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Märchenbasar

Östlich von der Sonne und westlich vom Mond

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Es war einmal ein armer Kätner, der hatte viele Kinder; er war aber so arm, dass er ihnen weder ordentlich zu essen noch Kleider geben konnte; dennoch waren die Kinder alle sehr schön, aber am schönsten von allen war doch die jüngste Tochter. Nun war einmal an einem Donnerstagabend im Spätherbst ein ganz abscheuliches Wetter draußen; es war stockfinster, und dabei regnete und stürmte es, dass die Fenster krachten. Die ganze Familie saß um den Kamin herum, und jeder war mit seiner Arbeit beschäftigt. Plötzlich klopfte es dreimal laut ans Fenster. Der Mann ging hinaus und wollte nachsehen, was das war, und als er hinauskam, stand da ein großer weißer Bär. „Guten Abend“, sagte der Bär. „Guten Abend“, sagte der Mann. „Willst du mir deine jüngste Tochter zur Frau geben?“ fragte der Bär, „dann will ich dich so reich machen, wie du jetzt arm bist.“ Dem Mann deuchte das nicht übel, aber er meinte, er müsste doch erst mit seiner Tochter sprechen, ging hinein und erzählte ihr alles. Das Mädchen sagte aber nein und wollte nichts von dem Handel wissen. Da ging der Mann wieder hinaus, sprach gütlich mit dem Bären und sagte, er solle nur am nächsten Donnerstagabend wiederkommen; mittlerweile wolle er schon sehen, was bei der Sache zu tun sein. Sie redeten nun auf das Mädchen ein und schwatzten ihr allerlei vor von dem großen Reichtum, zu dem sie gelangen würden, und wie gut sie es selbst bekäme. Da gab sie denn endlich nach, wusch ihre paar Lappen, die sie hatte, putzte sich heraus, so gut sie konnte, und machte sich reisefertig.
Als am nächsten Donnerstagabend der Bär wiederkam, ja, da setzte sich das Mädchen mit ihrem Bündel auf seinen Rücken, und fort ging’s. Als sie ein gutes Ende weit gekommen waren, fragte der Bär sie: „Bist du auch nicht bange?“ Nein, das war sie ganz und gar nicht. „Halt dich nur immer gut an meinen Zotteln fest“, sagte der Bär, „dann hat’s keine Not.“
Nun ritt sie auf dem Rücken des Bären weit, weit in die Welt hinaus – kein Mensch kann sagen, wie weit es eigentlich war -, und zuletzt kamen sie zu einem großen Felsen. Da klopfte der Bär an, und nun öffnete sich eine Pforte, durch die sie in ein großes Schloss gelangten. Drinnen waren viele erleuchtete Zimmer, und alles strahlte von Gold und von Silber; und es war da auch ein großer Saal, und in dem Saal stand ein Tisch, der war mit den herrlichsten Gerichten besetzt. Nun gab der Bär ihr eine silberne Glocke und sagte, wenn sie sich irgendetwas im Schloss wünsche, dann solle sie nur damit klingeln, dann würde sie es sogleich bekommen. Wie sie nun gegessen und getrunken hatte und gegen Abend müde wurde und sich zu Bett legen wollte, klingelte sie nur mit der Glocke – und sogleich öffnete sich eine Kammer, in der ein aufgeschlagenes Bett stand, so schön, wie man’s sich nur wünschen konnte, mit seidenen Kissen und Vorhängen mit Goldfransen, und alles, was sich in der Kammer befand, war ebenfalls von Gold und Silber. Wie sie aber nun das Licht gelöscht und sich ins Bett gelegt hatte, kam ein Mensch und legte sich zu ihr, und so geschah es jede Nacht. Sie bekam ihn jedoch nie zu sehen, denn er kam immer erst, wenn sie das Licht schon gelöscht hatte, und ging wieder fort, ehe es noch Tag wurde.
So lebte sie nun eine Zeitlang ruhig und zufrieden; aber endlich bekam sie eine so große Sehnsucht, ihre Eltern und Geschwister wieder zu sehen, dass sie ganz still und traurig wurde.
