch kehrten sie davon nicht wieder zurück. Sie verzankten sich und erschlugen einander im Streite. So kamen sie beide ums Leben.
Als Bembuang und Mekonda die Kunde vernahmen, daß Nabala und Kalelo nicht mehr waren, wurden sie des Lebens überdrüssig und gaben sich selber den Tod.

[Paul Hambruch, Malaiische Märchen aus Madagaskar und Insulinde, Märchen der Welt]

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