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Prinzessin Perle

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In alten Zeiten lebte einmal ein König, dessen sehnlichster Wunsch es war, die Frau fürs Leben zu finden. Aus diesem Grunde reiste er in seiner Kutsche durchs ganze Land und hielt Ausschau. Wohin er auch kam, eine Frau schien hübscher wie die andere zu sein. Die Auswahl wurde ihm zur Qual. Als sich nämlich die Ankunft des Königs in den Dörfern herumsprach, traten ihm makellos geschminkte und frisierte Frauen in ihren schönsten Kleidern entgegen.
In einem kleinen Ort fielen dem König zwei Frauen besonders auf: die eine war eine natürliche Schönheit mit einem bezaubernden Lächeln, die andere hingegen war von ungewöhnlicher, fast überirdischer Schönheit und trug das prunkvollste Gewand, das er je gesehen hatte. Bei ihr hatte er den Eindruck, als sei sie bereits eine Königin. Trotzdem entschied er sich für die erste Frau. Es war Liebe auf den ersten Blick.

Nach der Rückkehr in seinen Palast wurde ein großes Hochzeitsfest gefeiert, zu welchem alle Bewohner des kleinen Dorfes, aus dem die zukünftige Königin stammte, geladen waren.
Auch jene Frau, die alle anderen Frauen aufgrund ihrer Schönheit in den Schatten stellte, ließ es sich nicht nehmen, dem Brautpaar zu gratulieren. Was aber keiner wusste – sie war eine Hexe. Sie trat vor den König und sprach mit höhnischer Stimme: „Ich sollte Euch wohl gratulieren! Schade, dass Ihr nicht mich zu Eurer Gemahlin auserwählt habt. Deshalb verfluche ich Eure Tochter, welche die Königin gebären wird. All ihre Tränen werden sich in Perlen verwandeln. Ob es so bleibt, liegt allein in Eurer Hand, Herr König!“
Mit diesen Worten rauschte die neidische Frau mit hocherhobenem Haupte aus dem Thronsaal.

Und wirklich, es trug sich genauso zu, wie es die Hexe vorausgesagt hatte. Nach neun Monaten gebar die Königin eine wunderschöne Tochter. Sie war das wertvollste Geschenk ihrer Eltern, und der König schwor, er würde alles unternehmen, damit seine Prinzessin glücklich wurde.
Im Königreich hatte sich der Fluch der Königstochter herumgesprochen. Darum wurde sie vom Volk Prinzessin Perle genannt.
Gespannt warteten alle auf die erste Träne, die auch nicht lange auf sich warten ließ. Um so mehr bangte das Königspaar um ihren Liebling, als sie sahen, dass sich jede Träne augenblicklich in eine glänzende Perle verwandelte. Zuerst sammelten sie alle Perlen in einen Korb und versuchten das Vorkommnis geheim zu halten. Doch mit der Zeit quoll der Korb fast über mit dem edlen Zirat. Der König verstaute ihn in seiner Schatzkammer. Schließlich wusste das gesamte Volk über das Schicksal der Königstochter Bescheid und Räuber lauerten an jeder Straßenecke.

Die Prinzessin wuchs zu einer wunderschönen jungen Frau heran, während der König im Laufe der Jahre einer der reichsten geworden war. Da war es doch nur verständlich, dass der König bangte, die Männer würden sich eher in seine Schatzkammer als seine Prinzessin verlieben. Doch da seine Tochter im heiratsfähigen Alter war, musste er sich dieser schwierigen Aufgabe stellen.
Seine Angst war berechtigt. Scharen von Männern, die um die Hand von Prinzessin Perle anhielten, strömten zum Schloss. Wieder stand der König vor der Wahl, den richtigen Gemahl auszusuchen. Keiner von den Männern schien ihm würdig zu sein. Also stellte er die Freier vor eine harte Probe und verkündete: „Derjenige, der ein Jahr lang mit meiner Tochter in einer armseligen Hütte leben würde, bekäme sie zur Frau.“
„Nichts leichter als das!“, dachten sich viele Männer. Im Hinterkopf hatten sie nur einen Gedanken: „Wenn es uns nur schlecht genug ergeht, wird die Prinzessin anfangen zu weinen. Je mehr sie weint, um so reicher werden wir!“
Aber diese Männer hatten die Rechnung ohne den König gemacht. Er stellte noch eine weitere Bedingung: „Sollte meine Tochter auch nur eine einzige Träne vergießen, kehrt sie sofort zum Schloss zurück!“
Nur mehr eine Handvoll Männer traute sich diese Aufgabe zu. Als der König dann noch hinzufügte: „Der Versager aber erhält ein Plätzchen im königlichen Verlies!“, wagte es plötzlich keiner mehr, sich der schwierigen Prüfung zu stellen. Der Preis war ihnen schlussendlich zu hoch.