Da fragte der Bär sie eines Tages, was ihr fehle, da sie immer so still und nachdenklich sei. „Ach“, sagte sie, „es wird mir hier so eintönig im Schloss, denn ich möchte so gern meine Eltern und meine Geschwister einmal wieder sehen.“ – „Das lässt sich schon machen“, sagte der Bär, „aber du musst mir versprechen, dass du nie mit deiner Mutter allein reden willst, sondern nur, wenn die anderen zugegen sind; denn sie wird dich wohl bei der Hand nehmen und dich in eine Kammer führen wollen, um mit dir allein zu sprechen. lässt du dich aber darauf ein, so machst du mich und dich unglücklich.“ Nein, sagte das Mädchen, sie wolle sich schon in Acht nehmen.
Am Sonntag kam der Bär und sagte, jetzt könne sie die Reise zu ihren Eltern antreten. Sie setzte sich nun auf seinen Rücken, und fort ging es. Wie sie nun eine lange Zeit gereist waren, kamen sie zu einem großen weißen Schloss, da gingen ihre Geschwister aus und ein und spielten, und alles war da so schön und prächtig, dass es eine Lust war. „Da wohnen deine Eltern!“ sagte der Bär. „Vergiß nun nicht, was ich dir gesagt habe, denn sonst machst du dich und mich unglücklich.“ Nein, sie wollt’s nicht vergessen, sagte das Mädchen und ging ins Schloss, der Bär aber kehrte wieder um.
Wie nun die Eltern ihre Tochter wieder sahen, freuten sie sich so sehr, dass es gar nicht zu sagen ist, und konnten ihr nicht genug danken für das, was sie für sie getan hatte. Sie erzählten ihr, wie gut sie es nun hätten, und fragten sie, wie es ihr denn ginge. Oh, ihr gehe es auch recht gut, sagte das Mädchen, sie habe alles, was sie sich nur wünsche. Was sie noch weiter sagte, weiß ich nicht recht; aber ich glaube, sie gab ihnen doch keinen ordentlichen Bescheid.
Am Nachmittag, als sie gegessen hatten, geschah es, wie der Bär ihr gesagt hatte; die Mutter wollte mit der Tochter allein in der Kammer sprechen; aber das Mädchen dachte an die Worte des Bären und wollte nicht mit ihr gehen und sagte: „Oh, das, was wir zu besprechen haben, können wir doch hier besprechen.“ Nun weiß ich aber nicht recht, wie es kam, die Mutter überredete sie zuletzt doch, und da musste sie ihr denn alles erzählen, was sie wusste. Sie erzählte ihr auch, wie des Abends, wenn sie das Licht ausgemacht habe, immer ein Mensch komme und sich zu ihr ins Bett lege. Sie bekomme ihn aber nie zu sehen, denn ehe es Tag werde, sei er immer fort, sagte sie, und darüber sei sie so betrübt, denn sie wolle ihn doch so gerne einmal sehen, und der Tag werde ihr so lang, weil sie immer so allein sei. „Wer weiß! Das ist gewiss ein Troll, der bei dir schläft!“ sagte die Mutter. „Wenn du aber meinem Rat folgen willst, so steh mal des Nachts auf, wenn er eingeschlafen ist, und zünde ein Licht an und sieh nach, was es für einer ist, aber nimm dich in acht, dass du keinen Talg auf ihn tröpfelst.“
Am Abend kam der Bär wieder und holte das Mädchen ab. Wie sie nun ein Ende weit gekommen waren, fragte er sie, ob es nicht so gekommen sei, wie er gesagt hätte. Ja, das konnte das Mädchen nicht leugnen. „Wenn du nun deiner Mutter gehorcht hast“, sagte der Bär, „dann machst du dich und mich unglücklich; und mit uns beiden ist dann die Freundschaft aus.“ Nein, sie würde es nicht tun, sagte sie.
Als sie nach Hause gekommen waren und das Mädchen sich ins Bett gelegt hatte, geschah es wieder wie sonst, es kam ein Mensch und legte sich zu ihr. In der Nacht aber, als sie hörte, dass er schlief, stand sie auf und zündete ein Licht an, und da sah sie nun im Bett den schönsten Prinzen liegen, den man nur sehen konnte, und sie verliebte sich so sehr in ihn, dass sie ihn augenblicklich küssen musste.
