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Peter Ochs

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Es waren einmal ein Paar Bauersleute in Jütland, die zwar einen recht guten Bauernhof, aber keine Kinder hatten. Da saßen sie oft beisammen und beklagten sich darüber, daß sie aber auch gar keine Angehörigen besaßen, denen sie einmal all‘ ihren Wohlstand, in dem sie jetzt so warm drin saßen, hinterlassen konnten. So stand es mit ihnen und sie wurden reich – aber es war niemand da, der den großen Reichthum erben sollte!
Eines Jahres schaffte sich der Mann ein schönes Stierkalb an, das nannten sie Peter. Und es war wirklich das prächtigste Stück Vieh, das man je gesehen; so schön und so gescheidt war es, daß es alles verstand, was man zu ihm sagte. Dabei war es so zuthunlich und so lustig, daß es sowohl der Mann als auch die Frau bald so lieb gewannen, als wäre es ihr eigenes Kind.
Eines Tages sagte der Mann zu seiner Frau: »Vielleicht könnte unser Küster dem Peter gar das Reden lehren; denn dann könnten wir nichts besseres thun, als ihn an Kindesstatt annehmen und er könnte dann einmal alles erben, was uns gehört und was wir haben.« – »Ja, wer kann es denn wissen!« antwortete die Frau; »unser Küster ist ja doch sonst ein so gescheidter Mann, der etwas mehr als sein Vaterunser versteht, und ich möchte glauben, daß er unserm Peter auch noch das Reden wird lehren können, denn der Peter hat ja einen so ausgezeichnet guten Kopf aufsitzen! – Väterchen, du könntest den Küster ja einmal fragen!«
Und der Mann stolperte richtig hinauf zu dem Küster und fragte ihn, ob er nicht glaubte, seinem Kalb das Reden lehren zu können, weil er dieses gar zu gerne als seinen Erben einsetzen möchte. Der Küster war nicht so dumm als er ausschaute, er sah sich vorsichtig um, ob niemand in der Nähe wäre, der sie hören könnte und dann sagte er, daß er es schon könne: »Nur darfst du es niemandem sagen,« flüsterte er ihm zu, »denn es muß mit der größten Heimlichkeit geschehen, und der Pfarrer darf durchaus nichts davon erfahren, sonst käme ich in die gräßlichsten Verlegenheiten, weil es eigentlich eine verbotene Sache ist. Und es wird auch ein schönes Stück Geld kosten, weil man dazu ganz besonders kostbare und seltene Bücher braucht.« – »Ja, das ist alles Eins,« sagte der Mann, »es kommt mir nicht so genau darauf an, was es kostet;« dann sagte er noch, daß er fürs erste hundert Thaler um die Bücher anzuschaffen hergeben wolle, und versprach vollkommen reinen Mund zu halten, sowie auch, daß er gegen Abend mit seinem Kalb wiederkommen werde.
Darauf gab er dem Küster die hundert Thaler und brachte abends das Kalb selbst zu ihm hin, und der Küster versprach, sein Bestes thun zu wollen. Nach etwa acht Tagen kam der Bauer wiederum, um sein Kalb zu hören und zu sehen wie es ihm ginge. Aber der Küster sagte, daß er es noch nicht sehen dürfe, sonst bekäme der Peter zu großes Heimweh und möchte am Ende alles wieder vergessen, was er schon gelernt habe. Sonst ginge es aber recht gut mit dem Lernen, aber der Bauer müsse noch mit weiteren hundert Thalern herausrücken, weil der Peter noch mehr Bücher brauche. Der hatte das Geld gerade bei sich und gab es dem Küster und ging wieder voll der schönsten Hoffnungen nach Hause.
Und nachdem abermals acht Tage vorüber waren, ging der Mann wieder zum Küster um sich zu erkundigen, welche Fortschritte der Peter bis jetzt gemacht habe. Es ginge schon leidlich gut, sagte der Küster. »Ja, kann er denn schon etwas reden?« fragte der Bauer. »Ja,« antwortete der Küster, »er kann »Meh« sagen.« – »Ach, das arme Vieh ist gewiß krank!« rief der Bauer aus; »Meth wird der Peter wollen! Da muß ich ihm doch gleich einen Krug voll holen und ihm eingeben.« – »Da thust du wohl daran,« sagte der Küster drauf, »der wird dem Peter sicherlich gut thun.« Und noch am gleichen Tag brachte der Bauer einen ganzen Krug voll guten alten Meth daher. Den trank aber der Küster selbst und gab dem Kalb lieber Milch, die diesem gewiß besser that als der Meth, wie er glaubte.
Acht Tage später kam der Mann wieder, um zu erfahren, was Peter jetzt sagen könnte. »Er will noch immer nichts anderes sagen als: Meh!« sagte der Küster. »Ah! das ist doch ein feiner Schelm,« rief der Bauer aus, »also will er noch mehr Meth haben? – Nun, den will ich ihm wahrhaftig gerne kaufen, wenn er ihm nur schmeckt. – Aber wie geht’s denn sonst mit dem Lernen?« – »Ja,« antwortete der Küster, »er ist so weit gekommen, daß er noch um hundert Thaler Bücher braucht, denn er kann aus den Büchern, die er schon bekommen hat, nichts Richtiges mehr lernen.« – »Nun ja!« antwortete der Bauer, »was er braucht, das soll er auch haben.« Am gleichen Tag brachte er dann dem Küster noch die dritten hundert Thaler für Bücher und einen Krug mit gutem alten Meth für den Peter.