Auf dem Lande lebte ein armer, gutmütiger Bursche. Als er von der Verkündung des Königs hörte, trat er beherzt vor den König und sagte mit freundlicher Stimme: „Ich lade Eure Tochter herzlich ein, zu mir zu ziehen. Ich kann ihr zwar nicht viel bieten, gerade mal ein Dach über den Kopf. Leben müssen wir von dem, was uns die Natur gibt. Aber dafür schenke ich ihr meine Zeit und werde sie gut behandeln.“
Dem König gefiel das ungezwungene und ehrliche Auftreten des jungen Burschen. Da auch Prinzessin Perle bei seinen Worten warm ums Herz wurde, begleitete sie ihn.

Ein Jahr war schnell vorbei. Die Sehnsucht des Königspaares nach ihrer Tochter war riesengroß, sodass es sich in die Kutsche setzte und zur Hütte des Burschen fuhr.
Schon von weitem erkannte die Königin ihre Tochter, die mit einem Spaten in der Hand im Garten stand. Auf dem Kopf trug sie ein Tuch, um die Taille eine Schürze. Die Sonne brannte heiß vom Himmel. Der Bursche kniete am Boden und sammelte Kartoffeln in eine Kiste. Während er ein Lied vor sich her summte, lächelte Prinzessin Perle und schaute ihn verträumt an.
Der König und die Königin stiegen aus der Kutsche. Die Wiedersehensfreude war groß. Prinzessin Perle weinte Freudentränen. Doch zum Erstaunen aller erstarrte keine einzige Träne zu einer Perle. Die Königstochter fasste sich erstaunt ins Gesicht, der Bursche wischte ihr mit seinen erdigen Händen lächelnd die warmen Tränen von den Wangen.
Dann setzten sich alle in der kleinen Hütte um den runden Eichentisch. Es gab so viel zu erzählen. Gespannt warteten der König und die Königin darauf, zu erfahren, was ihre Tochter im letzten Jahr alles erlebt hatte, wie es ihr ergangen war.
Das Mädchen erschrak, als es hörte, dass das Jahr bereits vorüber war. Die Zeit war wie im Flug vergangen. Prinzessin Perle erging es besser als je zuvor. Der junge Mann war der gütigste und warmherzigste Mensch, den sie je kennengelernt hatte, obwohl er nicht viel sein Eigen nennen konnte. Jeden Tag brachte er sie zum Lachen. Nun fiel ihr auf, dass sie schon seit ewigen Zeiten nicht mehr geweint hatte.
Der König besann sich auf die Worte der Hexe. Wurde seine Tochter erlöst, weil sie einen ehrlichen, einfachen Mann gefunden hatte, dem Reichtum nichts bedeutete? So musste es wohl sein! Jedenfalls willigte das Königspaar von Herzen in die Heirat ein. Das war einer der glücklichsten Tage im Leben der Königstochter.

Und wieder wurde im Schloss ein prächtiges Hochzeitsfest gefeiert, zu dem es viele Geladene gab. Am späten Abend sprang die Tür auf und keine Geringere als die Hexe kam hereinstolziert. Sie trat vor das junge Brautpaar und sprach: „Ich gratuliere dir Prinzessin Perle! Du hast den Fluch mit Hilfe eines einfachen Burschen aufheben können. Schade, sehr schade! Ich hätte euch liebend gern allesamt tot gesehen. Raub und Mord liegen ja, ach, so dicht beieinander!“
Bevor die Frau den nächsten bösartigen Satz von sich geben konnte, gab der König den Wachen ein Zeichen, welche sofort auf die Hexe zueilten. Doch sie verschwand so schnell, wie sie erschienen war und wurde nie wieder gesehen.
Der abgedankte König schenkte dem jungen Paar die zwei Körbe gefüllt mit den Perlen, die seine Tochter früher geweint hatte. Sie waren groß wie Wachteleier. Die junge Königin dachte jedoch an die Worte der Hexe und ordnete an, die Perlen aufs Meer hinauszubringen und darin zu versenken. Noch heut tauchen Menschen nach ihnen, finden jedoch nur selten eine Perle solcher Größe, genannt – die Träne der jungen Königin Perle.

Quelle: Karmen Kofler

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