Da aber ließ sie drei heiße Talgtropfen auf sein Hemd fallen, so dass er davon erwachte. „Was hast du getan?“ rief er, als er die Augen aufschlug. „Nun hast du mich und dich unglücklich gemacht. Hättest du bloß das Jahr ausgehalten, so wäre ich erlöst gewesen; denn ich habe eine Stiefmutter, die hat mich verzaubert, so dass ich am Tage ein Bär und in der Nacht ein Mensch bin; aber mit uns beiden ist es nun aus, denn ich muss dich jetzt verlassen und wieder zu ihr reisen. Sie wohnt auf einem Schloss, das liegt östlich von der Sonne und westlich vom Mond, und da soll ich eine Prinzessin heiraten, die hat eine Nase, die ist drei Ellen lang.“ Das Mädchen fing an zu weinen und zu jammern, aber es war nun zu spät, er musste fort. Sie fragte ihn, ob sie denn nicht mit ihm reisen könne. Nein, sagte er, das gehe nicht an. „Kannst du mir denn nicht den Weg sagen, damit ich dich aufsuche?“ fragte sie. „Denn das ist mir doch wohl erlaubt?“ – „Ja, das kannst du gern“, sagte er, „aber es führt kein Weg dahin; denn das Schloss liegt östlich von der Sonne und westlich vom Mond, und dahin kommst du nie.“
Als sie am nächsten Morgen erwachte, waren der Prinz und das Schloss verschwunden, und sie lag nun auf der bloßen Erde, mitten in einem dicken, finsteren Wald und hatte wieder ihre alten Lumpen an, und neben ihr lag dasselbe Bündel, das sie von zu Hause mitgenommen hatte. Als sie sich den Schlaf aus den Augen gerieben und sich ausgeweint hatte, begab sie sich auf den Weg und wanderte viele, viele Tage lang, bis sie endlich zu einem großen Berg kam. Am Fuße des Berges saß eine alte Frau und spielte mit einem goldenen Apfel. Das Mädchen fragte sie, ob sie nicht den Weg wisse zu dem Prinzen, der bei seiner Stiefmutter auf einem Schloss wohne, das östlich von der Sonne und westlich vom Mond liege, und der eine Prinzessin heiraten solle mit einer Nase, die drei Ellen lang sei. “ Woher kennst du ihn?“ fragte die Frau. „Bist du vielleicht das Mädchen, das er heiraten wollte?“ Ja, sagte das Mädchen, das sei sie. „So, du bist es also!“ sagte die Frau. „Ja, mein Kind“, fuhr sie fort, „ich wollte dir gern helfen; aber ich weiß auch weiter nichts von dem Schloss, als dass es östlich von der Sonne und westlich vom Mond liegt, und dahin kommst du wohl nie. Ich will dir aber mein Pferd leihen, darauf kannst du zu meiner nächsten Nachbarin reiten, vielleicht kann sie dir den Weg sagen. Wenn du aber bei ihr ankommst, dann schlag das Pferd unter das linke Ohr und schick es wieder nach Hause; und dann nimm diesen goldenen Apfel, denn du kannst ihn vielleicht gebrauchen.“
Das Mädchen setzte sich nun auf das Pferd und ritt eine lange, lange Zeit; endlich kam sie wieder zu einem Berg, an dessen Fuß saß eine alte Frau mit einer goldenen Haspel. Das Mädchen fragte sie, ob sie ihr nicht den Weg sagen könne zu dem Schloss, das östlich von der Sonne und westlich vom Mond liege. Die Frau aber sagte ebenso wie ihre Nachbarin, sie wisse weiter nichts von dem Schloss, als dass es östlich von der Sonne und westlich vom Mond liege. „Und dahin wirst du wohl niemals kommen“, meinte sie. „Aber ich will dir mein Pferd leihen, darauf kannst du zu meiner nächsten Nachbarin reiten, vielleicht kann sie dir den Weg sagen. Wenn du aber bei ihr ankommst, dann schlag das Pferd unter das linke Ohr und schick es wieder nach Hause; und dann nimm diese goldene Haspel mit, denn du kannst sie vielleicht gebrauchen.“
Das Mädchen setzte sich nun auf das Pferd und ritt viele Tage und Wochen lang; endlich kam sie wieder zu einem Berg, und an dessen Fuß saß eine alte Frau und spann an einem goldenen Rocken. Das Mädchen fragte nun wieder nach dem Prinzen und dem Schloss, das östlich von der Sonne und westlich vom Mond liege. „Bist du es, die der Prinz heiraten wollte?“ fragte die Frau. „Ja“, sagte das Mädchen, aber die Frau wusste den Weg nicht besser als die beiden vorigen, „östlich von der Sonne und westlich vom Mond liegt das Schloss“, sagte sie, „und dahin kommst du wohl niemals. Ich will dir aber mein Pferd leihen, darauf kannst du zum Ostwind reiten – vielleicht kann der dir den Weg sagen. Wenn du aber bei ihm ankommst, dann schlag das Pferd unter das linke Ohr und schick es wieder nach Hause, und dann nimm diesen goldenen Rocken mit, denn du kannst ihn vielleicht gebrauchen.“