Dann vergingen einige Wochen, ohne daß sich der Mann nach dem Peter erkundigt hätte, denn er hatte schon eine gewisse Angst davor, daß ihm dies neue hundert Thaler kosten würde; und die hätte er nur mehr mit Sträuben hergegeben, denn es that ihm allmählich leid um das viele schöne Geld, das ihm Peters Unterricht schon kostete. Inzwischen meinte der Küster, das Kalb sei jetzt so fett geworden, als es überhaupt fett werden konnte, und darum schlachtete er es. Und als er dann alles Fleisch vorsichtig auf die Seite gebracht hatte, ging er hin und zog seine schwarzen Kleider an und ging dann zu den Bauersleuten hin. Sobald er ihnen einen »Guten Tag« gewünscht hatte, sagte er: »Der Peter ist doch wohl schon zu Euch da heim gekommen?« – »Nein, wahrhaftig nicht!« erwiderte der Bauer, – »er wird doch nicht davongelaufen sein?« – »Ah, ich will nicht hoffen,« – antwortete der Küster darauf, – »daß er jetzt, nachdem ich mir so viel Mühe mit ihm gegeben und ihm etwas Richtiges gelernt habe, noch so heimtückisch böse sein sollte und mein Vertrauen so mißbrauchen würde! Denn ich habe mindestens noch hundert Thaler von meinem eigenen Geld zu Büchern für ihn ausgelegt, bis ich ihn endlich so weit brachte. Nun konnte Peter schon alles reden, was nur vorkam und was er nur wollte; und so sagte er heute, daß er sich schon gar so sehr sehne, seine Eltern einmal wiederzusehen. Da ich ihm das Vergnügen gern bereiten wollte, aber fürchtete, daß er sich nicht allein heimfinden würde, so machte ich mich fertig, zog mich an und wollte ihn begleiten. Als wir aber vor dem Hausthor waren, fiel es mir plötzlich ein, daß ich meinen Stock daheim vergessen habe und so lief ich gleich zurück um ihn zu holen. Als ich aber wieder zum Hause herauskam, war Peter auf eigene Faust seiner Wege gelaufen. Da glaubte ich nicht anders, als daß er hieher zu Euch gelaufen sein muß. Sonst wüßte ich nicht, wo er sein könnte.«
Da begannen die Leute zu jammern und zu klagen, weil Peter gerade jetzt verloren ging, jetzt, da sie Freude an ihm hätten erleben können und nachdem sie so viel Geld für seine Studien ausgegeben hatten. Und was das Schlimmste war, sie hatten jetzt doch wieder keinen Erben. Der Küster versuchte sie zu trösten so gut er konnte und war auch sehr traurig darüber, daß sich Peter so aufführte und ihm jetzt, da er seinem Lehrer so viel Ehre hätte machen können, so etwas anthat. Aber er hat sich vielleicht nur verirrt, meinte der Küster und versprach ihn am nächsten Sonntag in der Kirche öffentlich zu verlesen, ob er nicht vielleicht von jemand gesehen worden sei. Dann sagte er ihnen »Lebewohl« und ging heim und verspeiste einen guten, fetten Kalbsbraten.
