Zur gleichen Zeit saß der Weihnachtsmann abfahrbereit auf seinem Schlitten, um den Erdenkindern ihre Geschenke zu bringen. Er wartete nur noch auf das Einspannen seiner sechs Rentiere, dann sollte es losgehen. Dem Weihnachtsmann ging es nicht besonders gut. Er fühlte sich alt, sehr müde, hatte trübe Augen und Ohrenschmerzen, aber Gott sei dank kein Fieber. Das war aber nicht weiter schlimm, denn die Tiere kannten den Weg. Die Bescherung würde wie immer nur eine Nacht dauern, danach konnte er sich auskurieren. Damit ihm die lange Fahrt zur Erde nicht zu langweilig wurde, hatte er sich vorgenommen, ein Gedicht zu reimen, das er am Weihnachtsfest den Engeln vortragen wollte.
Lea, Bea und Thea, die wildesten Engelchen aller Engelscharen saßen auf ihren Sternschnuppen und umkreisten den Schlitten vom Weihnachtsmann. Die drei waren für ihren Schabernack gut bekannt.
„Ihr lacht, als hättet ihr schon wieder etwas angestellt“, rief der Weihnachtsmann den Engeln zu.
„Aber wir doch nicht“, kicherten sie noch mehr und kuschelten sich in ihre Sternschnuppen.
Mittlerweile waren die Tiere eingespannt und die Fahrt zur Erde konnte beginnen. Es gab einen mächtigen Ruck. Der Weihnachtsmann schloss seine Augen und begann zu dichten.
Heilig Abend ist nun da.
Fröhlich jauchzt die Kinderschar.
Omas, Opas, Tanten, Neffen,
keiner wird von mir vergessen.
Besinnliche Stunden,
in frohen Runden
wünscht allen Leut`
der Weihnachtsmann heut.
Und weil dichten so müde macht, war der Weihnachtsmann alsbald eingeschlafen.
Als er wach wurde, traute er seinen Augen nicht. Unter ihm leuchteten nicht die vielen Lichter der Erde, sondern er umkreiste, wer weiß wie lange schon, den Mond. Er rief seine Tiere einzeln beim Namen, aber sie reagierten nicht. Er putzte seine Brille und sah ganz genau hin. Nun wusste er, warum die Engelchen so schelmisch gelacht hatten. Der Stallbursche hatte ihm sechs junge, stürmische Tiere vorgespannt, die den Weg zur Erde nicht kannten. Vor Schreck riss er die Zügel herum. Der Schlitten kippte zur Seite und der Sack mit den Geschenken plumpste dem Mond direkt auf die Nase. Der Weihnachtsmann bekam sein Gefährt nicht mehr in den Griff und landete unsanft samt Schlitten und Rentieren auf dem Mond.
Die Fee Ragnar hatte den Weihnachtsmann bei den Umrundungen des Mondes erstaunt beobachtet. Sie saß hinter einem großen Stein und sah, wie der Schlitten genau vor ihren Augen abstürzte. Langsam ging sie näher.
„Nanu, lieber Weihnachtsmann“, sagte sie, „dass du mir selbst die Geschenke bringst, war wirklich nicht nötig!“
„Von wegen Geschenke! Der Sack liegt genau auf der Nase des Mondes. Mein Kommen war nicht geplant, sondern ein Versehen“, schimpfte er.
„Bei mir auch“, lachte die Fee. „Ich habe mich selbst auf den Mond gezaubert und nun komme ich nicht mehr von hier weg. Vielleicht finden wir gemeinsam eine Lösung!“
„Glaubst du das wirklich?“, fragte der Weihnachtsmann hoffnungsvoll.
„Ein bisschen zaubern kann ich noch. Lass es mich versuchen!“, schlug Ragnar vor.
„Zauber mir bitte die Geschenke wieder her, denn die Nase des Mondes hängt genau über einem tiefen Krater. Da komme ich nicht ran ohne abzustürzen“, bat der Weihnachtsmann.
Gemeinsam gingen sie ganz nahe an die Nase des Mondes heran.
Der Mond war krank und schlecht gelaunt. Seine Augen tränten und die Nase triefte. Jedes Mal, wenn er niesen musste, hüpfte der Sack in die Höhe und fiel auf die Nase zurück.
„Aua!“, schrie der Mond. „Nicht genug, dass Ragnar mir den letzten Nerv tötet, weil Frauen ja immer soviel zu erzählen haben, jetzt taucht der Weihnachtsmann auch noch persönlich hier auf. Hol mir endlich dieses Ding von meiner Nase! Und dann verschwindet. Am besten alle beide!“
„Lass mich mal versuchen“, meinte die Fee. Sie murmelte eine Formel und der Sack hängte sich augenblicklich über ein Ohr des Mondes. Jetzt konnte ihn niemand mehr erreichen. Er war für immer verloren.
„Du bist mir ja eine schöne Zauberin. Und was nun?“, schimpfte der Weihnachtsmann.
Ragnar sprach eine andere Formel, hielt plötzlich einen Zaubersack in beiden Händen und die Spielsachen aus dem Sack am Ohr des Mondes flossen begleitet von kleinen Sternen in den neuen. Der Mond atmete erleichtert auf, schließlich wog der Sack so einiges.
„Wir sind gerettet“, jubelten beide und fielen sich in die Arme.
„Halt, langsam!“, rief Ragnar dem Weihnachtsmann zu, der auf der Stelle abfahren wollte.
„Ich muss mich noch vom Mond verabschieden. Auch wenn er seit seiner Erkältung schlecht gelaunt ist, so hat er mich doch liebevoll aufgenommen.“
„Machs gut!“, rief sie ihm zu. „Gute Besserung und danke, für alles!“
Der Mond brummte irgendetwas, aber Ragnar verstand es nicht mehr, denn der Weihnachtsmann hatte es furchtbar eilig auf die Erde zu kommen. Sie konnte nur noch winken.
Der Weihnachtsman brachte Ragnar ins Land der Feen zurück. Die Menschenkinder bekamen noch rechtzeitig ihre Geschenke. Am Heilig Abend sagte der Weihnachtsmann mit triefender Schnupfnase und heiserer Stimme sein noch fertig gewordenes Gedicht auf. Lea, Bea und Thea bekamen zur Strafe Himmelsarrest, nicht nur, weil sie den Stallburschen überredet hatten, dem Weihnachtsmann unerfahrende Tiere vor den Schlitten zu spannen, sondern auch, weil sie über die Vortragsweise des Weihnachtsgedichtes gekichert hatten. Da verging ihnen das Lachen für einige Zeit. Und wenn Ragnar und die anderen Feen abends den Mond betrachteten, sahen sie über seinem Ohr den leeren Sack vom Weihnachtsmann hängen.