Sie ritt nun eine lange Zeit, und endlich kam sie zum Ostwind. Sie fragte ihn, ob er ihr nicht sagen könne, wie sie zu dem Prinzen komme, der auf dem Schloss wohne, das östlich von der Sonne und westlich vom Mond liege. „Ja, von dem Prinzen hab ich wohl reden hören und von dem Schloss auch“, sagte der Ostwind. „Aber den Weg kann ich dir nicht sagen, denn ich habe nie so weit geweht. Ich will dich aber zu meinem Bruder, dem Westwind, führen, vielleicht weiß der es, denn der ist viel stärker als ich. Du brauchst dich nur auf meinen Rücken zu setzen, dann will ich dich hintragen.“ Das Mädchen setzte sich nun auf seinen Rücken, und fort ging es. Als sie bei dem Westwind ankamen, erzählte ihm der Ostwind, er habe ein Mädchen mitgebracht, das den Prinzen heiraten wolle, der auf dem Schloss wohne, das östlich von der Sonne und westlich vom Mond liege, und fragte ihn, ob er nicht den Weg dahin wisse. „Nein“, versetzte der Westwind, „so weit habe ich nie geweht. Aber wenn du willst“, sagte er zu dem Mädchen, „so kannst du dich auf meinen Rücken setzen, dann will ich dich zum Südwind bringen, vielleicht kann der es dir sagen, denn der ist weit stärker als ich und weht und streift überall umher.“ Das Mädchen setzte sich auf seinen Rücken, und da dauerte es denn nicht lange, so waren sie beim Südwind angelangt. Der Westwind fragte ihn, ob er nicht den Weg zu dem Schloss wisse, das östlich von der Sonne und westlich vom Mond liege, denn das Mädchen, das er mitgebracht habe, wolle den Prinzen heiraten. „So?“ meinte der Südwind, aber den Weg wusste er auch nicht. „Ich hab mein Lebtag viel herumgeweht“, sagte er, „aber so weit bin ich nie gekommen. Doch wenn du möchtest“, sagte er zu dem Mädchen, „dann führe ich dich zu meinem Bruder, dem Nordwind, der ist der älteste und stärkste von uns allen, und wenn der dir den Weg nicht sagen kann, so erfährst du ihn niemals.“
Das Mädchen musste sich nun auf seinen Rücken setzen, und fort ging es, dass die Heide wackelte.
Es dauerte nicht lange, da kamen sie zum Nordwind; aber der war so wild und ungestüm, dass er ihnen schon von weitem lauter Schnee und Eis ins Gesicht blies. „Was wollt ihr?“ rief er, so dass es ihnen kalt den Rücken herunter lief. „Oh, du darfst nicht gleich so aufbrausen“, sagte der Südwind, denn ich bin es, dein Bruder, und das hier ist das Mädchen, das den Prinzen heiraten soll, der auf dem Schloss wohnt, das östlich von der Sonne und westlich vom Mond liegt, und nun wollte sie dich gern fragen, ob du nicht da herum Bescheid Wüsstest.“ – „Ja, ich weiß wohl, wo es liegt“, sagte der Nordwind, „ich habe mal ein Espenblatt dahin geweht, aber da war ich hinterher so müde, dass ich viele Tage lang nicht mehr wehen konnte. Wenn du aber durchaus dahin willst“, sagte er zu dem Mädchen, „und wenn du dich nicht fürchtest, so will ich dich auf meinen Rücken nehmen und zusehen, ob ich dich hinwehen kann.“ – ,Ja“, sagte das Mädchen, sie wolle und müsse dorthin, wenn’s nur auf irgendeine Weise möglich wäre, und bange sei sie ganz und gar nicht. – „Dann musst du die Nacht hier bleiben“, sagte der Nordwind, „denn wir müssen den Tag vor uns haben, wenn wir hin wollen.“
Früh am anderen Morgen weckte sie der Nordwind, blies sich auf und machte sich so groß und stark, dass es ganz entsetzlich war, und fort ging’s durch die Luft, als ob’s bis ans Ende der Welt gehen sollte. Da entstand ein so gewaltiger Sturm, dass ganze Dörfer und Wälder umgeweht wurden, und als sie übers große Meer kamen, versanken die Schiffe zu Hunderten.