Eines Tags las der Küster, der sich Zeitungen hielt, zufällig, daß sich in einer Stadt ein neuer Kaufmann namens Peter Ochs niedergelassen habe. Da steckte er das Zeitungsblatt in die Tasche und ging sogleich zu den betrübten Bauersleuten, die ihren Erben verloren hatten, hinüber. Er las ihnen diese Notiz vor und sagte dann: »Man könnte beinahe glauben, daß das Euer Peter Kalb ist.« – »Ja, ganz gewiß!« rief der Bauer aus, »wer sollte es denn sonst sein?« – Jetzt sagte auch die Frau: »Ja, Väterchen, jetzt mußt du fort und ihn besuchen, denn ich weiß ganz bestimmt, daß es nur unser Peter sein kann. Aber du mußt tüchtig Geld mitnehmen, denn wer weiß, ob er es nicht recht nothwendig braucht, jetzt, da er ein Kaufmann geworden ist.«
Andern Tags nahm der Bauer einen Sack voll Geld auf die Schulter, steckte ein Butterbrod in die Tasche und seine Pfeife in den Mund, und so reiste er fort in die Stadt, in der der neue Kaufmann wohnte. Es war das durchaus kein kurzer Weg und er mußte viele Tage lang reisen, bis er endlich eines Morgens bei Tagesanbruch dort anlangte; und er kam an Ort und Stelle und fragte, ob der Kaufmann zu Hause sei. »Ja,« antworteten ihm die Hausleute, aber er sei noch nicht aufgestanden. »O, das macht gar nichts, denn ich bin ja sein Vater!« sagte der Bauer, »führt mich nur hinauf zu ihm.«
Und man führte ihn hinauf in die Schlafkammer des Kaufmanns, der noch ledig war und allein in der Kammer schlief. Und sobald ihn der Bauer erblickte, erkannte er seinen Peter sogleich wieder; das war ja dieselbe breite Stirne und derselbe dicke Hals mit dem starken Nacken und dieselben rothen Haare, aber sonst sah er jetzt ganz wie ein Mensch aus. Er ging gleich zu ihm hin und wünschte ihm einen guten Morgen und sagte: »Na, Peter, was hast du uns für einen Kummer bereitet, sowohl mir als deiner Mutter, weil du gerade damals davongerannt bist, als wir dir etwas lernen ließen! Jetzt aber schaue nur, daß du auf die Beine kommst, daß ich dich einmal recht sehen und mit dir plaudern kann!«
Der Kaufmann glaubte nicht anders, als daß er einen Verrückten vor sich habe, der zu ihm hereingeschlüpft sei und hielt es für das Klügste, sich ruhig zu verhalten. »Ja wohl, jetzt stehe ich gleich auf!« sagte er und sprang aus dem Bett heraus und tummelte sich in seine Kleider zu kommen. »Ah,« sagte der Bauer, »jetzt sehe ich erst, was unser Küster für ein gescheidter Mann ist, er hat dich ja hergerichtet, daß du aussiehst wie jeder andere Mensch! Wenn man es nicht gewiß wüßte, so könnte es einem wahrlich im Traume nicht einfallen, daß du das Kalb bist, das wir von der rothen Kuh bekamen. – Willst du jetzt mit nach Hause kommen?« Nein, sagte der Kaufmann, er hätte gerade keine Zeit, denn er habe in seinem großen Geschäft zu arbeiten. »Ja, – aber du könntest gleich unsern Hof übernehmen,« sagte der Mann, »und wir Alten würden uns zur Ruhe zurückziehen. Aber wenn du lieber beim Handel bleibst, so ist es mir auch recht. – Geht dir gar nichts ab?« fragte der Bauer noch zum Schluß. »Je nun,« meinte der Kaufmann, es ginge ihm nichts ab als Geld, das ja ein Kaufmann immer brauche. »Das habe ich mir auch denken können!« rief der Bauer aus. »Du hättest ja auch rein gar nichts zum Anfangen, drum habe ich dir auch gleich etwas Geld mitgebracht.« Und damit leerte er seinen Geldsack auf den Tisch, der ganz voll mit lauter blanken Thalern bedeckt wurde.
Als der Kaufmann sah, was das für ein Mann war, den er vor sich hatte, plauderte er ungemein freundlich mit ihm und bat ihn, doch einige Tage da bei ihm zu bleiben, damit sie noch mehr mit einander plaudern könnten. »Ja wohl,« sagte der Bauer, »aber du mußt mich von jetzt an Vater nennen.« – »Ich habe aber weder Vater noch Mutter am Leben,« antwortete Peter Ochs. »Das weiß ich ja ohnehin,« sagte der Bauer drauf, »denn dein rechter Vater ist im vorigen Jahr am Michelstag nach Hamburg verkauft worden und deine rechte Mutter ist im Frühling beim Kalben draufgegangen; aber ich und die Mutter, nämlich mein Weib, wir haben dich ja an Kindesstatt angenommen und du bist unser einziger Erbe, und drum mußt du mich jetzt auch Vater nennen.«
Dazu erklärte der Kaufmann sich gern bereit und behielt den Sack voll Geld, und der Bauer machte noch sein Testament und verschrieb all‘ sein Hab und Gut nach seinem Tode dem Peter, bevor er wieder zu seiner Frau nach Hause reiste und ihr das Ganze erzählte. Und sie wurde seelenfroh, als sie vernahm, daß es wirklich seine Richtigkeit damit hatte, daß der Kaufmann Peter Ochs ihr eigenes Kalb war. »Das mußt du jetzt gleich dem Küster erzählen,« sagte sie, »und ihm die hundert Thaler, die er aus eigenem Säckel für unsern Sohn ausgelegt hat, vergüten; denn er hat es ehrlich verdient und noch mehr für all‘ die Freude, die er uns dadurch in unsern alten Tagen bereitet hat, daß wir einen solchen Sohn und Erben bekamen.« Und ihr Mann war derselben Meinung und ging zu dem Küster hin und dankte ihm vielmals für all‘ das Gute, das er ihnen erwiesen, und gab ihm zweihundert Thaler. Und dann verkaufte er seinen Hof und alles Besitzthum und zog mit seiner Frau in dieselbe Stadt, in der ihr geliebter Sohn und Erbe wohnte, und den sie aus lauter Liebe gar nicht mehr aus den Augen lassen konnten. Und dem gaben sie dann das ganze Geld und blieben bei ihm bis an ihr Ende.

[Dänemark: Svend Grundtvig: Dänische Volksmärchen]

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