Immer weiter ging’s über das Wasser, so weit, dass kein Mensch es glauben sollte; aber der Nordwind wurde schwächer und schwächer, und schließlich wurde er so schwach, dass er beinahe nicht mehr wehen konnte, und er sank tiefer und tiefer hinunter, und zuletzt wehte er so niedrig, dass die Wellen ihm an die Fersen schlugen. „Bist du bange?“ fragte er das Mädchen. „Nein, ganz und gar nicht“, sagte sie. Nun waren sie nicht mehr weit vom Land entfernt, und der Nordwind konnte sie gerade noch mit den letzten Kräften an den Strand und zu den Fenstern des Schlosses wehen, das östlich von der Sonne und westlich vom Mond lag. Nun war er aber auch so matt und hinfällig, dass er sich viele Tage lang ausruhen musste, ehe er wieder nach Hause konnte.
Am anderen Morgen setzte sich das Mädchen unter die Fenster des Schlosses und spielte mit dem goldenen Apfel, und als erste sah sie die Nasenprinzessin, die der Prinz heiraten sollte. „Was willst du für deinen goldenen Apfel haben?“ fragte sie das Mädchen und öffnete das Fenster. „Der ist nicht mit Gold noch mit Geld zu bezahlen“, erwiderte das Mädchen. „Wenn du ihn nicht verkaufen willst, weder für Gold noch für Geld, was willst du dann dafür haben?“ fragte die Prinzessin. „Ich will dir geben, was du verlangst.“ – „Ja, wenn ich eine Nacht bei dem Prinzen schlafen darf, dann sollst du ihn haben“, sagte das Mädchen. „Ja, das kannst du gern“, sagte die Prinzessin und nahm den goldenen Apfel. Als aber das Mädchen in die Kammer des Prinzen kam, war der fest eingeschlafen; sie rief und rüttelte ihn und weinte und jammerte; aber sie konnte ihn nicht aufwecken. Am Morgen, als es hell wurde, kam die Prinzessin mit der langen Nase und jagte sie wieder hinaus.
Auch an diesem Tage setzte sich das Mädchen wieder unter die Fenster des Schlosses und wand Garn auf ihre goldene Haspel, und nun geschah es wieder ebenso wie am Vortag. Die Prinzessin fragte sie, was sie für die Haspel haben wolle; aber das Mädchen sagte, sie sei weder mit Gold noch mit Geld zu bezahlen; wenn sie aber noch eine Nacht bei dem Prinzen schlafen dürfe, so solle die Prinzessin sie haben. Die war sogleich einverstanden und nahm die goldene Haspel. Als aber das Mädchen in die Kammer kam, war der Prinz wieder fest eingeschlafen; und wie viel sie auch rief und rüttelte und weinte und jammerte, so konnte sie ihn doch nicht aufwecken; und am Morgen, als es hell wurde, kam die Prinzessin mit der langen Nase und jagte sie wieder hinaus.
An diesem Tag setzte sich das Mädchen mit ihrem goldenen Rocken unter die Fenster und spann. Als die Prinzessin mit der langen Nase den Rocken sah, wollte sie den auch gern haben; sie machte das Fenster auf und fragte das Mädchen, was sie dafür haben wolle. Das Mädchen sagte aber wieder, mit Gold und Geld sei er nicht zu bezahlen; wenn die Prinzessin sie aber noch eine Nacht bei dem Prinzen schlafen lassen wolle, dann solle sie ihn haben. Ja, das dürfe sie gern, sagte die Prinzessin und nahm den goldenen Rocken. Nun hatten aber einige Leute, die neben der Kammer des Prinzen schliefen, in den letzten zwei Nächten ein klägliches Rufen und Wimmern von einem Frauenzimmer drinnen gehört, und das erzählten sie am Morgen dem Prinzen. Als nun am Abend die Prinzessin mit der Suppe kam, die der Prinz immer zu essen pflegte, ehe er zu Bett ging, tat er, als ob er sie tränke, goss sie aber in Wirklichkeit hinter sich; denn er ahnte nun wohl, dass die Prinzessin einen Schlaftrunk hineingetan hatte.
Wie nun am Abend das Mädchen in die Kammer kam, war der Prinz noch wach und freute sich über alle Maßen, das Mädchen wieder zu sehen; und sie musste ihm nun erzählen, wie es ihr ergangen war und wie sie zum Schloss gekommen sei. Als sie ihm alles erzählt hatte, sagte er: „Du kommst gerade zur rechten Zeit, denn morgen soll meine Hochzeit mit der Prinzessin sein; aber ich mache mir nichts aus ihr und ihrer langen Nase, denn du bist die einzige, die ich haben will. Ich werde darum von der Prinzessin verlangen, dass sie die drei Talgflecke aus meinem Hemd wäscht. Darauf wird sie sich denn wohl einlassen, aber ich weiß, dass sie es nicht zustande bringt, denn die Flecke sind von deiner Hand darauf getröpfelt, und nur Christenhände können sie wieder auswaschen, nicht aber die Hände von solchem Trollpack wie sie. Ich werde sagen, ich wolle keine andere Braut haben als die, die das könne, und wenn sie es dann alle vergeblich versucht haben, dann werde ich dich rufen, damit du es. auch versuchst.“ Hierauf brachten sie die Nacht munter und vergnügt miteinander zu.
Als aber am nächsten Tag die Hochzeit sein sollte, sagte der Prinz: „Ich möchte doch erst sehen, wozu meine Braut taugt.“ Das sei nicht mehr als billig, meinte die Stiefmutter. „Ich habe ein sehr schönes Hemd“, sagte der Prinz, „und das möchte ich gern auf der Hochzeit tragen; aber nun sind mir drei Talgflecke hineingekommen, die wollt‘ ich gern wieder ausgewaschen haben. Darum habe ich mir vorgenommen, keine andere zu heiraten, als die, die das kann.“
Ei nun, das sei ja nicht so gefährlich, meinten die Frauen und gingen darauf ein; und die Prinzessin mit der langen Nase fing an zu waschen, was sie nur konnte, aber je länger sie wusch, desto größer und schwärzer wurden die Flecke. „Ach, du verstehst dich nicht darauf, sagte das alte Trollweib, ihre Mutter, „gib mal her!“ Als aber die nun das Hemd bekam, wurde es noch schwärzer, und je mehr sie es wusch und rieb, desto größer wurden die Flecke. Nun sollten die anderen Trollweiber das Hemd waschen, aber je länger sie es wuschen, desto abscheulicher wurde es, und zuletzt sah das ganze Hemd aus, als hätte es im Schornstein gehangen. „Ach, ihr taugt alle nicht dazu!“ sagte der Prinz. „Da sitzt ein armes Bettlermädchen unter den Fenstern, ich bin gewiss, die versteht sich besser aufs Waschen als ihr alle zusammen. Komm mal her, Mädchen!“ rief er, und als sie kam, fragte er sie: „Kannst du wohl das Hemd da rein waschen?“ – „Ich weiß nicht“, sagte das Mädchen, „aber ich denke wohl.“
Das Mädchen nahm nun das Hemd und fing an zu waschen, und da wurde es unter ihren Händen so weiß wie frisch gefallener Schnee und noch weißer. „Ja, dich will ich haben!“ sagte der Prinz. Da wurde das alte Trollweib so wütend, dass es barst; und die Prinzessin mit der langen Nase und das andere Trollpack, glaub ich, sind auch geborsten; denn ich habe nachher nie wieder von ihnen gehört. Der Prinz und seine Braut ließen nun alle Christen frei, die im Schloss gefangen waren; darauf nahmen sie so viel Gold und Silber, wie sie nur fortschaffen konnten, und zogen weit weg von dem Schloss, das östlich von der Sonne und westlich vom Mond lag. Wie sie aber fort gekommen und wo sie hingezogen sind, das weiß ich nicht.

Norwegen

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